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Jetzt schön grün atmen - das Debüt eines bestechend phantasiereichen Erzählers Ein Mann und eine Frau spielen Priesterschüler und Eurythmielehrerin, um zusammen sein zu können. Als der erste Kuss aufhört, vermisst der Mann seine rechte Hand. "Jetzt schön grün atmen", flüstert die Frau. Grüner wirds nicht, denkt er. Zwei Geschwister haben sich ihre Eltern selbst gebaut, als Automat an der Wand im Wohnzimmer, wo man Geld in einen Schlitz werfen kann, und dann kommt per Zufallsgenerator eine Gardinenpredigt. Der letzte Trotzkist Süddeutschlands wohnt zur Untermiete bei einem reaktionären Chefarzt…mehr

Produktbeschreibung
Jetzt schön grün atmen - das Debüt eines bestechend phantasiereichen Erzählers Ein Mann und eine Frau spielen Priesterschüler und Eurythmielehrerin, um zusammen sein zu können. Als der erste Kuss aufhört, vermisst der Mann seine rechte Hand. "Jetzt schön grün atmen", flüstert die Frau. Grüner wirds nicht, denkt er. Zwei Geschwister haben sich ihre Eltern selbst gebaut, als Automat an der Wand im Wohnzimmer, wo man Geld in einen Schlitz werfen kann, und dann kommt per Zufallsgenerator eine Gardinenpredigt. Der letzte Trotzkist Süddeutschlands wohnt zur Untermiete bei einem reaktionären Chefarzt und zettelt seine eigene Revolution an. "Ich studiere Politikwissenschaft und ficke das System." Ein Steiger fällt im Bergbaumuseum vom Schlag getroffen um und weiß nicht, wo er sich befindet. Wie soll er sich den Tod vorstellen, jetzt da er ihn erlebt? Was könnte ein Steiger im Tod machen: eine Leiter hochklettern? In den vierzehn Geschichten von Töchtern und Söhnen, Müttern und Vätern, von Liebenden, Schlagersängern und Nacktjoggern besticht Michael Ebmeyer durch seine reiche erzählerische Phantasie. Subversiv und poetisch und mitunter grotesk erzählt er von einer Welt, in der mancher vielleicht scheitert, aber das mit Stil - und ganz bestimmt nicht ohne Widerstand.
Autorenporträt
Ebmeyer, Michael
Michael Ebmeyer, geboren 1973, lebt als Autor und Übersetzer in Berlin. Er hat u.a. die Romane Plüsch und Achter Achter (beide bei K&W), Der Neuling (verfilmt als »Ausgerechnet Sibirien«) und Landungen geschrieben, aber auch die Gebrauchsanweisung für Katalonien. Mit Jordi Puntí ist er seit einem gemeinsam verbrachten Autoren-Austauschprogramm persönlich und literarisch befreundet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.05.2001

Bart im Beutel
Michael Ebmeyers Erzählband
„Henry Silber geht zu Ende”
„Leider”, steht zu Beginn der Erzählung „Der Steiger”, „muss ich ihnen jetzt was von mir persönlich erzählen.” Es ist der letzte Text in Michael Ebmeyers Band „Henry Silber geht zu Ende”, und solches Bedauern kommt etwas überraschend zum Schluss eines Buches, das für den Leser nicht wenig Persönliches bereithält. Leichter fällt das Verständnis, wenn man die in Ebmeyers Erstling versammelten Erzählungen in zwei Sorten unterteilt: die, in denen der Autor von sich absieht, und die, in denen es einige Anhaltspunkte dafür gibt, dass man gerade mit annähernd Autobiografischem bedacht wird.
Leid tut das Persönlichwerden in „Der Steiger” denn auch nicht Ebmeyer, sondern dem titelgebenden Bergmann, einem Ich-Erzähler, der gerade gestorben ist. Beim Kartenabreißen im Bergbaumuseum hat den 52-Jährigen der Schlag getroffen. Besonders enttäuschend am Totsein ist für ihn, dass er immer noch nicht weiß, was ihn nach dem Ableben erwartet. In der ihn umgebenden Dauerdämmerung kann er sich frei bewegen, atmen, könnte sich sogar hinlegen. Will er aber nicht: Er „will wissen, was mit mir los ist und wie es weitergeht, verstehen Sie?” Vielleicht ist es das Unbestimmte, Mäandernde der postmortalen Zustandsbeschreibung, das es schwer macht, diesen Wissensdurst zu teilen. Vielleicht ist es aber auch der Umstand, dass man nach Lektüre eines Großteils der anderen Erzählungen von vorn herein keine wirkliche Klimax mehr erwartet.
Karg möblierter Alltag
Die Prämissen einiger Geschichten in „Henry Silber geht zu Ende” sind von gediegener Surrealität. So haben sich in „Matratze” zwei Kinder einen roten Kasten mit seitlich angebrachtem Hebel ins Wohnzimmer gehängt und ihn als ihre Eltern deklariert. Er arbeitet wie ein einarmiger Bandit: Bleiben nach Ziehen des Hebels die im Kasten befestigten, symbolverzierten Walzen bei einer bestimmten Bilderkombination stehen, gibt das Gerät Elternbinsen von sich wie „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm” oder (vorwurfsvoll) „Halb zwei”. Das ist eine leidlich originelle Idee. Doch ein Einfall allein trägt keine Erzählung, die hier nicht viel mehr ist als eine Aneinanderreihung von Kleinsttableaus aus einem karg möblierten Alltag. Man dringt nicht durch zu den beiden Geschwistern, die, so viel wird klar, irgendwie trotz oder wegen ihrer Elternmaschine nicht richtig glücklich sind.
Auch andere Protagonisten, etwa der „Wirkliche Geheime Rat” Dr. Dietmar Müller, der in „Geheimratskäse” mit einem Beil Verwüstungen in einem Kaufhaus anrichtet, bleiben seltsam fern. Der Charakter des titelgebenden Henry Silber, einer Art Mischung aus Harald Juhnke und Harry Rowohlt, bleibt auf halber Strecke zwischen Ironie und Pathos hängen. So ergeht es fast allen Figuren, die Ebmeyer in seine zum Teil arg gesuchten Szenarien stellt.
Nun ist es zweifellos möglich, mit lapidar hingeworfenem Personal und scheinbar bekannten Situationen, die ins Bizarre kippen, Spannung, ein intensives atmosphärisches Nachschwingen zu erzeugen. Man denke nur an die Kurzgeschichten Raymond Carvers. Doch bei Ebmeyer scheint es, als beuge er möglichen Schwächen in Charakterisierung und narrativer Struktur vor, indem er gleichsam a priori zu seinen Figuren auf gehörige Distanz geht und selbst konstruierteste Stories noch ausfransen lässt wie beliebige Alltagsepisoden. Als wolle Ebmeyer sagen: So ist es eben. Fragt mich nicht, warum.
Alle Brüste sind schön
Kohärenter wird es da, wo sich Ebmeyer offensichtlich in einem ihm aus direkter Anschauung bekannten Terrain bewegt: In „Schnauzer” verliebt sich ein Student beim Kiffen auf einer Party in ein Mädchen, dass sich später als die Tochter seines ehemaligen Sportlehrers erweist. Dass sie den abrasierten Schnurrbart ihres Vaters in einer Plastiktüte mit sich herumträgt, ist ein Gag, der in seiner Gewolltheit nur geringen Witz entfaltet. Andererseitseits ist klar, warum der Autor derartige Volten für notwendig hält. Denn manche Geschichte, der solch transplantierte Pointen fehlen, liest sich wie ein Tagebucheintrag: „Wenn ich so abstrakt darüber nachdenke und sie nicht vor Augen habe, sind für mich die Brüste aller Frauen schön”, räsoniert der Ich-Erzähler von „Mandelmilch”. Dort wird von letzten amourösen Verstrickungen eines jungen Deutschen vor seiner Heimreise aus Barcelona erzählt. Ähnliches könnte auf ähnliche Weise wohl fast jeder berichten, der sich mal einige Monate – sagen wir: als Erasmus-Student – in der katalanischen Hauptstadt aufgehalten hat.
Zwei der insgesamt 14 Texte deuten dann doch an, dass Michael Ebmeyer durchaus in der Lage ist, recht glaubwürdige Charaktere zu schaffen, die nichts mit verliebten Studenten zu tun haben: In „Nackedei” kämpfen der selbstbewusste Nacktjogger Holger Nöll und sein unglücklicher Jünger Lothar Niewöhner gegen ihre gesellschaftliche Ausgrenzung. In „Shorts” rächt sich der Banditendarsteller einer Wildwestshow am widerlichen Show-Sheriff. Beide Erzählungen haben trotz der abseitigen Sujets eine Stringenz, eine erfreuliche Lakonie, um die sich Ebmeyer sonst vergeblich bemüht.
ALEXANDER MENDEN
MICHAEL EBMEYER: Henry Silber geht zu Ende. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001. 200 Seiten, 17,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Jan Brandt liefert mit seiner Rezension zugleich ein Portrait des jungen Autors. Der Band versammelt vierzehn Geschichten, die sich, wie der Rezensent lobend betont, nicht um den Erzähler und seine Alltagserlebnisse drehen, sondern von Wendepunkten handeln, "vom Wahnsinn und Glück anders zu sein." Die Geschichten seien rebellisch, poetisch und überraschend und zudem witzig und melancholisch. Der Eindruck, dass er seine verschrobenen Figuren und deren Macken nicht ganz erst nehme, brachte ihm den Vorwurf ein, sich über linkes Engagement lustig zu machen (die Geschichte einer Verzweiflungstat eines jungen Trotzkisten im bürgerlichen Ambiente). Doch ihn interessieren allgemein "Aussteiger, die den Aufstand proben" und "extreme Individualisten". Brandt lobt die kurzen und absurden Geschichten wegen ihrer originellen Figuren und der einfachen wie präzisen Sprache. Da sich die Geschichten nicht um den Autor drehen, wie der Rezensent nochmals bemerkt, stehe Ebmeyer unter den deutschen Debütanten alleine da. Auch seine Fähigkeit, Kitsch und Klamauk mit den großen Themen der Literatur zu verbinden ist Grund für ein Lob, ebenso wie die Radikalität der Erzählungen, die einer weit verbreiteten Harmoniesucht entgegensteuere.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das Debüt versammelt 14 Erzählungen, mit deren Hilfe sich Ebmeyer als pointierter und unterhaltsamer Autor mit viel Sprachgefühl profilieren kann.", Nürnberger Nachrichten