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"Es geht mir nicht um wissenschaftliche Auseinandersetzungen oder Forschungen, sondern um eine Hilfe zum Verstehen des Glaubens und zum rechten Vollzug seiner zentralen Ausdrucksform in der Liturgie." Joseph Ratznger - Benedikt XVI.

Produktbeschreibung
"Es geht mir nicht um wissenschaftliche Auseinandersetzungen oder Forschungen, sondern um eine Hilfe zum Verstehen des Glaubens und zum rechten Vollzug seiner zentralen Ausdrucksform in der Liturgie." Joseph Ratznger - Benedikt XVI.
Autorenporträt
Joseph Ratzinger (1927-2022), Studium der katholischen Theologie und Philosophie an der Philosophisch-theologischen Hochschule Freising und an der Universität in München; Priesterweihe 1951, 1953 Promotion zum Dr. theol., 1957 Habilitation, theologische Professuren in Freising, Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg, Konzilsberater des Erzbischofs von Köln, Josef Kardinal Frings, Peritus, 1977¿1982 Erzbischof von München und Freising, 1977¿2005 Kardinal, 1981¿2005 Präfekt der Glaubenskongregation, Präsident der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologenkommission, 2002¿2005 Dekan des Kardinalskollegiums, 2005¿2013 Papst Benedikt XVI., Autor des Weltbestsellers ¿Jesus von Nazareth".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Können Sie den Akt verstehen?
Liturgie muss gefeiert werden: Kardinal Ratzinger geht mit eisernem Besen gegen Bücherwürmer vor / Von Christian Geyer

Dass die katholische Kirche etwas anderes sein möchte als nur eine weitere moralische Anstalt gegen die Enttraditionalisierung der Welt, zeigt sie mit einem roten Lämpchen an, das wie schwach auch immer flackernd einen Gott erhellt, der unter der Gestalt des Brotes Fleisch annimmt. Wer vor ihm das Knie beugt, hat, wie es in der dürren Abstraktion der Religionsphilosophen heißt, einen äquivalenzlosen Akt der Kontingenzbewältigung vollzogen. Unter pragmatischem Gesichtspunkt wird die religiöse Hypothese dadurch verifiziert, dass sie auf individuelle Bedürfnisse antwortet: Die Götter müssen für uns verständlich sein, schrieb vor gut hundert Jahren William James in einer feuerbachianisch anmutenden Wendung, aus der er im Unterschied zu Feuerbach freilich keine religionskritischen Folgen ableitete. Christlicher Kult ist in seiner kosmischen Dimension die Verifikation des Wortes, das Jesus am Palmsonntag im Tempel ausrief: "Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alles an mich ziehen."

In dem Maße jedoch, wie die katholische Theologie deistisch geworden ist, hat sie auch die Eucharistie als besonders signifikanten Eingriff Gottes in die Welt unter Mythologieverdacht gestellt: ihren Opfercharakter nicht weniger als ihre bleibende Gegenwart in der unscheinbarsten Dorfkirche. Dabei steht am Anfang einer jeden katholischen Deismuslehre paradoxerweise der Ehrgeiz, gerade nicht den Deismus, sondern das Christentum "verständlich" zu machen. Aber wie sich an manchgen nachkonziliaren Auswüchsen der Liturgiereform studieren lässt, bleibt das Christliche dann unverständlich (und uninteressant), wenn ein Kriterium von Verständlichkeit behauptet wird, das den Erfahrungsbereich des Menschen aufs Profane reduziert und ihm das Sakrale nicht zuzumuten wagt. Joseph Kardinal Ratzinger spricht von der Liturgie der Kirche als einem Fresko, das durch das Zweite Vatikanische Konzil von seiner Übertünchung befreit worden sei. "Aber inzwischen ist es durch klimatische Bedingungen wie auch durch mancherlei Restaurationen oder Rekonstruktionen gefährdet und droht zerstört zu werden, wenn nicht schnell das Nötige getan wird, um diesen schädlichen Einflüssen Einhalt zu gebieten."

Was Ratzingers Buch über den "Geist der Liturgie" seine Kraft gibt, ist freilich nicht so sehr die Autorität eines römischen Hüters der Orthodoxie, als vielmehr der durchgehaltene Versuch, den Reichtum der katholischen Liturgie im Medium der kirchlichen Überlieferung zum Sprechen zu bringen. Tatsächlich kranken viele Darstellungen des Christlichen daran, dass sie sich darin erschöpfen, ihr Thema mit der Außenperspektive abzugleichen, statt zuvor die innere Struktur religiöser Motivation in den Selbstaussagen der Kirche freizulegen. Ein solches Defizit muss in der Außenperspektive wiederum befremdlich wirken. So kreist die neopragmatische Debatte zwischen Rorty und Putnam gegenwärtig gerade um die Frage, wie das Gewicht bestimmter religiöser Motivlagen zum Gegenstand neuer argumentativer Erkundungen werden kann - sei es religionskritisch, sei es affirmativ. Nachdem die altanalytischen Sperrprämissen gegenüber der Religion als solcher bereits unterlaufen sind, mahnt eine neopragmatische Diskursivität nun auch die dezidierte Argumentation der religiösen Innenperspektive an. Hier kann Ratzinger mit seiner wiederaufgenommenen Spur der Väterexegese mühelos anknüpfen.

Das theologische Gewicht dieser gut lesbaren "Hilfe zum Verstehen des Glaubens" und "seiner zentralen Ausdrucksform in der Liturgie" liegt in der Art, wie Ratzinger die einzelnen Elemente der Liturgie auf die Gottesfrage in ihrer jüdisch-christlichen Fassung bezieht. Auf diese Weise ist seine neue Publikation nicht nur ein Buch über die liturgische Bedeutung des Kirchengebäudes, der Gebetsrichtung Osten, des Kreuzzeichens, der Bilder und Musik, des Kniens, Stehens und Sitzens. Es ist zugleich ein Buch über den inneren Zusammenhang von Judentum und Christentum, von Synagoge und Ecclesia, von pilgernder und himmlischer Kirche. Deutlich wird, dass sich der Gehalt der Liturgie nur bestimmen lässt, wenn in ihr die Stimme der Kirche über sich selber vernehmbar wird. Umgekehrt lässt sich auch die Kirche als Volk Gottes in ihrer sakramentalen Struktur nur analysieren, wenn man sie als Communio mit dem in der Eucharistie präsenten Christus begreift, gemäß dem Satz des Korintherbriefs: Weil ein Brot, sind wir, die Vielen, ein Leib.

Dem steht die These entgegen, dass der "historische Jesus" selbst an eine Kirche nicht gedacht habe und dass die später entstandenen Ortskirchen deshalb nicht anders denn als kontingente soziologische Tatsachen zu qualifizieren sind. Die eucharistische Lesart der Kirche, die als Subtext in Ratzingers Buch stets mitläuft, ist eine andere. Dass der Papst bei seinem jüngsten Schuldbekenntnis Versagen für die "Söhne und Töchter" der Kirche einräumte, in gewisser Hinsicht aber nicht für die Institution als ganze, liegt nach dieser sakramentalen Lesart auf der Hand und dürfte jedenfalls mit der naiven und vom Papst selbstverständlich bejahten Frage, ob denn nicht auch Amtsträger sündigen, nichts zu tun haben. Indem Ratzinger den Entwurf der eucharistischen Ekklesiologie in den Elementen der Liturgie schrittweise nachvollzieht, erschließt sich das Bild der "heiligen und gleichzeitig der Reinigung bedürftigen Kirche" in seiner Tiefendimension.

Zugleich wird, ohne dass Ratzinger dies explizit machte, gerade von der Eucharistie her deutlich, wie tief die Kluft zwischen katholischem und evangelischem Kirchen- und Amtsverständnis tatsächlich ist und in welch weiter Ferne insofern ein gemeinsames Abendmahl liegt, wenn es nicht um den Preis intellektueller Kapitulation herbeigezwungen werden soll. Wenn Ratzinger die actio Gottes und nicht die Aktion der Menschen als Kern der Liturgie herausschält, dann nennt er diesbezüglich die liturgische Erziehung "bei Priestern wie Laien heute in einem betrüblichen Ausmaß defizitär". Dass der eucharistische Kult mit Monstranz und Prozessionen gelegentlich als mittelalterliches Missverständnis abgetan wird, kann laut Ratzinger "nur verwundern" nach den tiefgehenden dogmengeschichtlichen und ökumenischen Disputen, "die von großen Theologen im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geleistet wurden, nun aber vergessen scheinen". Die Kommunion lasse sich nicht gegen die Anbetung ausspielen, schreibt Ratzinger und verweist auf die jüdisch-christliche Kontinuität der Glaubensgeschichte, in der der Tabernakel als Ort des "Allerheiligsten" immer selbstverständlicher die Stelle einnimmt, die ehedem der Bundeslade zukam.

Zu fragen wäre freilich, ob die Zurücknahme solcher Catholica unter der Hand nicht längst als die Bedingung der Möglichkeit funktionierender Ökumene gilt. Wenn in der offiziellen Verkündigung der Hirtenbriefe das konfessionelle Profil flach gehalten wird, ist die weitere Banalisierung des Liturgischen kein Faktum mit Überraschungswert. So darf man gespannt sein, was in dieser Hinsicht an dem von der Deutschen Bischofskonferenz angekündigten Papier "Eucharistie und Kirche" abzulesen sein wird. Wenn bereits die Feststellung von Christi Realpräsenz in der Eucharistie innerkirchlich den Vorwurf der "Konfessionalisierung des Christlichen" nach sich ziehen kann, wird man der von Ratzinger entfalteten Theologie des Kniens nur noch museales Interesse entgegenbringen, von einer eucharistischen Ekklesiologie ganz zu schweigen.

Joseph Kardinal Ratzinger: "Der Geist der Liturgie". Eine Einführung. Herder Verlag, Freiburg 2000. 208 S., geb., 36,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dreh- und Angelpunkt des Katholischen ist (wohl nicht nur) für Christian Geyer die Eucharistie, und im Lichte ihrer Bedeutung betrachtet er in seiner Besprechung auch die Ausführungen Ratzingers zur Liturgie. Mit Genugtuung stellt er fest, dass diese "gut lesbare `Hilfe zum Verstehen des Glaubens`" nicht nur auf der "Realpräsenz Christi" besteht sondern auch die "liturgische Bedeutung des Kirchengebäudes, der Gebetsrichtung Osten, des Kreuzzeichens, der Bilder und Musik, des Kniens, Stehens und Sitzens" behandelt. "Subtext" der Ratzingerschen Ausführungen ist für ihn auch der Aufweis des tiefen Grabens zwischen evangelischer und katholischer Kirche, d.h. die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Abendmahls, das nicht "um den Preis intellektueller Kapitulation herbeigezwungen" werden darf. In diesem Sinne ist Geyer neugierig, ob die in den Hirtenbriefen ablesbare "Banalisierung des Liturgischen" sich demnächst in dem angekündigten Papier der Deutschen Bischofskonferenz "Eucharistie und Kirche" fortsetzt oder ob man auf Ratzinger hört.

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