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Mit seinem Bestseller "Die Ökonomie von Gut und Böse" positionierte sich Tomas Sedlacek als Star der Kapitalismuskritik. "Die Dämonen des Kapitals" seziert unser Wirtschaftssystem und zeigt: Es ist zutiefst gestört. Viele glauben: Die Wirtschaft funktioniert nach den Gesetzen der Logik. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Wirtschaft wird erschüttert von immer neuen Krisen, ihre Akteure - Notenbanker, Manager, Politiker - sind oft getrieben von Wahnvorstellungen und Persönlichkeitsstörungen. Wer die Ökonomie wirklich verstehen will, muss sie durch die therapeutische Brille betrachten. Tomas…mehr

Produktbeschreibung
Mit seinem Bestseller "Die Ökonomie von Gut und Böse" positionierte sich Tomas Sedlacek als Star der Kapitalismuskritik. "Die Dämonen des Kapitals" seziert unser Wirtschaftssystem und zeigt: Es ist zutiefst gestört. Viele glauben: Die Wirtschaft funktioniert nach den Gesetzen der Logik. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Wirtschaft wird erschüttert von immer neuen Krisen, ihre Akteure - Notenbanker, Manager, Politiker - sind oft getrieben von Wahnvorstellungen und Persönlichkeitsstörungen. Wer die Ökonomie wirklich verstehen will, muss sie durch die therapeutische Brille betrachten. Tomas Sedlacek und Oliver Tanzer legen unsere Wirtschaft auf die Couch und kommen zu überraschenden, aber auch verstörenden Einsichten.
Autorenporträt
Oliver Tanzer, Jahrgang 1967, ist leitender Redakteur der Wochenzeitung "Die Furche". Er war langjähriger Korrespondent des ORF bei der Europäischen Union in Brüssel und arbeitete zuvor als Redakteur für "Der Standard" und "Profil".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2015

DIE F.A.S.-WIRTSCHAFTSREDAKTION EMPFIEHLT DIE BÜCHER DES HERBSTES 2015

Nur nicht so liberal.

Der Soziologe Colin Crouch demaskiert seit Jahren Fehlschlüsse der Liberalen. Jetzt holt er zum großen Schlag gegen den Neoliberalismus aus, und zwar genau auf dessen Kern: Märkte wissen am besten, was gut und richtig ist - sagt der Liberalismus. Crouch sagt: Nein, sie behindern das Wissen gerade. Seinen alten Fans wird er damit gute Laune bereiten, doch ist seine Argumentation auch stichhaltig? An einigen Stellen seiner Schimpftirade geht die Emotion mit ihm durch, nicht alle Fakten sind über jeden Zweifel erhaben. Im F.A.Z.-Lesesaal im Internet zeigen wir, welche Stellen fraglich sind, und freuen uns auf Ihre Kommentare: www.faz.net/lesesaal.

bern.

Colin Crouch: Die bezifferte Welt. Wie die Logik der Finanzmärkte das Wissen bedroht. Suhrkamp, Berlin 21,95 Euro.

Geschichte macht Spaß.

Andreas Rödder, Professor für neueste Geschichte an der Universität Mainz, ist mutig und dreht den Spieß des Erzählens rum: Was früher war, ist nur interessant, wenn es heute Bedeutung hat. So wird Geschichte relevant und wirft zugleich ein neues Licht auf unsere Gegenwart. Beispiel Migration: Während uns Zeitgenossen die Masseneinwanderung als großes Ausnahmeereignis vorkommt, verweist der Historiker auf die vielen Wanderungsbewegungen der Weltgeschichte. Rödder behauptet, die Zeiten der "großen Erzählung" seien ein für alle Mal vorbei. Mag sein. Aber er selbst vermag spannend zu erzählen. Und vor einem klaren Urteil scheut er nie zurück.

ank.

Andreas Rödder: 21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart. C.H. Beck, München 24,95 Euro.

Wie man Märkte macht.

Ökonomen erforschen, wie man knappe Güter effizient verteilt. Das lernt jeder Volkswirtschaftsstudent im ersten Seminar. Spätestens im zweiten Seminar lernt er dann, dass die Verteilung über Preise funktioniert, die ein freier Markt bestimmt: Wer am meisten für ein begehrtes Produkt zu bezahlen bereit ist oder eine Dienstleistung besonders günstig anbietet, bekommt den Zuschlag. Aber ist das auch noch so, wenn nicht Aktien oder Konzertkarten, sondern Organe und Studienplätze verteilt werden? Nein, sagt Nobelpreisträger Alvin Roth. In seinem unterhaltsamen Buch erklärt er, wie man effiziente Märkte schafft, in denen nicht allein der Preis die Verteilung bestimmt.

lspr.

Alvin E. Roth: Who Gets What-and Why: The New Economics of Matchmaking and Market Design. Houghton Mifflin Harcourt, 26,82 Euro.

VWL auf der Couch.

Die Ökonomie kranke, heißt es immer wieder. In der Finanzkrise habe sie versagt, werde zudem von der Mathematik dominiert, obwohl sie eine Sozialwissenschaft sei. Der tschechische Ökonom Tomás Sedlácek und der österreichische Journalist Oliver Tanzer untersuchen diese Krankheit genauer, und zwar mit den Methoden von Freuds Psychoanalyse. Sie attestieren der Ökonomie dabei zum Beispiel eine bipolare Störung, die sich in Konjunkturschwankungen zeige. Selbst wenn man Ansichten oder Ansatz der Autoren nicht ganz nachvollziehen kann, regt das Buch doch zum lustvollen Nachdenken an über eine Disziplin, die lange nicht so trocken ist wie ihr Ruf.

jutr.

Tomás Sedlácek, Oliver Tanzer: Lilith und die Dämonen des Kapitals. Hanser Verlag, München, 26 Euro.

Der Himmelsstürmer.

Müssen große Unternehmer Großmäuler sein? Tesla-Pionier Elon Musk, 1971 in Südafrika geboren, ist jedenfalls eines, selbst für Silicon-Valley-Verhältnisse, wo er seine Elektroflitzer vom Stapel lässt: 2025 soll Tesla der wertvollste Konzern der Welt sein, die Börsianer sind jetzt schon ganz irre. Der Clou dabei: Elon Musks Bude hat noch keinen Cent Gewinn erwirtschaftet, dafür aber reichlich Subventionen abgegriffen. Ist der Mann also nur ein besserer Jahrmarktschwindler? Oder doch der Visionär, der die Regeln der Autoindustrie neu definiert? Diese Frage untersucht eine spannend zu lesende Biographie - ein Bestseller auch in deutscher Übersetzung.

mec.

Ashlee Vance: Elon Musk. Tesla, Paypal, SpaceX. Wie Elon Musk die Welt verändert. Finanzbuchverlag, München, 19,99 Euro.

Die BMW-Familie.

Im Frühjahr 2016 feiert BMW den 100.Geburtstag. Auf dieses Jubiläum zielt die Biographie über die Eigentümer der Firma: die Quandts, Deutschlands erfolgreichste Unternehmerfamilie, wie es im Untertitel heißt. ein aufschlussreiches Buch nicht nur für Männer mit Benzin im Blut. Die Quandts haben das Auto nicht erfunden, nicht mal ihr Geschäft damit begonnen. Im Stile von Finanzinvestoren hat der Clan mit Firmen jongliert, spekuliert - und meist gewonnen. Wie schändlich die Vorfahren sich unter den Nazis verhalten haben, hat die Familie untersuchen lassen. Auch dies steht bei Rüdiger Jungbluth, der die schweigsamen Quandts zum Reden gebracht hat.

mec.

Rüdiger Jungbluth: Die Quandts. Deutschlands erfolgreichste Unternehmerfamilie. Campus Verlag, Frankfurt, 29,99 Euro.

Die Zukunft des Euros.

Es gerät derzeit in Vergessenheit, dass die Euro-Krise bis in den Sommer hinein ganz Europa in Atem hielt. Nun erinnert der Ökonom Hans-Werner Sinn in einem neuen Buch (Erscheinungstermin: 19. Oktober) daran, dass die Auseinandersetzung um Europas Währung jederzeit wiederaufbrechen kann. Fundiert zeichnet Sinn die Anfangsjahre des Euros nach und erklärt, wie es zu den jüngsten Konflikten kommen konnte. Sinn, der trotz aller Kritik am Euro festhalten will, skizziert auch eine mögliche Lösung: Temporäre Austritte aus dem Euro sollen möglich sein, eine Schuldenkonferenz die Krisenstaaten entlasten. Ein kenntnisreiches, anregendes Buch.

dek.

Hans-Werner Sinn: Der Euro. Von der Friedensidee zum Zankapfel. Hanser Verlag, München, 24,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2015

Multimorbidität
Tomáš Sedláček und Oliver Tanzer legen die Ökonomie auf Freuds Couch.
Die Diagnose: niederschmetternd. Das Buch: leider auch
VON WOLFGANG STREECK
Manchmal kann einem sogar der Kapitalismus leidtun. Andererseits braucht, wer solche Feinde hat, nun wirklich keine Freunde. Tomáš Sedláček ist spezialisiert auf die Verfertigung von Abhandlungen über das Abgründige im kapitalistischen Wirtschaftsleben, in denen er seine Leser unter anderem mit einem end- und bodenlosen klassisch-literarischen Zitatenschatz traktiert. Zugleich ist er (nebenher?) „Chief Macroeconomic Strategist“ einer tschechischen Bank und war nach eigenem Bekunden „Wirtschaftsberater“ von Präsidenten und Ministern in der Tschechischen Republik nach der Wende zum – Kapitalismus! Ein Mensch in seinem Widerspruch?
  Sedláčeks erstes Buch, „Die Ökonomie von Gut und Böse“, erschien 2009 auf Tschechisch und wurde rasch, was man einen internationalen Besteller nennt; die deutsche Übersetzung erschien drei Jahre später. Alles vom Feinsten, und alles Feine auf engstem Raum: Kapitel I über Gilgamesch, Kapitel II über das Alte Testament, Kapitel III über „Das Christentum: Spiritualität in der materiellen Welt“, usw. usw., bis hin zu „Adam Smith, Schmied der Ökonomie“. Es folgt Teil 2, „Blasphemische Gedanken“, über: die Gier, den Fortschritt, die „Achse von Gut und Böse“, die unsichtbare Hand, den Homo oeconomicus, die animal spirits, die Mathematik und die Wahrheit. Nichts fehlt, nichts ist originell, aber immerhin gibt es viele wünschenswert lange Zitate aus vielen kanonischen Texten, die man, weil im Druck abgesetzt, auch gut für sich lesen kann.
  Den Verdacht freilich, dass man es mit einem zu erbarmungsloser Koketterie neigenden Namedropper zu tun haben könnte, wird man nicht los (siehe die Widmung: „Für meinen Sohn Chris . . . Ich wünsche ihm, dass er eines Tages ein besseres Buch schreiben wird“).
  Stützen wir uns auf Schiller, wie der sich auf Aischylos: Das eben ist der Fluch des gutverkauften Buchs, dass es fortzeugend immer Bücher muss gebären. Dem Erstling folgten zwei kleinere, koproduzierte Werke: „Bescheidenheit“ (2013), in dem Sedláček und ein Mathematiker namens David Orrell, gemeinsam einvernommen von einem Journalisten, Bescheidenheit als Grundlage „für eine neue Ökonomie“ (Untertitel) vorschlagen, wenn auch nicht für eine neue ökonomische Theorie oder auch den Verfasser derselben. Auch hier geht es wieder um alles, aber gut, darum geht es heute ja tatsächlich. Dann, kurz darauf (2015), ein Zwiegespräch mit David Graeber, „Revolution oder Evolution: Das Ende des Kapitalismus?“, wobei der Chief Macroeconomic Strategist sich auf die Seite der Evolution schlägt, der Occupy-Mann, wen wundert’s, auf die der Revolution – Graeber: Der Kapitalismus ist schon tot und nur noch ein Zombie; Sedláček: Wir sollten dem Zombie „eine Seele einhauchen“.
  Nun also „Lilith und die Dämonen des Kapitals: Die Ökonomie auf Freuds Couch“, verfasst mit Oliver Tanzer, einem Wiener Journalisten – ein Sequel, wenn es je eins gegeben hat. Seele auch hier, die „Seele der Wirtschaft“, aber weit entfernt von neu eingehaucht, und so krank, dass Sedláček und Tanzer gleich Freud und Jung gemeinsam zu einer „psychologischen Analyse des ökonomischen Systems“ bitten, egal wie sehr diese sich zu Lebzeiten zerstritten haben mögen. Auf die Frage, warum „die Wirtschaft“ eine „Seele“ haben und Psychoanalyse plötzlich auf „Systeme“ anwendbar sein soll, und was ihre zwei Nothelfer dazu wohl gesagt hätten, verschwenden die Autoren keine Zeit. Stattdessen erklären sie ihr Vorgehen zu einem Durchbruch („Das Feld, das wir hier bearbeiten, ist noch völlig unbestellt“) und laienanalysieren kräftig drauflos: „Bei uns liegt, übertragen gesprochen, die Ökonomie auf der Couch, und wir hören ihr zu. Wovon spricht sie, was erhofft sie sich, wovon träumt sie? Was fürchtet sie . . . Welche Erlebnisse und Gefühle versteckt sie unter dem Mantel des Schweigens, was ist für sie ein Tabu?“
  Die Diagnose: niederschmetternd; der Patient: ein Wrack. Die „psychischen Defekte der Ökonomie“ sind, in der Reihenfolge ihres arztbrieflichen Erscheinens, maligner Narzissmus, Sadismus, Kleptomanie, Angststörungen, Realitätswahrnehmungsstörungen, Aberglaube, Verdrängung, Suchtverhalten, Sadomasochismus, Fetischismus, bipolare Störungen, Spielsucht – von den Seelenärzten Sedláček und Tanzer nach bewährtem Gilgamischmasch-Verfahren diagnostiziert mithilfe der jüdischen Mystik (Lilith), der griechischen Mythologie (reichlich und immer wieder, von Apollo und Marsyas bis Aphrodite) und Epik (Zorn des Achilles), bis hin zur Beschreibung des Kapitalismus von heute als „Bordellökonomie“ mit „High-Speed-Wirtschaft“ – Multimorbidität, wie sie im Buche steht, freilich nur in diesem.
  Wie heilt man so was? Dazu müsste man wissen, wer genau der Patient ist: „die Öko-nomie“, also jede, oder „der Kapitalismus“. Es geht um „die Dämonen des Kapitals“, aber auf „Freuds Couch“ liegt „die Ökonomie“. Die Autoren stört das nicht weiter. Uns anderen aber kann es nicht egal sein, ob der Kapitalismus erkrankt ist, oder die Ökonomie an sich selber oder am Kapitalismus, oder die Gesellschaft an der Ökonomie – je nachdem läge die Heilung in einem gesunden Kapitalismus, einer gesunden Ökonomie, einer Ökonomie ohne Kapitalismus oder, warum nicht, einer Gesellschaft ohne Ökonomie. Man weiß es nicht und befürchtet, dass das Absicht ist: So können die Autoren auf der Antikapitalismus-Welle schwimmen, ohne fürchten zu müssen, auf Antikapitalismus festgenagelt zu werden – was für einen Chief Macroeconomic Strategist ja auch peinlich werden könnte: Wie sollten seine Kunden da Vertrauen zu ihm haben, wo doch Vertrauen bekanntlich das Wichtigste ist im Finanzgeschäft?
  Im letzten Kapitel geht es von den „Neurosen der Ökonomie“ zu ihrer Therapie. Aber statt dass wir wenigstens jetzt den Patienten kennenlernen, treffen wir den „Schäfer vom Monte Cristallo“. Psychoanalyse, so lesen wir, liefert keine einfachen Antworten. Stattdessen „begleitet“ das Buch „den Leser ein Stück in jene psychischen und existentiellen Abgründe . . ., die sich als Folgen einer radikal-ökonomisierten Gesellschaft aufgetan haben.“ Zu lernen ist in den Schluchten des Was-auch-immer, dass es einer „Änderung der Einstellung des Einzelnen“ bedarf: dieser soll zum Beispiel keine „Zinsspannen jenseits von drei Prozent“ (Chief Macroeconomic Strategist!) oder „vom Handel immer günstigere Preise verlangen“. Dem folgen anderthalb Seiten gute Worte über eine richtig verstandene Mathematik und Ökonometrie über Euklid hinaus, immerhin mit gekrümmten Raumzeiten, und dann „ein Märchen zum Schluss“: eine „Geschichte, die sich die Bauern im Südtiroler Ampezzo-Tal erzählen“. Sie handelt von einer heiratslustigen, mit blauen Augen ausgestatteten, sich ihre Zeit mit allerlei Sphinxereien vertreibenden Prinzessin, ihrem „Berater“ (!) und einem auf Dichter umgeschulten Schafhirten, ebendem vom Monte Cristallo, genannt „der verrückte Bertoldo“, eine Geschichte, die so kitschig ist, dass es dem Rezensenten die Schrift verschlägt und er sich darauf beschränken muss zu berichten, dass Bertoldo die Prinzessin natürlich kriegt und die Moral sein soll: „Erinnerungen, die in die Zukunft wirken können, sanfte Macht statt hartem Streben“ heilen die Welt, die Wirtschaft, den Kapitalismus, alles. Letzter Absatz, wörtlich: „Sollten Sie aber einmal auf den Wiesen des Padeòn am Fuße der Marmolada weilen, oder gar am Fuße des Parnass in Griechenland, erinnern Sie sich, was in den Torbogen des Orakels von Delphi in den Stein gemeißelt steht: ‚Erkenne dich selbst‘.“
  Im Treibhaus der Ökonomie-/Kapitalismus-Kritik wachsen die erstaunlichsten Stil-, Gedanken- und Geschmacksblüten. Andererseits ist „Lilith und die Dämonen des Kapitals“ geeignet, die Innung der seriösen Kapitalismuskritik zu blamieren; zünftiges Einschreiten ist deshalb geboten. Einschlägige Mängelrügen wären: Wie Kraut und Rüben; den „Gut gesagt“-Zettelkasten zur Neige geleert; die Prosa geschwätzig, der Gedankengang disziplinlos, bis zum Ausreißen derselben an den Haaren herbeigezogen; immer wieder weit jenseits der Kitschgrenze – und eine erstaunliche Zahl von Geschmacklosigkeiten, wie etwa die seitenlange Wiedergabe einer Gruppenvergewaltigung aus „Last Exit to Brooklyn“ (für Stellensucher: Seite 319/20) – mit Lichthupe und Martinshorn auf der bestsellerischen Überholspur an allen Nachdenklichkeiten vorbei, atemlos durch die Nacht des wilden Denkens, auf Dauerjagd nach Gänsehaut; ein außer Kontrolle geratener Bewusstseinsstrom von Leuten, die es für „Kreativität“ halten, wenn sie einfach mal drauflosschreiben und so weiter.
  Immerhin werden wir informiert, wie so etwas zustande kommt. Ein Lektor hat ermutigt, eine Lektorin geholfen, aber das gibt’s ja auch im weniger erlesenen Leben. Unsere Autoren, das brauchen wir wörtlich (Seite 7ff.), „trafen einander in einem dieser traditionsreichen Kaffeehäuser Wiens . . . und dann fingen wir an zu reden  . . . Was dabei herauskam, war neu, ungewöhnlich und spannend.“ Als Nächstes tiefe Gespräche bei einem niederösterreichischen, dafür aber englisch benamten „Intellektuellenforum“; anschließend reiste Sedláček „von einer Konferenz zur anderen, New York, Peking, Paris, London“, und weiter ging’s mit E-Mails: „Wie bei uns üblich, ergab ein Gedanke den anderen  . . . und bevor wir es bemerkten, waren so viele Ideen geboren, sie hätten mannigfach Konferenzen füllen können.“ Es folgten „Gespräche über Mythen und Ontologie auf einem Segelschiff auf dem Nil“, und „ungeheuer begabte Studenten“ sowie ein „wissenschaftlicher Board“ trugen das Ihre bei. Die Zeit war knapp, schließlich „durchlief Europa wichtige Transformationen und Herausforderungen“, weshalb die Autoren „eingeladen“ waren, „im Projekt des damaligen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso einen ‚New Narrative for Europe‘ zu entwerfen. Und so konstruierten und de-konstruierten wir unter Tags Europa, auf Konferenzen in Mailand, Rom und Berlin. Sobald aber die Dämmerung hereinbrach, diskutierten wir Lilith . . . So schrieben wir und schrieben . . .“ 350 Seiten. Gruselig.
Jüdische Mystik
und griechische Mythologie
müssen zur Analyse herhalten
Atemlos durch die Nacht
des wilden Denkens,
auf Dauerjagd nach Gänsehaut
Mehr Diwan als Couch: Das Originalmöbelstück von Sigmund Freud steht heute in London.
Foto: E. Engelman/dpa
  
      
Tomáŝ Sedláček,
Oliver Tanzer:
Lilith und die Dämonen
des Kapitals: Die Öko-
nomie auf Freuds Couch. Hanser Verlag, München 2015. 350 Seiten, 26 Euro. E-Book 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Nicht wirklich überzeugt ist die hier rezensierende Philosophin und Volkswirtin Lisa Herzog vom "wilden Reigen", den der Prager Ökonom Tomáš Sedláček und der österreichische Journalist Oliver Tanzer hier in Buchform vorlegen. Konzise Analysen und empirische Belege sucht sie vergeblich, stattdessen sei das Werk "assoziativ verfasst", indem es Verbindungen der Mythologie, Psychoanalyse und Popkultur zum kapitalistischen Wirtschaftssystem suche. Viele Erkenntnisse der Autoren sind der Rezensentin bereits bekannt, ihrer Meinung nach gehören sie längst zum Standardrepertoire linker Kapitalismuskritik. Des weiteren findet sie "Ungenauigkeiten und wüste Spekulationen". Am Ende lässt die Kritikerin aber doch Milde walten: Es brauche Querdenker wie Sedláček mit ihrem ungewöhnlichen Blick auf die Ökonomie, so Herzog, und letztlich sei auch in diesem Buch für jeden irgendetwas dabei, das zum Nachdenken anregen könne.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das Buch [regt] zum lustvollen Nachdenken an über eine Disziplin, die lange nicht so trocken ist wie ihr Ruf." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 04.10.15

"So unterhaltsam kann Krise und ihre Psychoanalyse sein". Kleine Zeitung, 04.10.14

"Denn wir leben ja in einer Epoche, in der die eine große Antwort, die eine Alternative, auf sich warten lässt - da braucht es Querdenker wie Sedlacek, die aus unerwarteten Perspektiven neue Einsichten ans Tageslicht bringen." "Wenn, nach Nietzsche, Chaos dazu gut ist, einen tanzenden Stern zu gebären, darf man von diesen Autoren vielleicht noch einiges erwarten - und kann bis dahin ihren Gedanken beim wilden Reigen zusehen." Lisa Herzog, Die Zeit, 08.10.15

"Der von Sedlácek und Tanzer unternommene Versuch, die Ökonomie psychoanalytisch zu betrachten - was im Übrigen schon Schumpeter, Keynes, Marshall gefordert hatten, weil sie um die Verbundenheit, um die wechselseitige Abhängigkeit von Markt und Mensch wussten -, ist unglaublich inspirierend. Vielleicht ist es das erste ökonomische Buch neuen Stils - und das wichtigste, aussagekräftigste seit Jahren ohnehin." Matthais Lemke, Portal für Politikwissenschaft, 28.01.16