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Alle Weltreligionen sehen sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts radikalen Transformationen ausgesetzt, alle Weltreligionen ebenso wie alle kulturellen Schöpfungen und Symbole existieren gleichzeitig nebeneinander und stehen meist, herausgelöst aus ihren zeitlichen und räumlichen Kontexten, offen für eine allgemeine Verfügbarkeit, für fundamentalistische oder individuelle Aneignungen.Globalisierung bietet nicht nur die große Chance für die Weltreligionen, sich aus den territorialen Bindungen der Nationalgesellschaft und des Nationalstaates zu lösen und ihre transnationalen Dimensionen, Netzwerke…mehr

Produktbeschreibung
Alle Weltreligionen sehen sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts radikalen Transformationen ausgesetzt, alle Weltreligionen ebenso wie alle kulturellen Schöpfungen und Symbole existieren gleichzeitig nebeneinander und stehen meist, herausgelöst aus ihren zeitlichen und räumlichen Kontexten, offen für eine allgemeine Verfügbarkeit, für fundamentalistische oder individuelle Aneignungen.Globalisierung bietet nicht nur die große Chance für die Weltreligionen, sich aus den territorialen Bindungen der Nationalgesellschaft und des Nationalstaates zu lösen und ihre transnationalen Dimensionen, Netzwerke und Imaginationen von "Gemeinschaft" neu zu entdecken und wiederzubeleben. Zugleich werden auf diese Weise auch wechselseitig die Monopolansprüche in Frage gestellt. Die Weltreligionen sehen sich dazu gezwungen, im grenzenlosen Raum massenmedialisierter Öffentlichkeit und Nachbarschaft miteinander konkurrieren und kommunizieren müssen. Das post-säkulare Zeitalter hat den Modernitätsstreit zwischen Religionen und Säkularismen zu überwinden zugunsten einer Zivilisierung der Zivilisation (die geistliche Einheit des Menschengeschlechts verpflichtet die Bevölkerungen unterschiedlichen Glaubens, einen "gemeinsamen Pfad" zu finden). Wie steht der Einzelne, als religiöser oder als nicht-religiöser Bürger, wie stehen Christen, Juden und Muslime zum "Geist" der Weltgesellschaft?
Autorenporträt
Beck, UlrichUlrich Beck ist einer der weltweit anerkannten Soziologen. Sein 1986 erstmals veröffentlichtes Buch Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne brachte ein neues Zeitalter auf den Begriff. Dieses Konzept machte ihn international und weit über akademische Kreise hinaus bekannt. Zwanzig Jahre später erneuerte und erweiterte er seine Zeitdiagnostik in Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit im Zeichen von Terrorismus, Klimakatastrophen und Finanzkrisen. Er war zwischen 1997 und 2002 Herausgeber der Reihe Edition Zweite Moderne im Suhrkamp Verlag. Zwischen 1992 und 2009 war Beck Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 1999 bis 2009 fungierte Ulrich Beck als Sprecher des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Sonderforschungsbereichs Reflexive Modernisierung. Vom Europäischen Forschungsrat wurde Ulrich Beck 2012 ein Projekt zum Thema Methodologischer Kosmopolitismus am Beispiel des Kl

imawandels mit fünfjähriger Laufzeit bewilligt. Beim Weltkongress für Soziologie 2014 in Yokohama erhielt Ulrich Beck den Lifetime Achievement Award - For Most Distinguished Contribution to Futures Research der International Sociological Association.Ulrich Beck wurde am 15. Mai 1944 in Stolp in Hinterpommern geboren. Nach seinem Studium der Soziologie, Philosophie, Psychologie und Politikwissenschaft in München promovierte er dort im Jahr 1972. Sieben Jahre später wurde er im Fach Soziologie habilitiert. Sein wissenschaftliches Hauptinteresse galt dem Grundlagenwandel moderner Gesellschaften. Diese grundlegenden Veränderungen faßte er, neben dem Begriff des Risikos, unter anderem mit Konzepten wie Reflexiver Modernisierung, Zweite Moderne, unbeabsichtigte Nebenfolgen und Kosmopolitismus.Ihm wurden mehrere Ehrendoktorwürden europäischer Universitäten und zahlreiche Preise verliehen.Er starb am 1. Januar 2015.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.07.2008

Im Fegefeuer des Gottesmanagements

Ulrich Beck, die soziologische Stimme im Beirat des Verlags der Weltreligionen, legt sich jetzt auch als religiöser Schriftsteller ins Zeug. "Frieden statt Wahrheit" lautet sein schlichtes Credo.

Wer sich ins römische Zentrum religiöser Macht vorwagt und die Sixtinische Kapelle betritt, in der seit Jahrhunderten die Päpste gewählt werden, sieht sich einem aufregenden Bildensemble ausgesetzt: dem Jüngsten Gericht Michelangelos. Ein apokalyptisches Szenario entfaltet sich im doppelten Zuge des Menschen nach oben, himmelwärts, und nach unten, mit höllischen Aussichten. Die intellektuelle Skepsis des einundzwanzigsten Jahrhunderts vermutet dort die Religion selbst: als die Hölle, die das Paradies verspricht. Verstört angesichts der prekären politischen und medialen Gegenwart der Religionen, bestimmen ihre Kritiker den Nennwert religiöser Überzeugungen über die Gewaltförmigkeit ihrer Agenten. Religion übersetze ihre paradoxen Verknüpfungen von Zeit und Ewigkeit in apokalyptische Politiken, mit denen der transzendente Weltraum diesseitig werde. Eschatologie finde im Hier und Heute statt, wenn die religiösen Statthalter Gottes auf Erden ihre Wahrheit dingfest machten.

Umgekehrt verschafft sich der inkriminierte gewaltförmige Druck seinerseits Ausdruck in jenen Atheismen, die dieselbe Sprache der Ausschließung sprechen. Ihr Verdikt religiöser Überzeugungen bewegt sich im Bann dessen, aus dem sie sich lösen wollen. Auf einen letzten Exorzismus angelegt. Aber doch im Modus eines double bind.

Natürlich ohne Essentialismus

Ulrich Beck arbeitet ihn in seiner Religionstopologie der Gegenwart soziologisch aus. Das theoretische Interesse an paradoxen Kopplungsfiguren treibt seinen Ansatz an. Widersprüchliche Figuren konzentrieren sich zum Bild der Religionen heute, mit dem ein eigener Problemüberhang entsteht: "Das Schlüsselthema von Gewalt und Toleranz spitzt sich in der sich selbst gefährdenden Zivilisation auf die Frage zu: Wie wird interreligiöse Toleranz möglich? Wie wird es möglich, die religiösen Anderen als Andere (und nicht als Gleiche) anzuerkennen, nicht als Bestreiter des ,wahren Glaubens' abzuwerten und ihrer religiösen und menschlichen Würde zu berauben? In dieser Frage verbindet sich die historische Rechtfertigung der Religionen mit der Sorge um die Fortexistenz der Menschheit."

Nachdem die klassischen Ablösungstheorien von Religion abgewirtschaftet haben, weil sie deren Rolle im Prozess der Modernisierung unterschätzten oder ganz übersahen, kann der postsäkulare Soziologe ihre Bedeutung anerkennen. Gerade die Stellungsverluste von Religionen in der Moderne, zumal des europäischen Christentums, erlauben dabei aus seiner Sicht ihre gegenwärtigen Gewinne.

Entlastet vom Geschäft der Welterklärung, das an die Wissenschaften delegiert wurde, und befreit vom Zwang, Herrschaft legitimieren zu sollen, kann sich Religion auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren. Sie besteht darin, "nichts als Religion zu werden; also die unaufhebbare Spiritualität des Menschseins, das Transzendenzbedürfnis und -bewusstsein der menschlichen Existenz zu wecken, zu kultivieren, zu praktizieren, zu zelebrieren, zu reflektieren und auf diese Weise subjektiv und öffentlich zur Geltung zu bringen".

Gegen jeden Essentialismus angetreten, geht der Soziologe an dieser Stelle aufs Ganze. Er weiß ums ewig Menschliche im Spiegel unaufhebbarer spiritueller Bedürfnisse und bestimmt zugleich das Wesen der Religion. Bereits die Frage nach ihrer historischen Rechtfertigung sprengt den eigenen Methodenrahmen. Mit dieser Überschreitung wird das brisante Grenzproblem der Religion eigenwillig auf den Punkt gebracht. Für Beck setzt es sich in der Neuformatierung von Religion unter dem Kennzeichen des "eigenen Gottes" um. Er ersetzt den alten Gott der verbindlichen Traditionen.

Die klassische Säkularisierungsthese muss auf dieser Linie modifiziert werden: Religion stirbt nicht aus, sondern wird individualisiert. Es entstehen neue "Bastelreligionen", deren Maßstab das "souveräne Selbst" stellt. Die Wahlidentitäten der Religionsteilnahme laufen über Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten. Das "historisch Neue der religiösen conditio humana am Beginn des 21. Jahrhunderts" wird sichtbar. Verfasste Großreligionen stehen mit verschiedensten religiösen Bewegungen in Kontakt, und im Weltraum der Kommunikation ent- und begrenzen sich die Topologien der Identitäten gleichermaßen. Genau das adressiert das Problem der Domestizierung religiöser Wahrheitsansprüche, vor allem der monotheistischen. Im Abgleich der verschiedenen Absolutismen setzen sich ihre Gewaltambitionen durch. Wer den anderen nur auf der Folie der eigenen Gottesüberzeugungen sehen kann, erfasst ihn bestenfalls als Aspekt jener subjektiven Transzendenzbestimmung, die er als seine Religion objektiv macht. Einen Ausweg sieht Beck in einem "Typus der Toleranz, dessen Ziel nicht Wahrheit, aber Frieden ist". Der Königsweg religiöser Gewaltkontaminierung besteht in der Verdampfung von Wahrheitsansprüchen. Handelt es sich hier letztlich vielleicht doch um die Spätgeburt des autonomen Subjekts der ersten Moderne, das sich durch säkularisierte Religion hindurch heiligt?

Mit der Enteignung wahrheitsintensiver Einstellungen wird vorausgesetzt, dass eine Religion wie das Christentum aus den eigenen religiösen und theologischen Ressourcen heraus nicht friedensfähig ist, wenn es zugleich starke Geltungsansprüche erhebt. Beck sieht zwar die Fähigkeiten von Religion, sich in der reflexiven Moderne kritisch zu bestimmen und auf diese Weise einen Beitrag zur Verarbeitung der auftretenden Aporien der Globalisierung, namentlich ihrer Gerechtigkeitsprobleme, zu leisten. Aber die theologische Auflistung der eigenen Ambivalenzen von Toleranz und Gewalt, von Individualisierung und Vergesellschaftung, von unbedingter Überzeugung und der Wertschätzung anderer Glaubenswelten bleibt unterbestimmt. Religionsgeschichtlich vollzieht sich Tradition immer auch in Form von Traditionskritik. Sie implantiert die notwendige Fähigkeit zur Selbstrelativierung, die aus theologischen Gründen unabdingbar erscheint.

Das gelingt nur, wenn man nicht an den eigenen Gott glaubt, sondern sich von der Wirklichkeit Gottes herausfordern lässt, die jede Identitätspolitik auf den Prüfstand stellt. Gerade in den christlichen Gewaltgeschichten markieren exemplarisch die Theologie des Kreuzes, die Rede vom offenbar-verborgenen Gott oder die Einsicht in das eschatologische Ausstehen Gottes und seines Gerichts über jede Gottesrede entscheidende Kritikpotentiale. Es handelt sich um christliche Gegengifte gegen jede Versuchung zur Gewalt im Namen des Gottes, den man in die eigenen Hände nimmt. Dieser Zugang theologischer Religionskritik ist Beck verstellt, weil sein Gott der Gott einer Auswahl bleibt und als Gegenüber nur die Realität der Überzeugung hat, die man einnimmt.

Becks implizite Theologie des "eigenen Gottes" verfängt sich auf diese Weise im Paradox ihres methodischen Ansatzes. Wer von den Religionen "Frieden statt Wahrheit" fordert, konstruiert eine eigene religiöse Wissensform. Der "eigene Gott" ist nicht nur ein soziologisches Attestat, sondern das Produkt einer ontologischen Operation. Becks soziologischer Gott ist kein Außen, das entgegentreten könnte, sondern das reine Innen des wählenden Ich. Auf dieser Basis erscheint es konsequent, dass die originäre Perspektive der verschiedenen Religionen überspielt wird. Gleichzeitig wird der Kosmopolitismus einer soziologischen Theorie möglich, die religionspolitische Rezepte ausstellt.

Stets geht es um die ganze Welt

Becks Analyse unterschätzt auf dieser Linie die Explorationskraft der verschiedenen religiösen Traditionen. Zu Recht deckt er ihre Schwächen auf, übergeht aber ihre Stärken, sprich: die Ansätze, Säkularität und Säkularisation reflexiv aufzulisten, Individualisierung kritisch zu justieren oder die in Rede stehenden Probleme von Gewalt, Gerechtigkeit und Frieden mit religiösen Konzepten zu bearbeiten. Insofern handelt es sich bei diesem Buch auch um einen politischen Vorgang. Der im vergangenen Jahr mit einigem medialen Aufwand gestartete Verlag der Weltreligionen stellt nicht nur Editionen, sondern mit seinen Essaybänden auch ein Forum für Religionsdiskurse in Aussicht.

Unter den bisher veröffentlichen Bänden reiht sich Becks Versuch thematisch neben der Streitschrift Peter Sloterdijks über den Gotteseifer ein. Im Ensemble der vorgesehenen Texte macht der Verlag mit dem programmatischen Buch seines Beirats die religionskritische Linie stark. Das ist gut so, weil sich erhoffen lässt, dass die Auseinandersetzung um das Verständnis und die Bedeutung von Religionen im einundzwanzigsten Jahrhundert intellektuell profitiert. Freilich bleibt abzuwarten, wie die Stimmen der Religionen selbst eingespielt werden.

Becks Studie führt in das Fegefeuer des individualisierten Gottesmanagements. Wie vor Michelangelos theologischer Intervention, die er als Gericht malte, ist man mit der Wahrheit über sich selbst konfrontiert, diesmal aber im Blick eines Gottes, der dem Selbst zum Verwechseln ähnlich sieht. Vielleicht führt dies in die eigentlichen Höllen jener Moderne, die der Autor hinter sich lassen will.

GREGOR MARIA HOFF

Ulrich Beck: "Der eigene Gott". Friedensfähigkeit und Gewaltpotential der Religionen. Verlag der Weltreligionen, Frankfurt am Main 2008. 275 S., geb., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Friedrich Wilhelm Graf findet Ulrich Becks soziologischen Blick auf die Religionen nicht immer überzeugend. Zwar attestiert er dem Autor zahlreiche "kluge Beobachtungen" zum konfliktgeladenen Wandel der Religionen in der Gegenwart. Lobend äußert er sich auch über Becks selbstkritische Ausführungen zu den Grenzen der Soziologie im Blick auf die Erfahrung von Religion. Aber er hebt hervor, dass die Idee einer Individualisierung der Religion, die Beck in die Formel vom "eigenen Gott" kleidet, keineswegs neu, sondern seit Schleiermacher bekannt sei. Kritisch betrachtet er insbesondere die Ausführungen zum Thema Toleranz und Gewalt der Religionen. Offen bleibt für ihn hier, "wie sich unter den Bedingungen intensivierter globaler Glaubenskommunikation neue Polarisierung mit harter wechselseitiger Abgrenzung verhindern lässt". Generell hält er dem Autor vor, die Dynamik antagonistischer Religionskulturen zu unterschätzen und die zahlreichen Religionsrisiken der Gegenwart nicht ernst genug zu nehmen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Für Ulrich Beck ist die Rückkehr der Religion 'weit bedeutsamer als der Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks'. ... Die Vorstellung, dass mit fortschreitender Modernisierung das Religiöse sich selbst erledigt, kann nicht ohne weiteres, auch wenn diese Prognose historisch erledigt wäre, aus dem soziologischen Denken herausoperiert werden.« Alan Posener WELT AM SONNTAG 20080518