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Eine brillante Reportage über New Orleans Rap - erzählt von einer Ikone der Rock-'n'-Roll-Kritik. Nik Cohn, Erfinder eines ganz neuen journalistischen Stils, berichtet vom Leben und Sterben schwarzer Rapper in"Crescent City". Er begibt sich auf Talentsuche in den ärmsten, schwärzesten Vierteln jener Stadt, die er in ihrer Schönheit und ihrer Verkommenheit noch mehr liebt als die Musik. Cohns neues Buch ist das literarische Dokument einer auch in den USA wenig bekannten Hip-Hop-Szene und zugleich ein Abgesang auf eine einzigartige Musikmetropole, die nach dem Hurrikan Katrina so nicht mehr existiert.…mehr

Produktbeschreibung
Eine brillante Reportage über New Orleans Rap - erzählt von einer Ikone der Rock-'n'-Roll-Kritik. Nik Cohn, Erfinder eines ganz neuen journalistischen Stils, berichtet vom Leben und Sterben schwarzer Rapper in"Crescent City". Er begibt sich auf Talentsuche in den ärmsten, schwärzesten Vierteln jener Stadt, die er in ihrer Schönheit und ihrer Verkommenheit noch mehr liebt als die Musik. Cohns neues Buch ist das literarische Dokument einer auch in den USA wenig bekannten Hip-Hop-Szene und zugleich ein Abgesang auf eine einzigartige Musikmetropole, die nach dem Hurrikan Katrina so nicht mehr existiert.
Autorenporträt
Nik Cohn, geb. 1946 in London geboren, wuchs in Irland auf und lebt in den USA. Nach einer Reportage Cohns wurde der Film 'Saturday Night Fever' gedreht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.11.2008

Der Mensch ist schwach
Das beste Buch, das je über Gangster-Rap geschrieben wurde: Nik Cohns „Triksta”
Man ahnt die Tragödie schon beim Einstieg. Da zieht der von einer schweren Hepatitis C-Erkrankung gebeutelte 55-jährige Ich-Erzähler nach New Orleans, um hier Straßen-Rap zu produzieren, sich noch einmal ungeachtet aller Alters- und Milieu-Unterschiede in das vermeintlich pralle Leben der afroamerikanischen Unterschicht zu stürzen. Und plötzlich holen ihn seine finstersten Ängste ein: Ein kleiner schwarzer Junge spuckt ihm im Vorbeigehen auf die Lederjacke, und der verärgerte alte Mann lässt sich dazu hinreißen, den Flegel zu verfolgen – bis tief in das Ghetto der Iberville Projects hin-ein, wo ihm plötzlich ein Pulk bedrohlich blickender Jugendlicher den Weg versperrt. Sehr viel mehr passiert äußerlich gar nicht. Innerlich aber setzt das Ereignis eine mal zermürbende, mal erhellende Selbsterforschung in Gang: „Ich war überrascht, dass ich mir nicht in die Hose gepisst oder geschissen hatte. . . Und die größte Schmach dabei war, dass meine tiefste Befürchtung nicht gewesen war, ausgeraubt oder gar erschossen zu werden. Ich hatte mich vor dem Schwarzsein an sich geängstigt.”
Das verlorene Paradies
Nik Cohn, der mit „Awopbopaloobop Alopbamboom” bereits 1968 ein Glanzlicht der Popliteratur schuf und später die Vorlage für den Discofilm „Saturday Night Fever” lieferte, spielt in „Triksta” selbst die Hauptfigur. „Leben, Tod und Rap in New Orleans” heißt die Unterzeile – drei Dimensionen, die der Autor am eigenen Leib erfährt und beschreibt. Dabei wirkt seine Prämisse, als Hiphop-Produzent namens „Triksta” gleichzeitig das Rohmaterial für sein Buch zu sammeln, erst einmal befremdlich: Droht der Erzähler da nicht einer gewissen Eitelkeit zu erliegen? Wird er sich nicht von vorneherein selbst inszenieren? Doch dann ist es gerade die ständige Selbstkritik des Autors, sein offener und völlig unromantischer Umgang mit den eigenen Projektionen, die „Triksta” zum besten Buch machen, das jemals über Gangster-Rap geschrieben wurde. Selbst wer glaubt, diese Musik partout ignorieren zu dürfen, wird bestens unterhalten: Cohn vermag der schwarzen Ghetto-Kultur in seinen Figuren ein zutiefst menschliches Antlitz zu geben, und gleichzeitig die Komik der disparaten – und brillant übersetzten – Sprach- und Bewusstseinsebenen auszukosten. Dabei bleibt er der Fremde, der mit sehnsüchtigem Blick durch das gefallene Paradies streift. Der die ganze Hässlichkeit und Schönheit dieser von Armut und sinnlosen Morden ramponierten Stadt erfasst. Und in ihren lebenshungrigen Raps einen Spiegel findet: Ein Brennglas für das Aufbäumen seiner eigenen Lebenskräfte im Anblick des drohenden Todes.
„Triksta” beschreibt sehr sensibel eine ungleiche Beziehung: Auf der einen Seite der intellektuelle Träumer Cohn, der sich dazu bekennt, seine Phantasien inner- und außerhalb des Tonstudios auszuleben. Auf der anderen seine mehr oder minder verzweifelt rappenden, und um jeden Dollar aus dem Rap-Game kämpfenden Klienten. Friseure, Dachdeckermeister oder Schullehrer, die in dem weißen Journalisten mit Plattenfirmen-Verbindungen nach New York ihre Chance wittern. Die seinen Ratschlägen mit Pokerface zuhören. Und dann doch – zur tiefen Frustration Cohns – nur machen, was sie wollen. Oder monatelang abtauchen und seine Projekte platzen lassen. Schließlich zwingen sie den Autor, sich den tieferen Zusammenhängen zu stellen. Hiphop nicht nur als Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit zu begreifen – sondern dazu auch als Spiegel einer tragischen Weltsicht: Lieber stolz in den Tod als ohne Würde leben. Dank Cohns tiefer Empathie mit seinen Gegenübern begreift man ein wenig, warum so viele Ghetto-Jugendliche eher einem Gangster-Ethos folgen als dem Ruf der Vernunft und einem Fünf-Dollar-Job: „Tische abwischen, Touristenabfälle aufsammeln, die Kotze und Pisse von Verbindungsstudenten von der Bourbon Street spritzen – was für ein Mann war man da?”
Das Leben als Krieger dagegen verspricht Kraft und Loyalität, Rache und Sex. Cohn lässt sich selbst nur allzu gern von diesen archaischen Impulsen kitzeln. Beschreibt das „Geflirr fliegender Ärsche” auf einer Rap-Party, die elektrischen Zuckungen der auf allen Vieren vor den DJ-Boxen sich entblößenden Tänzerinnen. Beschreibt die eigene Faszination mit den phantastisch aufgeladenen Mythenhubereien des Gangsta-Rap, dem Sensationshunger der von Sex und Mord geschwängerten Texte, je drastischer, desto besser. Bewundert die Chuzpe derjenigen, die der Welt, die sie konstant zu erniedrigen versucht, trotzig die eigene Outlaw-Legende entgegenbrüllen.
„Das Leben hat doch mehr zu bieten als diese Rap-Scheiße”, sagt da ein junger Bursche mit Goldzähnen und breitem Hiphop-Gang, der seinen wummernden Jeep überraschenderweise um Mitternacht an der Terrasse des vermeintlichen Impresarios anhält. Cohn hält die Situation penibel fest. Lässt uns teilhaben an dem nur vordergründig banalen Dialog zwischen zwei Fremden über die Kunst der Konversation, Tiersendungen im Fernsehen und der Frage, ob es in der irischen Heimat des Autors Bären und Tiger gäbe. Um dem Impromptu-Casting des jungen Gangster-Rappers dann unverhofft lyrische Töne abzuringen: „. . . die durchdringende Feuchtigkeit um Mitternacht, die kümmerliche Straßenbeleuchtung, die dunstig durch die Virginiaeiche floss, das stotternde Geschlinger von Don Juans Beat, die rosa Handteller, die durch die dicke Luft zuckten, der stürmende Wortschwall, das Gefühl, dass da etwas entstand – das war rohe Magie.”
„Triksta” lebt nicht nur von der Vorahnung auf die (im letzten Kapitel in Einzelschicksalen beschriebene) Katrina-Sintflut. Mindestens genauso intensivierend wirkt Cohns Hepatitis-C-Erkrankung: Findet der Autor doch in der sterbenden Schönheit der Stadt das äußere Bild für seinen inneren Zustand. Aufgeladen, unheimlich lebendig und hungrig wirkt seine Sprache dann, er sieht nicht nur die Welt in ungewohnt schrillen Farben, er fühlt sich zum ersten Mal ungeschützt in sie hineingeworfen. „Trauere bei der Geburt, feiere beim Tod”.
Sinnlose Zerstörung
Diese Philosophie von New Orleans packt Cohn am Kragen. Als er etwa zur Beerdigung eines von Drogendealer-Kugeln erschossenen Jugendlichen geht, erträgt er die Last sinnloser Zerstörung nicht mehr: Er hat die leise weinenden Mütter gesehen, die sieben, acht Jahre alten Jungen, „ihren langsamen Gefängnistrott, als wären ihre Knöchel zusammengebunden”, die fliegenden Straßenhändler, die T-Shirts mit Portraits des Verstorbenen verkaufen, und die ausdruckslosen Gesichter derjenigen, die wissen, dass schon bald ihr eigener Kopf auf einer Textilie landen könnte. Er erkennt den wahnsinnigen Selbsthass dieser Szene. Und dass der Trotz, der persönlichen Angst zu widerstehen, dennoch eine Niederlage sein kann: „Der Mensch ist schwach; das ist unser Menschsein. Indem wir das verleugnen, verleugnen wir unser Wesen und zerstören uns damit.”
New Orleans’ Siechtum, der Leichengeruch, der schon zwei Jahre vor Katrina die Stadt durchweht: Er befeuert letztlich nur das Leben am Rande des Abgrunds. Und wenn Cohn am Ende seines Buches auch persönlich gewonnen hat – etwa durch die Selbsterkenntnis seiner rassistischen und moralisch ambivalenten Persönlichkeits-Anteile – dann ist es doch ein staatlich sanktionierter Rassismus, der seine geliebte Stadt zu Grunde richtet. Es ist dieser Rahmen, der „Triksta” zur Parabel für etwas macht, das größer ist als die Geschichte vom Rap-Produzenten Nik Cohn.JONATHAN FISCHER
NIK COHN: Triksta. Leben, Tod und Rap in New Orleans. Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Hanser Verlag, München 2008. 264 Seiten, 19,90 Euro.
Im Trailerpark in New Orleans Foto: 2007 Agentur Focus/Veras Images/Willie Davis
Autor Nik Cohn Foto: Getty Images
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jonathan Fischer scheut sich nicht, Nik Cohns "Triksta" als das beste Gangster-Rap-Buch aller Zeiten zu preisen. Dabei erscheint dem Rezensenten die Ausgangslage, die den Autor als Rap-Produzenten nach New Orleans führt, zunächst einmal ziemlich riskant: zu groß ist die Gefahr der eitlen Selbstinszenierung, meint Fischer. Dann aber lässt er sich begeistert auf die Geschichte ein, die Cohn mit den eigenen Ängsten und Vorurteilen konfrontiert - er leidet an Hepatitis C und sieht sich als weißer 55-Jähriger mit intellektuellen Avancen einer schwarzen, gewaltbereiten Jugendszene gegenüber. Grandios findet Fischer Cohns unsentimentalen "Umgang mit den eigenen Projektionen", sein "zutiefst menschliches" Porträt der schwarzen Ghetto-Kultur und nicht zuletzt sein Gespür für die unterschiedlichen "Sprach- und Bewusstseinsebenen", die nicht selten hinreißend komisch erzählt seien. Und am Ende schwingt sich das Buch, durch dessen New Orleans sich schon zwei Jahre vor dem Wirbelsturm Katrina eine morbide Note zieht, zu einer Parabel über das Menschsein schlechthin auf, so der Rezensent wirklich beeindruckt.

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