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Eine erschreckende Bestandsaufnahme des Brüsseler Politik-Betriebes: Die Europaabgeordneten sind mit Diäten und Pensionen großzügig versorgt, ihre Arbeit kontrolliert jedoch niemand. Das Wahlrecht für das Straßburger Parlament spricht allen Gleichheitsprinzipien Hohn. Rat und Kommission treffen weitreichende Entscheidungen, ohne von den Bürgern der EU dafür wirklich legitimiert zu sein. Hans Herbert von Arnim durchleuchtet zum ersten Mal systematisch das politische System der EU und fordert, über ein anderes Europa nachzudenken.

Produktbeschreibung
Eine erschreckende Bestandsaufnahme des Brüsseler Politik-Betriebes: Die Europaabgeordneten sind mit Diäten und Pensionen großzügig versorgt, ihre Arbeit kontrolliert jedoch niemand. Das Wahlrecht für das Straßburger Parlament spricht allen Gleichheitsprinzipien Hohn. Rat und Kommission treffen weitreichende Entscheidungen, ohne von den Bürgern der EU dafür wirklich legitimiert zu sein. Hans Herbert von Arnim durchleuchtet zum ersten Mal systematisch das politische System der EU und fordert, über ein anderes Europa nachzudenken.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2007

Viel zu wenig Kontrolle
Die Strukturen der EU bedürfen einer klaren Demokratisierung

Rechtzeitig zum fünfzigsten Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge und zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat der Speyerer Verwaltungsjurist seine neueste Arbeit vorgelegt. Getreu seinem schon mehrfach erprobten Ansatz, dem zufolge Macht den Menschen korrumpiere und nur ein ausgefeiltes institutionelles Regelwerk mit funktionsfähigen Kontrollmechanismen dies verhindern könne, nimmt er sich diesmal eines besonders problematischen Falles an - der Europäischen Union, genauer: ihrer Institutionen und der in ihnen Tätigen. Allerdings geht es ihm dabei nicht um eine pauschale Abrechnung mit vermeintlichen oder tatsächlichen strukturellen Schwächen der Europäischen Union, sondern darum, angesichts der derzeitigen Krise des Integrationsprozesses die europapolitischen Entscheidungsträger zu einer mutigen Reform der Unionsstrukturen zu ermuntern. Nur so könne das verlorengegangene Vertrauen der Bürger in Europa wiedergewonnen und internationale Handlungsfähigkeit der EU erreicht werden. Wer also angesichts des - vermutlich aus Marketinggründen so gewählten - marktschreierischen Titels ein dezidiert europaskeptisches Buch erwartet, wird enttäuscht. Es handelt sich um das Werk eines vom Grundgedanken des europäischen Integrationsprojektes zutiefst überzeugten Verfassers, der allerdings erhebliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit der europäischen Strukturen hat, die sich im Verlauf der zurückliegenden fünf Jahrzehnte entwickelt haben.

So gesehen, ist der ins Stocken geratene Verfassungsgebungsprozess nicht der Grund, sondern bestenfalls der Anlass der derzeitigen Krise der EU. Dass diese in einer tiefen, möglicherweise sogar existentiellen Krise steckt, kann nicht bestritten werden. Ein Blick zurück in die Geschichte des Integrationsprozesses zeigt, dass es seit Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahre 1952 nur zwei andere Konstellationen gegeben hat, die als existentielle Bedrohung des Integrationsprojektes an sich gelten können: das Scheitern des EVG-Konzepts 1954 und den zwischen der Regierung Charles de Gaulle auf der einen und den Regierungen der fünf anderen EWG-Staaten auf der anderen Seite Anfang der sechziger Jahre ausgetragenen Konflikt über die finalité politique des Integrationsprozesses. Aus diesen beiden Krisen ist Europa letztlich gestärkt hervorgegangen. Das Scheitern der EVG leitete die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Nato ein, ebenso die relance européenne, die schließlich zur Unterzeichnung der Römischen Verträge führte; der von de Gaulle ausgelöste Streit über die Gestalt der Europäischen Gemeinschaften sorgte für eine intensive Strukturdebatte, aus der letztlich der Vertrag von Maastricht und damit die EU selber hervorgingen.

Taugen diese beiden Beispiele also dazu, ein institutionelles Paradoxon zu konstatieren, das existentielle Krisen gewissermaßen als Motor der europäischen Integration begreift? Die Lektüre des arnimschen Buches lässt eine solche Wahrnehmung als trügerisch, ja geradezu gefährlich erscheinen. Es zeigt eindrucksvoll, dass die derzeitige Krise keineswegs nur als eine Folge struktureller Defizite zu begreifen ist, auch wenn es daran keineswegs mangelt. So weist der Autor zu Recht auf das krasse Ungleichgewicht zwischen dem ständig wachsenden Einfluss der Europäischen Union auf die Geschicke ihrer Mitgliedstaaten einerseits und den weiterhin bestehenden Demokratiedefiziten auf Unionsebene andererseits hin. Diese Ungleichgewichte sieht er auf beinahe allen institutionellen Ebenen gegeben.

Der Kern des Problems liegt laut Arnim in dem zentralen, gewissermaßen historisch gewachsenen Konstruktionsfehler der Gemeinschaftsstrukturen, dem bis heute nicht genügend klar austarierten Verhältnis zwischen supranationalen und intergouvernementalen Kompetenzen. Daraus hat sich das System aus Europäischem Rat und den Ministerräten der Union entwickelt, in dem weitreichende Entscheidungen zumeist im Geheimen getroffen werden. Diese eigentliche EU-Exekutive kann durch das Europäische Parlament mangels genügender Kompetenzen nicht angemessen kontrolliert werden. Auch die "Flucht in unabhängige Gremien" wie Kommission, Gerichtshof, Rechnungshof oder Zentralbank hat nichts an dieser Kernproblematik ändern können. Statt dessen haben die dauernden Kompromisslösungen, die nationale und Gemeinschaftsinteressen miteinander verbinden sollten, ein immer undurchsichtigeres Strukturen- und Interessenkonglomerat geschaffen, das - wie Arnim zeigt - durchaus von Vorteil für eine elitäre europäische Politiker- und Beamtenkaste ist, jedoch auf die große Mehrheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger immer weniger anziehend wirkt.

Nur eine klare Demokratisierung der Unionsstrukturen nach dem Muster der politischen Systeme der meisten Mitgliedstaaten kann, so Arnims Fazit, dazu beitragen, das verlorengegangene Vertrauen der Europäer in das europäische Projekt wiederzugewinnen und der EU jene politische Handlungsfähigkeit zu verleihen, deren sie bedarf, um den globalen Herausforderungen von morgen angemessen begegnen zu können. Dieses Werk stellt somit ein Lastenheft nicht nur für die gegenwärtige deutsche EU-Ratspräsidentschaft, sondern für alle künftigen Präsidentschaften dar. Es zeigt darüber hinaus auch, dass die Reaktivierung des Verfassungsgebungsprozesses - und damit das erklärte Ziel der Bundeskanzlerin - nur ein erster kleiner Schritt auf dem Weg zu einer grundsätzlichen Überprüfung der finalité politique des europäischen Integrationsprozesses sein muss.

JÜRGEN ELVERT

Hans Herbert von Arnim: Das Europa-Komplott. Wie EU-Funktionäre unsere Demokratie verscherbeln. Verlag Carl Hanser, München 2006. 442 S., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

In einer Schärfe, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, stellt sich Klaus Harpprecht gegen Hans Herbert von Arnims Kritik an den demokratiefernen Europa-Eliten in Brüssel. Ein "Kompendium der Widersprüche, Flüchtigkeiten, Auslassungen" hat der Rezensent lesen müssen, dass nur Vorurteile bediene. "Sonst taugt es nichts", wie Harpprecht streng urteilt, der in seiner Besprechung einer Reihe von Arnims Aussagen widerspricht, etwa der fehlenden Legitimation der Europäischen Kommission. Mehr als zwei Drittel des Gremiums, so der Rezensent, würden aufgrund von Vorschlägen der demokratisch gewählten Regierungen der Mitgliedsländer besetzt. Arnim wolle aus der EU in Wirklichkeit einen "lockeren" Staatenbund machen, meint Harpprecht. Dass er das nicht offen sagt, nimmt er Arnim zusätzlich übel.

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