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Der Schah schickt einen jungen Offizier, der zu Höherem berufen scheint, vorübergehend als Militärgouverneur in eine Provinzstadt östlich von Teheran. Für Nuscha, seine geliebte Tochter, hat der Oberst bereits die Hochzeit mit einem Schahsohn vorgesehen. Doch Teheran meldet sich nicht mehr. Der Vater stirbt als gebrochener Mann. Die Tochter, die allein mit Mutter und Diener im großen Haus zurückgeblieben ist, verliebt sich in einen Töpfer, Hosseina. Die Mutter verhindert jedoch, daß etwas aus der leidenschaftlichen Liebe der beiden wird. Nuscha gibt endlich nach und heiratet standesgemäß einen…mehr

Produktbeschreibung
Der Schah schickt einen jungen Offizier, der zu Höherem berufen scheint, vorübergehend als Militärgouverneur in eine Provinzstadt östlich von Teheran. Für Nuscha, seine geliebte Tochter, hat der Oberst bereits die Hochzeit mit einem Schahsohn vorgesehen. Doch Teheran meldet sich nicht mehr.
Der Vater stirbt als gebrochener Mann. Die Tochter, die allein mit Mutter und Diener im großen Haus zurückgeblieben ist, verliebt sich in einen Töpfer, Hosseina. Die Mutter verhindert jedoch, daß etwas aus der leidenschaftlichen Liebe der beiden wird. Nuscha gibt endlich nach und heiratet standesgemäß einen Arzt, Dr. Massum. Eifersüchtig, impotent, überfordert von Nuschas Gefühlen, mißhandelt er seine junge Frau.
Eines Tages ist Hosseina verschwunden. Unruhen brechen aus; hilflos läßt der neue Gouverneur einen Galgen auf dem Marktplatz errichten. Zu Hause wird Nuscha, die ihr Mann schwer verletzt hat, noch einmal von allen Wünschen und Versäumnissen ihres Lebens heimgesucht - und aus der Geschichte dieser Heimsuchung besteht der Roman: Warum nur, fragt sich Nuscha, habe ich nicht alles der Liebe geopfert wie Shirin, die legendäre Prinzessin? Noch im Tod riecht sie Hosseinas Nähe. Mit Nuschas Beerdigung geht der Aufruhr erst richtig los.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.07.2005

Rendezvous in der Töpferei
Iran braucht mehr Liebe: Abbas Maroufis dritter Roman

Lang scheint es her, da sorgte der Fall Abbas Maroufi für Aufsehen: Der 1957 geborene Schriftsteller, der zu den führenden Romanautoren seiner Generation in Iran zählt, wurde 1996 zu einem halben Jahr Gefängnis und zwanzig Peitschenhieben verurteilt, weil seine Zeitschrift "Gardun" den Mullahs ein Dorn im Auge war. Um der Züchtigungsstrafe zu entgehen, floh Maroufi nach Deutschland, wo er seither lebt. Mit seinem ersten ins Deutsche übersetzten Buch "Die Symphonie der Toten" (1996), einer finster-faszinierenden Brudermordgeschichte, wurde er auch hier bekannt, sein nächstes Werk jedoch, "Die dunkle Seite", war mit den Anspielungen auf die persische Literatur zu verrätselt, um ein breites Echo zu finden.

Maroufis dritter in deutscher Übersetzung erschienene Roman liegt zwischen den beiden Vorgängern: Das Buch ist finster und verrätselt, schlägt aber den Leser dennoch in seinen Bann. Erst bei wiederholter Lektüre erschließen sich all seine Anspielungen und Kunstgriffe. Seine unheimliche Wirkung jedoch entfaltet er, auch ohne daß man jeden Zusammenhang sogleich nachvollzieht. Die Geschichte ist einfach, die Erzählweise kompliziert. Nuscha, die bildhübsche Tochter des in die unwirtliche Provinzstadt Ssanagar versetzten Oberst Nilufari, verliebt sich unstandesgemäß in einen Töpfer, wird jedoch von ihrer Mutter zur Heirat mit dem herzlosen Arzt Ma'ssum gezwungen. Der Vater ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot; vergeblich hatte er auf eine Versetzung nach Teheran in die Nähe des Hofes gewartet. Seine heimliche Hoffnung war, seine Tochter dem Sohn des Schahs zur Frau zu geben. Sie wäre dann, wie der iranische Leser weiß, statt der berühmten Farah Diba die Frau von Mohammed Reza Pahlavi geworden. Die Weltgeschichte wollte es anders: Der im Zweiten Weltkrieg um Neutralität bemühte erste Pahlavi Schah wurde von den nach Iran einmarschierenden Briten und Sowjets zur Abdankung gezwungen, sein erst zweiundzwanzigjähriger Sohn als Marionettenschah eingesetzt. Die folgende Zeit innenpolitischer Wirren bildet den geschichtlichen Hintergrund des Buchs, das wohl in dem zwischen 1942 und 1943 anzusiedelnden "Jahr des Aufruhrs" spielt.

Der Roman beginnt denkbar brutal. Mit dem Knauf seiner deutschen Pistole zertrümmert Ma'ssum in einem Eifersuchtsanfall Nuscha den Schädel. Sieben Tage und Nächte dauert der von ihrem Mann kühl beobachtete Todeskampf. Nuschas Erinnerungen und Visionen wechseln sich ab mit Kapiteln, in denen aus neutraler Erzählperspektive berichtet wird. Zum Ende hin verschränken sich die beiden Erzählstränge immer kunstvoller, beleuchten und erläutern einander wechselseitig. Während die politische Situation ungeklärt bleibt, wird die Liebesgeschichte zwischen Nuscha und dem Töpfer Hosseina nach und nach enthüllt. Die Töpferei mit ihrem Geruch nach Erde und Ton wird zum Schauplatz betörend geschilderter Rendezvous. Nach Nuschas Hochzeit können sich die Liebenden nicht wiedersehen. Während Hosseina zu den Rebellen überläuft, darf Nuscha das Haus nicht verlassen. In der Ehe mit dem jähzornigen Arzt findet sie keinen Ausgleich. Als schließlich Gerüchte über Nuscha und Hosseina aufkommen, verliert dieser die Beherrschung.

Während die Liebesgeschichte schlüssig ist, gereicht die breite Darstellung der nicht richtig erklärten und zudem statischen politischen Situation in Ssanagar dem Buch eher zur Schwäche. Die Stadt wird von Rebellen heimgesucht, die sich in der "Ketzerburg" verschanzen. Die Soldaten der Regierung stehen hingegen auf der Seite des "Prophetenbergs". Russische Truppen haben die Stadt besetzt, greifen aber nicht ein. Ein Deutscher namens Malkum versucht mit großem finanziellem Aufwand, eine Brücke über die Schlucht zwischen Ketzerburg und Prophetenberg zu bauen. Damit ist die vergeblich um Neutralität bemühte, zwischen Deutschland, Britannien und Rußland lavierende Position Irans während der ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs ungefähr bezeichnet. Überdies taucht ein fundamentalistischer Prediger auf, der die Menschen zur "wahren" Islamauslegung bekehren will. Wie der Schatten des riesigen Galgens, den der Stadtkommandant errichten läßt, auf die Straßen der Stadt fällt, so beklemmend liegt die politische Ausweglosigkeit über dieser Geschichte einer Liebe.

Erst in der letzten Szene, als sich Nuschas Erzählerstimme endlich aus ihrem geschundenen Körper befreit hat, glimmt noch einmal etwas wie Hoffnung auf. Sie tritt in Gestalt des Autors selbst auf. Zweiundzwanzig Jahre nach ihrem Tod wandelt Nuscha noch einmal durch Ssanagar. Sie sieht Mirsa Hassan, den Stadtrat, der seinem achtjährigen Sohn Bassi - es ist die Koseform des Autornamens Abbas - von der Liebesgeschichte zwischen ihr und dem Töpfer erzählt. Da erkennt auch Mirsa Hassan sie wieder, während sie Bassis Hand drückt und ihm sagt: "Vergiß mich nicht, Kleiner." Ob die Geschichte nun erfunden ist oder nicht: Abbas Maroufi hat mit ihr allen unglücklich Liebenden in Iran und anderswo ein Denkmal gesetzt.

Abbas Maroufi: "Im Jahr des Aufruhrs". Geschichte einer Liebe. Aus dem Persischen übersetzt von Anneliese Gahraman-Beck. Insel Verlag, Frankfurt 2005. 320 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005

Galgen werfen lange Schatten
Ein spät übersetzter Roman des Exil-Iraners Abbas Maroufi erzählt von der Liebe in den Zeiten des Terrors
Von Bettina Ehrhardt
Die Schmähungen, die seine Heldin erdulden muss, sind ihm selbst angetan worden. Der iranische Schriftsteller Abbas Maroufi hat vier Jahre nach Veröffentlichung des Romans Bedrohung und Todesangst am eigenen Leib erfahren: 1957 in Teheran geboren, studierte Maroufi Theaterwissenschaften, bis die Ajatollahs die Universitäten schlossen. Er arbeitete in der Musikabteilung der Teheraner Stadthalle, obwohl Unterhaltungsmusik verboten war, gründete die Zeitschrift Gardun („Himmelsgewölbe”), veröffentlichte Romane, Erzählungen, Theaterstücke. Schließlich passiert es: Abbas Maroufi wird vom „Gericht für Presseangelegenheiten” wegen „Beleidigung der religiösen Werte” zu sechs Monaten Gefängnis, zwanzig Peitschenhieben und zweijährigem Publikationsverbot verurteilt. Internationale Proteste und die Unterstützung durch den deutschen PEN führen 1996 zu seiner Ausreise - das Urteil wird nicht vollstreckt, aber auch nie aufgehoben. Heute lebt Abbas Maroufi in Berlin.
Nuscha, die unglückliche Hauptfigur des schon 1992 im Iran erschienenen Romans „Im Jahr des Aufruhrs - Geschichte einer Liebe” ist Abbas Maroufis alter ego. Wie sie ist auch er in Ssangssar aufgewachsen, der „Stadt des Aufruhrs” in den Bergen des Nord-Iran. Am Ende des Romans geht ein Kind namens Bassi, in dem der Autor Abbas selbst erkannt werden kann, an der Hand des Großvaters, einer der wenigen Lichtgestalten des Romans, durch die Straßen der kleinen Garnisonstadt. Das Kind trifft die Seele Nuschas, die zu Grabe getragen wird. Die Stimme der Toten hat das letzte Wort, sie ermächtigt den Erzähler, ihr Erbe anzutreten, die Erinnerung fortzutragen: „Kleiner, bitte vergiß mich nicht, ich bin hier sehr einsam.”
Wechsel der Erzählperspektiven und Stimmenvielfalt ist Maroufis Technik, um Dichte herzustellen. Schon in seinem zweiten Roman „Die dunkle Seite” hatte er aus der Sicht einer Frau erzählt. In „Im Jahr des Aufruhrs” unterbricht er die subjektive Innensicht der Figur durch den Blick eines auktorialen Erzählers, der, wie Balzac , über seine Figuren alles weiß. Beide Stimmen dialogisieren in einer Art Wechselgesang. Das treibt die Geschichte einer Liebe in den Zeiten der Wirren, mitten im Zweiten Weltkrieg, voran, erzeugt Spannung - und verzögert gleichzeitig deren Auflösung: Maroufis meisterlicher Umgang mit Erzählrhythmen, die das Geschehen raffen oder auch dehnen, seine (in der großartigen Übersetzung von Anneliese Ghahraman-Beck) musikalische Sprache, die detektivisch genauen Schilderungen von Situationen, Orten, von Augenblicken, Düften und Geräuschen, ziehen den Leser in Bann. Virtuos mischt Maroufi die Zeitebenen, wechselt die Blickpunkte und porträtiert die Bewohner der Garnisonstadt wie auf der Theaterbühne.
Der äußere, historisch situierte Erzählrahmen trägt zur Dramatik bei: Die Russen sind, nach Hitlers Angriff auf die Sowjetunion, in den Nord-Iran einmarschiert und halten das Land besetzt, Aufständische in den Bergen tyrannisieren die Bauern, es sind gesetzlose Zeiten. Ein persischer Hauptmann reißt die Macht an sich, unterstützt durch den Opportunismus des Stadtrats. „Der Galgen warf einen langen Schatten”, lautet der erste Satz des Romans. „Bedrohlich und fremdartig. Tagsüber, nachdem die Sonne aufgegangen war, kroch er an allen Geschäften und Häusern der Khosrawistraße entlang.” Der Hauptmann hat den Galgen errichten lassen, an dem sogleich eine Ziege erhängt wird - die einzige Gefährtin eines Schwachsinnigen. Terror treibt das Leben zurück in die privaten Winkel.
In Parallelmontage erzählt Abbas Maroufi Nuschas Agonie: Sie ist von ihrem eifersüchtigen Ehemann, einem Arzt, mit dem Pistolenknauf lebensgefährlich verletzt worden und durchlebt in ihren letzten sieben Nächten noch einmal die Stationen ihres Lebens. Die Fallhöhe ihrer Passion für den schönen und liebenswürdigen Töpfer Hosseina war vorgezeichnet: „Warum nur, fragt sich Nuscha, habe ich nicht alles der Liebe geopfert wie Schirin, die legendäre Prinzessin?” Aus Schicklichkeit und um der Mutter zu gehorchen, hat sie den falschesten aller Männer zum Ehemann genommen, den kalten und jähzornigen Ma’ssum, der glaubt, „dass man die Frauen ganz klein halten müsse.” Nuscha und Hosseina erinnern an die großen Liebenden des persischen Mittelalters, Farhad und Schirin, Hosseinas Schicksal trägt Züge des schiitischen Märtyrers Hussein, eines Enkels des Propheten Mohammed. Die Beschreibung der Prozessionen, die an seinen Tod erinnern, trägt zum Pathos der Geschichte bei.
Maroufis Roman ist auch eine politische Parabel auf das Leben im Iran und die Verführbarkeit der Massen. Unter der Oberfläche des äußeren Scheins bereitet sich unaufhaltsam das Verhängnis vor, von dem es an einer Stelle heißt: „In völliger Ruhe ging alles seiner Vernichtung entgegen.”
Abbas Maroufi
Im Jahr des Aufruhrs - Geschichte einer Liebe
Roman. Aus dem Persischen von Anneliese Ghahraman-Beck. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2005. 320 Seiten, 22,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Beeindruckt, aber nicht ganz überzeugt ist Angela Schader von diesem Roman des Iraners Abbas Maroufi, dessen Werk sie in einer Mehrfachbesprechung vorstellt. Wie in seinen vorigen Romanen entwirft der seit 1996 im deutschen Exil lebende Maroufi auch in diesem Buch das "Panorama einer durch und durch zerrütteten Gesellschaft", die zwischen "Moderne und Tradition, Eigenem und Fremden, Misere und Arroganz" zerrissen zu werden droht. Die Geschichte ist in der Provinzstadt Ssangssar den späten dreißiger Jahren angesiedelt, zur Zeit als des Schah Reza Pahlevi, und variiert eine klassisch-persische Liebesgeschichte. Machtgier, Impotenz und Gewalt sieht Schader hier zwar sehr eindringlich dargestellt, doch stört sie sich an einer gewissen Schwarzweißmalerei und der wohl eher unfreiwilligen Bloßstellung der Heldin.

© Perlentaucher Medien GmbH