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Doris Lessings Einfühlungsvermögen und ihr Verständnis für Menschen aller Hautfarben und sämtlicher Schichten sind überzeugend und ergreifend. Sie setzt Simbabwes wirtschaftliche und soziale Probleme ins Verhältnis zur Alltagsrealität, zum individuellen Leben von Afrikanern, die mit Veränderungen und Katastrophen zu kämpfen haben.
"Weise und lebensnah." -- The New Yorker
Zwischen 1982 und 1992 unternahm Doris Lessing vier Reisen in die junge Republik Simbabwe, das frühere Südrhodesien, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Fünfundzwanzig Jahre lang war ihr aus politischen Gründen
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Produktbeschreibung
Doris Lessings Einfühlungsvermögen und ihr Verständnis für Menschen aller Hautfarben und sämtlicher Schichten sind überzeugend und ergreifend. Sie setzt Simbabwes wirtschaftliche und soziale Probleme ins Verhältnis zur Alltagsrealität, zum individuellen Leben von Afrikanern, die mit Veränderungen und Katastrophen zu kämpfen haben.

"Weise und lebensnah." -- The New Yorker
Zwischen 1982 und 1992 unternahm Doris Lessing vier Reisen in die junge Republik Simbabwe, das frühere Südrhodesien, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Fünfundzwanzig Jahre lang war ihr aus politischen Gründen die Einreise in die alte Heimat verwehrt gewesen. Aufmerksam und mit geschärftem Blick sammelt Doris Lessing Material, das sie schließlich zu einem einzigartigen Porträt dieses Landes verdichtet. Erinnerungen aus der Vergangenheit verschmelzen in Rückkehr nach Afrika mit Skizzen, Impressionen, Miniaturen und Fragmenten zu einem umfassenden Bild, das die rasante Veränderung in diesem Teil Afrikas deutlich macht.
Autorenporträt
Doris Lessing wurde 1919 in Persien geboren und wuchs auf einer Farm im damaligen Süd-Rhodesien auf. Mit dreißig Jahren kam sie nach London und veröffentlichte dort 1950 ihren ersten Roman. Ihr umfangreiches literarisches Werk macht sie zu einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autorinnen. Im Hoffmann und Campe Verlag erschienen seit 1988 zahlreiche Werke, zuletzt ihre Romane Die Kluft (2007) und Alfred und Emily (2008) sowie das Erzählungsbändchen Die Schmuckschatulle (2007). Sie wurde mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. 2013 wurde die fünfzehnbändige Werkauswahl abgeschlossen, in der u.a. Das goldene Notizbuch , Unter der Haut, Das fünfte Kind und zwei Erzählungsbände erschienen. Doris Lessing starb am 17. November 2013 in London.

Anette Grube studierte Amerikanistik und Politik. Seit 1988 arbeitet sie als literarische Übersetzerin. Sie hat u. a. Werke von Doris Lessing, T. C. Boyle, Kate Atkinson, Vikram Seth und Arundhati Roy ins Deutsche übertragen. Sie lebt in

Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2012

Jenseits des Maisbreis
Zwei gute Bücher: Der Roman „Ein süßer Traum“ und der Reisebericht „Rückkehr nach Afrika“ in der deutschen Doris-Lessing-Werkausgabe
Doris Lessing, das ist eigentlich nicht eine Schriftstellerin, sondern zwei. Die eine denkt sich was aus, ersinnt einen Plot, der mit ihrem Leben nichts zu tun hat, und herauskommt Unsägliches: ein Fantasy-Roman von der lahmen kaleidoskopischen Art wie „Mara und Dann“ von 1999 oder ein geistesabwesendes Pamphlet wie „Die Kluft“ von 2007, in dem sie eine Welt der Urmütter ohne Männer beschrieb, ein Stück rechthaberischer Feminismus vom Borniertesten.
Ein wahres Glück also, dass die beiden jüngsten Bücher, die Hofmann und Campe als Teil der Werkausgabe vorlegt, von der anderen Doris Lessing stammen, von der Verfasserin des „Goldenen Notizbuchs“, für das vor allem sie den Nobelpreis erhalten hat. Dies ist die Weltbürgerin, die, 1919 in Persien geboren, in Südrhodesien aufgewachsen und von dort als Rebellin ausgewiesen, in England zur Kommunistin wurde, um die Partei schließlich zu verlassen und sich der islamischen Mystik zuzuwenden, und die aus allen diesen Erfahrungen packende, intelligente Literatur gemacht hat.
Es handelt sich der Form nach um einen Roman bzw. einen Reisebericht; aber Form hat bei dieser Autorin nicht viel zu bedeuten. Einen geringen Unterschied macht es auch, dass sie sich geweigert hat, den allgemein erwarteten dritten Teil ihrer Autobiographie zu schreiben: „Ein süßer Traum“ gibt dennoch ein umfassendes Bild jener Zeit von den Sechzigern bis in die achtziger Jahre, von Lessing selbst und von der Epoche.
Frances (mit starken Zügen der Autorin ausgestattet) verschafft gestrandeten Jugendlichen, die es ihr oft wenig danken, eine Heimstatt, wobei sie sich und ihre eigenen Ansprüche völlig verleugnet. Die Erzählerin schafft es, dass der Leser Anteil nimmt am Schicksal dieser Teenager, verzogenen Bälgern und verletzten Seelen, die sich gedankenlos schwängern lassen, Ladendiebstahl in der Carnaby Street für Klassenkampf halten oder mindestens für cool und jeden, der ihnen hierin widerspricht, als Faschisten beschimpfen, am meisten natürlich Frances, in deren Wohnküche sie sich dennoch bei deftiger Kost versammeln wie Überlebende eines Schiffbruchs. „Wie konnte sie das Mädchen kritisieren“, heißt es einmal, „weil sie Eltern verlassen wollte, die sie nicht verstanden?“ Der letzte Nebensatz ist kursiviert, und in dieser schmollenden Insistenz fängt sich viel vom herrlich unreifen Zeitkolorit der Swinging Sixties.
Außer Frances folgt das Buch der Spur zweier anderer Frauen, die der älteren und der jüngeren Generation angehören. Frances’ Ex-Schwiegermutter Julia, die eigentliche Hausherrin, wohnt ganz oben und ganz allein, eine Dame alter Schule, Deutsche, die im Zweiten Weltkrieg darunter zu leiden hatte, dass sie nicht zugleich auch Jüdin war. Sehr zögerlich naht sie der Chaoten-WG in den tieferen Stockwerken, als eines Tages ein kindliches unterernährtes Mädchen eingeliefert wird (zufällig ihre Enkelin – die verwickelten Familienverhältnisse werden sehr lax gehandhabt), das sie mit dem Löffel aufzupäppeln beginnt. Dieses Mädchen ist Sylvia, die später als idealistische Ärztin in den Busch von Simlia geht, hinter dem sich das soeben befreite Simbabwe verbirgt.
Über die dort zur Macht gekommene Befreiungsbewegung und deren Führer macht sich die Erzählerin keine Illusionen. Es herrschen Vetternwirtschaft, Habgier und Inkompetenz, und die Menschen sterben wie die Fliegen an Aids, einer Krankheit, deren Existenz die Regierung glattweg abstreitet. Die Weißen hingegen, die den Krieg verloren haben, erscheinen wie der Fels der Vernunft in einer Brandung mörderischen Unfugs.
Und merkwürdigerweise glaubt man es dem Buch aufs Wort, wenn man die Porträts der neuen schwarzen Oberklasse liest, der „fetten Katzen“, und vermutet nicht einen Augenblick, dass Doris Lessing auf ihre alten Tage zur Rassistin geworden sein könnte. Denn da gibt es zum Beispiel auch die beiden rührend übereifrigen Waisenkinder Clever und Zebedee, die Sylvia nicht von der Seite weichen und unbedingt Ärzte werden wollen; in London angelangt, müssen sie erst einmal lernen, wie man nicht etwa bloß einen Aufzug, sondern sogar, wie man eine Treppe benutzt. Kein anderer Satz fällt in diesem Buch so oft wie der, dass irgendein Erlebnis oder Anblick jemandem das Herz bricht.
Den Reisebericht „Rückkehr nach Afrika“, ein knappes Jahrzehnt zuvor entstanden, kann man als Komplement zum zweiten Teil des Romans lesen. Doris Lessing, die im weißen Rhodesien Persona non grata gewesen war, besuchte in den achtziger und frühen neunziger Jahren wiederholt das neue schwarze Simbabwe. Der dünne fiktionale Schleier fällt in dem Bericht über diese Reisen ganz, es fehlt der romanhafte Zwang zur Konstanz von Figuren und Handlung, der Verlauf ist offen, episodisch, anekdotisch – und noch weitgehend frei vom zurückgestauten Zorn des „Süßen Traums“, heiter bis hin zum Komödienhaften, auch bei schlimmen Dingen.
Dass die neue Regierung korrupt ist, hält sie in Afrika für nichts Besonderes; mehr ins Auge fallen ihr Vitalität, Optimismus und Entschlossenheit der Leute. Beim ersten Besuch von 1982 registriert sie die Missstände, vergisst aber nie zu ergänzen: Was erwartet ihr in bloß zwei Jahren? 1988 scheint ihr das neue Gemeinwesen auf gutem Wege, an nichts so deutlich ablesbar wie daran, dass die weißen Farmer, wenn sie, wie sie es immer taten, „wir“ sagen, nunmehr alle Bürger des Landes meinen und nicht nur die eigene Rasse; das schließt ihren griesgrämigen Bruder ein, der als Farmer im Land geblieben ist und den sie erstmals seit Jahrzehnten wieder trifft.
Machtvoll kehren Reminiszenzen aus Lessings Kindheit und Jugend zurück, vor allem an den Busch. Aber der alte Busch existiert kaum noch, das viele Wild ist verschwunden, die Bäume als Feuerholz abgehackt, und der unsachgemäße Ackerbau der Afrikaner zerstört die Böden; hier gibt Doris Lessing der Trauer Raum. Doch überall sieht sie „soziale Evolution“ am Werk: Sei es in der selbstbewussten, um nicht zu sagen unverschämten Art, wie die Afrikaner verlangen, in den Autos der immer noch weit reicheren Weißen mitgenommen zu werden, sei es in der vorsichtigen Erschließung fremdländischer Cuisine, wenn eine dicke Frau, die bislang nur die „sadza“ kannte, den einheimischen Maisbrei, in einem Restaurant von ihrem Gatten behutsam an andere Speisesitten herangeführt wird.
„Der Kellner stellt mit ausholender, ironisch verzweifelter Geste, die uns alle mit einschließt, einen Teller mit Pudding vor sie hin. Mit weit aufgerissenen Augen steht sie tapfer am Rand des Abgrunds, taucht einen Löffel hinein, führt ihn langsam und auf Umwegen an den Mund, stöhnt vor unheilvoller Vorahnung, steckt ihn hinein, wirft den Kopf zurück, ein ekstatischer Ausdruck breitet sich auf ihrem Gesicht aus, und rasch löffelt sie weiter, stößt dabei kleine Entzückensschreie aus, während sich die Kellner vor Lachen biegen. ‚Meine Liebe‘, sagt ihr Mann, ‚du bist eine sehr alberne Frau.‘ ‚Ja, ja, ich bin eine alberne Frau, mein Lieber, aber ich möchte noch mehr davon, was immer es ist. Es schmeckt wunderbar.‘“
So ist die „Rückkehr nach Afrika“ anders, als der Titel nahelegt, insgesamt auf den Ton des Aufbruchs gestimmt. Nur ganz zum Schluss öffnet sich Lessings Blick auf jene unheilvolle Entwicklung, die das Schicksal des Landes bis in die Gegenwart prägt. Als man die Autorin im Jahr 2008 fragte, ob sie Simbabwe noch einmal besuchen würde, erwiderte sie: „Um Himmels willen, nein, Simbabwe ist ruiniert.“ So perspektiviert sich die Zukunft, die sie damals sah, auf sehr trübe Weise.
Sechzig Bücher hat Doris Lessing geschrieben. Die Werkausgabe hat davor kapituliert und umfasst lediglich fünfzehn Bände. Weder „Die Kluft“ noch „Mara und Dann“ sind darunter, wohl aber diese beiden hier. Eine kluge Entscheidung.
BURKHARD MÜLLER
DORIS LESSING: Ein süßer Traum. Roman. Aus dem Englischen von Barbara Christ. Werke Band 12. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 559 Seiten, 25 Euro.
DORIS LESSING: Rückkehr nach Afrika. Aus dem Englischen von Anette Grube. Werke Band 11. Verlag Hofmann und Campe, Hamburg 2011. 544 S., 25 Euro.
Über die Befreiungsbewegung
und deren Führer macht sich
die Erzählerin keine Illusionen
Der alte Busch existiert in
Simbabwe kaum noch, das viele
Wild ist verschwunden
Als Doris Lessing 2007 den Nobelpreis für Literatur erhielt, widmete sie einen Teil ihrer Nobelvorlesung dem Vergleich von Bildungsinstitutionen in Simbabwe und in London: „Ich gehöre einer kleinen Organisation an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Bücher in die Dörfer zu schaffen. Ich selbst habe eine kleine Studie darüber finanziert, was die Leute in Simbabwe gerne lesen wollten. Die Leute wollen dieselben Bücher lesen, die die Leute in Europa lesen wollen – Romane jeder Art, Science-Fiction, Lyrik, Kriminalromane, Theaterstücke, und Ratgeber, zum Beispiel zum Thema ,Wie eröffne ich ein Bankkonto‘. Und alles von Shakespeare.“ Im Rahmen der deutschen Doris-Lessing-Werkausgabe ist jetzt der Reisebericht „Rückkehr nach Afrika“ erschienen.
Foto: dana press
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Burkhard Müller begrüßt die Werkausgabe zu Doris Lessing, die auf ihre schwachen und zum Teil doktrinär-feministischen Romane wie "Die Kluft" verzichtet. Dass aber ihr Reisebericht "Rückkehr nach Afrika" darin enthalten ist, findet Müller ganz richtig. Leider sagt Müller nicht, wann genau dieses Buch entstanden ist, bemerkt aber, dass es immer noch vom "Ton des Aufbruchs" bestimmt ist. Bei ihrer ersten Reise 1982 rühmte Lessing Vitalität und Entschlossenheit der neuen schwarzen Führung, selbst 1988 noch erschien Lessing das Land auf einem guten Weg, auch wenn sie bereits bemerkte, wie unvernünftig der Busch abgeholzt und die Ackerböden ausgelaugt werden. Müller stellt klar, dass Lessing heute voller Ablehnung dem Regime des Robert Mugabe gegenübersteht, umso tragischer erscheinen die einst gehegten Hoffnungen.

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