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2 Kundenbewertungen

Aus der Distanz eines halben Jahrhunderts erinnert sich Jean, wie er sich in die geheimnisvolle Dannie verliebte. Als er sie in den 1960er Jahren kennenlernt, lebt sie in Paris, hat so viele Namen wie Adressen und verkehrt mit einer zwielichtigen Bande, die Kontakte nach Marokko unterhält. Trotz der vage lauernden Gefahr werden der angehende Schriftsteller und die junge Frau ein Paar. Doch dann verschwindet Dannie von einem Tag auf den anderen. Und Jean wird als Zeuge in einem ungeklärten Todesfall verhört, der eine neue Geschichte von Dannie erzählt. Modianos Roman ist wie ein Film noir, voller Spannung, Sehnsucht und Geheimnis.…mehr

Produktbeschreibung
Aus der Distanz eines halben Jahrhunderts erinnert sich Jean, wie er sich in die geheimnisvolle Dannie verliebte. Als er sie in den 1960er Jahren kennenlernt, lebt sie in Paris, hat so viele Namen wie Adressen und verkehrt mit einer zwielichtigen Bande, die Kontakte nach Marokko unterhält. Trotz der vage lauernden Gefahr werden der angehende Schriftsteller und die junge Frau ein Paar. Doch dann verschwindet Dannie von einem Tag auf den anderen. Und Jean wird als Zeuge in einem ungeklärten Todesfall verhört, der eine neue Geschichte von Dannie erzählt. Modianos Roman ist wie ein Film noir, voller Spannung, Sehnsucht und Geheimnis.
Autorenporträt
Patrick Modiano, 1945 in Boulogne-Billancourt bei Paris geboren, ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den großen Romanpreis der Académie française, den Prix Goncourt, den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur und 2014 den Nobelpreis für Literatur. Bei Hanser erschienen unter anderem die Romane Place de l'Étoile (2010), Im Café der verlorenen Jugend (2012), Der Horizont (2013), Gräser der Nacht (2014), Damit du dich im Viertel nicht verirrst (2015), der Prosatext Schlafende Erinnerungen (2018), das Theaterstück Unsere Anfänge im Leben (2018) sowie zuletzt die Romane Unsichtbare Tinte (2021) und Unterwegs nach Chevreuse (2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das neue Buch des Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano über sein Alter Ego, den Schriftsteller Jean, liest Rezensentin Barbara Villiger Heilig als Teil der Autobiografie des Autors. Allerdings warnt sie uns, den Text allzu dokumentarisch zu verstehen. Zu sehr vermischt er Gegenwart und Vergangenheit und verharren die Figuren in der Rätselhaftigkeit, meint die Rezensentin. Das Motiv des Verlustes und das der sehnsüchtig vermuteten Seelenverwandtschaft tauchen hier wieder auf, erklärt sie, zögernd, neu ansetzend, vor- und zurückgreifend vom Autor in Szene gesetzt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2014

Im Licht der vergangenen Gegenwart
Am Montag erscheint Patrick Modianos neuer Roman „Gräser der Nacht“ – der perfekte Einstieg ins Werk des diesjährigen Literaturnobelpreisträgers
Wer seit Patrick Modianos Erstlingsroman „La Place de l’Étoile“ aus dem Jahr 1968 den Einstieg ins Werk des Nobelpreisträgers verpasst hat, dem wird hier eine außerordentliche Chance geboten. Sein neuer Roman „Gräser der Nächte“ vereint wie wenige andere zuvor so ziemlich alles, was die Qualität dieser großen zeitgenössischen Erinnerungsliteratur ausmacht und enthält bis in die feinsten Nebentöne den unverwechselbaren Modiano-Sound. Das Bestreben, das Nachglühen vergangener Ereignisse gleichsam rückwärts zu überholen und das Licht der alten Gegenwart noch einmal strahlen zu lassen, wird in diesem Buch ständig mitreflektiert.
  Der mit lückenhaften Aufzeichnungen in einem alten Notizheft durchs Pariser Montparnasse-Viertel irrende Erzähler spürt sehr genau, dass da in seinem Leben einmal etwas Bedeutsames sich abspielte. Es ist ihm, als ob „ein anderes Ich, ein Zwilling, sich in dieser Gegend herumtriebe, ohne gealtert zu sein“, und ihm kaum vernehmbare Zeichen gäbe. Er kann die Erinnerungsfetzen aber an keinem realen Ort mehr festmachen. Die vertrauten Straßen und Häuser blicken ihn an wie ein ausgestopfter Hund. Dann aber, vor der Hausnummer 11 der Rue d’Odessa, kommt plötzlich der Einfall, wie ein leichtes Schwindelgefühl, das der Proustschen Erfahrung mit dem Stück Madeleine nicht ganz unähnlich ist: Hier hat doch Paul Chastagnier immer sein Auto geparkt.
  Wie sich von da an im Buch die Gedächtniswolken lichten und immer neue Durchblicke freigeben, zeugt von einer Meisterschaft, die nur den Größten des Genres gegeben ist. Statt Erinnerungsrausch, Geborgenheitsglück beim Einschlafen, Belle-Époque-Geraschel und bis in die Ewigkeit fortdauerndem Tafelgeklirr aus dem Salon gibt es bei Modiano aber nur die ständig wiederkehrende Ungewissheit, ob da tatsächlich mal was war. Eine „wiedergefundene Zeit“ kommt bei ihm nicht vor. Vorgesehen ist vielmehr ein dauerndes Weiterirren durch die Straßen auf den Spuren einer aus der Zeit ragenden Situation wie der mit jenem Mädchen, das der Erzähler vor Jahrzehnten kennenlernte und bald wieder verlor.
  Aus seinen Aufzeichnungen und aus der realen Stadttopografie versucht er, die Dinge zu rekonstruieren. Da war die Bekanntschaft mit der angeblichen Studentin, die sich damals Dannie nannte. Da waren ihre ausweichenden Antworten und ihr etwas seltsames Verhalten sowie die undurchschaubaren Männer, mit denen sie im Unic Hotel verkehrte. Es gab auch die diskreten Warnungen vor diesem Milieu, die Hinweise auf Schüsse, die in einer Wohnung gefallen sein sollen, sowie die Vorladung des Erzählers aufs Polizeikommissariat. All diese Erinnerungen wirbeln wie in einem unterbelichteten Schwarz-Weiß-Film von Georges Franju durcheinander im Paris der frühen Sechzigerjahre und seinen mysteriös gebliebenen Affären. Ungeklärt ist beispielsweise bis heute das spurlose Verschwinden des marokkanischen Oppositionspolitikers Mehdi Ben Barka 1965, auf das die Romanhandlung offensichtlich anspielt. Mit seiner stets etwas unheimlichen Spannung ist dieser Roman ein Thriller ohne eigentliche Events, ein Liebesroman ohne Liebesszenen, ein Schlüsselroman ohne Schlüssel.
  Mit seinen Aufzeichnungen und seinen Träumen, zuletzt auch mit der ihm ausgehändigten Polizeiakte, kreist der Erzähler zwischen damals und heute die Ereignisse ein. Manchmal ist da das Handy, an dem ein Tischnachbar im Café gerade herumfingert, der einzige Hinweis dafür, dass er in der Gegenwart sitzt. Doch Gegenwart und Vergangenheit gibt es für ihn eigentlich gar nicht, das eine geht ins andere über, wie vor einem erleuchteten Fenster, das ein Gefühl von Gegenwart und Abwesenheit zugleich vermittelt. „Wir bedauern, Ihre Ansprüche sind erloschen“, steht auf einem Zettel, den ein Geldautomat statt der Banknoten ausspuckt, und es scheint dem Erzähler, hätte es in seiner Jugend schon Geldautomaten gegeben, wäre die Antwort auf sein Leben schon damals dieselben gewesen. Ansprüche erloschen.
  Modiano ist aber ein zu feinsinniger Autor, als dass er sich auf „nie ganz vergangen“ und „nie ganz gewesen“ festlegen würde. Die literarischen, zeitgeschichtlichen, politischen, städtebaulichen Motive verbinden sich bei ihm in ungeheurer Dichte, gerade in diesem Buch. Neben den Namen von Personen und Orten enthält das Notizheft seines Erzählers auch Skizzen für einen angefangenen Roman mit Angaben über die 1794 guillotinierte Marie-Anne Leroy, über den symbolistischen Dichter Tristan Corbière oder über die junge Gattin des belgischen Königs Leopold II., die 1948 verstorbene Baronne Blanche, die er mit der Rue Blanche, der zeitweiligen Wohnadresse seiner Freundin Dannie in Verbindung bringt.
  Während andere Autoren aus dieser Vielzahl von Motiven eine mehr oder weniger bündige Handlung schnüren würden, werden bei Modiano damit nur flüchtige Licht- und Schatteneffekte aufs Geschehnisse geworfen, wie unter dahintreibenden Wolken. Bei einem Landaufenthalt verliert der Erzähler sein angefangenes Romanmanuskript. Statt es zu rekonstruieren, lässt der junge Schriftsteller es in der Halbvergessenheit. Das Verlorene kommt ihm vor wie ein abwesendes Andenken – „eine getrocknete Blume, ein vierblättriges Kleeblatt“. Im Licht der für Modiano so charakteristischen leichtfüßigen Melancholie bleibt das Vergangene in einer Ferne, wo es gerade noch spürbar, aber nicht mehr fassbar ist. Zwar meldet sich immer wieder der Wunsch, danach zu greifen, doch er wird fortwährend aufgeschoben. „Wozu auch?“ lautet ein im Roman häufig wiederkehrender Ausdruck.
  Das Autobiografische ist bei Modiano nie Gegenstand, immer nur Rohstoff. Deshalb ist sein Werk frei davon, abrechnen, aufräumen, Licht und Schatten trennen zu wollen. „Sehen Sie das Gebäude aus rotem Backstein dort drüben?“ – fragt der Polizeikommissar den Erzähler, als er ihm seine Akte aushändigt. Eine Frau sei da an die Wand gestellt und von hinten erschossen worden. Dann habe man gemerkt, dass es ein Irrtum war. Falsche Widerstandskämpfer hätten sich bei der Befreiung von Paris im Gebäude verschanzt. „Man darf nicht allzu sehr in der Vergangenheit wühlen“, fügt der Kommissar hinzu. Modianos Erzähler wühlt nicht in ihr, er durchschreitet sie, erhält aber nie den Überblick.
  Eine so subtile und in den Mittellagen reichhaltige Literatur stellt an die Übersetzung hohe Ansprüche. Elisabeth Edl, die Modianos Werk seit bald zwanzig Jahren übersetzt, zeichnet die feinsten Nuancen, die Assoziationsbewegungen des Erinnerns bis in den Satzbau hinein genau nach und schafft einen auch auf Deutsch vollkommen stimmigen Klang. Wo nötig, retuschiert sie Einzelheiten, wenn etwa schon im Titel die Pluralform der Nächte aus dem Original „L’herbe des nuits“ sanft auf die Gräser übergeht. Im Halbdunkel dieser Nacht spannt sich ein flimmerndes Panorama auf.
JOSEPH HANIMANN
        
Patrick Modiano: Gräser der Nacht. Roman. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Carl Hanser Verlag, München 2014. 176 Seiten, 18,90 Euro. E-Book 12,99 Euro.
„Hier hat doch Paul Chastagnier
immer sein Auto geparkt.“
Bis in feinste Nuancen bildet
die Übersetzung den Klang nach
Ein artistischer Archivar: Patrick Modiano.
Foto: Franck Courtes/VU/laif
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2014

Aber ich habe doch nicht geträumt

Bei Patrick Modiano ist die Erinnerung kein geschützter Ort, sondern ein Aufenthaltsraum für Beobachter: der neue Roman des Nobelpreisträgers "Gräser der Nacht".

In vielerlei Hinsicht entspricht der neue Roman von Patrick Modiano genau dem, was man sich unter einem "typischen Modiano" vorstellen darf: Jean, der Ich-Erzähler des gut einhundertsiebzig Seiten schlanken Buches, erinnert sich an eine Liebschaft, die er vor einem halben Jahrhundert erlebte. Damals, mitten in den - wie so oft bei Modiano - sechziger Jahren war er Dannie begegnet, einer Frau, über die er kaum etwas Präzises sagen kann, außer dass sie ein, zwei Jahre älter war als er. Wobei letzten Endes auch das nicht sicher ist. Denn als Dannie nach ein paar gemeinsamen Wochen aus Jeans Leben verschwand - und zwar völlig unvermittelt, wie es so viele Figuren in Modianos Büchern schon getan haben -, hinterließ sie ihm einen Brief, in dem sie gesteht: "Ich habe dich ein bisschen angelogen, und das bedrückt mich. Ich bin nicht 21, wie ich dir gesagt habe. Ich bin 24. Du siehst, bald schon bin ich alt." Auch dies aber, die antizipierte Vergangenheit, die ihr letzter Satz ausdrückt, ist ganz und gar Modiano.

Wer diesem Autor schon begegnet ist, wird ihn in dem nun auf Deutsch vorliegenden "Gräser der Nacht" also problemlos wiedererkennen: Seine Erzählperspektive, die in der Gegenwart stets nur einen Anker sieht, den es braucht, um sich unwiederbringlich vergangenen Zeiten zuzuwenden; die aus dieser Haltung resultierende Überlappung verschiedener zeitlicher Ebenen, in der sich Erinnerungen und Träume mit tatsächlich Erlebtem und realen Orten vermischen; schließlich das Paris der vergangenen Jahre, in denen viele dieser Orte noch eine andere Stimmung evozierten als heute, so dass sie in der Gegenwart zu wunderbaren Projektionsflächen für das werden, um was es Patrick Modiano immer geht - für Erinnerungsreisen durch Raum und Zeit.

"Aber ich habe doch nicht geträumt", lautet denn auch der erste Satz seines neuen Romans. Nichts ist indes ungewisser als das. Denn sosehr sich Jean auch bemüht, jene unbeschwerten Tage, die er an der Seite von Dannie, durch Paris spazierend, verbrachte, in Gedanken wiederaufleben zu lassen, so sehr entzieht sich ihm die einst liebgewonnene Frau. Gewiss, sein Notizbuch (auch dies ein in Modianos Romanen beliebtes Requisit) liefert einige Hinweise, etwa auf das Hotel Unic im "Hinterland von Montparnasse", in dem Dannie eine Zeitlang wohnte. Es enthält auch die Namen einiger zwielichtiger Männer, mit denen sie zuweilen verkehrte. Aus den Tiefen von Jeans Gedächtnis tauchen jene Provinzorte auf, die er mit ihr besuchte und die so verträumt klingen, wie es eben nur französische Orte tun - Châteauneuf-en-Thymerais, Maillebois, Dampierre-sur-Blévy. Mehr als Assoziationen vermögen diese Bruchstücke der Erinnerung aber nicht heraufzubeschwören. Und doch wissen Modiano-Leser, dass es diese Fetzen sind, das Vage, Angedeutete oder Ungesagte, das diesem Autor als Material für seine Geschichten dient und im Übrigen völlig ausreicht.

Wie in mehreren seiner bislang gut dreißig veröffentlichten Romane findet sich auch in dem jüngsten ein Hinweis auf dieses poetologische Programm: "Vergangenheit? Nein, nein, es handelt sich nicht um die Vergangenheit, vielmehr um Episoden eines geträumten, zeitlosen Lebens, die ich Seite um Seite dem trüben Alltagsleben entreiße, damit es ein bisschen Schatten und Licht bekommt." Die Erinnerung gilt Modianos Erzählern also nicht als Zuflucht oder gar als geschützter Ort. Sie ist vielmehr eine Art Aufenthaltsraum, in dem sie die ihnen natürliche Position als Beobachter einnehmen können. Dass es das jeweils eigene Leben ist, dessen rätselhaften und geheimnisvollen Ereignissen es in diesem Sinn auch Jahrzehnte später nachzuspüren lohnt, ist dabei kein Widerspruch. Im Gegenteil lässt sich diese Verschränkung von Vergangenem und Gegenwärtigem einerseits als Abbild der ganz normalen menschlichen Gedankenwelt lesen, in der es ja auch häufig weder linear noch geordnet zugeht. Andererseits liegt in der suggerierten Simultaneität ein Hinweis auf das besondere Verhältnis, das Modiano zur Zeit entwickelt hat und das fälschlicherweise oft mit dem von Proust verglichen wurde.

Gerade darauf ist Modiano selbst in der Rede eingegangen, die er anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises kürzlich in Stockholm hielt. Er gehöre, so sagte er, zu einer "Zwischengeneration". Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts - er nannte Balzac, Dickens, Tolstoi und Dostojewski - vermochten ihre Aufmerksamkeit besser zu konzentrieren, weil ihre Zeit langsamer verging. Heute habe sich die Zeit beschleunigt und gehe stoßweise voran, was den Unterschied zwischen den "großen, wie Kathedralen gebauten Roman-Massiven der Vergangenheit" und den diskontinuierlichen, zerstückelten Werken der Gegenwart erkläre. Die Gesellschaft, die Proust beschrieben habe, sei stabil gewesen. Ihre Vergangenheit konnte in kleinsten Details wieder zutage treten. "Mir scheint heute, dass die Erinnerung ihrer selbst viel weniger sicher sein kann und dass sie ständig ankämpfen muss gegen die Amnesie und das Vergessen."

Diesen Kampf hat Modiano in seinen Büchern immer wieder führen lassen. Auch Jean, sein Erzähler aus "Gräser der Nacht", muss ihn aufnehmen. Er taucht ein in das Paris der sechziger Jahre, evoziert seine bedrohliche Stimmung, seine blinden Flecken und seine im Verborgenen ausgetragenen Konflikte, über die Dannie vermutlich mehr wusste, als sie zugeben wollte. Immerhin war Jean früh gewarnt worden. Sie sei "in eine üble Geschichte" verwickelt, verriet ihm ein Marokkaner namens Aghamouri. Und Jahrzehnte später übergab ihm ein gewisser Kommissar Langlais eine Polizeiakte, mit deren Hilfe Jean dem Rätsel um Dannie zwar ein Stück näher kommt.

Lösen kann er es letztlich nicht, wobei - und auch hierin liegt eine typische Besonderheit von Modianos Stil - nie ganz klar wird, ob des Rätsels Lösung wirklich jemals der Sinn der Suche war. Denn wie mehrere andere Modiano-Erzähler vor ihm ist auch Jean ein Mann, der um die Grenzen des Erforschbaren zu wissen scheint. "Ich glaube, damals hatte ich schon begriffen, dass nie irgendwer auf Fragen antwortet", heißt es einmal. Genau dieses Wissen ist es denn auch, das ihn vor den Versuchungen der Verzweiflung bewahrt und ihm stattdessen eine Art Gelassenheit schenkt, die man zwar melancholisch nennen darf, die aber trotzdem tröstlich stimmt und deswegen sicher mit ein Grund für die anhaltende Verehrung so vieler Modiano-Leser ist.

Wer immer Dannie also war und wie auch immer sie zu Jean stand - sie behält ihr Geheimnis für sich. Sie kann gar nicht anders.

LENA BOPP.

Patrick Modiano: "Gräser der Nacht". Roman.

Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Hanser Verlag, München 2014. 176 S. geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Bei Patrick Modiano ist die Erinnerung kein geschützter Ort, sondern ein Aufenthaltsraum für Beobachter." Lena Bopp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.14 "Zutiefst romantisch, zutiefst melancholisch - und jenseits der Zwänge der Zeit." Sebastian Hammelehle, Spiegel Online, 12.11.14 "Ein atmosphärisch dichter Paris-Roman." Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 12.11.14 "Der perfekte Einstieg in das Werk des diesjährigen Literaturnobelpreisträgers ... Modianos neuer Roman 'Gräser der Nacht' vereint wie wenige andere zuvor so ziemlich alles, was die Qualität dieser großen zeitgenössischen Erinnerungsliteratur ausmacht und enthält bis in die feinsten Nebentöne den unverwechselbaren Modiano-Sound." Joseph Hanimann, Süddeutsche Zeitung, 08.11.14 "Auf der Höhe des Könnens: In seinem Roman 'Gräser der Nacht' ist der neue Nobelpreisträger Patrick Modiano mehr denn je er selbst." Tilman Krause, Die Welt, 08.11.14 "Nie ist es einfacher gewesen, Zugang zu finden zum Werk eines Nobelpreisträgers, und kaum einmal gelangt eine sentimental motivierte Prosa zu einer erzählerischen Klarheit wie in diesem Roman." Hans-Jost Weyandt, Die Tageszeitung, 08.11.14 "Für Vergnügen an der Lektüre dieses Romans ... sorgt die sanft schwebende Prosa Modianos, dieser zwischen dem Glück des Erinnerns und der Trauer über die verlorene Zeit changierende Ton, der sich auch in der Übertragung ins Deutsche von seiner inzwischen angestammten Übersetzerin Elisabeth Edl aufs Beste vermittelt." Gerrit Bartels, Der Tagesspiegel, 07.11.14 "Der diesjährige Nobelpreisträger erweist sich darin einmal mehr als großer Atmosphäriker." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 10.11.14 "Funkelnde Prosa, kongenial übersetzt." Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 7.12.14…mehr