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Furios war Herman Bangs Start ins literarische Leben: Bereits als Fünfundzwanzigjähriger hatte er acht Bücher und 140 Feuilletons geschrieben und einen Pornographieskandal überstanden. Tatsächlich kam der 1857 geborene Pastorensohn eher notgedrungen zum Schreiben. Nach dem Tod seiner Eltern war er gezwungen, sich einen Broterwerb zu suchen, um sein dandyhaftes Leben aufrechterhalten zu können. Innerhalb kurzer Zeit wurde er zu einem der bekanntesten Journalisten Kopenhagens aber auch zu einem der umstrittensten. Denn seine exzentrische Lebensweise und seine offen gelebte Homosexualität…mehr

Produktbeschreibung
Furios war Herman Bangs Start ins literarische Leben: Bereits als Fünfundzwanzigjähriger hatte er acht Bücher und 140 Feuilletons geschrieben und einen Pornographieskandal überstanden.
Tatsächlich kam der 1857 geborene Pastorensohn eher notgedrungen zum Schreiben. Nach dem Tod seiner Eltern war er gezwungen, sich einen Broterwerb zu suchen, um sein dandyhaftes Leben aufrechterhalten zu können. Innerhalb kurzer Zeit wurde er zu einem der bekanntesten Journalisten Kopenhagens aber auch zu einem der umstrittensten. Denn seine exzentrische Lebensweise und seine offen gelebte Homosexualität provozierten die bürgerliche Gesellschaft.
Der vorliegende Band versammelt Erzählungen aus allen Schaffensperioden in einer neuen, der kraftvollen Sprache Bangs gerecht werdenden Übersetzung, so die psychologische Studie Irene Holm, das Eifersuchtsdrama Die vier Teufel oder die bissige Satire Ein schöner Tag. Ergänzt wird der Band durch Reportagen, unter anderem über den Brand von Schloß Christiansborg oder den Besuch im belgischen Gheel, der "Stadt der Wahnsinnigen".
Herman Bang, der mit seinen Romanen Das graue Haus und Das weiße Haus berühmt wurde, entwirft in seinen Erzählungen genaue Porträts von Menschen, oft am Rande der Gesellschaft. In seinen Reportagen, die hier großenteils zum ersten Mal in deutscher Übersetzung erscheinen, erweist sich Bang als kritischer Beobachter seiner Zeit.
Autorenporträt
Herman Bang (1857 - 1912), als Pfarrerssohn in der dänischen Provinz aufgewachsen, versuchte sich als Schauspieler, Regisseur und Feuilletonist, ehe er sich ganz der Literatur zuwandte. Lesereisen führten ihn durch ganz Europa. Bang gilt als Vollender der impressionistischen Erzählkunst, stilistisch wie thematisch gehört er zur künstlerischen Avantgarde seiner Zeit.

Ulrich Sonnenberg, geb. 1955, arbeitete nach seiner Buchhändlerlehre mehrere Jahre in Kopenhagen und war bis Ende 2003 Verkaufsleiter der Verlage Suhrkamp und Insel in Frankfurt am Main. Seit Anfang 2004 lebt und arbeitet er als freier Übersetzer, Herausgeber und Publizist in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2007

Die Liebe zur Abweichung
Zwei Schreibwelten: Herman Bangs Erzählungen und Reportagen

Auch eine Form von "New Journalism": Herman Bang, dessen Romane "Stuck" und "Am Weg" große Wirkung hatten, war auch ein Meister der kleinen Form.

Eine kühle Zärtlichkeit prägt die Sprache der Erzählungen des dänischen Schriftstellers Herman Bang. In "Franz Pander", einer seiner Geschichten, die nun in einer Auswahl unter dem Titel "Exzentrische Existenzen" von Ulrich Sonnenberg herausgegeben und größtenteils neu übersetzt wurden, verliebt sich die Titelfigur, ein junger Hoteldiener nicht etwa in eine der weiblichen Hotelangestellten, die sich, wie zu erfahren ist, "alle gerne mit ihm eingelassen hätten". Stattdessen entflammt sein Herz für Miss Ellinor, die Tochter eines reichen, englischen Ehepaares, das im Hotel zu Gast ist. Panders Sehnsucht nach ihr, die sich aus seiner überspannten Phantasie nährt, wächst ins Unerträgliche. Miss Ellinor aber bleibt distanziert und "spielte", wie der Erzähler kommentiert, "in der Hitze seiner Begierde wie eine kleine Katze im Schein des Holzfeuers".

So glasklare, sorgfältig gewählte, dabei die Charaktere nie denunzierende Formulierungen sind überaus exakte Wiedergaben von Stimmungen, die Bangs Erzählen auszeichnen. Etwas von diesem Ton wird sich in der frühen Prosa Thomas Manns oder der Robert Walsers wiederfinden. Letzterer bietet sich für weitere Vergleiche an: Auch Bang wechselte in seinem Schreiben zwischen Feuilleton und Epik, wie Walser war er Liebhaber des Theaters, in dessen Milieu etwa die in den Band aufgenommene Erzählung "Die vier Teufel" spielt.

Bang, im Jahr 1857 auf der Insel Als als Sohn eines Pastors geboren, sollte nach dem frühen Tod der Eltern auf Wunsch des Kopenhagener Großvaters ein Jurastudium in der Hauptstadt aufnehmen. Stattdessen zog es ihn ins Künstlermilieu. Nach dem Tod des Großvaters begann Bang nach gescheiterter Schauspielprüfung mit dem Schreiben, weniger aus Suche nach Selbstausdruck, sondern aus materieller Not, die seinem aufwendigen Lebensstil geschuldet war.

Zunächst Kolumnist der Zeitung "Jyllandsposten", berichtete er in den "Kleinen Briefen aus Kopenhagen" über gesellschaftliche Ereignisse und Moden, Literatur, Theater und Konzerte und avancierte binnen weniger Jahre zu einem führenden Literaturkritiker Dänemarks. Seine Sozialreportagen prägten in ihrer subjektiv gefärbten Ausdrucksweise eine für die damalige Zeit neue journalistische Form.

Parallel zur feuilletonistischen Karriere begann Bang als Schriftsteller zu arbeiten, wissend, dass Journalismus und Dichtung zwei verschiedene Welten mit zwei verschiedenen Sprachen sind. Im Zuge des Skandals um seinen ersten Roman "Hoffnungslose Geschlechter" (1880), der wegen "unzüchtiger Schreiberei" verboten wurde, begann für den homosexuellen Autor ein unstetes Leben. 1885 brach er nach Berlin auf, musste wegen Majestätsbeleidigung die Stadt verlassen. Der sozialistischen Agitation verdächtigt, verfolgt und drogenabhängig, pendelte er zwischen Kopenhagen, Berlin und Paris. Krank und zermürbt brach er 1911 zu einer weltweiten Vortragsreise auf und starb im Januar 1912 im Krankenhaus von Ogden, Utah.

"Exzentrische Existenzen" mit einem Erzählungsteil und einem zweiten Teil mit Reportagen ermöglicht den Einblick in beide Schreibwelten Bangs. In den Erzählungen tritt das Exzentrische dabei subtil zutage, wie etwa in der Figur des Pfarrers aus "Stille Existenzen", der sommers wie winters damit befasst ist, ein grönländisches Gesangbuch zu verfassen. Die Geschichten entfalten ihr Abweichendes und Randständiges schleichend, aber drastisch. Mit dem verträumten Franz Pander wird es ein tragisches Ende nehmen, das einigermaßen überraschend kommt.

Auch die Reportagen glänzen durch sorgfältige und knappe Stilistik, den leichtfüßigen, nie nachlässigen Ton und durch genaue Beobachtung. Sie sind exzentrisch in der Wahl ihrer Gegenstände und in der subjektiven Prägung. Koketterie ist bisweilen herauszuhören, so in der captatio benevolentiae zu "Schilderung einer Illumination": "Was Sie möchten, ist eine leichte Zeichnung, ein skizziertes Gemälde, meinen Eindruck von dem Fest in Worte gefasst. Keinesfalls, so schrieben Sie, wollen Sie etwas anderes. Dies jedoch ist unglücklicherweise gerade das Schwierigste von allem. Dennoch werde ich versuchen, Ihren Wunsch zu erfüllen und ich tue es, weil ich hoffe, Sie werden mir meinen guten Willen mit einem Ihrer glückseligen Lächeln danken." Selbstverständlich lässt Bang eine elegante, leichte Zeichnung eines Lichtspektakels in Kopenhagen folgen.

Mit Leichtigkeit schildert Bang auch eine Dampferfahrt auf der "Thingvalla" oder das "Landleben". Mitgefühl spricht aus den Reportagen über das "Armenleben" oder über einen Besuch in der "Stadt der Wahnsinnigen", der belgischen Klinik Gheel für psychisch Kranke, die in Isolation und als Geächtete lebten. Bei aller Anteilnahme lässt Bangs eleganter, absichtslos wirkender, aber aufmerksam gespannter Ton sich dem Spiel der "kleinen Katze im Schein des Holzfeuers" vergleichen. Die "Exzentrischen Existenzen" sind zwar Dokumente einer vergangenen Zeit, aber keineswegs in die Jahre gekommen. Verlag und Herausgeber ist es zu danken, sie erneut zugänglich gemacht zu haben.

BEATE TRÖGER.

Herman Bang: "Exzentrische Existenzen". Erzählungen und Reportagen. Aus dem Dänischen übersetzt und herausgegeben von Ulrich Sonnenberg. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2007. 376 S., geb., 22,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2007

Der Ichreporter
Erstmals auf Deutsch: Die Feuilletons eines dänischen Dandys
Als man Herman Bang im Januar 1912 bewusstlos und linksseitig gelähmt in einem Zugabteil auffand, war er auf dem Weg von Chicago nach San Francisco. Am 29. Januar starb der dänische Autor in Ogden, Utah. Er war 54 Jahre alt. Man weiß nicht genau, woran er starb. Aber eines ist offensichtlich: eine Mischung von Erschöpfung und Überreizung muss ihren Anteil an diesem Tod gehabt haben. Als er seine internationale Lesereise Ende 1911 antrat, war Bang schon gezeichnet von Aufputschmitteln und Drogen. Seine Karriere war früh von Skandalen begleitet gewesen; dass er seine Homosexualität nicht verleugnete, hatte dazu beigetragen.
Leicht ließe sich aus seinem Leben ein Kino-Melodram über das mondäne Leben im Kopenhagen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts machen. Aber wer auch nur eines seiner Bücher aufschlägt, der wird darin einen Autor finden, den Eigenschaften auszeichnen: Formbewusstsein und Disziplin.
An den Franzosen, an Flaubert und seinem Schüler Maupassant, mochte er die Kunst der Auslassung und stilistischen Verknappung studiert haben, die eine Erzählung wie „Irene Holm” prägt, die Geschichte einer Tänzerin aus der zweiten Reihe des Königlichen Balletts, die tapfer ihre Provinzengagements als Lehrerin für Haltung, Tanz und Bewegung absolviert, sich dabei einmal, ein einziges Mal, in ihrem Lebenstraum verliert – und unsterblich blamiert.
Ulrich Sonnenberg hat jetzt zum 150. Geburtstag Bangs zehn Erzählungen neu übersetzt und die gute Idee gehabt, einige feuilletonistische Zeitungstexte aus den Jahren zwischen 1878 und 1884 hinzuzufügen. Das ist reizvoll, weil es den Vergleich zwischen dem Erzähler und dem Journalisten Bang erlaubt. Der Dritte im Bunde ist der meist verhinderte, gelegentlich aber dilettierende Schauspieler, der Kenner Ibsens, des Boulevardtheaters, aber auch der Varietés und des Zirkus. Ihn verleugnet der Erzähler nicht, wenn er in „Die vier Teufel” ein Eifersuchtsdrama in Szene setzt oder in „Ein schöner Tag” das Gastspiel einer Pianistin in der Provinz.
Zwischen Journalismus und Dichtung aber wollte Bang mit Flaubertscher Strenge Distanz gewahrt wissen: „Der Journalist schreibt hastig und kann seine Worte nicht verwerfen. Die Kunst des Dichters hingegen ist es, gerade zu verwerfen, bis das einzige Wort gefunden ist.” Die hier versammelten Reportagen aber sind eines gewiss nicht: hastig geschrieben. Auch behaupten sie ihr Eigenrecht gegenüber der Dichtung nicht durch die Recherche oder gar deren demonstrative Hervorkehrung. Ob sie von der Illumination Kopenhagens anlässlich der Heirat der dänischen Prinzessin handeln, von einer Fahrt auf dem Atlantikdampfer „Thingvalla”, vom Leben der Armen oder von der Mode betuchter Großstädter, die Sommermonate in Villenkolonien auf dem Lande zu verbringen – stets ist das Ich, das hier Bericht erstattet, ebenso sehr Erzähler wie Reporter. Es folgt dabei der Regel Zolas, ein Kunstwerk sei ein Stück Natur, gesehen durch ein Temperament: „Das sind die Mietshäuser. Sie stehen da, als wären sie aneinandergeklebt. . . ”.
In seinen Erzählungen hat Herman Bang das erzählende Ich vermieden, die dritte Person bevorzugt. Hier, in den Reportagen und Feuilletons, hat das Ich seine Auftritte. Nicht nur, um das journalistische Gesetz der Zeugenschaft – ich war da! – zu erfüllen und gelegentlich die Stimme des publizistischen Sozialreformers zu erheben, sondern zugleich und vor allem, um die Formgesetze guter Prosa für die Reportage verbindlich zu machen: „Gnädige Frau, Sie bitten mich, Ihnen zu berichten, wie die Illumination gewesen ist – glänzend. Leider sind Sie aber vorsichtig genug, hinzuzufügen, dass Sie sich mit keinem auch noch so sprechenden Adjektiv zufrieden geben können – und auch kein Referat wünschen. Was Sie möchten, ist eine leichte Zeichnung, ein skizziertes Gemälde, meinen Eindruck von dem Fest in Worte gefasst. Dies jedoch ist unglücklicherweise gerade das Schwierigste von allem.” LOTHAR MÜLLER
HERMAN BANG: Exzentrische Existenzen. Erzählungen und Reportagen. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Ulrich Sonnenberg. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2007. 370 Seiten, 22,80 Euro.
Ein Dandy mit Zylinder, weißer Weste und makelloser Prosa: Herman Bang. Foto: Agentur picture-alliance / dpa
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Thomas Fechner-Smarsly begrüßt diesen Band mit Erzählungen und Reportagen Herman Bangs, der zum 150. Geburtstag des dänischen Schriftstellers erschienen ist. Den in den letzten beiden Jahrzehnten allmählich wiederentdeckte Autor sieht er längst im Rang eines "Klassikers". Der Titel des vorliegenden Bands, "Exzentrische Existenzen", der die beiden frühen Bände "Stille Existenzen" (1885) und "Exzentrische Novellen" (1886) vereint, akzentuiert seines Erachtens ein wenig zu stark die schrille Seite Bangs. Schließlich findet er auch in "Exzentrische Existenzen" einen stillen, einfühlsamen Bang, in den Figuren des Fräulein Caja oder der "reizend-verhuschten" Pernille. Dabei ist die Liebe ein immer wiederkehrendes Thema, und Bangs Blick darauf scheint doch ziemlich desillusionierend zu sein. So erscheine die Liebe bei Bang zuallererst als "physische Attraktion mit hohem Risiko und unvermeidlichem Absturz". Lobend äußert sich Fechner-Smarsly nicht nur über die Erzählungen, sondern auch die Reportagen, die der Band offeriert. Besonders hebt er hier die berühmte Reportage über den Brand des Kopenhagener Schlosses im Oktober 1884 hervor, die sich durch Bangs präzisen Blick auszeichnet.

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