Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 10,80 €
  • Gebundenes Buch

Was ist die Gegenwartslyrik? Tadeusz Dabrowski vergleicht sie mit einer Fledermaus, die in Dachkammern wohnt, am Tag schläft und in der Nacht jagt. "Früher glaubte man, sie nähre / sich von Menschenblut, aber sie / ist mit einer Fliege zufrieden, / mit einem Maikäfer oder Falter." Die Dichtung muss sich in der Gegenwart also ihre Existenz und ihr Geheimnis selber erarbeiten. Die Art und Weise, wie Dabrowski das tut, ist wunderbar: witzig und klug, ironisch, philosophisch und immer überraschend betrachtet der junge Lyriker aus Polen die Welt. Und die Welt entdeckt diesen Dichter in der…mehr

Produktbeschreibung
Was ist die Gegenwartslyrik? Tadeusz Dabrowski vergleicht sie mit einer Fledermaus, die in Dachkammern wohnt, am Tag schläft und in der Nacht jagt. "Früher glaubte man, sie nähre / sich von Menschenblut, aber sie / ist mit einer Fliege zufrieden, / mit einem Maikäfer oder Falter." Die Dichtung muss sich in der Gegenwart also ihre Existenz und ihr Geheimnis selber erarbeiten. Die Art und Weise, wie Dabrowski das tut, ist wunderbar: witzig und klug, ironisch, philosophisch und immer überraschend betrachtet der junge Lyriker aus Polen die Welt. Und die Welt entdeckt diesen Dichter in der Übersetzung von Renate Schmidgall als einen ihr angemessenen Porträtisten.
Autorenporträt
Tadeusz Dabrowski, 1979 geboren, lebt als Lyriker, Essayist, Kritiker und Redakteur der Literaturzeitschrift Topos in Gdánsk. 2010 erschien der zweisprachige Gedichtband Schwarzes Quadrat auf schwarzem Grund.

Renate Schmidgall, 1955 geboren, studiert Slavistik und Germanistik an der Universität Heidelberg. Seit 1996 arbeitet sie freiberuflich als literarische Übersetzerin. Für ihre Übersetzungen zeitgenössischer polnischer Prosa und Lyrik (unter anderem Pawel Huelle, Stefan Chwin, Andrzej Stasiuk, Hanna Krall, Piotr Sommer) erhielt sie u.a. 2001 den Jane-Scatcherd-Preis der Ledig-Rowohlt-Stiftung, 2009 den Karl-Dedecius-Preis und 2017 den Johann-Heinrich-Voß-Preis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Auf den Spuren von Tadeusz Rozewicz und Czeslaw Milosz sieht Nico Bleutge den Autor wandeln. Und durchaus geschickt. Die "Gedankenlyrik" von Tadeusz Dabrowski nämlich weiß um die Tücken der Tradition und um die Notwendigkeit, neben Kämmen, Insekten und dem Nachdenken über Gut und Böse auch die digitale Welt mit ins Wort einzubeziehen, damit es bricht. Mit ihren Paradoxien und kleinen Verschiebungen gehen Bleutge die Gedichte gut ins Ohr. Kostprobe: "das Wort entwischt wie eine Sprotte / und löst sich im Ozean auf." Vermisst hat er das reflexive Moment auf der Strukturebene der Texte. Die Position des Sprechers aus der Erstarrung zu lösen, gelingt dem Autor laut Bleutge leider nicht immer.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2014

Liebe, doch wohin damit?
Gedichte des polnischen Lyrikers Tadeusz Dabrowski

Es gibt Gedichte, die sind Nahrung für den Verstand. Sie müssen erst mit viel Aufwand entschlüsselt und lang verarbeitet werden, bis man sie verstehen, aufnehmen und genießen kann. Tadeusz Dabrowskis phantastische Poesie nimmt einen ganz anderen Weg: Sie ist melancholisch und klug, verzweifelt und verspielt und dabei immer schonungslos ehrlich und direkt. Sie ist Nahrung fürs Herz. Der 1979 in Danzig geborene Dichter trifft mit seinen Texten ins Mark, wobei er stets - trotz der unverfrorenen Direktheit - den banalen Kitsch zu vermeiden versteht.

Jetzt können sich deutsche Leser mittels einer Sammlung seiner Gedichte davon überzeugen. Der Titel ist passend gewählt: "Die Bäume spielen Wald". Es finden sich altbekannte und in Polen zu Kultstatus avancierte Gedichte, aber auch völlig neue Experimente, die der Schriftsteller 2013 während einer Lesereise durch Amerika geschrieben hat. Was Dabrowskis kurzweilige Lyrik neben der messbaren Melancholie eint, ist deren grandioser Witz. Selbst bei den traurigen, persönlichen, ja intimen Gedichten schwingt eine Koketterie mit, die beizeiten sprachlos macht - wie in einem der unbetitelten Gedichte, die sich der Liebe widmen. Die Liebe, sie ist für Dabrowski nur im Spalt, im Atemholen, in der Pause greifbar: "Wodurch unterscheidet sich Schweigen / das leer ist von bedeutendem Schweigen / tiefes von flachem / helles von dunklem / gezieltes Schweigen von / Schweigen aufs Geratewohl / durch dich."

Dabrowski macht sich unter seinen polnischen Dichterkollegen bewusst angreifbar, indem er eine klare Antwort auf die Frage zu finden versucht, wie zeitgenössische Poesie auszusehen hat, die den medialen und gesellschaftlichen Wandel im 21. Jahrhundert reflektieren will, ohne sich dem Zeitgeist anzubiedern. Der Dichter hat eine überzeugende Strategie gefunden, indem er die Wahrnehmungsveränderungen, die durch die neuen Medien ausgelöst worden sind, und die Beobachtungen, die damit einhergehen, in seine Poesie aufnimmt und sie zugleich kritisch-spielerisch bricht. Wie etwa in dem Gedicht "Falls": "jemanden irgendwann die Wahrheit interessieren sollte / über die Zeit, in der ich lebte, würde ich Folgendes sagen: / Vor meinen Augen verwandelte sich / Liebe in Sex, / Sex in Pornographie, / Pornographie / In Liebe. / Viele Male. / Immer schneller." Man weiß, dass in diesen kurzen, scharfzüngigen Zeilen viel Wahrheit steckt, aber man weiß nicht warum. Die Mitte bleibt leer, trotz der Fülle an Ausdrücken und Einfällen, mit denen Dabrowski feinfühlig jongliert.

Dabei entsteht eine Komplexität, die an den Widersprüchen der Moderne kratzt. Dabrowski scheut sich nicht, Markennamen in seine Texte einzufügen, Biographisches gewitzt zu verarbeiten oder auch mal ein Gedicht zu schreiben, das sich der Techniken des Kalauers bedient. Wie jener Text, der über einen Professor aus Harvard handelt, der trotz vieler anderer Veranstaltungen zu einer Lesung von Dabrowski erscheint. Doch anstatt zuzuhören, verfällt der ältere Herr immer wieder in ein lautes brummiges Schnarchen. Das Gedicht nimmt es dem Mann nicht übel: "Danke, dass du gekommen bist. Wichtiger für mich / als deine Abwesenheit war deine Anwesenheit."

In dieser lakonischen Zartheit schlummert das dezidiert Slawische der Texte. Schwerer Ernst ist Dabrowski fremd, auch wenn er sich durchaus ernsten Themen widmet. Doch selbst wenn die komplizierte Liebe zum Vater und dessen Sterblichkeit zur Sprache kommen, ist das Ergebnis nicht fatalistisch oder deprimierend, sondern lebensbejahend: "Im anderen Zimmer liegt Vater, liest vor dem Schlafen. / Er hat mir immer gegeben, was ich brauchte. / Ich glaube, ich bin gut zu ihm. / Wir liegen in benachbarten Zimmern, Stille, man hört das Wasser / in den Heizkörpern murmeln. Die Zeit vergeht. Was sonst / kann ich tun, ihn endlos umarmen, immer wieder sagen: / Ich liebe dich? Ich finde nicht. Also liege ich da und denke / an sein altes Herz und die abnehmende Zahl / der ihm zugedachten Schläge. So viel Liebe, und keine Ahnung / wohin damit."

Dabrowski steht in der Tradition der polnischen Literaturnobelpreisträgerin Wislawa Szymborska, die in ihrer Lyrik Komplexität und Verständlichkeit zu verbinden verstand. Besonders bei Lesungen merkt man, dass auch Dabrowski den Hörer packen und mit subtilen Pointen hinreißen will. Es gelingt der grandiosen Übersetzung von Renate Schmidgall, diese Pointen und das Melancholisch-Verspielte fulminant wiederzugeben. Man muss sich also glücklich schätzen, dass dieses kleine Bändchen nun den Weg hierher gefunden hat.

TOMASZ KURIANOWICZ.

Tadeusz Dabrowski: "Die Bäume spielen Wald". Gedichte.

Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Carl Hanser Verlag, München 2014. 104 S., geb., 15,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Tadeusz Dabrowski, eine der großen Hoffnungen der polnischen Lyrik [...]" Andreas Breitenstein, NZZ, 29.03.16

"Es gelingt der grandiosen Übersetzung von Renate Schmidgall, diese Pointen und das Melancholisch-Verspielte fulminant wiederzugeben. Man muss sich also glücklich schätzen, dass dieses kleine Bändchen nun den Weg hierher gefunden hat." Tomasz Kurianowicz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.14

"Tadeusz Dabrowski gilt als eine der größten Hoffnungen der polnischen Lyrik." Marta Kijowska, Deutschlandfunk, 23.03.15