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"Was macht die Arbeit, Fitz?" Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald lernen sich 1925 in der Pariser Dingo Bar kennen. Mit dieser Begegnung beginnt eine kurze, aber intensive Freundschaft. Sie tauschen sich über Leben und Literatur in zahlreichen Briefen aus, die Benjamin Lebert in dieser Auswahl einander gegenüberstellt. Fitzgeralds Briefe macht er mit seiner Übersetzung erstmals einem deutschsprachigen Publikum zugänglich. Als sich Hemingway und Fitzgerald in Paris kennenlernen, ist Fitzgerald bereits ein gefeierter Autor und eine Ikone des Jazz Age. Hemingway schlägt sich dagegen noch als…mehr

Produktbeschreibung
"Was macht die Arbeit, Fitz?" Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald lernen sich 1925 in der Pariser Dingo Bar kennen. Mit dieser Begegnung beginnt eine kurze, aber intensive Freundschaft. Sie tauschen sich über Leben und Literatur in zahlreichen Briefen aus, die Benjamin Lebert in dieser Auswahl einander gegenüberstellt. Fitzgeralds Briefe macht er mit seiner Übersetzung erstmals einem deutschsprachigen Publikum zugänglich. Als sich Hemingway und Fitzgerald in Paris kennenlernen, ist Fitzgerald bereits ein gefeierter Autor und eine Ikone des Jazz Age. Hemingway schlägt sich dagegen noch als Korrespondent durch. Von Anfang an sind beide nicht nur Freunde, sondern auch Rivalen. Sie gehören zum Kreis um Gertrude Stein und unternehmen gemeinsame Reisen in Europa. In ihren Briefen tauschen sie sich über Klatsch ebenso wie über drängende existenzielle Fragen aus, schreiben über Boxen und kritisieren die Texte des jeweils anderen. Immer wieder diskutieren sie, wie der Drahtseilakt des Lebens zu Literatur wird. Ihre Briefe zeugen von gegenseitiger Faszination und geben Einblick in die außergewöhnliche Freundschaft zweier außergewöhnlicher Schriftsteller.
Autorenporträt
Ernest Hemingway, geb. 1899 als Sohn eines Arztes in Illinois (USA), ging 1921 als Journalist nach Europa und in den Nahen Osten. 1954 erhielt er für sein schriftstellerisches Werk den Nobelpreis für Literatur. Danach verbrachte er fünf Jahre in Paris. 1961 schied er nach schwerer Krankheit freiwillig aus dem Leben.

F. Scott Fitzgerald, 1896 in St. Paul (Minnesota) geboren, hatte nach den Studienjahren in Princeton mit 24 Jahren sein Ziel erreicht: Sein erster Roman 'Diesseits vom Paradies' machte ihn auf einen Schlag berühmt und reich, mit seiner Frau Zelda stand Fitzgerald im Mittelpunkt von Glanz und Glimmer. 'Der große Gatsby', sein heute meistgelesenes Buch, war jedoch ein finanzieller Flop. Alles endete im schrecklichen Kater der Wirtschaftskrise. Alkohol, Zank und Geldprobleme zerstörten die Ehe mit Zelda. Um Geld zu verdienen, ging Fitzgerald 1937 als Drehbuchautor nach Hollywood, wo er 1940 starb.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2013

Meine Schreibtischväter

Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald - der wildeste, jazzigste Briefwechsel der Weltliteratur

Von Clemens Meyer

Was waren das für Zeiten, als sich die Schriftsteller noch Briefe schrieben. Heute haben Facebook, Twitter und sonstiger Netzmüll ein seriöses Kommunizieren . . . aber halt!

Kann man den Briefwechsel der beiden Großen der klassischen Moderne, Hemingway und Fitzgerald, wirklich seriös nennen, der ernste Ernest und der philosophierende Francis Scott? Ich glaube, in keinem anderen Briefwechsel der Weltliteratur ging es so wild, fröhlich, bewusst pathetisch, großspurig und dann wieder selbstironisch, mal platt, tratschig, schnoddrig, jazzig und literarisch, albern, intellektuell zu wie in diesen Feuerwerksduellen. "One, two, three", möchte man rufen, wenn dieser Reigen immer wieder beginnt: "Wahres Ende der Geschichte, hatte Tripper, nicht Gonorrhö, aber wusste nicht, ob man Tripper mit zwei p schreibt . . . Den Teufel auch. Versuch es zu kriegen . . . Hoffe ihr habt tolle Weihnachten."

". . . es ist nicht Dos der heiratet. Es ist Don. Wenn ich Dos gesagt habe, war das ein Fehltritt der Tinte. Ich werde diese Tinte wegschütten. Oh Himmel, das Wetter ist so mies . . ."

"Kostbarer Papa, Stierkämpfer, Gourmand etc. Mir ist zu Ohren gekommen: (a) Dass du gesehen wurdest, wie du mit dem Fahrrad durch Kansas gefahren bist und auf etwas herumgekaut + es ausgespuckt hast - eine Mischung aus Ziegenfleisch + Chicorée . . ."

"Schreib mir. Nie bekomme ich Briefe. Arbeitest du wirklich an deinem Roman? . . . Stimmt es, dass du durch Alkoholvergiftung blind geworden bist . . .?" "Mumm hat noch nie jemanden reich gemacht, außer Champagnerherstellern . . ."

Der Alkohol, der Alkohol, sicher hat er viel zu diesem Ton, genauer: dieser Polyphonie beigetragen. Wir lesen die Tragödie Fitzgeralds zwischen den Zeilen, der sich, zusammen mit Zelda, im Rausch des Jazzzeitalters ruinierte. Hemingway erscheint hier noch wie der große Mahner, der große Bruder, der viel verträgt (und das stolz immer wieder in Mengenangaben schreibt, obwohl die "sieben Flaschen Bier", die ihm in Schruns in Österreich einen furchtbaren Kater bescherten, von dem er Scott sogleich berichtet, moderat anmuten, aber wahrscheinlich waren es Literflaschen), und dem Kollegen, der nichts verträgt und dennoch trinkt, sanft den Weg weisen will. "Lieber Scott: Hat mich gefreut von dir zu hören und zu bemerken, dass du dich trockengelegt hast. Bedaure, dass mein Brief großmäulig war, so habe ich das nicht gemeint."

Würden Schriftsteller so etwas in E-Mails verhandeln? Werden wir dereinst E-Books über die E-Mail-Wechsel der Dichter lesen? Aber die permanente Verfügbarkeit, Erreichbarkeit, Gleichzeitigkeit lassen vielleicht den Drang verlöschen, die Ereignisse, Dinge, Eindrücke, die sich über einen längeren Zeitraum angesammelt haben, mit einer eigenen Literarizität zu verhandeln. Oder können wir uns Hemingway beim immer mehr nervenden und uns auffressenden Facebook (ich gebe zu, ich benutze es, um zu spannen!) vorstellen? "McAlmon ist ein Schweinehund, mit dem Verstand eines eingewachsenen Zehennagels."

Oder den romantischen beschwingten (und doch so traurigen) Fitzgerald? "Wir waren in einem Hinterhaus in Juan-les-Pins. Bill hatte Probleme mit seinem Schließmuskel . . . Und gerade als der König von Bulgarien hereinkam, hat Bill wieder eine Ladung abgefeuert . . . Dann fing der König von Bulgarien an, sich wie wild im Kreise zu drehen . . . es ist halb vier Uhr in der Nacht, und ich habe seit heute Morgen um 11 gearbeitet, und alles ist ein wenig vernebelt." Es ist eben eine private, feine Zärtlichkeit (so wie Fitzgeralds "Tender is the Night" oder Hemingways "A Farewell to Arms"), die diese Briefe bei all ihrer Ruppigkeit so schön und lesbar macht. Allein die Abschiede. Eine Enzyklopädie von witzigen, melancholischen, verspielten Abschieden, unter Freunden, platonischen Geliebten (eine Zeitlang ging ja in ihrer fernen Zeit das Gerücht um, sie hätten ein homoerotisches Verhältnis, aber darüber können beide lächeln und lachen). "Schreib, wenn du Lust hast. Ich werde einsam." "Immer Dein Mitarbeiter für die Clean Books Bill. Ernest M. Shit." "In großem Futterneid von Kumpan und Klatschtante Scott." "Ein wunderschönes Buch ist es! Leck mich am Arsch. EH." "Mit übereifrigen + zielgerichteten guten Wünschen, Scott." "Grüße an deine ganze Familie. Dein Ernest (Gott, was für ein Name)." "Immerzu dein Freund, Scott." "Dir immer das Beste - Dein Dich liebender Freund, Ernest." "In alter Zuneigung . . . PS: (2) Ich hörte, Du heiratest eine der mit Abstand hübschesten Personen, die ich jemals gesehen habe. Bring mich einmal bei ihr in Erinnerung."

Der letzte Gruß ist vom 8. November 1940. Anderthalb Monate darauf war es vorbei mit dem großen Romantiker der Moderne. Gebrochenes, kaputtgetrunkenes Herz. Ach Scott, du großer Gatsby, diesseits des Paradieses, unter den Schönen und den Verdammten, zärtlich wie die Nacht, der letzte (und erste!), fragmentarische Tycoon der modernen Literatur. Die Briefe zwischen den Freunden sind weniger geworden in den Jahren zuvor. Als sie sich trafen, kennenlernten, sich zu schreiben begannen, war Scott, der jazzige Fitzgerald, der große Künstler, der wie ein schillernder Sternennebel (Entschuldigung, ich bin berauscht angesichts der Briefe und Werke, wieder mal) die zwanziger Jahre der Literatur umhüllte, durch alles drang. Sturm und Drang. Erfolg. Während Hemingway, der spätere Papa, der Stundenschläger, sich mühte, schrieb und schrieb, eine bewegliche, neue Sprache suchte, sich ein Selbstbewusstsein aufbaute in den Zeiten der Not, was in dem fragilen, unsicheren, treibenden, aber so stilsicheren Scott Bewunderung hervorrief . . . ach, was schreibe ich hier, lest die Briefe, lest die Bücher. Nun habe ich die Stelle doch gefunden, aber es war, wie so oft zu Beginn ihrer Freundschaft, der alte junge Hemingway, der es bewundernd schrieb: "Gott, ich wünschte, ich könnte Dich sehen. Du bist der einzige Kerl in und außerhalb Europas, dem ich das sagen kann . . ." Aber nein, das war es doch nicht. Eine andere Passage war es, die ich meine. Und wie klug der Fitzgerald über die Rohfassung von "The Sun Also Rises", das ja im Deutschen so unklug "Fiesta" heißt, in diesen Briefen schreibt. Und der spätere unangreifbare Papa hat es beherzigt. Was die Streichungen und Ratschläge betrifft. Und fand dann später immer wieder Zeit und Raum, um kleine Spitzen in die Briefe einzubauen, häufig auch in Briefe an andere (die gesammelten, ausgewählten Briefe Hemingways findet man zumindest antiquarisch).

So drehte sich dann ihr Verhältnis. Ach, ihr schönen zeitgeschriebenen Zeugen. Wo Kritiker noch mit Prügel bedroht wurden, wo die Lästerzungen glühten und wo man im Wahnsinn dieser Zeit Atem holte, um sich der Freundschaft zu versichern, wo es keine Angst vor einer möglichen Öffentlichkeit gab. Unpolitisch korrekt. Politisch unkorrekt. Hauptsache, der Schwung ist nicht verreckt. Und drauf geschissen hätten sie eh alle beide. Sie bewegten sich in dem ungeheuren Raum der Literatur (um mal den Titel eines Romans des von beiden sehr geschätzten E. E. Cummings zu zitieren).

Ja, es ist auch ein Fechtkampf, kein Faustkampf. Fitzgeralds feiner Geist konnte gut damit umgehen, dass ein starker Geist wie der olle Hem ihn hin und wieder kleinhalten wollte und ihn dennoch liebte. Und dann, als er tot war, der wundervolle, grazile, wahnsinnige Fitz, Francis Scott, endlich zu erkennen, dass er wahrscheinlich der Größte ihrer Generation war. Und noch einmal, Sound, O-Ton, 1926, angesichts der zweiten Auflage von "The Sun Also Rises", Verbeugung, gleichzeitig Rumlärmen, vom Papa Hemingway: "Die Sonne geht auf (wie Ihr Schwanz, falls Sie einen haben). Ein größerer Gatsby (Geschrieben mit der Freundschaft von F. Scott Fitzgerald, dem Propheten des Jazz-Zeitalters)."

Und Scott? "Der Langweiler sagt Gute Nacht. Gute Nacht an alle."

Oh nein. Langeweile existierte nicht. Nicht in ihren Literaturen, Zeiten, Briefen.

Ernest Hemingway, F. Scott Fitzgerald: "Wir sind verdammt lausige Akrobaten. Eine Freundschaft in Briefen". Hrsg. von Benjamin Lebert. Aus dem Englischen von Werner Schmitz, Benjamin Lebert. Hoffmann und Campe, 160 Seiten, 17,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Vielleicht hat das Duo aus F. Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway in den USA inzwischen den Grad an Bekanntheit und Mystifizierung erreicht, die hierzulande Goethe und Schiller genießen, erwägt Paul Ingendaay. Dort spuckt der Kulturbetrieb seit Jahren ein Buch nach dem anderen aus, das sich mit ihrer Freundschaft oder Konkurrenz befasst, während sie in Deutschland wohl hauptsächlich als individuelle Autoren bekannt sind, vermutet der Rezensent. Endlich ist unter dem Titel "Wir sind verdammt lausige Akrobaten" nun der Briefwechsel der beiden auf Deutsch erschienen, freut sich Ingendaay. Dieser kleine Band fördert vor allem die Unterschiede zutage, findet der Rezensent, "Hem" schreibt locker drauflos, mit einer Mischung aus College-Humor und Wortspielereien versucht er "Fitz" zum Schreiben zu animieren, der wiederum kommt Ingendaay sehr ernst vor, der Alkoholismus und seine verkorkste Ehe haben ihn bereits gezeichnet. Ob einem der jungendliche Abenteurer oder der Melancholiker besser gefällt, sei jedem selbst überlassen, meint der Rezensent, der es dem Herausgeber Benjamin Lebert hoch anrechnet, dass dieser sich in seinem Vorwort jeder Parteinahme verweigert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2013

Jake und der coole Ton
Hemingways erster Roman „Fiesta“ in neuer Übersetzung –
und sein Briefwechsel mit F. Scott Fitzgerald
VON WILLI WINKLER
Bald hundert Jahre sind vergangen, seit der Amerikaner Ernest Hemingway Europa als exotischen und auch noch preiswerten Urlaubsort entdeckte: die Bars in Paris, das Schifahren in den Alpen, das Angeln in den Pyrenäen, den Stierkampf in Pamplona. Hemingway schildert ein scheinbar ursprüngliches Europa und beklagt auch schon den Tourismus, den er doch mit seinen schwärmerischen Schilderungen mitbegründet.
  „The Sun Also Rises“, 1926 erschienen, war der erste richtige Roman des Journalisten aus Chicago, der bis dahin nur Erzählungen veröffentlicht hatte und ein paar Gedichte. Ernst Rowohlt brachte das Buch 1928 auf Deutsch unter den einprägsamen spanischen Titel „Fiesta“ heraus, der inzwischen auch auf englischen Ausgaben gleichauf mit dem Originaltitel erscheint.
  Durch „Fiesta“ wurde Hemingway zum liebsten deutschen Amerikaner. So nüchtern wie er von Liebesbeziehungen, Trinkritualen, Sportereignissen und dem beiläufigen Töten erzählte, konnte das im Zwischenkriegsdeutschland niemand, das sich am Expressionismus den Magen gründlich verdorben hatte. Die Welt war mit einem Mal jung und einfach. „Es war ein warmer Frühlingsabend, und nachdem Robert gegangen war, saß ich an einem Tisch draußen vor dem Napolitain, sah zu, wie es dunkel wurde und die Lichtreklamen angingen, sah die Ampel abwechseln rot und grün werden, die Leute vorbeischlendern, die Pferdekutschen an den endlosen Taxischlangen entlangklappern, die poules vorbeischlendern, allein oder zu zweit auf der Suche nach einem Abendessen.“
  Trotzdem ist dieses entspannte Bild nicht frei von Sentimentalität, aber Hemingway schluckt das aufsteigende Schluchzen hinunter und hält sich an einfache Sätze, die jeder verstehen konnte. Aber da ist noch mehr. Mit der Pingeligkeit eines Restaurantkritikers verzeichnet der erst 25-jährige Autor durch seinen Ich-Erzähler Jake die Speisen, zählt vor allem auf, was in welcher Reihenfolge getrunken wird, vergisst nicht zu notieren, was der Wein im Café Iruna kostet und ob er in der Pension inkludiert ist, wenn die Übernachtung in den Bergen inzwischen so teuer ist wie drunten in Pamplona.
  Bei der erneuten Lektüre nach Jahrzehnten fällt auf, wie selbstgefällig dieser Jake und damit das ganze Buch wirkt. Das liegt nicht nur daran, dass die Helden den Stierkampf als inneres und äußeres Erlebnis feiern oder eine Frau danach beurteilt wird, ob sie die Augen abwenden muss, wenn der Stier mit seinen Hörnern die Pferde der picadores aufschlitzt. Es liegt auch an der Konsequenz, mit der Robert Cohn, einer aus der Runde der freiwilligen Exilanten, als Jude dargestellt und damit zum Gegenbild des weltkundigen Jake gemacht wird: Cohn hat zu viel Geld und die falschen Sachen an, er war in Princeton, hat zwar einen Roman geschrieben, der nicht ganz schlecht, aber natürlich alles andre als gut ist. Nichts kann er richtig: „Sherry“, antwortet er auf die Frage nach seinem Getränkewunsch. „Jerez“, gibt der Erzähler die Bestellung an den Kellner weiter.
  Vor allem hatte Cohn eine Affäre mit der allseits begehrten Brett Ashley, die zwar mit jedem ins Bett geht, aber eben nicht mit dem Erzähler, mit dem Veteranen Jake Barnes, weil der als Kriegsfolge impotent geworden ist. Die Entmannung tobt sich in männlichen Tätig- und Lustbarkeiten aus und in zweifelhaften Scherzen über einen Unfall, bei dem Henry James eine ähnliche Verletzung davongetragen haben soll. Fitzgerald vermutete hier eine ganz andere wunde Stelle. Jake benehme sich Brett gegenüber gar nicht, als sei er impotent. „Er ist wie ein Mann, der so was wie einen moralischen Keuschheitsgürtel trägt.“
  Jakes Verletzung rührt aus dem Krieg, auf den sich die Männer immer beziehen. Dieses Männerbündeln mag eine ganz andere Ursache haben. Kenneth S. Lynn war sich in seiner Biografie, die 1987 erschien, sicher, dass Hemingway Schwierigkeiten mit seiner Geschlechtsidentität hatte, sich also nicht eingestehen wollte, dass er in Wahrheit homosexuell war.
  Einiges davon bringt auch der Briefwechsel zwischen Hemingway und seinem zeitweilig besten Freund F. Scott Fitzgerald zum Vorschein. Benjamin Leberts Ausgabe dieser Korrespondenz sind überraschende Erkenntnisse zu verdanken. In seinen posthum erschienenen Erinnerungen „Paris - ein Fest fürs Leben“ muss er Fitzgerald unbedingt an der Größe seiner Genitalien zweifeln lassen, und der gute Hem kann ihn über diese Schwäche hinwegtrösten. 1925 war aber Fitzgerald bereits der berühmte Autor des „Großen Gatsby“ und wurde bei Scribner verlegt, bei dem Hemingway mit Fitzgeralds Hilfe schließlich unterkam.
  Nachdem das Manuskript von „Fiesta“ bereits an den Verlag gegangen ist, redigiert Fitzgerald einen Durchschlag. Er tut es so zartfühlend wie möglich, beginnt damit, wie dankbar er selber für die Arbeit des Lektors war und hält Hemingway dann seine Nachlässigkeiten und vor allem seinen Anfänger-Snobismus vor: „Nicht nur, dass Du gut schreiben willst, sondern gleichzeitig musst Du auch immer noch heraushängen lassen, dass Du niemals tun würdest, was jeder andere auch tun kann.“ Hemingway befolgte die Ratschläge, schrieb um, kürzte, verbesserte. Fitzgerald hat er diese Hilfe nie verziehen.
  In Max Perkins fand Hemingway einen aufmerksamen Lektor, aber er hatte nie einen besseren als den Kollegen Fitzgerald. Ihm vor allem haben die Leser den frischen, kaltblütigen Stil zu verdanken, den der immer selbstbewusster auftretende Hemingway mit der Entfernung von diesem Jugendfreund immer mehr aufgab, bis er sich in ganz und gar in sentimentaler Selbstparodie verlor.
  Einem bejahrten Ondit zufolge wollte Hemingway von seiner ersten „autorisierten“ Übersetzerin Annemarie Horschitz-Horst nicht lassen, weil sich der erste Teil ihres Doppelnamens auf Englisch so lustig anhörte. Außerdem sind von ihrer Übersetzung ungefähr achthunderttausend Exemplare verkauft worden, so schlecht kann sie also gar nicht gewesen sein. Vielmehr darf vermutet werden, dass nicht Hemingway den legendären Einfluss auf die Nachkriegsliteratur zwischen Siegfried Lenz, Heinrich Böll und Wolfdietrich Schnurre ausübte, sondern es sich um Frau Horschitz handelte.
  Philologische Kritik ist langweilig und bringt den Übersetzer nur gegen den Rezensenten auf. Dann also los, eine Stichprobe. „,That will be a pleasant meal.‘ ‚Won’t it‘ As a matter of fact, supper was a pleasant meal.“, heißt es bei Hemingway. Der neue Übersetzer Werner Schmitz nimmt das „pleasant“ auf und kommt damit dem Hemingway-Sound, zu dem auch eine gewisse Einförmigkeit gehört, recht nahe: „,Das wird bestimmt eine erfreuliche Angelegenheit.‘ ,Bestimmt.‘ Das Abendessen war in der Tat eine erfreuliche Angelegenheit.“ Annemarie Horschitz lässt hier jedes Gefühl für den Hemingway-Ton vermissen. Ihre deutsche Fassung klingt eher wie eine Parodie auf den Autor: „,Wird eine angenehme Mahlzeit werden.‘  ,Wahrhaftig.‘ Tatsache war, daß das Abendessen richtig nett verlief.“ Tatsache ist, dass das fürchterliche „wahrhaftig“ dem armen Autor Klumpfüße unterschnallt, deretwegen seine Erben noch heute Schmerzensgeld verlangen dürften.
  Diese erste Übersetzung stammt aus dem Jahr 1928, sie ist wie jede andere gealtert, aber nicht in jedem Fall die schlechtere. Ein Beispiel, willkürlich natürlich. Bei Werner Schmitz heißt es: „Die Fiesta hatte ernsthaft begonnen. Sie ging sieben Tage lang Tag und Nacht weiter. Das Tanzen ging weiter, das Trinken ging weiter, der Lärm ging weiter.“ Bei Horschitz-Horst: „Die Fiesta hatte wirklich begonnen. Sie dauerte Tag und Nacht, sieben Tage lang. Man tanzte und trank unentwegt, und der Lärm nahm kein Ende.“
  Und jetzt das Original, Hemingway: „The fiesta was really started. It kept up day and night for seven days. The dancing kept up, the drinking kept up, the noise went on.“ Hemingway, der Liebhaber der schweifenden Parataxe, hämmert hier drei knappe Aussagesätze hintereinander. Alle Schmuckwörter, vor allem die Adjektive sind ihnen ausgetrieben, darum stört eine scheinpoetische Girlande wie das „unentwegt“ im dritten Satz, zumal es das maschinenhafte Vorwärtstreiben in Hemingways Satz bremst. Trotzdem gelingt der ehrwürdigen Frau Horschitz-Horst mit ihrem in fast reine Daktylen aufgelösten Satz ein eigener Tanz; es ist nur nicht der, den Hemingway hörte und (so stellt sich das der Leser vor) schreibmaschinenlaut aufs Papier hämmerte.
  Werner Schmitz ist hier viel näher am Original, wenn er in Parallelführung mit dem ,kept on‘ alles weitergehen lässt, drei Mal hintereinander. Hemingway ist mit zweien zufrieden und windet sich dann durch ein abschließendes, aber neues Verb aus dem Satz heraus. Er tut es überlegt: Tanzen und Trinken sind Spezifika, der Lärm ist der generische Begriff, der insgesamt weitergeht.
  Das sind alles Kleinigkeiten, Kleinigkeiten, die aber den Stil entscheiden und dem Autor seine unverwechselbare Stimme geben. Bei diesem Autor ist auch die Angeberei am Ende eine lässliche Sünde. „Fiesta“ ist ein unverschämt jugendliches Buch. Ernest Hemingway stand da noch ganz am Anfang seiner verheerenden Karriere, die über Frauentausch, Großwildjagd und Alkoholismus zum Weltruhm führte. Hier ist er noch einmal neu zu entdecken.
Ernest Hemingway: Fiesta. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 320 Seiten, 19,95 Euro.
F. Scott Fitzgerald/Ernest Hemingway: Wir sind verdammt lausige Akrobaten. Eine Freundschaft in Briefen. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Benjamin Lebert. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2013. 160 Seiten, 17,99 Euro.
„Nicht nur, dass Du gut schreiben willst, sondern gleichzeitig musst Du auch immer noch heraushängen lassen, dass Du niemals tun würdest, was jeder andere auch tun kann“, schrieb F. Scott Fitzgerald (links) an seinen zeitweiligen besten Freund Ernest Hemingway .
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"Die Sammlung vermittelt ein
faszinierendes Bild einer spannenden Phase der amerikanischen
Literaturgeschichte und gibt faszinierende Einblicke in die Entwicklung zweier
schillernder Autoren." dpa, 03.09.2013