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Schreiend komisch und manchmal tieftraurig
Als Will Miller sieben Jahre alt ist, stirbt seine Mutter. Während sich sein hünenhafter Vater Big Bill mit Bodybuilding weitere Muskeln antrainiert und seine beiden unterbelichteten Brüder es ihm gleichtun, hört Will auf zu wachsen. Das ändert sich erst an dem Tag, an dem Big Bill eine neue Frau heiratet und diese mit ihrer Tochter Lulu bei den Millers einzieht. Denn Will verliebt sich unsterblich in Lulu.
Fleisch und Bodybuilding - das sind die beiden Leidenschaften, denen Big Bill und die beiden Zwillingsbrüder Doug und Ross frönen. Will,
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Produktbeschreibung
Schreiend komisch und manchmal tieftraurig

Als Will Miller sieben Jahre alt ist, stirbt seine Mutter. Während sich sein hünenhafter Vater Big Bill mit Bodybuilding weitere Muskeln antrainiert und seine beiden unterbelichteten Brüder es ihm gleichtun, hört Will auf zu wachsen. Das ändert sich erst an dem Tag, an dem Big Bill eine neue Frau heiratet und diese mit ihrer Tochter Lulu bei den Millers einzieht. Denn Will verliebt sich unsterblich in Lulu.

Fleisch und Bodybuilding - das sind die beiden Leidenschaften, denen Big Bill und die beiden Zwillingsbrüder Doug und Ross frönen. Will, kurzsichtig und Vegetarier, hat es schwer in dieser Familie, in der zu Thanksgiving gleich mehrere Truthähne im Ofen schmoren. Als Lulu mit ihrer Mutter in die Familie zieht, fängt Will sofort Feuer: Obwohl er erst neun Jahre alt ist, weiß er, dass Lulu und er zusammengehören. Inniges Vertrauen, gemeinsame Interessen und eine ungeheure Anziehungskraft machen die beiden Heranwachsenden unzertrennlich. Doch als Lulu nach den Sommerferien in einem Cheerleadingcamp wieder nach Hause kommt, ist sie völlig verändert. Von Will möchte sie nichts mehr wissen. Doch der lässt nicht locker.

Hochkomisch und tieftraurig zugleich nimmt der Roman den Leser vom ersten Satz an gefangen. Wer John Irvings "Hotel New Hampshire" liebt, wird diesem Buch nicht widerstehen können.
Autorenporträt
Evison, Jonathan
Jonathan Evison, 1968 in San Jose, Kalifornien, geboren, wurde mit seinem Roman »Alles über Lulu« bekannt, für den er den Washington State Book Award erhielt. Er lebt mit seiner Familie in Bainbridge Island im Bundesstaat Washington.

Jakobeit, Brigitte
Brigitte Jakobeit lebt in Hamburg und überträgt seit 1990 englischsprachige Literatur ins Deutsche, u.a. Werke von William Trevor, Alistair MacLeod, Audrey Niffenegger und Jonathan Evison.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2011

Im Hotdog-Himmel

Eine Kindheit in einer Patchworkfamilie, die erste Liebe und die Jagd nach Antworten auf existentielle Fragen - Jonathan Evisons Debüt ist ein urkomischer und zugleich tragischer Roman voller Lebensweisheiten.

Inzest ist ein literarisch und filmisch vielfach verarbeitetes Thema. Doch es vermag noch immer zu faszinieren - vorausgesetzt, der Autor erspart dem Leser die üblichen Klischees von verbotener Liebe. So wie Jonathan Evison, der in seinem Erstling "Alles über Lulu" jenseits von Kitsch und Langeweile eine einzigartige Geschwisterliebe beschreibt.

Für Evison, der bereits seit der dritten Klasse nichts Geringeres als Schriftsteller werden wollte, verband sich mit diesem 2008 in den Vereinigten Staaten erschienenen Buch ein unerwarteter, hart erarbeiteter Erfolg. Zuvor waren seine Werke von zahlreichen Verlagen zunächst abgelehnt worden. Der Autor hatte sich seit seinem High-School-Abschluss mit diversen Jobs durchgeschlagen - unter anderem als Telefonverkäufer, Barmann und Aushilfe im Gemüsehandel. Doch mit "Alles über Lulu" schien das Glück bei Evison, der in zweiter Ehe verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes ist, endlich auch in beruflicher Hinsicht Einzug zu halten. Der 43 Jahre alte Schriftsteller lebt mit seiner Familie in Bainbridge Island bei Seattle und arbeitet inzwischen an seinem vierten Buch. Er ist zudem Herausgeber von "The Nervous Breakdown", einem Online-Magazin für Kunst und Kultur.

"Alles über Lulu" erzählt aus der Perspektive des neun Jahre alten Will Miller, der nach dem Tod seiner Mutter mit seinen beiden jüngeren Brüdern, den Zwillingen Ross und Doug, beim seinem vom Bodybuilding besessenen Vater aufwächst. Während sich der zarte, kurzsichtige Vegetarier Will weder in die Höhe noch in die Breite entwickeln will, wandelt Vater Big Bill seine Trauer in weitere Muskelmasse um. Auch die Zwillinge fühlen sich in bunten Neoprenanzügen pudelwohl und stemmen getreu dem Familienmotto "Ohne Fleiß kein Preis" eifrig Gewichte. Eine zweite Maxime könnte lauten "Du bist, was du isst", denn die Mahlzeiten der Millers bestehen zu Wills Leidwesen vorwiegend aus Fleisch.

Was wie eine klassische Außenseitergeschichte beginnt, nimmt eine erste interessante Wendung, als Big Bills Freundin Willow und deren Tochter Lulu zu den Millers ziehen. In Lulu findet Will einen Menschen, der ihn zutiefst fasziniert. Eine kindliche Romanze beginnt. Doch als Lulu eines Tages aus einem Ferienlager zurückkommt, scheint sie Will abgeschrieben zu haben. Will ahnt allerdings, dass seine Zuneigung nach wie vor nicht ganz einseitiger Natur ist. Ein Kampf beginnt, getrieben von einer wahnsinnigen Liebe, die zeitweise in Hass umschlägt. Doch Will verfolgt sein Ziel mit großer Hartnäckigkeit: Ohne Fleiß kein Preis.

Neben dem höchst komplizierten Verhältnis der beiden jungen Protagonisten ist der Konflikt zwischen selbstbestimmtem Handeln und dem Wirken der Schicksalskräfte das zentrale Thema des Romans. Er findet auffallend stark in körperlichen Aspekten Ausdruck: der Krebs, den die schöne, starke Mutter nicht zu besiegen vermag, oder das übertriebene Muskelaufbauprogramm des Vaters, das eines Tages zu einer Herzerkrankung und zu einem sichtbaren, äußerlichen Schrumpfen führt. Ebenso lassen sich Ross' exzentrische Stylings und Lulus Selbstzerstörung als Versuche der Selbstbestimmung deuten.

"Ohne Fleiß kein Preis" ist demnach nur eine mögliche Antwort auf existenzielle Fragen. Man sollte zudem niemals davon ausgehen, dass Vergangenheit und Zukunft übereinstimmen, stellt der Philosophie studierende Will fest und gibt damit David Hume recht. Mit dem ambivalenten Zusammenspiel von Determination und Selbstbestimmung beschäftigte sich Evison übrigens auch schon in seinem zweiten Roman "West of here", der zu Beginn dieses Jahres in deutscher Übersetzung erschien und viel gelobt wurde.

In "Alles über Lulu" ist die Triebkraft des Schaffens die Fähigkeit, zu träumen und den Dingen eine übergeordnete Bedeutung zuzuschreiben. Es geht darum, etwas aufzubauen. Wills Kommilitone Eugene möchte mit einer Imbiss-Kette namens "Hotdog Heaven" reich werden, während der Sonderling Claude Bell riesige Steindinosaurier in der Wüste errichtet. Lulu wiederum nähert sich langsam ihrem Wunsch, einmal direkt über einer Tankstelle zu wohnen, als sie nur noch wenige Straßen von einer entfernt lebt.

Dass der Roman bei all den beschwerlichen, teils tragischen Geschichten, die er erzählt, nicht an Leichtigkeit verliert, ist Evisons großartigem Humor zu verdanken. Nicht zuletzt deshalb wird der Autor häufig mit J. D. Salinger, Charles Dickens und John Irving verglichen. Evisons Sprache ist lakonisch, direkt und reich an klugem Witz. Insbesondere die Dialoge schmückt ein schier unerschöpflicher Proletarier-Wortschatz. Dass der äußerst lebendige Erzählfluss dennoch bisweilen ins Stocken gerät, ist der streckenweise etwas hölzernen Übersetzung geschuldet, durch die das englische Original immer wieder hindurchklingt.

Seltsam enttäuschend ist nur das abrupte Ende des Romans. Will erfährt, dass Lulu seine leibliche Halbschwester ist. Dies macht Wills jahrelange, kummervolle Bemühung um Lulu in wenigen Sätzen zunichte. Schicksal trifft Eigeninitiative: Das passt zwar zur Romanphilosophie, wirkt aber wenig überzeugend und so, als habe Evison seinen Roman möglichst rasch zu einem Ende führen wollen. Psychologisch etwas dürftig ist ebenso die Auflösung von Lulus Selbstzerstörungstrieb als Wunsch, sich für Will hässlich zu machen. Nach der letzten Seite bleiben ein schaler Nachgeschmack und der Eindruck, dass - auch wenn das klassische Happy End nicht mehr en vogue ist - diese Geschichte ein solches durchaus vertragen hätte.

ULRIKE SEIBOLD

Jonathan Evison: "Alles über Lulu". Roman.

Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2011. 384 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Warum eigentlich kein Happy-End? Das fragt sich Ulrike Seibold einmal mehr bei dieser Familiengeschichte. Zumal das Ende, das sich Jonathan Evison, eine Begabung, wie Seibold versichert, für seinen ersten Roman ausgedacht hat, auf die Rezensentin wie ein voreiliger Schluss wirkt. Zuvor allerdings überzeugt sie diese kindliche (Inzest-) Romanze durch ihre Ansiedlung jenseits von Kitschistan, durch Evisons Humor und sein sprachliches Talent. Evisons nicht eben leichtes Thema, der Konflikt zwischen Selbstbestimmung und Schicksal, erhält so eine unerwartete Qualität, findet sie.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das Buch ist mehr als nur eine Familiengeschichte mit Hippie-Hintergrund. Alles über Lulu ist ein hochliterarischer Roman." MDR Figaro 20111227