Marktplatzangebote
49 Angebote ab € 0,59 €
  • Gebundenes Buch

"Politiker und Journalisten haben eines gemeinsam: Sie sollen heute schon über Dinge urteilen, die sie erst morgen verstehen." Helmut Schmidt
"Das ist auch nicht schwieriger, als wenn man als Politiker in ein neues Ressort kommt und sich einarbeiten muss", sagte Helmut Schmidt, als er 1983 seinen Herausgeberposten bei der Zeit antrat. Ganz so einfach scheint es dann doch nicht gewesen zu sein, zumindest nicht für diejenigen, die bereits beim Blatt tätig waren. Er schärfte den Ressortleitern schon mal ein, "die Wohngemeinschafts- und Gossensprache der 68er-Generation" zurückzudrängen. Die…mehr

Produktbeschreibung
"Politiker und Journalisten haben eines gemeinsam: Sie sollen heute schon über Dinge urteilen, die sie erst morgen verstehen." Helmut Schmidt

"Das ist auch nicht schwieriger, als wenn man als Politiker in ein neues Ressort kommt und sich einarbeiten muss", sagte Helmut Schmidt, als er 1983 seinen Herausgeberposten bei der Zeit antrat. Ganz so einfach scheint es dann doch nicht gewesen zu sein, zumindest nicht für diejenigen, die bereits beim Blatt tätig waren. Er schärfte den Ressortleitern schon mal ein, "die Wohngemeinschafts- und Gossensprache der 68er-Generation" zurückzudrängen. Die konterten: "Eine Redaktion ist kein Ministerium." Dennoch: In dem Bestreben, eine tolerante, weltoffene Zeitung zu machen, herrschte Einigkeit. Pointiert und unterhaltsam zeichnet Theo Sommer den Aufstieg Helmut Schmidts zur politisch-moralischen Instanz nach.
Autorenporträt
Theo Sommer, geboren 1930 in Konstanz, Studium der Geschichte und politischer Wissenschaften in Tübingen und den USA, seit 1958 Tätigkeit bei der "Zeit", zunächst als politischer, dann zwanzig Jahre als Chefredakteur. Von 1992 bis 2000 Herausgeber und heute Editor-at-Large.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2010

Viel erlebt
Helmut Schmidts "Zeit"

Der 80 Jahre junge Theo Sommer - einst "Zeit"-Chefredakteur, dann Mitherausgeber, heute Editor-at-Large - porträtiert den fast 92 Jahre alten Helmut Schmidt. Zunächst sollte die Hommage nur dem Publizisten gewidmet sein, der wenige Monate nach dem Ende seiner Kanzlerschaft in die "Führungsetage" der Hamburger Wochenzeitung einrückte. Die Berufung setzte Marion Gräfin Dönhoff höchstselbst beim Verleger Bucerius durch. Der schrieb Ende 1982 an Schmidt: Einer im Bundestagswahlkampf "triumphierenden SPD" könne man "nicht außerdem noch als Trophäe die ,Zeit' mitgeben". Bleibe jedoch Helmut Kohls "CDU-Regierung (vielleicht mit der FDP), dann wäre es die Tradition der ,Zeit', dem Gegner eine Plattform zu bieten, zum Beispiel als Herausgeber. Das also ist mein Vorschlag. Aufgabe der Herausgeber: Verlag und Redaktion zu beraten." Bald nach der Wahlniederlage der SPD vom März 1983 zog Schmidt "in das 16 Quadratmeter große Zimmer 605 im Pressehaus am Speersort". Nach dem Tod des Verlegers 1995 "bezog er ein paar Türen weiter im sechsten Stock dessen - auch nicht viel größeres - Eckbüro".

Je mehr sich Sommer in Artikel und Bücher sowie Mitschnitte der Fernsehauftritte vertiefte, desto klarer wurde ihm, dass eine Beschränkung auf das Altkanzler-Wirken nicht den ganzen Schmidt widerspiegeln würde. Den jedoch wollte er erfassen, das "sachlich-autoritative" Auftreten ergründen, den "Staatslenker und Staatsdenker" vorstellen. Das ist auf informative und unterhaltsame Weise gelungen, durch viele Originaltöne. Ein Motto des großen Sozialdemokraten lautet: "Das, was die Nachwelt vermutlich über dich denken, sagen und schreiben wird, darf das, was du heute zu tun hast, nicht beeinflussen." Und er gesteht ein: "Die Öffentlichkeit hat aus solchen Figuren wie Richard von Weizsäcker und mir ja etwas gemacht, was wir in Wirklichkeit nicht sind. Wir stehen da als weise alte Männer. In Wirklichkeit sind wir nicht so ganz weise. Wahr ist, dass wir alt sind."

RAINER BLASIUS

Theo Sommer: Unser Schmidt. Der Staatsmann und der Publizist. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2010. 416 S., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.12.2010

Das knurrige Politorakel
Der Deutschen liebster Schmidt: Theo Sommers
Biographie über den Altbundeskanzler und Zeit–Verleger
Unter Hanseaten gehört es traditionell zum guten Ton, sich erst dann zu duzen, wenn der Tod bereits im Flur wartet und eine gewisse Annäherung über seinen Kopf hinweg deshalb unvermeidlich scheint. Bis es so weit ist, wird unter Politikern, Journalisten, Kaufleuten in Hamburg, sofern sie nicht der stadtbekannten Duz-Partei angehören, der gesiezte Vorname als angemessene Nähe betrachtet. In dieser Tradition nähert sich Theo Sommer, Altchefredakteur der Zeit – das englische Pendant „Editor at Large“ klingt feiner, wäre aber wörtlich übersetzt nicht tröstlicher: frei laufender Redakteur – dem Subjekt seiner Nahaufnahme, dem Altbundeskanzler, als befreundeter Weggefährte.
Die vom Verlag werbend für „Unser Schmidt“ benutzte Kennzeichnung Sommers als „enger Vertrauter“ des Bundeskanzlers a.D. hätte dieser allerdings ebenso gestrichen wie ein paar Dutzend Seiten des Werkes. Schmidt neigt zur Präzision und zu kurzen Sätzen, in denen ein Verb die Arbeit macht. Der gebürtige Hamburger schreibt, wie er spricht, und stets so, dass alle ihn verstehen.
Er gab von sich selbst stets nur so viel preis, wie es ihm der Sache dienlich schien. Wie alle geborenen Hamburger lehnt er deshalb staatliche Orden als unerwünschten Eingriff in sein Privatleben ab, denn bei der Verleihung müsste es zwangsläufig zu einer Begegnung auf Armeslänge kommen, also zu Vertraulichkeiten. Nähe ist ihm suspekt, falls es sich nicht um Sandra Maischberger handelt, die ein hautnahes TV-Porträt über ihn gedreht hat. Während eines Interviews mit Reinhold Beckmann gab es sogar einmal einen Moment, in dem er gerührt antwortete, statt wie üblich ungerührt zu knurren. Und in vielen Pausen, in denen er sich vom Zeit -Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, dem unbeugsamen Passivraucher, zwischen zwei Zigaretten befragen ließ, blitzte auf, was man als Altersmilde bezeichnen könnte.
Bei zweiundneunzigjährigen Deutschen als solchen wäre das keiner weiteren Rede wert, beim beliebtesten Schmidt der Deutschen aber schon. Er wird verehrt von alt und jung. Bei letzteren gilt er gar als cooler Typ. Was er wiederum, typisch coole Schnauze, trocken kommentierte: Der Ruhm seiner späten Jahre komme wohl daher, dass er weißes Haar habe und die Leute glaubten, wer weiße Haare habe, müsse auch weise sein.
Theo Sommer, anglo-hanseatisch per Sie addressiert und Ted genannt, hat bewusst, und daher weise, angesichts Dutzender von Büchern über und von Schmidt, fast immer darauf verzichtet, Altbekanntes zu wiederholen. Zwar hätte man sich gewünscht, dass ein unbestechlicher Lektor den frei laufenden Ex-Chefredakteur der Zeit bei manchen seiner Redundanzen eingefangen und ihm auch den ersten Satz eines Kapitels ausgeredet hätte: „Es ist Helmut Schmidt nicht an der Wiege gesungen worden, dass er Nationalökonom werden sollte.“ Nicht nur ihm, könnte da am Rand notiert werden.
Doch solche Randbemerkungen sind angesichts der Fülle des zu bewältigenden Materials nur Peanuts. Sommer analysiert – wie es sich für einen gebildeten Editor gehört, der auch mal als Beamter auf Zeit dem damaligen Verteidigungsminister zu Diensten war – den Staatsmann, den Wirtschaftspolitiker, den Publizisten, den Europapolitiker, den Außenpolitiker, den Sicherheitspolitiker, kurzum: den stets unbeirrbar nervenden und meist ob der Blindheit anderer genervten Welterklärer Helmut Schmidt. Das gelingt ihm gut, weil er ihm auf Augenhöhe begegnet statt ihn anzuhimmeln.
Deshalb menschelt es nur selten in diesem Buch. Immerhin ist zu erfahren, dass der damals 42-jährige Helmut Schmidt auf einer nächtlichen Zugfahrt mit Ted Sommer im Schlafwagenabteil Pils trank, obwohl man ihn eigentlich nur mit einer amerikanischen Dunkellimonade und einem abendlichen Daumenbreit Whisky in Verbindung bringt.
Sommer zählt auf, was Schmidt so alles früher erkannte als andere: Den Aufstieg Chinas; das ungebrochene Hegemonialstreben der Amerikaner; den mühsamen Weg zum geeinten Europa; die Turbulenzen auf dem globalen Finanzmarkt und anderes mehr. Und er begründet, warum diesem so pragmatisch agierenden Politiker Mozart und Bach – die von Schmidt und Christoph Eschenbach und Justus Frantz vor Jahrzehnten eingespielten Aufnahmen gibt es inzwischen als CD – und Barlach und Kant und Popper und Siegfried Lenz und Henry Moore und Emil Nolde näher waren als viele Protagonisten seiner Kaste, ausgenommen Henry Kissinger, Rainer Barzel und Giscard d’Estaing.
Für Journalisten sind die Kapitel über Schmidt als Verleger, Leitartikler, Herausgeber natürlich Pflichtlektüre. Sie gehören zu den stärksten des Buches, weil Theo Sommer in Rufweite war, also erlebt hat, was er beschreibt, nachdem Schmidt aus dem Kanzleramt ins Hamburger Pressehaus zog. Anfangs dachte er wohl, die Zeit -Redaktion verlange so nach seiner Führung wie einst in Bonn die SPD-Fraktion oder das Kabinett, doch erkannte er bald, dass sich selbstbewusste Journalisten nicht steuern ließen. Inzwischen haben sie sich – in gebotener Distanz, schließlich arbeiten sie in Hamburg! – einander angenähert, und Schmidt ist es, der mit all seiner Autorität bei Angriffen von außen seine Redaktion verteidigt – auch dann, wenn er die Meinung des Kritikers teilt.
Darf man, fragt sich Theo Sommer in seinem Vorwort, ein „Buch über einen Freund schreiben, der eine Gestalt der Zeitgeschichte ist“? Nein, eigentlich darf man das nicht. Doch so behutsam, wie er es gemacht hat, aus weiter Ferne ganz nah, darf man es allemal. MICHAEL JÜRGS
THEO SOMMER: Unser Schmidt: Der Staatsmann und der Publizist. Hoffmann und Campe, Hamburg 2010. 416 Seiten, 22 Euro.
Der Publizist Michael Jürgs lebt ebenfalls in Hamburg.
Helmut Schmidt?
„Ein cooler Typ“
Dies Porträt von Helmut Schmidt im Jahr 1962 ist nicht ganz akkurat: Während der großen Flut in Hamburg hat der damalige Polizeisenator in der Regel keine Gummistiefel getragen. Sein Biograph Theo Sommer trägt bis heute keine Prinz-Heinrich-Mütze. Das unterscheidet ihn von Schmidt, der sich wiederum von den meisten amerikanischen Politikern darin unterscheidet, dass er das Menscheln verabscheut. (augf) Zeichnung: Hurzlmeier
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit Lob bedenkt Rezensent Michael Jürgs diese Biografie über Altbundeskanzler und Zeit-Verleger Helmut Schmidt, die Theo Sommer vorgelegt hat. Eine kluge Entscheidung scheint ihm der Verzicht auf eine Wiederholung von aus etlichen Büchern bereits Bekanntem über Schmidt. Die Analyse Schmidts als Staatsmann, Wirtschaftspolitiker, Publizist, Europapolitiker, Außenpolitiker, Sicherheitspolitiker, Welterklärer findet Jürgs überaus gelungen. Das liegt seines Erachtens auch daran, dass Sommer Schmidt "auf Augenhöhe begegnet" statt "ihn anzuhimmeln". Gelegentliche Redundanzen hält er angesichts der Materialfülle, die es zu bewältigen galt, für verzeihlich. Besonders hebt Jürgs die Kapitel über Schmidt als Verleger, Leitartikler, Herausgeber hervor, die für ihn zu den besten des Buchs zählen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Zum Leckerbissen für viele Hamburger Spurensucher auf schmidtschen Pfaden wird das erste Buchkapitel, das das Wirken des Altbundeskanzlers 'von innen' beleuchtet.« Hamburger Abendblatt, 12.11.2010