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Die mitreißende Geschichte einer Familie von Getriebenen
"Delphi" erzählt eine Familiensaga zwischen griechischen Tempeln, Jerusalemer Steinen und norddeutschen Deichen - mit farbenprächtigen Bildern, trockenem Humor und einer Feinfühligkeit, die in der jungen deutschen Literatur ihresgleichen sucht.
Alles beginnt in Delphi: Die verwackelten Bilder einer Amateurkamera zeigen einen Mann, der vor dem Apollontempel eine Rede hält. Zwei Kinder spielen zwischen den Ruinen der Orakelstätte. Es sind dieGeschwister Linda und Robbie, die von der Mutter gefilmt werden, während ihr Vater, ein
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Produktbeschreibung
Die mitreißende Geschichte einer Familie von Getriebenen

"Delphi" erzählt eine Familiensaga zwischen griechischen Tempeln, Jerusalemer Steinen und norddeutschen Deichen - mit farbenprächtigen Bildern, trockenem Humor und einer Feinfühligkeit, die in der jungen deutschen Literatur ihresgleichen sucht.

Alles beginnt in Delphi: Die verwackelten Bilder einer Amateurkamera zeigen einen Mann, der vor dem Apollontempel eine Rede hält. Zwei Kinder spielen zwischen den Ruinen der Orakelstätte. Es sind dieGeschwister Linda und Robbie, die von der Mutter gefilmt werden, während ihr Vater, ein Archäologe, sie in die antike Sagenwelt einführt. Die beiden jüngeren Schwestern sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren, und doch sind sie schon mit dabei, denn eine von ihnen ist die Erzählerin. Mühelos setzt sie sich über Zeit und Raum hinweg und entspinnt die Geschichte einer Familie von Getriebenen, die sich aufmachen, die Welt zu verstehen und ihre eigene Rolle darin zu finden. Der Vater has
Autorenporträt
Schwerdtfeger, MalinMalin Schwerdtfeger, 1972 geboren, studierte Judaistik und Islamwissenschaft und lebt als freie Autorin in Berlin. In Klagenfurt erhielt sie bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur 2000 einen Preis für eine der Erzählungen aus ihrem Debütband Leichte Mädchen (KiWi 614). Nach dem großen Erfolg ihres Romandebüts Café Saratoga ist Delphi ihr zweiter Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2004

Die talentierte Mrs. Ripley
Malin Schwerdtfegers Familienroman der Generation Nutella

"Es ist kein Zuckerschlecken, spätentwickelt zu sein und gleichzeitig frühvergreist", schrieb Malin Schwerdtfeger in ihrem klugen "Kursbuch"-Essay "Wir Nutellakinder". "Eine Generation, die nichts geerbt hat, weil ihre Eltern mit sich selbst beschäftigt sind, eine Generation, die nichts erfüllen muß und deshalb auch nicht verstoßen werden und neu anfangen kann, braucht ein wenig länger, bis sie sich erfunden hat."

Für Malin Schwerdtfeger sind alle Nachteile der Popliteratur - frühvergreiste Altklugheit, Dingfetischismus, kollektive Erinnerungsseligkeit - Vorboten eines unbewußten "Ripleytums". Wie der talentierte Mr. Ripley haben die Waisenkinder von 1968 von ihren Eltern weder Traditionen und Werte geerbt noch Erwartungen in die Wiege gelegt bekommen. Die Generationenkette ist gerissen, und so schließen sich die Nutella-Kinder, allein gelassen mit ihrer Freiheit und nach jedem Identitätsfummel haschend, ihren Großeltern an und füllen ihr Vakuum mit betulichen Erinnerungen an Schokoriegel (West) oder Mosaik-Heftchen (Ost). Wer die vorgezeichnete Lebensbahn verlassen will und sentimentale Nostalgie verachtet, erwirbt sich Attribute und Biographie eines Ichs am besten durch den Mord am bessergestellten Doppelgänger. "Erinnerungen sind für die Dummen"; begabte Kinder haben keine, jedenfalls keine eigenen.

"Delphi" ist der Familienroman dieser Generation Nutella, ohne die Ironie eines Florian Illies oder den verzweifelten Snobismus eines Christian Kracht. Die Pointe - und der Haken - dabei ist: Das Medium der Erinnerung, die anonyme Erzählerin, ist selber schon tot. Sie teilt dieses Schicksal (wie auch den Hang zur skurrilen Morbidität) mit Jens Behse, dem Erzähler von Marcus Jensens Roman "Oberland": Auch dieser mit seinen Achtundsechziger-Eltern hadernde Zivi lebte und starb ja für sein Credo "Souverän ist, wer tot guckt". "Nicht die Lebenden erzählen von den Toten", heißt es in "Delphi", "sondern umgekehrt": Offenbar sind die Kinder der Revolte mit dem Leben fertig, ehe es richtig begonnen hat.

In Schwerdtfegers Roman wachsen vier Kinder in der grenzenlosen Wohlstandsverwahrlosung einer exterritorialen Diplomatenwelt auf und verschwören sich, frei durch Raum und Zeit flottierend, zu einer autistischen Schicksalsgemeinschaft. Der Vater, ein Archäologe, der in Jerusalem, Delphi und auf dem Parnaß die Vergangenheit ausgräbt, ist in der Gegenwart fremd und selten zu Hause. Die hysterische, labile Mutter, von Haushalt, Kindererziehung und der nomadischen Existenz überfordert, sucht Ursprung und Heimat in einer chassidischen Sekte und muß am Ende mit Medikamenten ruhiggestellt werden.

So erfinden sich die Waisen-Geschwister in Villen und arkadischen Gärten früh ihre eigene Parallelwelt. Linda, das Wunderkind, "weiß alles und kann alles" und hält sich für unverwundbar. Schon als Zehnjährige studiert sie an der Jerusalemer Universität Ägyptologie, Ethnologie und Kabbala, schreibt Orakel in Hexametern und Hausarbeiten über Jeanne d'Arc. Mit Achtzehn bringt sie ihrem Nachbarn, P. S. Kotopoulis, Aprikosenopfer dar und beißt ihm einen Hemdenknopf weg; in der Liebe hat die überspannte Pythia nämlich wenig Glück. Robbie wacht eifersüchtig und herrisch über seine Schwester, die kleine Pepita verehrt sie abgöttisch.

Das fast inzestuös ineinander verkrallte Dreigestirn wird erst durch Francis gesprengt. Francis ist erst neunzehn und schon gutsituierter Antiquitätenhändler: ein frühvergreister Ripley, der Opium aus dem antiken Dreifuß raucht und mit altklugen Bonmots provoziert: "Frauen wollen Kinder gebären und keine Sterne. Schreiben ist unangenehm und anstrengend und im Grunde männlich. Man muß sich überwinden. Und das ist für den weiblichen Körper überhaupt nicht gesund."

Der Dandy behält recht: Das vierte, namenlose Kind wird erst nach seinem Tod Autorin. Die mythomane Erzählerin hat weder ein Gesicht noch eine eigene Geschichte; dafür kann sie die ganze Weltgeschichte im Zeitraffer sehen: Die Geschichte der Juden bis hin zur Intifada, die Mumien Ägyptens, Sagen und Götter der alten Griechen und auch die Wasserleichen, die Großvater Jopie auf seinem Seemannsfriedhof hinter dem Deich bestattet. Klaglos läßt sie sich von ihren Geschwistern übersehen und wegschubsen; ungerührt duldet, kaltblütig beschreibt sie Wahn und Zwangsneurosen ihrer Mutter, den strengen Pragmatismus von Großmutter Generosa und Lindas kapriziöse Exaltiertheiten. Sie ist die Idiotin der Familie und ihre getreue Chronistin, und wenn sie am Ende, durch Lindas Schuld, im Wattenmeer ertrinkt, ist auch das sub specie aeternitatis kein Unglück: Linda wird dadurch endlich erwachsen, "Delphi" zum mythologischen Bildungsroman. Alles, was geschieht, "selbst die kleinste Kleinigkeit", hinterläßt Spuren, die nicht getilgt werden und alles verändern können.

"Ein Chronist, der auf seine Erinnerungen angewiesen ist, kann sich selbst nicht trauen", heißt es im Prolog: Die Schwerkraft des Körpers fesselt ihn an Erde und Gegenwart. Das Leben ist eine Reihe von verwackelten Acht-Millimeter-Filmchen, "stumme Drei-Minuten-Erinnerungen von prophetischer Willkür", die erst postmortal entwickelt und scharf werden. "Erinnerungen sind für Leute, die sich selbst und einander ständig versichern müssen, daß es sie gibt", und so kann die Muse der Erinnerung erst im Tod zur Ruhe und zu sich kommen. "Ich muß nicht mehr an sie erinnern, weil ich sie alle bin", brüstet sie sich im Epilog. "Ich muß mich nicht erinnern. Ich bin die Erinnerung."

Das klingt als ästhetisches Programm nicht übel; aber die Leer- erweist sich als Schwachstelle des Romans. Erzählen als eine Art rückwärtsgewandtes Orakel: Göttlich unbewegt und allwissend spricht eine Stimme aus dem Totenreich. Jeder historische Augenblick ist gleich nah zu Gott, jede Erinnerung klar und unverrückbar wie ein Stein in der Klagemauer: "Schoschana weinte nicht um ihr Haar. Sie weinte nicht um sich selbst. Sie weinte aus Gründen, die viel älter waren als sie selbst. Sie weinte aus urvordenklichen Gründen." So, frei von Gefühlen, Zweifeln, Irritationen und Erinnerungslücken, entfaltet die Erzählerin die hermetischen Privatkosmologien der Geschwister und bindet sie an urvordenkliche Mythen zurück. Mehr noch als Linda ist sie ein Wunderkind, und daß sie vom Jenseits aus manchmal ziemlich mädchenhaft Tagebuch führt, ist nicht das kleinste Wunder.

Ihr Wissens- und Entwicklungsvorsprung macht Wunderkinder oft zu Außenseitern und den Älteren zutiefst verdächtig. Sie ziehen sich vor Hänselei und Bewunderung gern in Phantasieräume zurück und hüten eifersüchtig die Schlüssel zu ihrem Paradies. Das gilt für die Brontë-Schwestern, für die als "Schlauberger" verkannte Linda und leider auch für Malin Schwerdtfeger. Mit ihrem "Café Saratoga" etablierte sie sich als Wunderfräulein der deutschen Literatur. Jetzt hat sie wieder einen Roman voller Bildungsmythen, magischem Realismus und feingesponnenem Humor vorgelegt; aber man wird in den Wunderkammern ihrer kalten Virtuosität nicht recht heimisch. Der Leser fühlt sich wie ein störender Eindringling, und die talentierte Mrs. Ripley baut seiner Neugier keine Brücken. So bleiben die Erinnerungen der lebenden Toten tot, ein Familienalbum ohne Subjekt, eine archäologisch sterile Sammlung glänzender Scherben und Erinnerungssplitter, so willkürlich und vieldeutig wie delphische Orakel.

MARTIN HALTER

Malin Schwerdtfeger: "Delphi". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004. 296 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kai Martin Wiegandt kann sich für den neuen Roman von Malin Schwerdtfeger nicht erwärmen. Im Mittelpunkt des Buches steht das Geschwisterpaar Robbie und Linda, die an so verschiedenen Orten wie Jerusalem, Athen, Delphi und Norddeutschland aufwachsen und deren Mutter sich dem orthodoxen jüdischen Glauben zuwendet und schließlich wahnsinnig wird, versucht der Rezensent den Handlungsverlauf zusammenzufassen. Erzählt wird der Roman dabei von einer namenlosen dritten Schwester, "mehr Geist als Fleisch", die sich als "undisziplinierte auktoriale" Erzählerinstanz der Chronologie der Geschehnisse verweigert, erklärt der Rezensent weiter. Das Hauptproblem ist für Wiegandt der "magische Realismus", der neben dem mitunter allzu "harmlosen" Erzählton die durchaus dramatischen Ereignisse "wie in Watte" packt und damit ihre Wirkung unterminiert. Für den enttäuschten Rezensenten scheitert der Roman am Konzept, obwohl er der Autorin durchaus "handwerkliches Geschick" attestiert. Denn dadurch, dass Schwerdtfeger Erinnerung als "Ort, wo das wünschen noch geholfen hat" versteht, erlangt auch die Phantasie einen überragenden Stellenwert, und es wird "ganz unerheblich", was geschieht, so der Rezensent missvergnügt. Der Roman wird zum "wilden Traum" den unser Rezensent einfach nicht träumen will.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2004

Wunder wie Watte
In der Blase einer sehr privaten Mythologie: Malin Schwerdtfeger erzählt in ihrem Roman „Delphi” von einem Ort, wo das Wünschen noch hilft
Malin Schwerdtfeger, 1972 geboren, hat mit „Delphi” einen Roman magisch-realistischer Machart geschrieben, in dem es um Fremdheit und Erinnerung geht. Seine Protagonisten, die Geschwister Robbie und Linda, wachsen in Delphi, Jerusalem, Athen und nahe der deutschen Nordseeküste auf. Über den Vater, einen Archäologen, erfährt man, dass er sehr viel arbeitet, Flavius Josephus liest und mit seiner Frau Susanne nie in einem Verhältnis gegenseitiger Vertrautheit gelebt hat. Aus Susanne wird in Jerusalem „Shoshana”, als sie dem orthodoxen jüdischen Glauben in Form der Lehre des toten und geistigen Oberhaupts der Bratzlawer Juden, Rabbi Nachman, begegnet.
Linda ist ein Mädchen, das mit acht Jahren in der Universität Vorlesungen hört. Sie und ihr Bruder Robbie sehen sich als hochbegabt. Es gibt noch eine Schwester, eine ohne Namen. Sie erzählt die Geschichte von „Delphi”. Von Anfang bis Ende ist sie mehr Geist als Fleisch, sie erzählt auch von der Zeit, in der sie noch gar nicht geboren war. Sie ist „die Erinnerung”. Als undisziplinierte auktoriale Erzählerin im Strampelanzug hält sie sich nicht an die Chronologie der Ereignisse.
Währenddessen lässt der magische Realismus, der Phantastisches als Faktisches in eine scheinbar realistische Erzählung aufnimmt, die Erzählung schwanken. Einerseits handelt es sich um eine mal bizarre, mal groteske, in jedem Fall esoterische Geschichte, die unbekannten Gesetzen folgt, andererseits um die Schilderung eines Aufwachsens, das innerhalb der Blase einer privaten Mythologie vonstatten geht, die von der Außenwelt lange nicht zum Platzen gebracht wird. Während Linda und Robbie als Kinder die Universität besuchen, gehen sie als junge Erwachsene nur noch zur regulären Schule. Vielleicht ist die Hochbegabung ja nur einer der vielen Mythen, die sich um Linda und ihren Bruder spinnen.
Delphi ist dafür ein günstiger Ausgangspunkt. Das Orakel Apollos befand sich dort, und den Griechen galt der Ort als Mittelpunkt der Welt. Hier treffen sich Linda und Robbie am Ende wieder. Mit ihnen kommt der charismatische Francis, in den sie beide verliebt sind und durch den die Geschichte ihre Klimax erreicht. Shoshana wird in die Nervenheilanstalt eingeliefert, weil sie das Leben in zwei Welten nicht mehr aushält, die Kinder kommen zu den Großeltern am norddeutschen Deich, da ertrinkt dann die Erzählerin oder erstickt an ihrem eigenen Erbrochenen.
Eigentlich sind das dramatische Ereignisse, aber Schwerdtfegers Geschichte nimmt allzu oft harmlose und auch betuliche Züge an. Manchmal hört sich ihre Erzählerin an wie eine tagebuchschreibende Gymnasiastin mit guten Noten, die sich beim Lesen in Thomas Mann verliebt hat und ihn sich nicht schwul, lebendig und als Gatten wünscht. Das liegt nicht bloß am Erzählton, sondern auch an den Wundern, in die sie - in ihrer Rolle als „Erinnerung” - alles bettet wie in Watte. Denn die Einsicht, dass das Leben erst in der Erinnerung Sinn ergibt und Erinnerung stets subjektiv und nicht frei von Erfindung ist, interpretiert Schwerdtfeger entgegen dem verbreiteteren Klagen über eine „entgleitende” Vergangenheit positiv: Die Erinnerung ist in „Delphi” der Ort, wo das Wünschen noch hilft. Doch wenn die Phantasie sich dabei verselbständigt, wird ganz unerheblich, was passiert, weil aus allem alles folgen kann, und aus einer Geschichte wird eine Abenteuerreihe. „Delphi” mangelt es nicht an handwerklichem Geschick. Der Roman scheitert an seinem Konzept.
Ein Beispiel dafür ist der Verlust des Kontakts zu den anderen, die Fremdheit als zentrales Thema. Fremd sind in diesem Buch fast alle. Hinzu kommt die kulturelle Fremde, in die Schwerdtfeger die Figuren immer neu versetzt. Was kann daran interessant sein? Wie können Erfahrungen der Fremdheit einen Leser überhaupt interessieren? Wenn jemand, den er zu verstehen glaubt, in eine fremde Umgebung gerät, wenn etwas Fremdes in eine vertraute Umgebung eindringt, oder wenn etwas Fremdes in eine unbekannte Umgebung gerät? Schwerdtfegers Roman wählt das letzte Szenario. Weil sich dieses Szenario gegen Einfühlung sperrt, sperrt es sich auch gegen Bedeutung. Es ist in Gefahr, ein wilder Traum zu sein, den niemand träumen will, weil er nicht interessiert. Dieser Gefahr entgeht „Delphi” umso weniger, je weiter man liest.
Das wird vor allem an der Art deutlich, wie sich der Wille zur psychologischen Feinfühligkeit bekundet, nämlich als Projektion. Susanne sagt: „Vor dummen Leuten sollte man immer mehr Angst haben als vor intelligenten. Die Intelligenten verstehen immer beide Seiten einer Sache, ob sie wollen oder nicht.” Über Susanne wird gesagt: „Aber allein die Vorstellung, mit jemandem leben zu müssen, in den sie nicht verliebt war, machte sie verliebt, und die Vorstellung, mit jemandem schlafen zu müssen und nicht zu wollen, beruhigte sie unendlich.” Susanne trainiert sich in der Kunst des Vergessens, und am Ende beherrscht sie sie meisterhaft. Susannes Meinungen sind falsch, ihre Gedanken pervers und ihre Fähigkeiten absurd, aber schließlich driftet dieser Mensch in den Wahn ab. Doch auch die anderen Figuren fühlen ohnegleichen: „Robbie hatte immer versucht, mit der Erde zu verschmelzen.” Und Linda begreift nach dem Abitur, „warum man Kinder überhaupt zur Schule schickte, nämlich, um sie von den Versuchungen des häusliche Lebens fernzuhalten.” Apart. Die Geschwister sprechen kaum direkt zum Leser; sie bringen für die Eigenschaften, die auf sie projiziert werden, keine Beweise und bleiben blass. Ihr Inneres dringt einmal mehr nach außen, sogar physisch, und fordert Bedeutung ein: „Linda blutete hellrot.” Was, fragt man sich, wäre davon zu halten, wenn Linda dunkelrot blutete?
Malin Schwerdtfeger
Delphi
Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2004. 296 Seiten. 18,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Virtuos. Der Roman liefert Bilder von gestochener Schärfe.« NZZ