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Meine ersten drei großen Lieben "Ich warf einen verstohlenen Blick auf Christophs Hals und seine Hand, mit der er rauchte, und dann schaute ich den Wölkchen nach, die unser Atem bildete, den kleinen Wölkchen, die der normale Atem, und den großen, die der Zigarettenrauch bildete, und irgendwie tat mir trotz allem, was mir der andere Christoph später erklären sollte, das Herz weh."In seinem Debütroman Saga zeichnet Tobias Hülswitt das Bild einer Jugend in der Provinz, mit Freundschaften und großen Lieben, Kiffen und Sex und den ersten Toten. Mit ihrem feinen, leichten Erzählton kreisen diese…mehr

Produktbeschreibung
Meine ersten drei großen Lieben "Ich warf einen verstohlenen Blick auf Christophs Hals und seine Hand, mit der er rauchte, und dann schaute ich den Wölkchen nach, die unser Atem bildete, den kleinen Wölkchen, die der normale Atem, und den großen, die der Zigarettenrauch bildete, und irgendwie tat mir trotz allem, was mir der andere Christoph später erklären sollte, das Herz weh."In seinem Debütroman Saga zeichnet Tobias Hülswitt das Bild einer Jugend in der Provinz, mit Freundschaften und großen Lieben, Kiffen und Sex und den ersten Toten. Mit ihrem feinen, leichten Erzählton kreisen diese Geschichten um etwas, das sie nicht aussprechen und das man doch spürt wie eine Hand, die einem plötzlich durchs Haar fährt. Genau, humorvoll und traurig: ein wunderschöner Roman über den Abschied von der Jugend.
Autorenporträt
Tobias Hülswitt, 1973 in Hannover geboren, lebt in Leipzig. Steinmetzlehre, studiert derzeit am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 1998 erhielt er für Auszüge aus "Saga" den Martha-Saalfeld-Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz und wurde 2. Preisträger des Open-Mike-Wettbewerbes der literaturWERKstatt berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dies Erzähldebüt bringt Rezensent Eberhard Rathgeb fast um den Verstand: vor Begeisterung vibrierend schleicht er zunächst dem autobiografischen Helden des Buches nach, zum Bolzplatz beispielsweise, wo man "wie Litti dribbelte" oder nachts in die Disco ins Nachbardorf. "Es ist Literatur!" jubelt er, nach dem er auch ein paar Freunde des Helden kennenlernte. "Deutschland ist nicht nur Berlin, zuckende, ravende, exaltierte, wortverguckte, theorieaffengeile Großstadt, sondern auch die Stille über den Dörfern". Und die Einsamkeit des Dorfes ist in unserem Rezensenten "drin stecken" geblieben. Rathgebs Rat am Schluss: Hülswitt "soll sich mit dem zweiten Buch bloß Zeit lassen." Wir fügen hinzu: und bloß nicht nach Berlin ziehen!

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2000

Kein Pop im Dorf
Tobias Hülswitt gelingt ein Debüt / Von Eberhard Rathgeb

Da man auch in der Rheinstadt Köln nicht gegen den Strom der allgemeinen Schriftsteller-Auskünfte paddeln wollte, wurde dort im letzten Jahr eine Poetik-Vorlesungsreihe durchgeführt, bei der auch der Literatur-Animationsartist, ehemalige Klagenfurtist und bekennende Online-Anthologist Thomas Hettche sprach. Und das kann man nun, zuletzt ist man immer nur der Leser, in dem Bändchen "Zuerst bin ich immer Leser" nachlesen.

In seinem von adornitischem Edeltannenrauschen (hört man's: "Einzig Literatur ist in der Lage, die Differenz zwischen Sehnsucht und Surrogat festzuhalten. Auf dem Unterschied von realer Geschichte und ihrem medialen Abbild zu bestehen") beflügelten klugen Vortrag über Pop-Literatur - die seit dem Erscheinen von Rainald Goetzens Buch "Abfall für alle" endlich in aller Munde und Medien angelangt war - hier, in dieser Hettche-Rede also, wo noch im allerletzten Satz die "künftige Aufgabe der Literatur" - die ansonsten ja offensichtlich nicht wüßte, was ihr blühte - in einer T. W. A.-Beschwörungstautologieschleife festgefahren wird, findet man auch eine Bemerkung über die Futterkrippen im Walde. Darüber also, daß "die Forderung nach herkömmlichen Erzählmustern und populären Geschichten" eine Spielart des Jugendbuches angelockt habe: Junge Autoren schreiben heute für junge Leser.

Auch die Verlage ziehen mit der jugendlichen Karawane, vor allem der Kölner Kiepenheuer & Witsch Verlag, der eine Taschenbuchreihe den Jungen und Jüngsten öffnete. Und ein Jahr nachdem Hettche vom Hochstand das Jugendbuch hatte in der Lichtung grasen sehen, wurde dort Tobias Hülswitts Debütroman veröffentlicht.

Zum Glück, kann man da nur sagen, zum Glück ist jemandem in einem Verlag eingefallen, daß nicht nur Beamte ihre Krimis, Hausfrauen ihre Liebesgeschichten verschlingen und Intellektuelle ihre Avantgarde bitter nötig haben, sondern junge Leute, die vielleicht noch nicht vor Thomas Pynchon "Moderne, Postmoderne" stammelnd in die Knie gehen, Bücher mit ihren Geschichten.

Neuartig sei das Klima der Professionalisierung bei den Autoren, sagte der Profi Thomas Hettche. Aus einer der sogenannten Autorenwerkstätten kommt nun auch Tobias Hülswitt, der am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert, was seinem Schreiben offensichtlich gut bekommt. Wir dürfen ihn nicht zum Pop zählen, der nach Hettches Zunächst-Definition, "als ein Phänomen der Selbstwahrnehmung und -darstellung von Autoren" verstanden werden kann. "Indem" (heiliger Theodor W.) "an die Stelle der Aura" (heiliger Walter) "des Textes zunehmend die des Autors" eben hier in diesem Hülswitt-Falle nicht "tritt" beziehungsweise noch nicht getreten ist - man weiß ja nie, bei den jungen Leuten -, "entfaltet" (Theodor oder Walter?) sich auch nicht die "von Warhol inspirierte Pop-Art", sondern "ereignet" (Martin) sich hier anderes: Wir nennen es Dorf-Art.

Das ist das Wunderbare an diesem kleinen Text, den man einen Roman einer Jugend nennen darf, daß er an den aufbrechenden fünf Sinnen festhält, wie das sich anfühlte: ein Jugendlicher zu sein, der in der Provinz lebte, wo man auf dem Bolzplatz wie "Litti" dribbelte, wenn man die Schweißbänder an den beiden Handgelenken trug, und wo man abends immer in derselben Kneipe einlief, weil man nicht eben mal, wie im aufregenden Berlin, mit der U-Bahn zack und schick ins Kino oder ins Theater fahren konnte, weil man nicht vom Fleck kam, wenn man keinen Führerschein in der Tasche hatte. Dreihundert Mal sei er nachts die fünf Kilometer von der Stammkneipe in der Stadt ins Dorf gelaufen, wenn ihn kein Auto mitnehmen konnte, weil hier in dieser Herrgottsverlassenheit keine Autos mehr fuhren. Was ist das für eine unpoppige Welt, über die der Held stumm noch staunt und die er wortkarg vor allem kapieren möchte: seine Geschwister, seine Freunde in der Schule und in der Steinmetzlehre, die jungen Selbstmörder, die erste, zweite und dritte große Liebe, die Beziehungen und den Sex, die Gespräche und das Kommunizieren mit den Augen und Gesten und die Wörter, die was Besonderes sein müssen, weil sie einem nicht so rasch zur Verfügung stehen, die irgendwo anders herkommen, aus einem drinnen, dorther, wo man sich nicht so gut auskennt, wo aber alles anfängt und wohin man zurück muß - so wie der Held tief in der stillen Nacht - er hat seine Eltern seit langem wieder einmal besucht und damit endet auch das Buch - von der Stadt ins Dorf zurückläuft, wissend, daß man sich in der Dunkelheit nicht umdrehen darf, weil einen sonst die Angst packt vor den Schatten um einen herum, und man, statt stehenzubleiben und die Stille zu hören, losrennt und damit den Horror vor den Schatten anstachelt.

Selbstverständlich ist Tobias Hülswitts Roman ein Jugendbuch, weil es von der Jugend handelt. Aber es ist noch etwas anderes, und nun dröhnt die Fanfare: Es ist Literatur! Was sollte es denn sonst sein? Ein Kochbuch ist es nicht. Gut geschrieben ist der Roman, fingerkuppensanft. Deutschland ist nicht nur Berlin, zuckende, ravende, exaltierte, wortverguckte und theorieaffengeile Großstadt, sondern auch Stille über den Dörfern, zu denen eine Landstraße führt, auf der ein paar Mopeds brausen und ein paar Autos, Dörfer, in denen man seine ersten achtzehn Lebensjahre zubringt, wenn man vorher nicht zum Leidwesen seiner Eltern ausbüchst, ganze achtzehn Jahre, die einen prägen und die man nicht zurückläßt, auch nicht in der U-Bahn in Berlin, wenn man mit allen anderen loszieht, die keine Schatten zu sein vorgeben: Die Einsamkeit des Dorfes bleibt in einem drin stecken. Er, Hülswitt, soll sich mit dem zweiten Buch bloß Zeit lassen. Das erste war gut genug.

Tobias Hülswitt: "Saga". Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2000. 150 S., br., 14,90 DM.

"Zuerst bin ich immer Leser". Prosa schreiben heute. Herausgegeben von Ute-Christine Krupp und Ulrike Janssen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 130 S., br., 16,90 DM.

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