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Als viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde verfügt Deutschland über enormen internationalen Einfluss.Doch wie verlässlich und fair ist die Außen- und Europapolitik des angeblichen Musterknaben wirklich? Was halten unsere Nachbarn und wichtigsten globalen Partner von uns? Christoph von Marschall untersucht, wie international handlungswillig die deutsche Politik tatsächlich ist, und kommt zu keinem erfreulichen Ergebnis. Er schreibt Regierung und Gesellschaft ins Stammbuch, wie sie von einem unsicheren Kantonisten zum Mitgaranten einer liberalen Weltordnung werden können - indem Deutschland sich…mehr

Produktbeschreibung
Als viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde verfügt Deutschland über enormen internationalen Einfluss.Doch wie verlässlich und fair ist die Außen- und Europapolitik des angeblichen Musterknaben wirklich? Was halten unsere Nachbarn und wichtigsten globalen Partner von uns?
Christoph von Marschall untersucht, wie international handlungswillig die deutsche Politik tatsächlich ist, und kommt zu keinem erfreulichen Ergebnis. Er schreibt Regierung und Gesellschaft ins Stammbuch, wie sie von einem unsicheren Kantonisten zum Mitgaranten einer liberalen Weltordnung werden können - indem Deutschland sich von vielen kleinen Lügen über seine Sonderrolle trennt und nicht weiter vorgaukelt, dass es mit der Vertretung eigener Interessen stets das Gute in der Welt befördert.

Heinrich August Winkler, Historiker:
"Christoph von Marschall legt den Finger in deutsche Wunden: das jahrelange Ausweichen der offiziellen Politik vor außen- und sicherheitspolitischen Grundsatzdebatten, die Selbstisolierung Berlins in der Migrationskrise, die fatale Neigung zur moralischen Selbstüberhebung über die anderen Europäer. Marschalls Buch, ein einziger Aufruf zu nüchterner Verantwortungsethik, erscheint zur rechten Zeit."

Sigmar Gabriel, Ex-Außenminister (SPD):
"Wir sind kurz davor, an unserem moralischen Rigorismus zu ersticken. Da hat von Marschall Recht. Alle (Verbündete) eint, dass sie den Deutschen den nicht unberechtigten Vorwurf machen, dass sie sich überall heraushalten wollen, wo sie Verantwortung übernehmen müssten; sei es wirtschaftlich, sei es in der Migrationsfrage, sei es militärisch. Wir haben einen neuen deutschen Sonderweg, obwohl wir eigentlich keine Sonderwege mehr gehen wollten. Es gibt eine neue deutsche Frage unter umgekehrten Vorzeichen. Eine Frage an uns Deutsche: Wie wollt ihr eurer Verantwortung in der Welt gerecht werden? Da hat von Marschall Recht, auch wenn ich nicht alle seine Schlussfolgerungen teile. ... Er legt den Finger in die Wunde:Eine strategische Debatte über den Westen, das transatlantische Verhältnis und Deutschlands Rolle in der Welt hat in der deutschen Öffentlichkeit nicht stattgefunden. Dafür ist die Politik mit verantwortlich."

Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz:
"Marschalls Buch ist ein Beitrag zu einer überfälligen Debatte. Wir müssen bereit sein, mehr Verantwortung zu übernehmen. ... In unserer bisherigen politischen Kultur haben wir eine zu große Neigung, außenpolitische Themen aus dem Bauch mit Emotionen und Moral zu betrachten. Außenpolitik muss vernunftgesteuert sein."
Autorenporträt
Christoph von Marschall ist promovierter Historiker und vielfach ausgezeichneter Journalist. 2005 bis 2012 war er US-Korrespondent für den "Tagesspiegel" in Washington. Er ist Geschäftsführender Redakteur des "Tagesspiegel" in Berlin. Autor zahlreicher Bücher; zuletzt erschien bei Herder: "Was ist mit den Amis los? Über unser zwiespältiges Verhältnis zu den USA". 2017/18 beobachtet er als erster Fellow der Helmut Schmidt - Die Zeit Stiftung und des German Marshall Fund die Geschehnisse in den USA.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.10.2018

Nicht immer
nur rumstehen
Wolfgang Ischinger und Christoph von Marschall
beklagen die Verzagtheit deutscher Außenpolitik
VON CHRISTOPH DORNER
Nach der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz gab sich deren Leiter, Wolfgang Ischinger, in Interviews besorgt. Von der wichtigsten sicherheitspolitischen Tagung der Welt war kaum ein Signal der Entspannung ausgegangen. Ministerpräsidenten von EU-Mitgliedstaaten weigerten sich, gemeinsam auf einem Podium zu diskutieren. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu präsentierte ein Trümmerteil einer angeblich iranischen Drohne, die Israel über seinem Territorium abgeschossen hatte.
Die Verwerfungen auf dem Münchner Parkett fügen sich in Ischingers Diagnose eines Epochenbruchs: In seinem Buch „Welt in Gefahr: Deutschland und Europa in unsicheren Zeiten“ skizziert er anhand seiner diplomatischen Karriere die alte, auf gemeinsamen Regeln gegründete internationale Ordnung, die seit dem Ende des Warschauer Pakts am Erodieren ist. Und er wirft einen Blick auf das angebrochene weltpolitische Zeitalter, in dem sich die USA von ihrer Rolle als globale Führungsmacht zurückziehen und Russland mit einer aggressiven Außenpolitik und Methoden hybrider Kriegsführung einen Westen zu schwächen versucht, der kaum zu gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Positionen findet. Die Nato droht im Streit um Verteidigungsausgaben zu zerbrechen. Und das Völkerrecht stößt in einem Stellvertreterkrieg wie in Syrien genauso an seine Grenzen wie der UN-Sicherheitsrat, der durch seine institutionelle Struktur gelähmt ist. Am schlimmsten ist für den ehemaligen Spitzendiplomaten aber, dass das Vertrauen zwischen den Mächtigen beschädigt ist.
Ischinger, der ein überzeugter Transatlantiker und Verfechter Genscher’scher Gesprächsdiplomatie ist, plädiert vor dieser Kulisse dafür, dass Deutschland sich weiter um den Austausch mit der Trump-Regierung und auch mit Putin bemühen, aber gleichzeitig seine Kultur außenpolitischer Zurückhaltung aufgeben müsse. Wie heikel es ist, über eine deutsche Beteiligung an Militäreinsätzen zu sprechen, hat der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck 2014 erfahren, als er kritisierte, dass aus der historischen deutschen Kriegsschuld kein Recht auf Wegsehen abgeleitet werden dürfe. Weil Gauck Waffengewalt als letztes Mittel nicht ausschließen wollte, um damit Frieden und Menschenrechte zu verteidigen, war er als Kriegstreiber kritisiert worden. Die Frage, ob sich Deutschland bei einem möglichen Giftgaseinsatz in Syrien an einer militärischen Vergeltung beteiligen soll, hat zuletzt erneut die Bundesregierung in Aufruhr versetzt. Während die SPD einen Bundeswehreinsatz ohne UN-Mandat ablehnt, ist die Union seit 2015 auf das Narrativ einer Außenpolitik ohne Tabus eingeschwenkt, die auch Ischinger in seinem Buch vertritt.
Demnach muss Deutschland bereit sein, sich an einer Koalition der Willigen zu beteiligen. Ischinger vermag diese Forderung wegen der verfassungs- und völkerrechtlichen Bedenken hinter seiner diplomatischen Rhetorik zu verbergen. „Wie viel Einmischung sinnvoll und wie viel Heraushalten klug ist und wann auch Nichthandeln politisch-moralische Konsequenzen hat – das sind die schwierigsten Fragen unserer Außenpolitik. Sie lassen sich nur lösen, wenn man akzeptiert, häufig zwischen mehreren unbefriedigenden Optionen wählen zu müssen“, schreibt er in Anlehnung an Gauck.
Ischinger hat die Machtlosigkeit der Europäischen Union im Syrienkrieg wiederholt kritisiert. Sich eigenständiger in die Krisenbewältigung einzubringen, sei nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch eine realpolitische Notwendigkeit, da Europa kriegsbedingte Flüchtlingsströme zu bewältigen und Handelswege zu verteidigen habe. Um für seine nationalen Interessen einzustehen, müsse Deutschland auch bereit sein, mehr Geld für Sicherheit auszugeben, allein um Bündnisverpflichtungen nachzukommen. Ischinger drängt aber vor allem auch auf mehr Einsatz für eine europäische Sicherheitsarchitektur, die langfristig zu außenpolitischen Mehrheitsentscheidungen innerhalb der EU und zum Aufbau einer europäischen Armee führen soll, die dann ohne Parlamentsvorbehalt in Auslandseinsätze geschickt würde. Allein hier scheint Widerstand im Bundestag programmiert.
Denn Wolfgang Ischingers Analyse ist mit linker Friedenspolitik im Kern nicht vereinbar. Sie deckt sich in weiten Teilen aber mit den Thesen von Christoph von Marschall. Der diplomatische Korrespondent der Chefredaktion des Tagesspiegels hat ebenfalls ein Buch über die Verzagtheit deutscher Außenpolitik vorgelegt, das im Ton weniger diplomatisch ist. In „Wir verstehen die Welt nicht mehr“ bezeichnet er Deutschland als unsicheren Kantonisten und Trittbrettfahrer. Er schreibt: „Am Ende werden alle wie wir: demokratisch, freiheitsliebend, rechtsstaatlich, sozialstaatlich, pazifistisch. Diese Erwartungshaltung hat sich als Lebenslüge erwiesen.“
Marschall ist für sein Buch nach Washington, Brüssel, Paris und Warschau gereist, um aus Gesprächen mit Regierungsberatern, Politik-Erklärern aus Thinktanks und Vertretern von EU und Nato die Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis der Deutschen als Mustereuropäer und der Wahrnehmung durch seine Partner zu dokumentieren. Dabei ergibt sich das Bild einer Nation, die sich vor allem bei Fragen der Sicherheit nicht auf die internationale Verantwortung einlassen kann, die ihr als viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde zukäme. Und die häufig mit zweierlei Maß misst: Unter deutschem Druck war die Einführung des Euro an einen Stabilitätspakt geknüpft worden. Doch dann verstieß die Regierung Schröder mit als erste gegen die Verschuldungskriterien und verlangte, dass Sanktionen ausbleiben sollten. Für Marschall ein „psychologisch gravierender Sündenfall“, der eine Kultur des Rechtsbruchs in der Euro-Zone mitbedingt habe, die letztlich zu den Hilfspaketen für Griechenland führte.
Auch die Energiewende und Angela Merkels Flüchtlingspolitik sind für den Journalisten Belege dafür, dass Deutschland zu Alleingängen, mitunter gar zu moralischem Größenwahn neigt. Die Bundeskanzlerin habe sich im September 2015 bei ihrer Entscheidung, in Budapest festsitzende Flüchtlinge nach Deutschland einreisen zu lassen, weder mit den europäischen Partnern abgestimmt noch die Dublin-Regeln beachtet. Dass der Europäische Gerichtshof das deutsche Selbsteintrittsrecht zur Durchführung von Asylverfahren später für rechtmäßig erklärte, unterschlägt Marschall allerdings. Ihm geht es um den politischen Flurschaden. Merkel habe durch ihr Auftreten Migrationsbewegungen verstärkt und damit Wahlausgänge in Europa beeinflusst, schreibt er. Nur wolle man das nicht wahrhaben. In Deutschland werde stattdessen die fehlende Solidarität osteuropäischer Staaten bei der Umverteilung von Flüchtlingen angeprangert, obwohl Merkel in ihrem Werben um eine europäische Lösung ziemlich allein dasteht.
Marschall konstatiert, dass die deutsche Öffentlichkeit wenig Übung darin habe, die Perspektiven ihrer EU-Partner bei der eigenen Meinungsbildung einzubeziehen: Frankreichs Erfahrungen mit permanentem Migrationsdruck aus Nordafrika. Polens Unbehagen gegenüber einer europäischen Integration, die seine Nationalstaatlichkeit aushöhlt. Weil Deutschland aber seine Haltung nicht reflektiere, sei es in Polen schwierig, das Verhältnis zu seinem westlichen Nachbarn zu entspannen, bekam der Journalist aus dem Lager der oppositionellen Bürgerplattform zu hören. Christoph von Marschall empfiehlt der deutschen Außenpolitik deshalb zum Abschluss eines pointierten Buchs, das stellenweise nicht ganz nachvollziehbar zwischen der Meinung des Autors und dem politischen Kalkül seiner Gesprächspartner zu trennen vermag, mehr Wille zu Regeltreue und Mut zu unkonventionellem Denken.
Die Zeit der Zurückhaltung
müsse nun vorbei sein, sagt der
Leiter der Sicherheitskonferenz
Ganz weit weg vom
Zwei-Prozent-Ziel:
deutsches Nato-Bataillon
in Rukla, Litauen.
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa
Wolfgang Ischinger:
Welt in Gefahr. Deutschland und Europa in unsicheren Zeiten.
Econ-Verlag, Berlin 2018. 304 Seiten, 24 Euro. E-Book: 22,99 Euro.
Christoph
von Marschall:
Wir verstehen die Welt
nicht mehr.
Deutschlands Entfremdung von seinen Freunden. Herder-Verlag, Freiburg 2018.
256 Seiten, 22 Euro.
E-Book: 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nach Darstellung von Christoph Dorner zeichnet Christoph von Marschall in seinem Buch das Bild eines Deutschlands, das von seinen Verbündeten nicht mehr verstanden wird. Berliner Alleingänge bei der Staatsverschuldung, der Migrationspolitik und Energiewende seien im Rest der Welt gar nicht gut angekommen, hat Marschall bei seinen Gesprächspartner in den Thinktanks diverser Hauptstädte in Erfahrung gebracht. Er selbst sieht das natürlich ganz ähnlich, laut Dorner wirft er der Berliner Politk "moralischen Größenwahn" vor. Wenn der Autor "mehr Willen zur Regeltreue" fordert, geht der Kritiker d'accord. Problematisch findet er allerdings, dass Marschall nicht zwischen Analyse, eigener Meinung und dem politischen Kalkül seiner Interview-Partner unterscheide.

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