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Nach dem Mord an einem Landsmann wird eine Gruppe rumänischer Intellektueller in den USA von der Vergangenheit eingeholt. Unter Ceausescu lernten sie sich kennen, bei konspirativen Treffen in Bukarest. Dann gingen sie ins Exil nach New York: Der hochgelehrte Augustin Gora, der als erster aus Rumänien flüchtete. Seine Frau Lu, die erst später mit ihrem Geliebten Peter Gaspar nachkam. Und der Gelehrte Mihnea Palade, der plötzlich ermordet aufgefunden wird. Als auch Gaspar eine Morddrohung erhält, müssen die einst Gleichgesinnten feststellen, dass in der Emigration jeder für sich selbst kämpft.…mehr

Produktbeschreibung
Nach dem Mord an einem Landsmann wird eine Gruppe rumänischer Intellektueller in den USA von der Vergangenheit eingeholt. Unter Ceausescu lernten sie sich kennen, bei konspirativen Treffen in Bukarest. Dann gingen sie ins Exil nach New York: Der hochgelehrte Augustin Gora, der als erster aus Rumänien flüchtete. Seine Frau Lu, die erst später mit ihrem Geliebten Peter Gaspar nachkam. Und der Gelehrte Mihnea Palade, der plötzlich ermordet aufgefunden wird. Als auch Gaspar eine Morddrohung erhält, müssen die einst Gleichgesinnten feststellen, dass in der Emigration jeder für sich selbst kämpft. Ein furioser Roman, in dem Wirklichkeit und Phantasie, reale Bedrohung und Wahn ununterscheidbar werden.
Autorenporträt
Norman Manea, 1936 in der Bukowina geboren, wurde 1941 mit seiner Familie in ein Konzentrationslager in der Ukraine deportiert. Er überlebte die Gefangenschaft und war seit 1974 als freier Schriftsteller in Bukarest tätig. Seit 1986 lebt er in New York und lehrt dort als Professor für Europäische Kulturstudien am Bard College. Bei Hanser erschienen Der schwarze Briefumschlag (Roman, 1995), Über Clowns (Essays, 1998), Die Rückkehr des Hooligan (Ein Selbstporträt, 2004), Oktober, acht Uhr (Erzählungen, 2007), Die Höhle (Roman, 2012), Wir sind alle im Exil (Essays, 2015) und Der Schatten im Exil (Roman, 2023). 2011 wurde Manea mit dem Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund ausgezeichnet, 2016 mit dem renommierten FIL-Preis.

Georg Aescht wurde 1953 in Zeiden/Siebenbürgen geboren, studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Klausenburg/Cluj. Nach seiner Tätigkeit als Lehrer an einem deutschsprachigen Gymnasium, wanderte er 1984 nach West-Deutschland aus. Seit 1991 arbeitet er als Redakteur bei der Bonner Stiftung Ostdeutscher Kulturrat. Neben seiner feuilletonistisch-publizistischen Tätigkeit hat er Bücher von Banciu, Norman Manea, Naum, Papilian und Mihail Sebastian aus dem Rumänischen bzw. Französischen übersetzt und war als Herausgeber tätig. Für seine Übersetzung von Liviu Rebreanus Roman Der Wald der Gehenkten stand er 2018 auf der Shortlist für den Leipziger Buchpreis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Norman Manea hat mit seinem Roman "Die Höhle" etwas versucht, was ihm nicht gut zu Gesicht steht, findet Karl-Markus Gauss. Eigentlich soll das Buch ein "listiges und luftiges Verwirrspiel" sein, das sich um zwei in die USA emigrierte rumänische Intellektuelle entwickelt, erklärt der Rezensent. Angestoßen wird das Spiel durch eine Morddrohung, die einer von ihnen erhält und hinter der sie rumänische Exilanten aus dem Umfeld der Eisernen Garden vermuten. Das Buch ist durchsetzt von Täuschungen, Spielereien mit der Erzählperspektive und bemüht witzigen Bonmots, fügt Gauss hinzu. Für den Rezensenten ist klar: Leichtigkeit ist Maneas Sache nicht. Gauss sieht ihn eher als todernsten Autor, der es gewöhnlich schafft, seiner etwas "verquälten Prosa" durch Ernst, Aufrichtigkeit und akribische Recherche eine Dringlichkeit zu verleihen, die sie dann über so manches vielleicht kunstfertiger geschriebenes Buch erhebt. Dem Rezensenten ist der ernstere Manea lieber.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2012

Die babylonische Lotterie
Zwischen Traumspiel und Paranoia: Der Roman „Die Höhle“ des rumänischen Schriftstellers Norman Manea ergründet
den Aberwitz des Exils in einem Spiegelkabinett der literarischen Anspielungen und Fiktionen
VON INA HARTWIG
The next time I kill you“, steht in dem Brief, den Peter Gaspar, ein osteuropäischer Exilant und Professor eines amerikanischen Colleges in den Wäldern nördlich von New York, eines Tages in Händen hält. Der Absender ist unbekannt und der Empfänger entsprechend beunruhigt: Kurz zuvor war ein anderer Exilant aus seinem Heimatland mitten im freien Amerika kaltblütig umgebracht worden, ein gewisser Mihnea Palade, Schüler des weltweit verehrten Cosmin Dima. Palade war auf Quellen gestoßen, die bewiesen, dass jener Dima nicht nur ein großer Gelehrter und Erforscher des Heiligen und des Profanen war, sondern in seiner Jugend mit faschistischen Ideen mehr als nur sympathisiert hatte. Seine Abkehr vom großen Dima kostete ihn das Leben. Und nun soll Peter Gaspar, der ebenfalls einen kritischen Artikel über Dima veröffentlich hat, das nächste Opfer sein?
  Dieser thrillertaugliche „Plot“ stellt das autobiographisch fundierte Gerüst des Romans „Die Höhle“ von Norman Manea dar. Hinter Cosmin Dima verbirgt sich niemand anderes als der legendäre rumänische Religionswissenschaftler Mircea Eliade (1907 bis 1986) und hinter Palade wiederum der im Jahr 1991 an der Universität von Chicago erschossene Petru Culianu; der Mord ist nie aufgeklärt worden. Norman Manea, der seit 1986 im amerikanischen Exil lebt und seinerseits einen aufsehenerregenden Essay über Eliades verschwiegene Vorgeschichte geschrieben hat, wurde damals vom FBI gewarnt, er solle sich vor anderen Exil-Rumänen in Acht nehmen. Tatsächlich vermutet Manea, der Auftrag für die Ermordung Culianus sei aus den Kreisen alter, frustrierter Gardisten gekommen, mystisch angehauchter, antisemitischer Nationalisten, die – wie ihr Held Eliade – die Demokratie für einen Ausbund an Dekadenz, Korruption und Verkommenheit halten.
  Es kann nicht schaden, diese Wirklichkeitsebene zu kennen, wenn man sich in Maneas jüngsten, im besten Sinne komplizierten Roman über den Aberwitz des Exils versenkt. Aber zwingend ist die Kenntnis nicht. Zumal der Autor alles tut, um uns mit ästhetischen Kniffen den Kopf zu verdrehen, durchaus mit dem Unterton der Verführung durch permanent explodierenden Esprit. Spiel, Gelächter, Witz, aber auch Bitterkeit: Die Erzählhaltung wechselt so schnell, wie die Identitäten zu wandern scheinen.
  Klar könnte man behaupten, Peter Gaspar sei ein aus Osteuropa geflohener jüdischer Intellektueller, dessen Vater Auschwitz überlebt hat und der mit seiner Cousine und Geliebten Lu eines Tages an der Ostküste Amerikas anlandet. Zugleich aber trägt Peter Gaspar den Spitznamen „Mynheer Pieter Peeperkorn“, anspielend auf eine Erzählung, die er im „byzantinischen Sozialismus“ veröffentlicht und die ihm einen gewissen Ruhm eingetragen hatte, anspielend natürlich aber auch auf den vitalen Holländer aus Thomas Manns „Zauberberg“, der die russische Beauty Clawdia Chauchat im Schlepptau hat – so wie jetzt Peter „Mynheer“ Gaspar die sagenhafte Lu mitbringt, nicht auf den Berg, dafür in die „Mondstadt“ New York. Und damit nicht genug. Eine köstliche Szene ergibt sich daraus, dass Peter Gaspar, kurzzeitig als Chauffeur für einen osteuropäischen Mafioso jobbend, sich seinem Fahrgast als „Karl Rossmann“ vorstellt. Der Fahrgast, ebenfalls Osteuropäer und Direktor einer Privatuni, ist begeistert und stellt den kafkaesken Plauderer als Professor ein.
  Und schon ist der Schritt ins juste milieu der Neuen Welt geschafft; aber wer glaubt, es würde den habsburgisch geschulten Surrealisten Peter Gaspar in Jubel ausbrechen lassen, liegt falsch: Die „große Demokratie voller Tabus“ setzt dem frisch gebackenen amerikanischen Prof genauso zu wie der Diätwahn der Puritaner. Er selbst ist „verfressen“ und in den Augen seines Arztes „ein Elefant“. Mit dem ihm eigenen Sarkasmus stellt er fest: „Vollkommen ist nur die Diktatur.“ Ein Verschollener, durchaus.
  Die titelgebende „Höhle“ muss man sich als allegorischen Ort des Exils vorstellen und als Pendant zur spitzeldurchsetzten „Mansarde“ der Diktatur: Eine Bücherhöhle, eine Höhle der Einsamkeit („Einsamkeit ist verdächtig in Amerika“), ein Spiegelkabinett der literarischen Anspielungen und Fiktionen. A propos Fiktionen beziehungsweise „Ficciones“, wie ein Buchtitel des großen Blinden aus Argentinien lautet, den sie heimlich gelesen haben damals in der Mansarde in Bukarest, die schöne Lu und Augustin Gora, der Gegenspieler Peter Gaspars, der als erster einen Pass bekommt und nach Amerika auswandert, und wer einen Pass bekommt, ist immer verdächtig. „Die Intelligenz ließ sich ausmachen“, heißt es im Zusammenhang der Mansarden-Bohème, „nicht aber der Charakter.“
  Der Roman lebt von Bonmots, süffig gerafften Zusammenfassungen, vor allem von ausladenden Dialogen, ganz so, als solle das Sprechen – im Zeitalter der stillen, ubiquitär-digitalen Kommunikation – noch einmal zu seinem feierlichen Recht kommen, eine Reverenz wohl auch an die unbekümmerte Prallheit des Romans der Moderne. Gelegentlich mischt sich ein „treuloser Erzähler“ ins Geschehen, ein „Ich“, das mal in die Rolle Peters schlüpft, mal in die des Augustin Gora; es ergibt sich eine schwindelerregende Doppelidentität. Zwei melancholische, heimatlose Gelehrte, ernüchtert vom „sozialistischen Paradies“, zynisch gegenüber der Neuen Welt, die sich in heillos geistreichen Gesprächen verzehren. Beide sind der mysteriösen, magischen Lu verfallen, die sich beiden entzieht, was Eifersucht natürlich nicht ausschließt.
  Gora kommt schließlich die Rolle zu, Peter Gaspar am Telefon das Zitat aus dem eingangs erwähnten Drohbrief zu entschlüsseln: „The next time I kill you“ ist der Anfang eines Satzes aus einer Erzählung von Jorge Luis Borges; die Fortsetzung lautet: „I promise you the labyrinth made of a single straight line which is invisible and everlasting.“
  Und siehe da, auch Dima, „der alte Alchimist“ und Theoretiker des Labyrinths, auch er verehrte Borges! Zwischen Traumspiel und Paranoia treibt Norman Manea ein phantastisches Spiel mit jenen Fiktionen, die das Denken vergiften. Das Denken und das Fühlen der Exilanten, denen in der balkanischen Diktatur ein Extra- Organ zur Erfassung des Absurden gewachsen zu sein scheint – und nun, in Amerika, bildet sich dieses Organ nicht wieder zurück.
  Zu den heiteren Seiten der „Höhle“ (die eben keine Hölle ist) gehört das Ausreizen jener Absurdität, mit der jegliche Bedrohung quasi als Pirouette einer sadistischen Arglosigkeit – falls es das gibt – entsorgt wird. Es stellt sich nämlich heraus, dass der anonyme Drohbrief mit dem Borges-Zitat von einer bezaubernden Bosnierin, Studentin an Peters College, verfasst wurde – und nicht nur ihm hat sie den Brief geschickt, sondern vielen anderen Intellektuellen auch; als Teil ihrer Kunstinstallation mit dem schönen Titel „Babylon Lottery“. Deste Onal heißt die durchtriebene Lady, eine herrliche, lebenssatte Nebenfigur. Sie entschuldigt sich formvollendet auf Briefpapier, das weiß ist „wie die Seele der Jungfrauen“: „Es war nicht meine Absicht, irgendjemanden zu bedrohen oder zu ängstigen. Bitte entschuldigen Sie jedwede durch mich entstandene Unannehmlichkeit.“
  Ohnehin wird die eigentliche babylonische Lotterie von der Realität erledigt durch den Anschlag auf das World Trade Center, den Norman Manea – durchtrieben auch er – genüsslich einpasst in die Mythologie: „Das Monster war in den Babylonischen Turm gerast. (…) Der Vogel September trägt die Botschaft der Liebe, die sich in Hass verkehrte. Von Liebe und Hass verklärt, überbringen uns die von Frömmigkeit geblendeten Piloten den Schrecken.“
  So schließt sich der Kreis. Hat nicht schon der gefährlich imposante Mystiker Dima, wie die Piloten Allahs, die Desakralisierung der modernen, demokratischen Welt beklagt? Jawohl: das Heilige, ein Pulverfass. Und hierin steckt, bei allem virtuosen Surrealismus, der teuflisch ernste Kern dieses großartigen Romans.
  
Norman Manea: Die Höhle. Roman. Aus dem Rumänischen von Georg Aescht. Carl Hanser Verlag, München 2012. 366 Seiten, 24,90 Euro.
Zwei melancholische,
heimatlose Gelehrte, ernüchtert
vom „sozialistischen Paradies“. . .
. . . und zynisch gegenüber der
Neuen Welt, verzehren sich
in heillos geistreichen Gesprächen
Norman Manea treibt ein phantastisches Spiel mit jenen Fiktionen, die das Denken der Exilanten vergiften.
FOTO: KATJA HOFFMANN/LAIF
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"Campus-Roman, Thriller-Parodie, Exil-Komödie, ein Roman über Einsamkeit, Liebe und Alter - 'Die Höhle' bietet eine Quintessenz und schafft den Durchbruch von der Melancholie zum Lob der Fremde: Das Exil sei nicht nur Verlust, sondern bringe auch neue Erfahrungen, neue Freundschaften." Wolfgang Schneider, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.07.16

"Was für Ansichten und in welcher Sprache werden sie vorgetragen!" Hannes Stein, Die Welt, 02.02.13

"Es handelt sich um einen sinnlichen Thesenroman über die rumänische Geschichte [...] Goerg Aescht [...] hat auch diesmal Maneas spezifische Ironie und seinen funkelnden Wortwitz in eine wunderbares Deutsch gebracht." Katrin Hillgruber, Diwan Büchermagazin BR2, 08.09.2012