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Sieben Menschen, sieben Schicksale. Als der Kalte Krieg heiß war, kämpften sie an unsichtbarer Front. Ihre Waffen: Vertrauen, Verführung, Verrat. Als die Mauer in Deutschland fiel, war nichts mehr wie es war. Ihr Doppelleben verfolgt sie weiter, bis heute. Das Buch liefert keine "sensationellen Enthüllungen". Es will etwas wagen. Es verlässt die Oberfläche, vermeidet schrille Schlagzeilen und verzichtet auf sattsam bekannte Stellungnahmen. Die Geschichten öffnen einen unverstellten Blick auf die Stasi-Herrschaft und ihre Durchdringung der Gesellschaft bis in privateste Bereiche. Es geht um…mehr

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Produktbeschreibung
Sieben Menschen, sieben Schicksale. Als der Kalte Krieg heiß war, kämpften sie an unsichtbarer Front. Ihre Waffen: Vertrauen, Verführung, Verrat. Als die Mauer in Deutschland fiel, war nichts mehr wie es war. Ihr Doppelleben verfolgt sie weiter, bis heute.
Das Buch liefert keine "sensationellen Enthüllungen". Es will etwas wagen. Es verlässt die Oberfläche, vermeidet schrille Schlagzeilen und verzichtet auf sattsam bekannte Stellungnahmen. Die Geschichten öffnen einen unverstellten Blick auf die Stasi-Herrschaft und ihre Durchdringung der Gesellschaft bis in privateste Bereiche. Es geht um Täter, Opfer und geopferte Täter, um unerkannten Verrat in nächster Nähe. Die beschriebenen Schicksale sind voller Hoffnungen, Dramatik und Irrtümer. Sie werden aus erster Hand erzählt. Der Leser erfährt, was passiert, wenn der Bruder, der Freund oder die Partnerin Vertrauen missbrauchen und zum persönlichen Feind werden. Die Folgen des Doppelspiels wirken lebenslang: Verrat zerstört Freundschaften und politische Ideale. Es dauert lange, bis die Wunden heilen. Die sechs Erzählungen sind minutiös recherchiert worden auf der Basis von jahrelangen Gesprächen mit Beteiligten, Zeitzeugenprotokollen und umfangreichen Aktenfunden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2008

Handgeschreddert
Das Erzählen vom Leben mit der Stasi findet einen neuen Ton
Als es die DDR noch gab, wurde gern auch die Geschichte eines Dienstreisenden erzählt, der eines Abends in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang die Tür seines Hotelzimmers wütend zuschlug und, mit sich selber redend, in die Leere des Raums rief: „Was für ein Scheißland. Nicht mal ein ordentliches Bier haben die hier.” Keine zwei Minuten vergingen, es klopfte, man brachte ihm wortlos ein kühles Radeberger. Es war die Marke, die er bevorzugte.
Im Vergleich dazu ist die Bedienung in der Kneipe „Zur Firma” – Berlin-Lichtenberg, Normannenstraße – zwar besonders freundlich, aber weniger gut informiert. Der Kunde muss selber wissen, was er will. Manches, etwa Halb-Liter-Gläser, gibt es erst gar nicht. Überm Tresen sind ein paar Ost-Produkte zu bestaunen, der deutsche Historiker Friedrich Engels schaut vom Fünfzig-Mark-Schein auf den Gast herab, daneben hängen Teile einer Offiziersmontur: Schirmmütze, „Cognakjacke”. Irgendwo steht auch eine Tasse mit dem Konterfei von Erich Mielke herum. Das Ministerium für Staatssicherheit hatte wenige Meter entfernt seinen Hauptsitz.
Es ist nicht sehr voll hier am frühen Samstagabend. Die anderen Gäste kennen einander schon länger, plaudern behutsam scherzend miteinander. Keiner nutzt die herumstehenden Spielautomaten, vor denen Mielkes Ministerium die Ostdeutschen immer hatte bewahren wollen. Keiner zückt seine IM-Karte, auf dies es für Stammgäste ab und an Rabatt geben soll. Es läuft Neue deutsche Welle – „Hurra, hurra, die Schule brennt”– , und Nina Hagen trällert vor sich hin. An einer Wand blickt das Kanzlerinnengesicht aus Rotarmistenuniform, darunter steht in kyrillischen Buchstaben „Di rote Gefar”. Ein Beutel mit Schnipseln ist beschriftet: „Täterakte, handgeschreddert”.
Selbst die BBC war bald nach der Eröffnung des Lokals hier. Die geschmacklose Koketterie mit Stasi-Relikten verursachte etwas Aufregung im sommerlichen Berlin. Es wird den Wirten wenig nutzen, Touristen verlieren sich kaum in diese Gegend, und so bleibt die Nachbarschaftskneipe, wenn überhaupt, eher ein Fall für Freunde des Rauchverbots und der Prohibition als für die Bundeszentrale für politische Bildung.
Der Besucher, der Artikel über den Ort gelesen und geschichtspolitisch Gefährliches erwartet hat, sieht sich enttäuscht vom hilf- und witzlosen Sammelsurium aus Uniformen, Ausweisen, Büchern. Es wirkt, als wollte man sich mit Macht ans Untergegangene ketten. Wie so oft, wenn es um das Erbe der Staatssicherheit geht, hatte man sich alles größer, dramatischer vorgestellt. Es wirkt bloß ärmlich, schäbig und dann doch ärgerlich in der moralischen Unempfindlichkeit. In Amstetten sähe man ja auch nicht gern ein Speiselokal namens „Josef F.” eröffnet.
Die Geschichte raucht noch
Gewiss, Vergleichbares gibt es nicht zu knapp in Berlin: Uniformteile, Mützen, Medaillen werden den Touristen angeboten, am Checkpoint Charlie kann man sich mit Männern in Soldatenkostümen fotografieren lassen. Das Geschäft mit der Zeitgeschichte boomt. Es läuft neben Aufarbeitung, Gedenken, Forschung und von diesen scheinbar unberührt. Wenn man am ehemaligen Grenzübergang einen Soldaten-Darsteller umarmt, mag dies ein Zeichen der Befreiung sein: Die Teilung liegt hinter uns.
Im Fall der Staatssicherheit scheinen entscheidende Debatten noch auszustehen. Platt gesagt: Hier raucht die Geschichte noch. Und das nicht nur, weil immer mal wieder Inoffizielle Mitarbeiter enttarnt werden. Auch nicht allein, weil bis zum 1. Juli dieses Jahres 2 517 619 Bürger Akteneinsicht bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes beantragt haben und ein Ende nicht abzusehen ist. Bisher war die öffentliche Diskussion über die Stasi von den Fronten der frühen neunziger Jahre geprägt: Bürgerrechtler gegen Apparat. Was in dieser Schlachtordnung gesagt werden konnte, ist gesagt. Mit IM-Fällen wird, wie das Beispiel der Berliner Zeitung zeigt, vernünftig umgegangen. Ansonsten überlagert der Streit um die Zukunft etwa der Birthler-Behörde längst die Auseinandersetzung in der Sache. Es ist an der Zeit, sich auf neue Weise mit dem Thema zu befassen, neben Anklage und Rechtfertigung herauszufinden, wie es gewesen ist.
Soeben ist ein Buch erschienen, das eben dies versucht. „Verrat verjährt nicht” von Christhard Läpple (Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008. 350 Seiten, 19,95 Euro) beruht auf den jahrelangen Recherchen des ZDF-Redakteurs für die Dokumentation „Die Feindzentrale” (2006). Am Ende hatte er dreihundertfünfzigtausend Seiten Akten gesichtet, waren ihm die Autoscheiben mehrfach eingeschlagen worden, mussten noch kurz vor der Ausstrahlung Fehler korrigiert werden. Damals ging es um die Infiltration des Senders durch die Stasi, um Namen und Enthüllungen.
Jetzt quillt der Mund über
Für sein Buch jedoch hat Christhard Läpple die Namen geändert, auch die Decknamen. Er erzählt sieben Lebensläufe, die vom MfS geprägt wurden. Da ist ein Kulturmann aus Dresden, der „für sein Land” ein Doppelleben führte, in der Künstlerszene spitzelt, lange auf eine reformkommunistische Verschwörung hofft und nach der Wende ein unbarmherziger Stasi-Ankläger wird. Da ist eine junge Lehrerin aus Leipzig, die für die Stasi in den Westen geht, ihren Sohn aus erster Ehe zurücklassend. Sie missbraucht Kontakte, Freundschaften und steigt dann aus. Eine „Rebellin aus Berlin”, Kerstin, übergibt einem ZDF-Mann Manuskripte über das Leben in der DDR und wird daraufhin verhaftet. Keiner ihrer Texte erscheint. In der Untersuchungshaft beginnt sie, dem Stasi-Offizier, der sie verhört, zu vertrauen. Neun Monate sieht sie ihn täglich. Er nutzt ihre Hilflosigkeit aus, sie wird zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Christhard Läpple hat mit Opfern gesprochen, aber auch Täter, Inoffizielle Mitarbeiter, dazu gebracht, Auskunft zu geben. Oft war das Bemühen vergeblich, aber wenn es gelang, kam – so scheint es zumindest – regelmäßig der Augenblick, da denen, die sich so lange im Geheimen getummelt hatten, der Mund überquoll. Die Lüge erzeugt eine Atmosphäre der Einsamkeit, und selbst ein so sündenstolzer IM wie der „Flüsterer aus Weimar”, dort Museumsdirektor, spitzelnder Freund eines West-Korrespondenten, will sich dann doch ins rechte Licht gerückt sehen. Den Vorwurf des Verrats weisen die meisten von sich. Da ist dann rasch von Politik und Kaltem Krieg und „gerechter Gesellschaft” die Rede. Am schlimmsten erscheint es, wenn ein Bruder, der seine Schwester ausspionierte, ihr Verrat vorwirft, weil sie einst in den Westen gegangen war.
Gerade an seinem Beispiel lässt sich das Sinken moralischer Hemmschwellen studieren: Man warb ihn an, als seine Schwester Freundin eines die Stasi interessierenden Journalisten wurde. Er sprach selbstverständlich mit dem Führungsoffizier, der doch den Sozialismus wollte wie er, unter Genossen also. Eine Verpflichtung wollte er lange nicht unterschreiben, genoss aber dann doch das Überlegenheitsgefühl gegenüber dem so viel gewandteren Wessi. Aber auch er war für das MfS nur Instrument, Objekt, kaum Individuum, das zählte.
Läpple erzählt ohne Selbstgerechtigkeit, aber auch moralisch unbeirrt. Es ist ein Vorzug seiner Geschichten, dass sie gesamtdeutsch sind und bis ins Heute reichen. Und er stellt die richtigen Fragen. Hat es eine „Verstaatlichung des Gewissens” gegeben? „Wann verzeihen wir Verrat, wann nicht?” Der Leser denkt unweigerlich darüber nach, wann das Spitzeln zum Kern des Charakters wird und ob es eine Tätigkeit unter anderen sein kann. Kann man auch hier zwischen Täter und Tat unterscheiden? Verrat, die Entwertung gelebten Lebens durch Geheimdienste, lässt sich kaum juristisch bewältigen. Zu DDR-Zeiten half gegen MfS-Avancen am besten die Dekonspiration. Auf die Wirkung des freien Wortes setzt auch Läpples wichtiges, bewegendes Buch, das einen neuen Ton in die Debatte bringt. Die biographische Enteignung kann nicht rückgängig gemacht werden. Aber die Geschichten müssen aus dem Halbdunkel geholt werden, damit die Vergangenheit ihre Macht über die Gegenwart verliert. JENS BISKY
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als "bisher genauestes Sachbuch über die sprichwörtliche Stasimentalität" lobt Rezensentin Evelyn Finger diesen dokumentarischen Erzählband. Beeindruckt protokolliert die Rezensentin auch die geduldige, nicht wertende Zuhörerschaft des Publizisten Christhard Läpple, der aus Personendossiers, "endlosen Observationsprotokollen", "zermürbenden Gesprächen mit Opfern und Tätern" die "Wahrheit" gefiltert und gesichertes historisches Wissen mit der jeweiligen persönlichen Situation der Protagonisten verknüpft habe. Die auf diesem Wege entstandenen sechs Lebensläufe haben ihr eine "Ahnung" von den inneren Beweggründen der Spitzel ebenso vermitteln können, wie von Schicksal ihrer Opfer.

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