Unterm Tannenbaum: Eine weltläufige Anthologie zum Fest
Alle Geschenke sind verteilt, nur für die kleine Cäcilie ist keines mehr übrig, obwohl sie doch besonders brav war. Aber da gibt es noch ein großes Schokoladenschiff im "Verzuckerten Nasenflügel" bei Trinchen Mutser, das sich als unverkäuflich erwiesen hat und ihr Nikolausgeschäft zu einem Verlust zu machen droht. Ganz unbescheiden macht Cäcilie den Nikolaus darauf aufmerksam, aber es zu erwerben ist für ihn nicht so einfach. Geld hat er nicht, Menschen wecken darf er nicht und seine Identität nimmt ihm ohnehin niemand ab. Da braucht es schon die Hilfe des Nachtwächters, der statt seiner die Zeche bezahlt, damit er zufrieden bis zum nächsten Jahr gen Himmel entschwinden kann.
Diese und andere Weihnachtsüberraschungen hält ein kleines Büchlein des Insel Verlags parat. Nicht alle Erzählungen sind so auf Kinder zugeschnitten wie die von Felix Timmermans, aber Kinder spielen doch in vielen von ihnen eine wesentliche Rolle, und seien sie auch nur die kritischen oder staunenden Zuhörer einer vorgetragenen Geschichte. So erfahren sie in Georges Lenotres Erzählung "Vom Himmel gefallen" ganz Außergewöhnliches über ihren Großvater, der am Weihnachtstag 1815 statt eines Weihnachtsgeschenks im Kamin bei ihrer Großmutter stand, als Anhänger Napoleons Schutz vor den Säuberungsaktionen der neuen Regierung suchend. Sein Kaminfall bringt nicht nur verborgene Schätze zutage, sondern beschert der Großmutter auch ihren Ehemann, bekommt sie doch den trotz ihrer Asylgewährung Inhaftierten ein Jahr später vom französischen König gleichsam als Weihnachtsgeschenk übergeben.
Hervorzuheben ist die Internationalität der Geschichten. Eleni Torossi berichtet von dem in ihrer Familie in Athen jedes Jahr aufs neue aus Pinienästen, Draht und grünem Naturbast gebastelten Weihnachtsbaum, Guy de Maupassant folgt einem ungläubigen Landarzt in die Normandie, und Francisco Ayala schickt eine Reisegruppe an Weihnachten nach Ägypten. Was indes fehlt, sind bissige, satirische Weihnachtsgeschichten, zu denen man bei all dem Weihnachtskitsch in Innenstädten und im Fernsehen manchmal seine Zuflucht nehmen möchte - lieber jedenfalls, als zu den inzwischen doch reichlich antiquiert wirkenden Stücken, die demonstrieren, daß sich die Himmlischen vom hiesigen sinnentlehrten Weihnachtstreiben abwenden, wie sie von Dino Buzzati und Alexandros Papadiamantis vorliegen. Aber wenn schon bei Brecht in einer Bar in Chicago an Weihnachten kleine "Wunder" geschehen, muß es ja vielleicht doch etwas auf sich haben mit diesem Fest. ("Weihnachtsüberraschungen". Geschichten. Ausgewählt von Gesine Dammel. Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2004. 142 S., geb., 7,- [Euro].)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der Rezensent mit dem Kürzel "thme" ist recht zufrieden mit dieser Anthologie: Die hier versammelten Geschichten zum Weinhnachtsfest sind alt und neu, spielen in Gegenwart und Vergangenheit, vor allem aber sind sie international und deshalb nicht auf die typischen Klischee-Kulissen beschränkt. Nur was den Tonfall angeht, hätte sich der Rezensent ein wenig mehr Abwechslung vom Einerlei der Eintracht und Wunder gewünscht: "Was indes fehlt, sind bissige, satirische Weihnachtsgeschichten, zu denen man bei all dem Weihnachtskitsch in Innenstädten und im Fernsehen manchmal seine Zuflucht nehmen möchte." Trotzdem eher ein Lob.
© Perlentaucher Medien GmbH
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