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Sexismus und Emanzipation - die Wurzeln der heutigen Diskussion liegen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Im deutschen Kaiserreich gewinnen die Frauen an Einfluss und werden allmählich zu einem wichtigen Teil des öffentlichen Lebens. Sie sind erstmals berufstätig, sind Ärztinnen und Künstlerinnen, arbeiten in Büros und Postämtern und setzen sich für das Wahlrecht ein. Frauenvereine bringen Themen wie Sexualität und Scheidung zur Sprache. Doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs findet die soziale Revolution ihr vorläufiges Ende. Barbara Beuys beschreibt lebendig und anhand vieler…mehr

Produktbeschreibung
Sexismus und Emanzipation - die Wurzeln der heutigen Diskussion liegen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Im deutschen Kaiserreich gewinnen die Frauen an Einfluss und werden allmählich zu einem wichtigen Teil des öffentlichen Lebens. Sie sind erstmals berufstätig, sind Ärztinnen und Künstlerinnen, arbeiten in Büros und Postämtern und setzen sich für das Wahlrecht ein. Frauenvereine bringen Themen wie Sexualität und Scheidung zur Sprache. Doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs findet die soziale Revolution ihr vorläufiges Ende. Barbara Beuys beschreibt lebendig und anhand vieler Lebensbilder den Ausbruch der Frauen aus dem alten Geschlechtermodell. Eine große Erzählung von der Gesellschaft vor hundert Jahren.
Autorenporträt
Barbara Beuys, geboren 1943, studierte Geschichte, Philosophie, Soziologie. Sie arbeitete als Redakteurin beim Stern und bei der ZEIT. Sie veröffentlichte über ein Dutzend Bücher u.a.: Familienleben in Deutschland, Vergeßt uns nicht. Menschen im Widerstand 1933-45; große Biographien über Annette von Droste-Hülshoff, Hildegard von Bingen, Paula Modersohn-Becker und Sophie Scholl. Barbara Beuys lebt in Köln. 2017 erhielt sie den Luise-Büchner-Preis für Publizistik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2014

Aufstand der Bürgerinnen

Die Ladenmädchen der zwanziger Jahre waren nicht die ersten, die ins Kino gingen: Barbara Beuys zeigt, dass es die "neue Frau" schon viel länger gibt.

Von Nina Verheyen

Die "ideale ,neue Frau'" ist "ein weiblicher Vollmensch". Das erklärte Clara Zetkin 1899 in einem Vortrag vor Heidelberger Studenten, und diesem Ideal strebte sie auch selber nach. Die ausgebildete Lehrerin hatte in den 1880ern Jahren mit dem russischen Emigranten Ossip Zetkin ohne Trauschein in Paris gelebt und trug seither Zetkins Namen. Nach dem frühem Tod ihres Partners zog Clara Zetkin die gemeinsamen Kinder alleine groß, ihren Lebensunterhalt finanzierte sie als Übersetzerin, Herausgeberin, Autorin und durch Vortragsreisen. Den Heidelberger Studenten trat sie dann als frisch Vermählte gegenüber, denn 1898, mit Anfang vierzig, heiratete sie schließlich doch. Der Bräutigam, ein Kunststudent, war fast zwanzig Jahre jünger als die sozialistische Frauenrechtlerin. Zetkin übernahm den Namen ihres neuen Mannes nicht.

Über Clara Zetkin ist viel geschrieben worden, und das gilt erst recht für die deutsche Frauenbewegung des neunzehnten Jahrhunderts, ihre Organisationsgeschichte, Programmatik und Trägerschaft - zermürbende Flügelkämpfe nach innen, scharfe Kritik von außen und das aus heutiger Sicht befremdliche Konzept der "geistigen Mütterlichkeit" inbegriffen. Kaum eine Phase der modernen, deutschen Geschlechtergeschichte scheint ähnlich gut erforscht wie diese, und dass sich ein weiteres populäres Sachbuch zu den politisch bewegten Frauen des Kaiserreichs lohnt, mag auf den ersten Blick überraschen. Zudem stützt sich die Monographie von Barbara Beuys über "Die neuen Frauen. Revolution im Kaiserreich 1900-1914" ausschließlich auf publizierte Quellen und wissenschaftliche Literatur; im Detail, so ließe sich leicht einwenden, ist also alles bekannt.

Indes: Die Lektüre lohnt sich unbedingt. Denn während andere Studien die politischen Aktionen und Schriften der Frauenbewegung ins Zentrum rücken, welche nicht nur disparat, sondern im Vergleich zu den britischen Suffragetten auch verhältnismäßig zahm ausfielen, legt Beuys den Fokus auf die Lebensverläufe von Personen, die in der Frauenbewegung aktiv waren oder in deren Umfeld agierten.

So geht es um rund dreißig Pionierinnen auf verschiedenen Gebieten, von denen viele heute kaum noch bekannt sind - zum Beispiel Hermine Heusler-Edenhuizen, die 1901 als erste Frau an der Universität Bonn das medizinische Staatsexamen ablegte, ab 1909 in der Berliner "Klinik der weiblichen Ärzte" arbeitete und sich von ihrem Mann per Ehekontrakt das Recht garantieren ließ, "ihren Beruf in vollstem Umfang nach eigenstem freien Ermessen auszuüben".

Das Leben dieser Personen ist in Einzelbiographien zwar jeweils gut untersucht, damit aber auch voneinander abgelöst worden. In der Collage der Lebensverläufe wird eindrucksvoll deutlich: Trotz aller sozialen und politischen Differenzen teilten die Frauen das Ziel eines selbstbestimmten Lebens, das sie beruflich und privat erfüllen sollte. Das schloss mal den offenen Kampf um ein Studium und mal einen heimlichen Geliebten ein. Von Zurückhaltung war jedenfalls wenig spüren.

Damit trägt Beuys zur Neubewertung der Geschichte "neuer Frauen" bei - und zu deren Rückdatierung. Denn das Label der "neuen Frau" wird in der deutschen Geschichte oft auf den Wandel von Geschlechterverhältnissen in den zwanziger Jahre bezogen. Es verweist vor allem auf die kleinen Ladenmädchen, die mit selbstverdientem Geld ihre Kinotickets lösten, wie Siegfried Kracauer beschrieben hat.

Beuys erinnert nicht nur daran, dass schon im Kaiserreich die Zahl der weiblichen Angestellten und Kinogängerinnen stieg - ebenso wie die Zahl der von Frauen eingereichten Scheidungen. Sondern sie betont: Bereits in der Jahrhundertwende lebten in Deutschland Frauen, die sich programmatisch als "neue Frauen" begriffen, weil sie ihre Handlungsspielräume systematisch über das ihnen zugestandene Maß erweitern wollten. Diese Frauen trugen keinen Bubikopf, sondern in der Regel hochgesteckte Haare, viele waren verheiratet und hatten Kinder: Sie waren Bürgerinnen des neunzehnten Jahrhunderts.

Ihre Zahl stieg in den Dekaden vor dem Ersten Weltkrieg dramatisch an. Der "Bund Deutscher Frauenvereine" zum Beispiel, 1894 als Dachverband gegründet, zählte 1900 immerhin 7000 Mitglieder, 1908 waren es rund 20 000. Ein Jahr später konstatierte August Bebel, man lebe "mitten in der sozialen Revolution", womit er die "Frauenbewegung" meinte, "die bürgerliche wie die proletarische".

Inwiefern Arbeiterinnen am Umbruch der Geschlechterverhältnisse beteiligt waren, lässt Beuys allerdings offen. Und ob weibliche Angestellte ähnlich programmatisch ihre Lebensentwürfe veränderten wie die Pionierinnen der Frauenbewegung, muss unbedingt bezweifelt werden. Dass das Buchcover eines der berühmten Fotos von Telefonistinnen in einem Fernsprechamt zeigt, ist jedenfalls irreführend. Zwischen den Buchdeckeln geht es vor allem um eine überschaubare Zahl von Bürgerinnen, deren sehr unterschiedliche Lebensgeschichten Beuys zu einer beeindruckenden "Erfolgsgeschichte" kompiliert, an die sie nun erinnern will.

Die Historikerin und erfolgreiche Sachbuchautorin geht dabei sehr deskriptiv vor und bemüht sich nicht um analytischen Tiefgang. Trotzdem ist die Lektüre dringend zu empfehlen. Denn die Darstellung ist ausgesprochen kenntnisreich, und Beuys präsentiert ihre Arbeit ohnehin weniger als nuancierte wissenschaftliche Studie denn als populäres, auch politisches Sachbuch, das ebenso unterhalten wie informieren soll.

Vor allem aber ist ihr Kernbefund überaus plausibel: Die Geschichte weiblicher Emanzipation im neunzehnten Jahrhundert ist tatsächlich allzu oft als Scheitern von bürgerlichen Damen beschrieben worden, die mit Arbeiterfrauen nicht konnten, in konventionellen Geschlechtervorstellungen halbherzig steckenblieben und ihre schließlich doch noch vereinten Kräfte dann ausgerechnet der kriegerischen Erhebung Deutschlands zur Verfügung stellten. Der Erste Weltkrieg war kein Motor weiblicher Emanzipation, das betont auch Beuys. Aber vorher war ein Leitbild "neuer Frauen" entstanden, das über diesen Krieg hinweg Schule machte - zum Glück.

Barbara Beuys: "Die neuen Frauen - Revolution im Kaiserreich 1900 - 1914".

Carl Hanser Verlag, München 2014. 384 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Julia Brummert findet es ein wenig erschreckend, mit wie vielen der Themen, die für die Frauenbewegung am Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts aktuell waren, sich Frauen heutzutage immer noch herumschlagen müssen. Es ist aber sicherlich nicht Barbara Beuys' Hauptverdienst, solche Parallelen herauszustellen, so die Rezensentin. In "Die neuen Frauen" entwirft die Autorin ein sehr komplexes Bild einer äußerst heterogenen Bewegung, deren Anhängerinnen es je nach gesellschaftlicher Verortung um sehr Unterschiedliches ging, erklärt Brummert. Auch hält Beuys sich nicht mit Kritik zurück, wenn es um die Zusammenarbeit des Bunds für Frauenvereine mit dem Bund für Rassenhygiene und den nationalistischen Bewegungen geht, lobt die Rezensentin. All diesen Fragen nähert sich Beuys über die Lebensgeschichten diverser Protagonistinnen der Bewegung jener Jahre, unter ihnen zum Beispiel Alice Salomon, Clara Zetkin, Clara Immerwahr und Henriette Fürth, so Brummert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2014

An der Schaltstelle zum Paradies
Barbara Beuys schildert den Kampf der Frauen um Gleichberechtigung mit Sympathie, aber auch Kritik.
Ihr Buch zeichnet nach, wie der gesellschaftliche Wandel vor dem Ersten Weltkrieg begann
VON STEPHAN SPEICHER
Im Februar/März 1912 findet in Berlin der Internationale Frauenkongress statt, zum zweiten Mal nach 1904. Kaiserin Auguste hat die Schirmherrschaft übernommen und nimmt an der Eröffnungsfeier teil; Tage später besuchte sie die gleichzeitig laufende Ausstellung „Die Frau in Haus und Beruf“ – gegen den ursprünglichen Widerstand aus dem Hofmarschallamt wird auch der zweite Teil, der zur berufstätigen Frau, besichtigt. Auch die Reichsleitung steht nicht abseits: Martha Bethmann Hollweg, die Gattin des Reichskanzlers, lädt achthundert Damen des Kongresses zu einem Abendessen ins Reichskanzlerpalais.
  Damit waren die Forderungen der Frauenbewegung selbstverständlich noch nicht erfüllt. Aber es war ein starkes protokollarisches Zeichen gesetzt: Hier artikulieren sich legitime Interessen, ihre Vorkämpferinnen gehören zur Elite der Gesellschaft. Als zwei Jahre später der Erste Weltkrieg ausbrach, standen die Frauenvereine in ihrer gewaltigen Mehrheit hinter der Regierung und unterstützten die Kriegsanstrengungen. In Großbritannien war das ganz ähnlich.
  Den gesellschaftlichen Aufstieg der Frauen und ihrer Forderungen hat die Historikerin Barbara Beuys für ein breiteres Publikum beschrieben: „Die neuen Frauen – Revolution im Kaiserreich. 1900 bis 1914“. Überraschend ist der freundliche Blick auf die Zeit. Beuys sieht sehr wohl, was bis 1914 noch zur Gleichberechtigung fehlte und was bis heute fehlt. Aber stärker akzentuiert sie die Fortschritte, die Leistungen der Frauen im Beruf wie im politischen Geschäft.
  Die zeitliche Einschränkung im Titel ist unverständlich, der Berichtszeitraum beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Haupttitel aber trifft das Buch und seine Methode sehr genau. Es gibt eine Geschichte der Emanzipation anhand von Lebensgängen engagierter Frauen. Das sind berühmte wie Clara Zetkin und Else Lasker-Schüler, halb berühmte wie Alice Salomon oder Lily Braun und auch solche, die nur den Fachleuten bekannt sein dürften. Diese Lebensgänge aber werden nicht von Anfang bis Ende erzählt, sondern immer wieder abbrechend. Denn über die biografische Darstellung legt sich eine chronologische Schichtung.
  Zu bestimmten Zeitpunkten wird, eingebettet in ein Bild der politisch-gesellschaftlichen Situation in Deutschland, berichtet, was die einzelnen Frauen nun tun und erleben. Diese Situationsbilder sind allerdings mit einem recht breiten Pinsel gemalt, und die Aufsplitterung der einzelnen Lebensgänge führt zu einigen Wiederholungen. Doch das ist ein kleinerer Einwand. Im Ganzen ist Beuys ein höchst interessanter Blick auf die Frauen des Kaiserreichs gelungen, auf dessen Integrationsqualitäten und die Zweideutigkeiten gesellschaftlichen Fortschritts.
  Im Mittelpunkt stehen die Frauen des Bürgertums, die Anspruch auf Bildung, Studium und anspruchsvolle Berufstätigkeit erheben. Über sie geben die Quellen nun einmal mehr Auskünfte als über das Leben von Näherinnen oder Verkäuferinnen. Aber in der Frage nach dem Zugang zur Universität zeigt sich auch, was die Gesellschaft respektive ihre Obrigkeit Frauen zutraut. Die ersten studierenden Frauen müssen im 19. Jahrhundert noch nach Zürich ausweichen, die Medizin ist ein häufig gewähltes Fach. Wer in Deutschland studieren will, kann es zunächst nur als Gasthörerin tun, das heißt, einzelne Professoren müssen um das Einverständnis gebeten werden, an seinen Veranstaltungen teilnehmen zu dürfen.
  Allmählich lockern sich die Regeln. Den Anfang macht Baden, das 1900 die Gleichstellung weiblicher Studenten durchsetzt. Im preußischen Bonn wird 1903 die erste Frau zum Dr. med. promoviert. In seiner Festansprache bezeichnet der Dekan dies als „Wendepunkt“, er glaubt, dass Frauen in den ärztlichen Beruf Neues einzubringen imstande seien, „das der Menschheit zum Segen gereichen werde“.
  So zu denken war nicht selbstverständlich. 1897 war ein Sammelband erschienen „Die akademische Frau. Gutachten hervorragender Universitätsprofessoren, Frauenlehrer und Schriftsteller über die Befähigung der Frauen zum wissenschaftlichen Studium und Beruf“. Das ist ein Buch, mit dem man höchst aufschlussreiche Stunden verbringen kann. Bemerkenswert, in welchen Disziplinen das Frauenstudium begrüßt oder abgelehnt wird. Besonders aufgeschlossen sind Mathematik und evangelische Theologie. Das schönste Argument trägt der Theologe Hermann von Soden vor: Wenn das, was für die erste Aufgabe der Frau (nämlich Kinder und Familie) angesehen werde, so schwach in der Natur begründet sei, dass es durch ein Studium gefährdet werden könne, dann sei es nur eine „doppelte Gewalttätigkeit“ gegen die Frau, wollte man sie auf jene Aufgabe beschränken.
  Einen besonders trüben Eindruck vermitteln hier die Vertreter der Medizinischen Fakultät, besonders bemerkenswert, weil sie sich viel auf ihr Erfahrungswissen die weibliche Natur betreffend zugutehalten. Schwach auch die Historiker. Von ihnen möchte man ja denken, dass sie imstande seien, die aktuelle Lage der Frau als eine gewordene und also veränderliche anzusehen. Dafür reicht es aber nur bei einem von vieren.
  Doch die Selbstbefreiung der Frauen ist nicht aufzuhalten. Selbst im katholischen Milieu mehren sich die Stimmen zugunsten der Emanzipation. Das Familienrecht des 1900 in Kraft getretenen BGB ist dagegen den Frauen wenig günstig, hier hätte die Autorin etwas ausführlicher werden können, vor allem im Vergleich der Rechtstraditionen. Das große Thema Familie und Beruf ist schon vor hundert und mehr Jahren eines, hier sind sich auch die Frauen, die sich für die Rechte ihres Geschlechts engagieren, nicht einig.
  Ein anderer Streitpunkt ist die „sexuelle Frage“. Der Ratgeber „Die Frau als Hausärztin“ von Anna Fischer-Dückelmann, 1901 erschienen, zehn Jahre später schon in 900 000 Exemplaren verbreitet, spricht sich für eine freiere Sexualität aus. Und das tut eine Reihe der emanzipierten Frauen. Clara Zetkin dagegen vom linken Flügel der Sozialdemokratie (später KPD) hört so etwas nicht gern. Sie hält dergleichen für „ethische Schwarmgeisterei“. Überhaupt ist das Verhältnis von bürgerlicher und proletarischer Frauenpolitik spannungsreich. Es gibt Solidarisierungs- wie Abgrenzungsversuche, dabei denken große Teile der Arbeiterschaft, Frauen wie Männer, in Familienfragen nicht anders als die Bürger.
  Es gehört zu den Vorzügen des Buches von Barbara Beuys, die Frauen in ihrem Kampf um Gleichberechtigung mit Sympathie, aber nicht ohne Kritik darzustellen. Der deutsche Drang zum Platz an der Sonne, Flottenbau, Kulturstolz, dazu neigten Frauen und eben auch emanzipierten Frauen nicht weniger als Männer. Und, noch interessanter: Auch die Rassenhygiene – das, was anderswo Eugenik heißt, Hochzüchtung einer angeblich gesünderen, stärkeren, leistungsfähigeren, glücklicheren Rasse – begeistert viele der neuen Frauen. Agnes Bluhm plädiert dafür, dass die emanzipierte Frau, die sich durch ihren Kampf als dem Durchschnitt überlegen erwiesen hat, ihre guten Erbanlagen an möglichst viele Kinder weitergibt. Und wenn Karen Horney, die leidenschaftlich für eine befreite Sexualität wirbt, vom Mann „Stolz und Kraft“ erwartet und dass er einem „Raubtier“ gleiche, so fragt man sich, ob das nicht mehr ist als eine persönliche erotische Obsession.
  Barbara Beuys meint, dass Frauen für das eugenische Denken, die „Fortpflanzungshygiene“ so empfänglich waren, weil sie sich damit an der „Schaltstelle zum Paradies“ sahen. Ein Zweites dürfte hinzukommen: Unterdrückte neigen dazu, ihre Befreiung mit der Freiheit aller gleichzusetzen. Die Sache der Frau ist aber gerecht, weil sie das Recht der Frauen vertritt, nicht weil damit jede Träne getrocknet würde. Um noch einmal aus dem Buch über „die akademische Frau“ zu zitieren, diesmal den Schriftsteller Ernst von Wildenbruch: „Es ist die Pflicht jedes denkenden Menschen, an der Befreiung der Frau mitzuarbeiten. Heldengeschlechter gehen nur aus ebenbürtigen Ehen hervor!“
Barbara Beuys: Die neuen Frauen – Revolution im Kaiserreich. Carl Hanser Verlag, München 2014. 384 Seiten, 24,90 Euro, E-Book 18,99 Euro.
Die Universitäten spielten
hier eine unrühmliche Rolle
Emanzipation wurde mitunter
sogar völkisch begründet
1921 produziert der Stummfilm-Star Asta Nielsen
eine Verfilmung von Shakespeares „Hamlet“ und spielt selbst die Titelrolle.
Foto: Deutsches Filmmuseum Frankfurt
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"Ganz nebenbei räumt Beuys in ihrem unterhaltsam und spannend geschriebenen Buch auch mit einem Vorurteil auf, das besagt, der Erste Weltkrieg hätte die Emanzipation angeschoben, weil er mehr Frauen in Männerberufe gebracht habe." Edelgard Abenstein, Deutschlandradio, 10.04.14

"Barbara Beuys entfaltet ein fulminantes Panorama der ersten deutschen Frauenbewegung... Nicht nur Historiker sollten dieses lesenswerte Buch deswegen unbedingt als Standardwerk schätzen." Ulrike Westhoff, Deuschlandfunk, 03.03.14

"Ein absolut lesenswertes Werk." Heike Krause-Leipoldt, Lesart, Januar 2014

"Beuys liefert dem Leser fundierte historische Hintergrundinformationen und lässt ihn tief in die Lebenswelt der Frauen eintauchen." Britta Heitmann, Preußische Allgemeine Zeitung, 14.06.14