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Eine neue Stimme in der deutschsprachigen Literatur - schon vor Erscheinen preisgekrönt.
»Meine Frau war zu mir gezogen. Sie kam nicht aus der Gegend, sondern von weiter her, und diese Umgebung hier war ihr noch recht neu und unbekannt. Und da, ganz am Anfang, war alles noch so einfach.«
Diese Sätze leiten den ersten Roman des jungen österreichischen Autors Reinhard Kaiser-Mühlecker ein. Scheinbar nüchtern berichtet ein Mann von sich. Er ist noch nicht lange verheiratet mit einer Frau aus der Stadt, lebt mit ihr und seinen beiden Eltern auf dem Hof der Familie, den er übernommen hat und…mehr

Produktbeschreibung
Eine neue Stimme in der deutschsprachigen Literatur - schon vor Erscheinen preisgekrönt.

»Meine Frau war zu mir gezogen. Sie kam nicht aus der Gegend, sondern von weiter her, und
diese Umgebung hier war ihr noch recht neu und unbekannt. Und da, ganz am Anfang, war alles noch so einfach.«

Diese Sätze leiten den ersten Roman des jungen österreichischen Autors Reinhard Kaiser-Mühlecker ein. Scheinbar nüchtern berichtet ein Mann von sich. Er ist noch nicht lange verheiratet mit einer Frau aus der Stadt, lebt mit ihr und seinen beiden Eltern auf dem Hof der Familie, den er übernommen hat und bewirtschaftet. Diese Geschichte erzählt von zwei Menschen, die sich sehr nahe sind, zwischen denen aber immer mehr Fragen auftauchen, die unbeantwortet bleiben. Immer weniger versteht der Mann, was passiert, immer mehr hat er das Gefühl, dass die Entwicklungen ihm entgleiten. Eigentümlich ergreifend ist dieser Bericht, der ohne jede Interpretation auskommt, nichts erklärt, einfach nur beschreibt.

Ausgezeichnet mit dem Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung
Autorenporträt
Kaiser-Mühlecker, ReinhardReinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems, Oberösterreich, geboren. 2008 debütierte er mit dem Roman Der lange Gang über die Stationen. Es folgten die Romane Magdalenaberg (2009), Wiedersehen in Fiumicino (2011), Roter Flieder (2012) und zuletzt Schwarzer Flieder (2014). Seine Arbeit wurde u. a. mit dem Jürgen-Ponto-Literaturpreis, dem Kunstpreis Berlin und dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.07.2008

Geräusch, erzeugt in frühem Fleiß
Was denkt ein alter Bauer? Reinhard Kaiser-Mühleckers überraschendes Roman-Debüt
Dieser Roman fällt einem in den Schoß wie aus einer anderen Zeit. Mitte der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts heiratet ein junger Bauer mit Namen Theodor eine Städterin aus dem nahe gelegenen Linz. Gemeinsam bewirtschaften sie den Hof seiner Eltern, da der Vater krank in einem Zimmer siecht und die Mutter auch nur noch ein Schatten ist. Sie arbeiten im Rhythmus, den die Natur ihnen vorgibt. An Sonntagen wandern sie durch die oberösterreichische Gebirgslandschaft, entlang an den Erinnerungsorten, und Theodor gibt weiter, was er über Land und Leute weiß. Dies ist „der lange Gang über die Stationen”, der dem Roman des gerade fünfundzwanzigjährigen Debütanten Reinhard Kaiser-Mühlecker den Titel gibt. Schon an der gleichnishaften Allgemeinheit des Titels scheiden sich die Geister – und wenn nicht dort, dann auf den ersten Seiten. Kaiser-Mühlecker hat eine Sprache, die auch in den fünfziger Jahren altmodisch geklungen hätte, umständlich, ernst und oft auch schwer. „Froh dachte ich mich, der die Frau daheim wusste und den blauen Himmel über sich,” geht das dann oder: „Ich wanderte festen Schritts über die Schollen, und nur ein-, zweimal knöchelte ich aus Unachtsamkeit um.”
Geschmack des Seltenen
So viel Unzeitgemäßes fällt auf. Schon vor seinem Erscheinen wurde der Roman mit dem Jürgen-Ponto-Preis ausgezeichnet. Kaum war er auf dem Markt, wurde er für seine dichten, atmosphärischen Naturbeschreibungen mit Adalbert Stifter verglichen, für die Aufladung des Unscheinbaren mit Peter Handke. Man befand das Unzeitgemäße für erfrischend, ja für eine neue „Avantgarde”, die nach dem Anti-Heimatroman mit dem Anti-Anti-Heimatroman wieder zum Heimatroman zurückgekehrt sei. Andere wiederum versuchten, Kaiser-Mühlecker als Gespenst der Restauration in den modrigen Keller der Geschichte zurückzudrängen. Bei so viel Bestaunen des Unzeitgemäßen ging allerdings verloren, dass dies selbst ein Roman über die Zeit ist. Und zwar weniger über die verlorene Zeit, der ein Restaurateur nachtrauert, als über das Zeitempfinden.
Kaiser-Mühlecker will eine Phänomenologie des bäurischen Bewusstseins schreiben, dessen wesentliche Attribute Schweigsamkeit und eine gewisse zeitfremde Ruhe sein sollen. Es schildert die Ruhe eines Menschen, der keinen Einfluss auf den Lauf der Dinge zu haben meint, weil sein Tun in den Gang der Natur gebettet ist. Ein solches Bewusstsein kennt nicht das Fortschreiten und Vergehen von Zeit, sondern nur die alljährliche Wiederkehr von Jahreszeiten. Es ist die Arbeit, „die die Zeit unsichtbar machte.” Und wenn es keine Arbeit gibt, überlässt Theodor sich dem nackten Daseins- und Weltgenuss. „Mir ging manches durch den ruhig daliegenden, rastenden Kopf, nur nichts Bestimmtes”, heißt es dann. Oder er betrachtet die Natur mit einer Langsamkeit und Gründlichkeit, die der Sprache eine erstaunliche Nähe zu den Dingen verleiht. Was immer er betrachtet, bekommt den Anschein des Elementaren. Wenn er etwa die sonntägliche Zigarette raucht, findet er darin „den Geschmack des Seltenen.”
Theodor beobachtet, aber er spricht nicht viel – und darin, dass man ihm das abnimmt, besteht die größte literarische Leistung seines Autors. Als der Nachbarbauer von der verstorbenen Frau spricht, schlägt Theodor ihm in seiner Ratlosigkeit vor, das Vieh anzuschauen; was sie dann schweigend tun. Nur auf dem ersten Blick ist diese Sprache reich und füllig; tatsächlich ist sie eine karge Frucht, es sind Worte, die über Jahre hinweg gesammelt wurden, der Schweigsamkeit abgerungene Brocken und darum so auf das Wesentliche konzentriert.
Die Schweigsamkeit und Ruhe des Bauern; das ist als Tatbestand natürlich nicht neu, ja, es erinnert an die Bauernverehrung des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, der Zeit, in der zum ersten mal der Bauer im Industriearbeiter zu verschwinden drohte. Aber der Modus dieses Romans ist nicht aussagend, ja nicht einmal nur darstellend. Seine Stärke rührt daher, dass Darstellung und Wirkung ineinander übergehen. Kaiser-Mühlecker versetzt auch den Leser in den Zustand der Ruhe, Zeitenthobenheit und Gelassenheit. Kaiser-Mühlecker staut den Fluss der Sprache, bremst ihr Dahingleiten von Wort zu Wort und Satz zu Satz – wenn auch zuweilen mit grammatischen Mitteln, die manchen Kritiker dazu verleitet haben, nach einem ordentlichen Lektorat zu rufen.
Schon der zweite Absatz beginnt mit einer Lesesperre, einem umständlichen Einschub, der ein Verb und einen Nebensatz so weit wie möglich spaltet: „Meine Frau kam auf mich, der ich dort am Tisch nach hinten gelehnt, das Kreuz hohl und die Beine ganz durchgestreckt, saß, zu.” Das Partizip Präsens wird oft substantiviert, eine Bewegung muss innehalten: der Erzähler spricht von „dem Klopfenden”, „dem Vielbeschäftigen”, „dem Nächstwohnenden”. Schließlich dehnen sich manche Augenblicke über Seiten, indem sie vor und zurückgreifend immer wieder erzählt werden, während im nächsten Moment ganze Jahre in Eintönigkeit verschwinden.
Gewiss, Sprache transportiert immer eine Geisteshaltung – aber hier doch weniger die des Autors als seines Protagonisten Theodor. Kaiser-Mühleckers Sprache ist altertümelnd, aber funktional. Eine Kunstsprache, die den Roman noch über das Jahr 1956 hinaus an die Schwelle zur Industrialisierung versetzt, ja vielleicht sogar an den Anfang der Neuzeit überhaupt. Wenn Theodor seinen Lohnarbeiter Knecht nennt, dann klingt damit an, dass dieses Wort eine lange Geschichte hat, aber keine Zukunft. Eben dieser Knecht ist es, der Theodor dann von einem Tag auf den anderen verlässt. Er sucht Freiheit – Sinnbild gesellschaftlicher Emanzipation – und stürzt Theodor damit weiter ins Verderben.
Die gemeinsam angefangene Scheune für die Schafzucht, sein Versuch, der modernen Landwirtschaft aufzuschließen, kann er ohne ihn nicht vollenden. Der Hof, soviel lässt sich sagen, wird nicht bestehen. Weg von ihm treibt es auch seine Frau, die er so gerne bei der Arbeit betrachtet: „Aus der Küche hörte ich die Geräusche des Abwaschens, die meine Frau erzeugte im morgendlichen Fleiß.” Sie ist Sozialistin, aber Theodor sagt, auf dem Land habe man seit jeher gerade so viel Zeit für Politik, um „sich mit den Regierenden abzufinden”.
Tragisch wird es schließlich, als Theodor bei einem Ausflug nach Wien mit seiner unzeitgemäßen Charakter konfrontiert wird. Man lacht seinen „tadellosen Trachtenanzug” aus, und als er auf einer Tanzveranstaltung anfängt zu „paschen”, also nach Landmannsart laut zu klatschen, begleitet ihn nicht einmal mehr seine Frau. Das bäurische Bewusstsein, das sich dem Lauf der Dinge überlässt, ist stillgestelltes, in sich gefangenes Bewusstsein, das dem Verfall nur zusehen und in der neuen Welt nicht bestehen kann. „Der lange Gang über die Stationen” verströmt den Geist einer vergangenen Epoche nicht, um ihn zu verbreiten, sondern konserviert ihn, um ihn erfahrbar zu machen, soweit das im Medium der Literatur möglich ist. Viel mehr kann man von einem Roman nicht verlangen. JEAN-MICHEL BERG
REINHARD KAISER-MÜHLECKER: Der lange Gang über die Stationen. Roman. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008. 160 Seiten, 16,95 Euro.
Im Zeichen ewiger Wiederkehr: Österreichischer Bauer bei der Heuernte, 1974. Foto: R. Dietrich/Ullstein Bild
Reinhard Kaiser-Mühlecker Foto: oh
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2008

Bauer sucht Plan B

Tradition mit Haarrissen: Der österreichische Autor Reinhard Kaiser-Mühlecker macht den Bauernroman zum Erzählexperiment.

Kaum etwas scheint dem radikal Neuen feindlicher gegenüberzustehen als das bäuerliche Leben. Gerade die deutschsprachige Literatur hat ihrem Beharrungsvermögen immer wieder große Literatur abgerungen - Erzähler wie Arnold Stadler oder Josef Winkler stehen für diese Anti-Heimat-Literatur, in denen sich ein Subjekt gegen die übermächtige, patriarchalische Welt des Herkommens zu behaupten hat. Der junge, auf dem elterlichen Hof in Öberösterreich aufgewachsene Reinhard Kaiser-Mühlecker dreht in seinem Debütroman dieses Schema um. Herausgekommen ist dabei ein wundersames und wunderbares Paradox: ein Bauernroman als Erzählexperiment.

Denn Kaiser-Mühlecker geht ein hohes Risiko ein, indem er die Perspektive eines Menschen einnimmt, der keinerlei Drang nach Veränderung oder auch nur Reflexion seiner ererbten Lebensbedingungen verspürt. Ich-Erzähler des Romans ist ein junger Bauer, der, etwa zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts, den kleinen elterlichen Hof übernimmt und sich eine Frau "von weiter her" holt. In einer einfachen, mitunter archaisierenden, aber sehr anschaulichen Sprache beschreibt er eine Welt, mit der er - zunächst - im Einklang lebt; man arbeitet hart, zum Seelenfrieden genügt die Gefährtin und gelegentlich eine selbstgedrehte Zigarette. Als Initiationsritus wandert er mit seiner Frau an Sonntagen familiäre Gedächtnisorte der Umgebung ab - der "Gang über die Stationen", der dem Buch den Titel gibt.

Beschreibung, aber nicht eigentlich Handlung, Statik statt Dynamik ist der Modus dieses Erzählens, die Inbesitznahme eines ererbten Grundes mit der Sprache. Als der Bauer seiner Frau auf einer Wanderung von seinem lange verstorbenen Großvater erzählen soll, denkt er: "Mir schien, auch für diese Lebensgeschichte . . . war das Einzige und Passendste, was man sagen konnte, nur: und so weiter und so fort. Und das auch dieses Leben, wie ein jedes, dahingegangen war bis zum Schluss."

Der Großvater also hätte noch keine Romanfigur abgegeben. Kaiser-Mühlecker erzählt nun von der Generation, in die Kette der Tradition zu rosten beginnt. Es bilden sich feinste Haarrisse in dieser scheinbar allen historischen Veränderungen enthobenen Idylle. Der Bauer erlebt seine erste Autofahrt. Es gibt Verstimmungen. Die Frau fühlt sich einsam, sie hat sich wohl in ihrem Mann getäuscht; er wiederum ist eifersüchtig auf eine Bekanntschaft aus früheren Zeiten. Der - aus seiner Sicht selbstverständliche - Wunsch nach Kindern ist der (unausgesprochene) Streitpunkt. Eine gemeinsame Reise nach Wien wird zum Debakel: Am Ende tanzt der betrunkene Provinzler in einer Bar Schuhplattler. Ökonomische Veränderungen tun ein Übriges, der Hof wird unrentabel, man übernimmt sich. Eine Welt zerbricht. Doch zum immergleichen Gang über die Stationen gibt es keinen Plan B.

Wie in einer Novelle des neunzehnten Jahrhunderts greift eins ins andere und führt mit Folgerichtigkeit zum fatalen Ende. Der Kunst dieses Debüts liegt in der Erzählhaltung, die ihren Gegenstand nie der Lächerlichkeit preisgibt; geschildert wird die ausweglose Lage eines Menschen, dem die Welt, mit der er anfangs doch ganz eins war, entgleitet und der sie nur wieder einholen könnte, wenn er sich selbst dafür aufgäbe. Kaiser-Mühlecker trägt auf allerengstem Raum den großen Kampf zwischen Tradition und Fortschritt aus, ohne sich auf eine Seite zu schlagen. Ein Buch, das als Debüt des Jahres 2008 genauso aus der Zeit gefallen scheint wie seine Hauptfigur, und das genauso unvergesslich bleibt.

RICHARD KÄMMERLINGS

Reinhard Kaiser-Mühlecker: "Der lange Gang über die Stationen". Roman. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008. 160 S., geb., 16,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Tief beeindruckt ist Rezensent Christoph Schröder von Reinhard Kaiser-Mühleckers Debütroman "Der lange Gang über die Stationen". Er würdigt ihn als ein Buch, das völlig aus der Zeit fällt. Dass der Autor gerade einmal 25 Jahre alt ist, mag er kaum glauben. Der in den 1950er Jahren im oberösterreichischen Seengebiet angesiedelte Roman um einen jungen Bauern, der sich wirtschaftlich übernimmt und hilflos mitansehen muss, wie ihm seine schöne Frau mehr und mehr entgleitet, zeichnet sich für Schröder durch seine Sprache und seinen Blick auf die Welt aus. Der Tonfall des Ich-Erzählers wirkt auf ihn fast ein wenig altmodisch, aber dabei niemals "aufgesetzt" oder "folkloristisch", sondern "höchst authentisch". Besonders lobt Schröder die genaue, feinsinnige, diskrete Beschreibung der "atmosphärischen Veränderungen" in der Beziehung des Jungbauern und seiner Frau.

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