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Schon in der Schule nennen sie ihn Auster, schon als kleiner Junge ist er sehr schweigsam. Vielleicht, weil er es schon sehr früh aufgibt, um die Aufmerksamkeit und die Liebe seines Vaters zu kämpfen, der nur Augen für seine Tochter hat. Eines Tages, als sich Jochen Osthaus beruflich und privat am Ziel wähnt, verlässt ihn seine Ehefrau von heute auf morgen. So etwas ist ihm schon einmal passiert, auch seine Jugendliebe Georgia hat ihn auf diese Weise verlassen. Die Frage nach dem Warum verdrängt Jochen. Vielleicht hat seine Angewohnheit, nur mit einem Schulterzucken auf Fragen und Probleme zu…mehr

Produktbeschreibung
Schon in der Schule nennen sie ihn Auster, schon als kleiner Junge ist er sehr schweigsam. Vielleicht, weil er es schon sehr früh aufgibt, um die Aufmerksamkeit und die Liebe seines Vaters zu kämpfen, der nur Augen für seine Tochter hat. Eines Tages, als sich Jochen Osthaus beruflich und privat am Ziel wähnt, verlässt ihn seine Ehefrau von heute auf morgen. So etwas ist ihm schon einmal passiert, auch seine Jugendliebe Georgia hat ihn auf diese Weise verlassen. Die Frage nach dem Warum verdrängt Jochen. Vielleicht hat seine Angewohnheit, nur mit einem Schulterzucken auf Fragen und Probleme zu reagieren, zu seinem Unglück beigetragen. Als er wieder einmal versucht, einen Streit mit dem Hochziehen der linken Schulter zu beenden, kommt es zur Katastrophe.
Autorenporträt
Asta Scheib, geboren 1939 in Bergneustadt, ist Journalistin und Schriftstellerin und lebt in München. Sie arbeitete als Redakteurin bei verschiedenen Frauenzeitschriften und schrieb Drehbücher für das Fernsehen. Ihre literarische Tätigkeit begann sie mit Kurzgeschichten. 1974 verfilmte Rainer Werner Fassbinder ihre Erzählung "Angst vor der Angst". Großen Erfolg hatte Asta Scheib außerdem mit ihrem Roman "Kinder des Ungehorsams", in dem sie die Geschichte der Katharina von Bora, der Ehefrau Martin Luthers, darstellte. 2003 erhielt sie vom Freistaat Bayern die "Pro-Meritis-Auszeichnung" für besondere Verdienste in Wissenschaft und Kunst.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2004

Wunden gibt es immer wieder
Schalentierliebe: Der neue Roman von Asta Scheib

Man könnte, während man sich durch diesen Roman liest, zu der Ansicht kommen, daß einem hier Alltag ohne Höhepunkte angeboten wird: Wir lernen die Mitglieder einer Familie kennen, deren Gefühle, Unternehmungen, Intrigen. Wirklich Dramatisches passiert nicht. Die handelnden Personen kommen uns nach kurzer Zeit recht vertraut vor. Doch nicht etwa, weil sie irgendwie auch die eigene Familie sein könnten. So simpel geht es nicht zu. Die Autorin Asta Scheib, Jahrgang 1939, ist keine Anhängerin des banalen Abklatsches. Sie läßt uns hinter den Zufälligkeiten irgendeines Lebens immer auch die Gesetzmäßigkeiten ahnen, nach denen menschliches Dasein sich vollzieht.

Im vorliegenden Fall geht es um einen Mann mittleren Alters, der scheinbar beruflich wie privat hervorragend dasteht. Jochen Osthaus hat eine schöne Frau, zwei persönlichkeitsstarke Kinder, gute Freunde, er ist ein angesehener Veterinärmediziner an der Münchner Universität, und es sieht so aus, als warteten weitere Erfolge auf ihn. Doch begegnet uns Jochen von Anfang an als irgendwie geschädigtes Individuum. Er hat offensichtlich Schwierigkeiten, sich mitzuteilen. Selbst in Situationen, die dringend Äußerungen verlangen, schweigt er und begnügt sich damit, die linke Schulter hochzuziehen. Er ist verschlossen wie eine Auster, und mit diesem Muscheltier wird er denn auch dauernd verglichen.

Eines Tages verläßt ihn seine Frau Lili. Ein ähnlicher Schlag traf vor Jahren, noch in seiner Jugendheimat Berlin, schon den Teenie, als seine erste Flamme Georgia von ihm zu seinem besten Kumpel Paule überwechselte. Hat diese frühe Enttäuschung ausgereicht, um aus Jochen einen Kontaktkrüppel zu machen? Nein, die Sache mit Georgia war nicht Ursache, sondern schon Wirkung von Einflüssen, die ihn viel früher verbogen. Was wir darüber erfahren, das bringt uns den Romanhelden durchaus nahe, denn was ihn traf, das trifft auf die eine oder andere Weise unendlich viele Menschen, nämlich ein horrender Mangel an Liebe zu einer Zeit, da Liebe das A und O des frühen Reifeprozesses ist.

Jochen war als Kind mit einem Vater geschlagen, der ihn nicht nur ablehnte, sondern dies auch aufs grausamste deutlich werden ließ, der den Kleinen verhöhnte und ihm die Schwester vorzog. Am Ende kommt heraus, daß er gar nicht der wirkliche Vater war. Nur kann die späte Information die Vergangenheit nicht ändern und nicht die Erinnerung daran, daß die Mutter dem Sohn zwar zugetan war, sich aber dafür viel zuwenig Zeit nahm.

Jochens Geschichte ist fraglos eine Tragödie, wenn auch nur eine kleine. Daß sie nicht zur großen wuchs, liegt daran, daß es immerhin eine liebende Person gab: den Großvater mütterlicherseits. Der hat den Enkel vergöttert, ihm Haus und Vermögen hinterlassen sowie die Gewißheit, hoffnungsvoller Erbe einer generationenalten wissenschaftlichen Tradition zu sein. Wie sich herausstellt, währt der Einfluß des Alten über den Tod hinaus; ihm ist es zu verdanken, daß der scheinbar zerbrochene Enkel schließlich dennoch zu einem mehr oder weniger akzeptablen Leben findet, außerdem zu der Erkenntnis, daß auch die anderen um ihn herum an Wunden und Verformungen leiden, Lili nicht ausgenommen. Diese Einsicht verwandelt Jochen zwar nicht in revolutionärer Weise, stimmt ihn aber milder gegenüber den Zumutungen und Verfehlungen, von denen er sich gekränkt fühlte. Am Ende deutet sich die Hoffnung an, aus der Kumpanei der zwei Geschädigten könne eine Art Therapie für beide erwachsen.

SABINE BRANDT

Asta Scheib: "Der Austernmann". Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2004. 255 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz unspektakulär ist diese Geschichte, die Asta Scheib hier erzählt, befindet die Rezensentin Sabine Brandt. Schlecht aber sei sie deswegen noch lange nicht. Im Zentrum steht Jochen Osthaus, der auf den ersten Blick aussieht, wie ein gemachter Mann. Er hat eine Frau, Kinder, einen angesehenen Job als Veterinärmediziner. Das Unglück aber ist ihm geradezu anzusehen, von Beginn an, in diesem Roman. Er schweigt, viel und oft, und er schweigt noch da, wo er sprechen sollte. Daher sein Spitzname "Der Austernmann". Seine Frau verlässt ihn - und das wird zum Anlass, seine Vorgeschichte zu erzählen. Ungeliebt von Kindheit an, mit einem Vater konfrontiert, der sich nicht für ihn interessierte - und gar nicht der richtige Vater war, wie er später erfährt - hat er bereits eine traumatische Verlusterfahrung hinter sich. Die Stärke des Romans wie der Autorin, lobt Sabine Brandt, liegt darin, dass sie einen hinter dem wenig sensationellen Geschehen "die Gesetzmäßigkeiten ahnen" lässt, "nach denen menschliches Dasein sich vollzieht".

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