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J. B. Metz steht für eine Theologie, die Mystik und Politik verbindet. Konsequent beharrt er darauf, dass die Gottesrede entgegen dem postmodernen Unschuldsmythos stets angesichts der Leidensgeschichte der Welt formuliert werden muss. Unermüdlich betont er, dass eine humane Rationalität nicht ohne die Erinnerung an Leid und Unrecht zu haben ist, andernfalls wird sie zur rein technischen Rationalität, an deren Ende wir zu Klonen werden, die sich brav ihrer Menschlichkeit versichern. Entschieden wendet er sich daher wider den Bann kultureller Amnesie und fordert zur memoria passionis auf, um…mehr

Produktbeschreibung
J. B. Metz steht für eine Theologie, die Mystik und Politik verbindet. Konsequent beharrt er darauf, dass die Gottesrede entgegen dem postmodernen Unschuldsmythos stets angesichts der Leidensgeschichte der Welt formuliert werden muss. Unermüdlich betont er, dass eine humane Rationalität nicht ohne die Erinnerung an Leid und Unrecht zu haben ist, andernfalls wird sie zur rein technischen Rationalität, an deren Ende wir zu Klonen werden, die sich brav ihrer Menschlichkeit versichern. Entschieden wendet er sich daher wider den Bann kultureller Amnesie und fordert zur memoria passionis auf, um "dem Schrei ein Gedächtnis und der Zeit ein Ziel zu geben". Aus diesem Grund hält er auch die Selbstprivatisierung der Kirche in der pluralistischen Öffentlichkeit für ein Unglück und plädiert in der Europadebatte engagiert gegen ein laizistisches Europa - kurz, die neue Politische Theologie, die mit seinem Namen verbunden ist, entfaltet hier ein kraftvolles Potential und macht das Buch zu einem theologischen Ereignis.

Der Autor: Johann Baptist Metz promovierte nach Studien in Bamberg, Innsbruck und München in Philosophie und Theologie; 1954 zum Priester geweiht. 1963 wurde er an die Universität Münster berufen, wo er 30 Jahre lang als Professor für Fundamentaltheologie lehrte; er war Berater des seinerzeit von Kardinal Franz König geleiteten römischen Sekretariats für die Nichtglaubenden und hatte besonderen Einfluss als Berater der Gemeinsamen Synode der Diözesen der Bundesrepublik Deutschland von 1971 bis 1975 in Würzburg. Seit 1983 ist Metz Beiratsmitglied des Wiener "Instituts für die Wissenschaften vom Menschen" (IWM). Er ist Mitbegründer und -herausgeber der internationalen theologischen Zeitschrift "Concilium".
Autorenporträt
Johann Baptist Metz, geb. 1928, Dr. phil., Dr. theol., 1954 zum Priester geweiht, wurde 1963 an die Universität Münster berufen, wo er 30 Jahre lang als Professor für Fundamentaltheologie lehrte. Gastprofessuren in Boston und nach der Emeritierung mehrjährig in Wien; Vortragstätigkeit in vielen Ländern. Mitbegründer der Internationalen Zeitschrift "Concilium". 2002 wurde ihm die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen, 2007 der Theologische Preis der Salzburger Hochschulwochen in Anerkennung seines Gesamtwerks. Ehrendoktorate: Universität Wien 1994, Jesuit School of Theology at Berkeley 2009, University of London 2013.

Der Herausgeber: Johann Reikerstorfer, geb. 1945, Dr. phil., Dr. theol., emeritierter o. Universitäts-Professor, 1979-2011 Vorstand des Instituts für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, seit 1994 enge wissenschaftliche Kooperation mit Johann Baptist Metz.

Johann Reikerstorfer, Universitätsprofessor für Fundamentaltheologie an der Universität Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2006

Auch Schreien kann vernünftig sein
Wenn Johann Baptist Metz auf die Folgerichtigkeit des Christentums pocht, ist er kein Rationalist

Ist die Vernunft das Maß des Glaubens? Wer einräumt, daß es nicht nur einen einzigen Begriff von Vernunft gibt, sondern viele, wird diese Frage mit Ja beantworten. Wie Johann Baptist Metz, dessen Theologie den Logos Gottes mit dem menschlichen Leiden konfrontiert.

"Wenn ein Gott ist, wie konnte er Auschwitz zulassen?" Unter den verschiedenen theologischen Antworten auf diese Frage sticht die von Johann Baptist Metz heraus, einem der profiliertesten katholischen Theologen der "Generation Ratzinger". Er sucht eine "Lösung" der Theodizee-Frage in einer das menschliche Leid ent- und aufdeckenden ("apokalyptischen") Christologie. Die Rede vom "leidenden Gott" ist, jedenfalls als Begriffsfixierung, keineswegs eine Beruhigung des Gottsuchers. Das menschliche Leiden auf Gott zu projizieren bedeute, entweder das Leiden zu verdoppeln, ohne Rettung zu gewinnen, oder aber das Leiden selbst nicht recht ernst zu nehmen. Kein anderer leidet meinen Schmerz, stirbt meinen Tod - auch der Sohn Gottes nicht.

Aus einer Theologie, die den "Gottesbegriff nach Auschwitz" (Hans Jonas) zu retten versucht, entsteht eine Theologie der "Compassion", die einerseits das Leiden an Gott, und das heißt: an seiner Abwesenheit im menschlichen Leid, nicht verschweigt, sondern herausschreit, und die andererseits in der, wie es in der theologischen Sprache heißt, Nachfolge Christi eine existentielle Befriedung findet. Der Intellekt hätte demnach nachzuvollziehen, daß in dem menschlichen Schrei der Gottverlassenheit - "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" - Gott doch präsent ist. Der Schrei geht nicht ins Leere, so wird postuliert. Arme Theologie, schwacher Trost.

Das ist Metz sehr wohl bewußt: Theologie ist für ihn eine "arme Wissenschaft", keine allwissende Kulturtheorie. Und die Antworten dieser armen Theologie sind weniger Problemlösungen als brennende Fragen an den biblischen Gott. Es geht der Theologie der "Compassion" aber gar nicht primär um den eigenen Seelenfrieden, um die Erschließung von Religion als "Kontingenzbewältigung", sondern um den anderen und sein Leiden.

Wie um die beiden Brennpunkte einer Ellipse kreisen die Aufsätze des vorliegenden Sammelbandes um die Denkbarkeit der Theodizee. Aus der Überarbeitung früherer Beiträge und Vorlesungen (zum Teil zusammen mit dem Wiener Fundamentaltheologen Johann Reikerstorfer) entstanden, bilden sie so etwas wie eine - eher thetische als deduktive - Apologie der von Johann Baptist Metz seit mehr als drei Jahrzehnten vertretenen "neuen politischen Theologie". Guter alter Linkskatholizismus aus dem Geist des Konzils.

Es handelt sich um eine Apologie, die mehr als einmal zur Polemik übergeht. Metz ist gegen theologische Entwürfe, die ihre intellektuelle Würde aus der Distanz zum bloß Subjektiven und zum Engagement gewinnen wollen. In den Tagebüchern Kierkegaards findet Metz einen Kommentar zu dem von ihm Gemeinten: "Es geht den meisten Systematikern in ihrem Verhältnis zu ihren Systemen wie einem Mann, der ein ungeheures Schloß baut und selbst daneben in einer Scheune wohnt. Sie leben nicht selber in dem ungeheuren systematischen Gebäude. Aber in geistigen Verhältnissen ist und bleibt das ein entscheidender Einwand". Lehre und Leben gehören zusammen, in der Theologie wie in den anderen Geisteswissenschaften, die Metz in der Versuchung sieht, sich in "subalterne Naturwissenschaften und Technologien" zu verwandeln. In der Wolke der theologischen Zeugen leuchten neben Kierkegaard Augustin, Pascal, Newman, Bonhoeffer, vor allem aber der eigene Lehrer, Karl Rahner.

Ausdrücklich wird der Vorwurf, wenn Metz Theologie und Kirche Tendenzen zur "Selbstzensur" beziehungsweise zur "Selbstprivatisierung" bescheinigt, die um der Anpassung an den Zeitgeist und den Zeitmythos willen wichtige Teile ihrer Botschaft umdeuten oder gar nicht mehr erwähnen: Naherwartung und Wiederkunft Christi. Metz spricht von der notwendigen Apokalyptik der Theologie. Es gehe "darum, die Wiederkunftslehre als Lehre von der Befristung der Zeit zu begreifen". Diese Theologie kennt Sehnen und Hoffnung.

Zu wehren sei Versuchen, sich dem Mythos der endlosen Zeit anzugleichen, der das Ende der Welt nur mehr zeitlos zu denken vermag oder auf die individuelle Lebenszeit einschränkt. Metz sieht die fatalen Konsequenzen einer solchen Entgrenzung der Zeit: eine Lebenshaltung der Unverbindlichkeit, die scheinbar unbegrenzte Revidierbarkeit des eigenen Tuns, die spielerische, oft narzißtische, kulturell und ethisch unernste Wahl von Lebensentwürfen. Aber auch Phänomene der Beschleunigung und Mobilisierung, die für Metz "richtungslose Turbulenzen" des modernen Nomaden sind, der "Angst vor der Angst" habe. Geht es nicht eher darum, worum es ganz unheroisch immer ging: um Flucht vor dem Tod?

Der zeitlosen Rastlosigkeit entspreche eine Art der (auch religiösen) Rede: die Wiederbelebung des Mythos, die Affirmation der ewigen Wiederkehr, Geschichtsmüdigkeit, Melancholie und ethische Indifferenz. Das von Metz ausgestellte Rezept dagegen ist eine Verbindung von Logos und Erzählung, "anamnetische Vernunft", welche die wissenschaftlich-historische Rekonstruktion des Vergangenen ergänzt.

Der Autor plädiert ausdrücklich nicht für ein postmodernes Identifikationsangebot in Gestalt einer Vielzahl fiktionaler Erzählungen. Doch wird die Abgrenzung vom Mythos unabsichtlich unscharf, wenn Metz die Gründungserzählungen des Christentums als "historisch durchwachsene Erzählungen" beschreibt. Wie verläßlich sind solche Erzählungen? Wie wollen sie gelesen werden? Wenn man wie Metz Geschichte als Großerzählung menschlichen Leids konzipiert, beinhaltet dies nicht notwendig ein Konzept auch von Heilsgeschichte, von Inkarnation und Offenbarung? Besteht sonst nicht die Gefahr, daß Geschichte sich wieder in "Geschichtlichkeit" verflüchtigt?

Wer von Gott redet, muß vom Menschen reden. Eine Theologie der "Compassion" erzwingt das anthropologische Nachdenken. Denn will sie an ihr praktisches Ziel kommen, muß sie zu verstehen suchen, warum die Wahrnehmung fremden Leids keineswegs zwangsläufig zu Versuchen führt, es zu beseitigen. Es liegt in der Konsequenz der hier vorgestellten Theodizee, daß ihr eine ebenso offene "Anthropodizee" entspricht: "Das Christentum sieht den Menschen als schuldfähig an. Die Zumutung der Schuld an den Menschen ist die Zumutung der Freiheit und der Verantwortung." So hat die Stellung des Menschen vor Gott wesentlich mit dem Handeln zu tun. Es spricht viel anthropologischer Optimismus aus der Annahme, solche Einsicht führe zu besserem Handeln und zu einer besseren Welt.

Für denjenigen, der noch oder wieder ernsthaft auf der Suche nach Gott ist, sind Metz' im Manifeststil vorgetragene Antworten vielleicht ungewohnte, aber weiter führende theologische Anregungen aus dem Geist biblischer Tradition. Sie umreißen eine Theologie aus dem Herzen, keineswegs bloß aus dem Bauchgefühl. Sie bezeugen glaubhaft, daß für den Verfasser "politische Theologie" im Grunde ein Pleonasmus ist. Welches Wort von beiden ist überflüssig?

Für denjenigen aber, dem es primär um die Lösung praktischer Aufgaben geht, die sich aus der Beobachtung fremden Leids ergeben, könnte die Theologie der "Compassion" als Weg um die Mühen der politischen Ebene herum erscheinen. Der Gottesgedanke, den Metz zu denken beansprucht, ist dialektisch und pragmatisch nicht zwingend. Das heißt aber nicht, daß er nicht geschichtlich wahr sein könnte.

HERMUT LÖHR

Johann Baptist Metz: "Memoria Passionis". Ein provozierendes Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft. Herder Verlag, Freiburg 2006. 288 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hermut Löhr würdigt Johann Baptist Metz als einen der "profiliertesten" katholischen Theologen der "Generation Ratzinger". Im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes sieht er das Problem der Theodizee. Die diversen Aufsätze wirken auf ihn wie eine Apologie von Metz? "neuer politischer Theologie", nach der Lehre und Leben zusammengehören. Er unterstreicht die Polemik des Autors gegenüber theologischen Entwürfen, die aus der Distanz zu Subjektivem und Engagement "intellektuelle Würde" schlagen wollen. Als Gewährsleute des Autors nennt er in diesem Zusammenhang Autoren wie Kierkegaard Augustin, Pascal, Newman, Bonhoeffer und Karl Rahner. Löhrs teilweise sehr ins theologische Detail gehende Auseinandersetzung mit dem Autor mündet in einem doppelten Fazit: Wer ernsthaft auf der Suche nach Gott sei, könne bei Metz "ungewohnte", aber weiter führende theologische Anregungen aus dem Geist biblischer Tradition finden. Wem es vor allem um die Lösung praktischer Aufgaben im Blick auf fremdes Leids gehe, dem könnte der Band als Weg um die "Mühen der politischen Ebene" herum erscheinen.

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