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Deutschland im Herbst 1969: Mit Willy Brandt stellt die SPD zum ersten Mal den Kanzler der Bundesrepublik. Ein hochrangiger Mitarbeiter beim BND kündigt seine Stelle, weil er der neuen Regierung nicht mehr vertraut. Finanziert von CDU und CSU sowie großzügigen Gönnern aus der Wirtschaft gründet er einen eigenen Nachrichtendienst. Bis in die 1980er Jahre nutzt die Union seine Dienste, um sich aus dem Ausland geheime, brisante Informationen zu beschaffen. Stefanie Waske, Expertin für die Geschichte der Geheimdienste, enthüllt einen politischen Skandal, der manche Protagonisten der bundesdeutschen Geschichte in einem neuen Licht erscheinen lässt.…mehr

Produktbeschreibung
Deutschland im Herbst 1969: Mit Willy Brandt stellt die SPD zum ersten Mal den Kanzler der Bundesrepublik. Ein hochrangiger Mitarbeiter beim BND kündigt seine Stelle, weil er der neuen Regierung nicht mehr vertraut. Finanziert von CDU und CSU sowie großzügigen Gönnern aus der Wirtschaft gründet er einen eigenen Nachrichtendienst. Bis in die 1980er Jahre nutzt die Union seine Dienste, um sich aus dem Ausland geheime, brisante Informationen zu beschaffen. Stefanie Waske, Expertin für die Geschichte der Geheimdienste, enthüllt einen politischen Skandal, der manche Protagonisten der bundesdeutschen Geschichte in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Autorenporträt
Stefanie Waske, Jahrgang 1978, studierte in Marburg und Göttingen Politikwissenschaften und Philosophie und promovierte mit einer Arbeit zur Geschichte des BND. Heute arbeitet sie in Braunschweig als freie Journalistin, u.a. für Die Zeit.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rainer Blasius kann kein Interesse aufbringen für den geheimen Nachrichtendienst, dessen sich die CDU und CSU nach dem Machtverlust 1969 bedienten. Er tut die Informationen, die Stefanie Waske in ihrem Buch versammelt, als "olle Kamellen" ab, da ja schon Spiegel und Konkret Anfang der achtziger Jahre über dieses Geheimdienstnetz der CSU berichtet hätten. Seiner unsachlichen Besprechung lässt sich immerhin entnehmen, dass hier alte Seilschaften des BND, der bayrischen Staatskanzlei und CDU-geführte Landesregierungen zusammengetan haben, um Munition gegen Willy Brandts Ostpolitik zu sammeln: Federführend war dabei Hans Christoph von Stauffenberg (ein entfernter Cousin), der CSU Politiker Karl Theodor von und zu Guttenberg (der Großvater) und der CDU-Abgeordnete Werner Marx (keine Verwandschaft).

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2013

Treuer Spion für die Union?
Der Stauffenberg-Dienst

Auf dem Schutzumschlag wird der 91 Jahre alte Egon Bahr zitiert: "Der größte Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik!" Wer das Buch gelesen hat, dem wird eher der Dramenmeister aus Stratford einfallen: "Viel Lärm um nichts", allenfalls um wenig. Denn Stefanie Waske bietet - spannend geschrieben - meist olle Kamellen aus jener Zeit, als die Union 1969 die Macht verlor und für 13 Jahre auch auf den Informationsdienst von Hans-Christoph von Stauffenberg angewiesen war, eines Vetters zweiten Grades des Hitler-Attentäters. Der 1911 geborene Jurist gehörte von 1957 bis 1970 dem Bundesnachrichtendienst und anschließend offiziell bis 1976 der Protokollabteilung der Bayerischen Staatsregierung an. Doch hauptsächlich sammelte er bis 1982 Ab- und Hintergründiges zur "Bekämpfung" der Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel und während der Regierung Schmidt/Genscher zum "Abwehrkampf" gegen den Ostblock.

Dabei bediente sich Stauffenberg seiner alten BND-Seilschaften - was Pensionäre wie Wolfgang Langkau ebenso einschloss wie den Behördenwechsler Hans Langemann, den obersten Staatsschützer Bayerns. Der wollte eigene Berufserfahrungen zu einem nachrichtendienstlichen Schlüsselroman verarbeiten. Eine Mini-Serie in der Zeitschrift "konkret" brachte ihn 1982 vorübergehend in Untersuchungshaft und vor einen Untersuchungsausschuss des Landtages. Damals geriet auch Stauffenberg in das Visier der Medien. Der "Spiegel" sah in ihm "eine der Schlüsselfiguren im Geheimdienstnetz der CSU". Als Reaktion darauf "versiegelt später die Konrad-Adenauer-Stiftung die von Stauffenberg an sie abgegebenen Unterlagen", die erst 2012 auf Antrag von Frau Waske freigegeben worden sind.

Als Schutzpatrone des Informationsdienstes fungierten der 1972 verstorbene CSU-Politiker Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg und der CDU-Bundestagsabgeordnete Werner Marx. Der Verteiler für die Berichte des Stauffenberg-Dienstes soll ziemlich exklusiv gewesen sein: führende Mandatsträger der Union, der frühere BND-Präsident Reinhard Gehlen und der einstige Kanzleramtschef Hans Globke, die Journalisten Otto B. Roegele ("Rheinischer Merkur"), Gerhard Löwenthal (ZDF) und Karl-Heinz Hangen ("Die Welt"). Über BND-Pensionär Langkau liefen Verbindungen in das Geheimdienstmilieu der Vereinigten Staaten, und bei der Beschaffung von Geld war Stauffenbergs langjähriger Freund Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein behilflich: "1970 ist er noch nicht Schatzmeister der hessischen CDU, was ihn durch die Spendenaffäre seiner Partei drei Jahrzehnte später bundesweit bekannt machen wird." Hauptinformant für Internationales mit Decknamen Petrus soll der in Kairo geborene Journalist mit jüdisch-syrischen Wurzeln Simon Malley gewesen sein.

Immerhin konnte der Stauffenberg-Dienst Anfang August 1970 über den Vertrag zwischen Bonn und Moskau und die Beziehungen zwischen Bonn und Warschau ein vertrauliches Zitat des polnischen Parteichefs Gomulka liefern, der sich von Brandts Erfolgen überzeugt zeigte: "Die CDU/CSU ist erledigt, sie hat eigentlich nur noch die Möglichkeit, den heutigen Regierungschef durch einen Mordanschlag zu beseitigen." Hierzu meint die Autorin: "Ob sich Gomulka tatsächlich zu so seiner harschen Äußerung hinreißen ließ, ist nicht nachprüfbar." Das gilt auch für Meldungen über Abgeordneten-"Frontenwechsel von der Regierung zur Opposition", den Terror bei den Olympischen Spielen 1972, die Kontakte der RAF in den Nahen Osten et cetera.

Dass der CDU-Politiker Marx 1973 misstrauisch gegenüber dem Ostblock blieb, führt die Autorin nicht zuletzt auf Ausarbeitungen des Stauffenberg-Dienstes zurück. Die Marx-Sekretärin Inge Goliath hatte sich da schon vom MfS anheuern lassen. Sie setzte sich 1979 nach Ost-Berlin ab und begründete dort am 17. Mai auf einer Pressekonferenz ihre Bitte um "politisches Asyl" in der DDR: Sie habe entdeckt, dass eine Seilschaft aus CSU, CDU, konservativen Diplomaten und Geheimdienstlern in der Bonner Republik versuche, die sozial-liberale Entspannungspolitik zu Fall zu bringen, mit dem Ziele einer Kanzlerschaft von Franz Josef Strauß. Zwischen Juli und Oktober 1979 legte das MfS nach und produzierte Interview-Broschüren mit Frau Goliath, die in tausend Exemplaren an Politiker, Gewerkschaftsführer und "Meinungsmacher" in der Bundesrepublik verschickt wurden. In einer Broschüre antwortete Frau Goliath auf die Frage, ob die CSU einen eigenen Geheimdienst habe: "Ich weiß nicht, ob man es wirklich Geheimdienst nennen kann, aber er ist mal als Keimzelle eines CDU-Geheimdienstes gegründet worden und läuft heute unter der Bezeichnung Vertraulicher Informationsdienst. Eigentlich hat dieser Dienst keine richtige Bezeichnung." Frau Waske ist entzückt: "Gemeint ist natürlich Stauffenbergs Dienst." Ist doch toll, oder?

RAINER BLASIUS

Stefanie Waske: Nach Lektüre vernichten! Der geheime Nachrichtendienst von CDU und CSU im Kalten Krieg. Carl Hanser Verlag, München 2013. 303 S., 19,90 [Euro].

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