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Das Buch versammelt drei Erzählungen und einen Essay Peter Schünemanns. Seine kenntnisreiche Prosa, die feine Kunstfertigkeit, mit der er die Innenwelt seiner Figuren literarisch entfaltet, überraschen den Leser und ziehen ihn in ihren Bann. Sie zeigen Schünemann als einen der eigenwilligsten, aufmerksamsten Beobachter der Katastrophen der Neuzeit und ihrer menschlichen Folgen.

Produktbeschreibung
Das Buch versammelt drei Erzählungen und einen Essay Peter Schünemanns. Seine kenntnisreiche Prosa, die feine Kunstfertigkeit, mit der er die Innenwelt seiner Figuren literarisch entfaltet, überraschen den Leser und ziehen ihn in ihren Bann. Sie zeigen Schünemann als einen der eigenwilligsten, aufmerksamsten Beobachter der Katastrophen der Neuzeit und ihrer menschlichen Folgen.
Autorenporträt
Schünemann, PeterPeter Schünemann, geboren 1930, lebt als freier Schriftsteller in Norddeutschland. Er verfasste zahlreiche Monographien und ist Herausgeber von Anthologien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2005

Gespräche über die Zeiten hinweg
Geschichtliche Erfahrung und poetische Askese: Peter Schünemanns Erzählungen sind von mitreißender Melancholie

Die Melancholie reißt mich mit", hat Wolfgang Koeppen über Peter Schünemanns Prosa geschrieben und hinzugefügt: "Die Bewunderung blieb." Es ist schon eigentümlich, daß diese Bewunderung so lange Zeit die Sache so weniger Leser geblieben ist. Immer wieder zwar haben Kritiker rühmend auf diesen Einzelgänger und Außenseiter hingewiesen. Nach einer Reihe von Prosabänden hat zuletzt der schmale und entdeckungsreiche Essayband "Spur des Vaters" Aufmerksamkeit gefunden (F.A.Z. vom 15. Februar 2002). Die Erzählungen des heute Fünfundsiebzigjährigen aber sind noch immer zu entdecken.

Einem, so der Titel eines früheren Bandes, "Gegengedächtnis" der deutschen Kultur soll diese Prosa dienen, der Erinnerung an eine Katastrophengeschichte, die im "Holocaust" furchtbar kulminiert. Ein Wort wie dieses wird man in Schünemanns Prosa vergebens suchen. Das damit bezeichnete Geschehen aber ist hier überall gegenwärtig, in den Schreckensvisionen Kleists ebenso wie in Trakls Rausch und in Hölderlins Wahn. Was sie vorausahnen und was sich dann in den Ekstasen der expressionistischen Generation zum kollektiven Nachtgesicht zu steigern scheint, das wird in der Geschichte des deportierten und ermordeten Jakob van Hoddis zum geschichtlichen Faktum. Was immer danach geschrieben wird, hat darauf zu antworten - wie es aus Schünemanns Sicht Wolfgang Koeppen tut, wenn er "Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch" zu einer Erzählung umarbeitet, die für ihn, gerade als adaptierte Erzählung eines überlebenden Juden, zu "meinem Buch" wird. Koeppen gilt darum der essayistische Epilog dieses Erzählbandes.

Wie seine Essays, so ist auch Schünemanns erzählte Welt von Literatur erfüllt, und sie ist dabei das genaue Gegenteil einer papiernen Zitatencollage. Denn die Literaten, deren imaginäre Stimmen wir hier hören - in manchmal wagemutiger Anverwandlung -, sind vor allem Wahrnehmungsinstanzen von Ängsten, die in der zeitgeschichtlichen Luft liegen, Partikelfilter eines körperlich spürbaren Schreckens, Protokollanten des kollektiv Verdrängten. Daß diese überempfindlichen Meßinstrumente die aufgefangenen Signale aufzeichnen, darin liegt ihre einzige Selbstbehauptung. Weil ihr vorzeitiges Sterben die Folge eines gleichsam schlaflosen Lebens ist, ihrer Unfähigkeit, die Augen zu schließen: deshalb bleibt es womöglich ihr einziger Trost. (Es sei denn, man denkt bei dem Titel "Das dunkle Bild" an den Apostel Paulus, an das Stückwerk im "dunklen Spiegel" und die Erwartung eines kommenden Lichts.)

So mächtig dieses dunkle Pathos sich ausnimmt, so asketisch ist es komponiert. So eindringlich sie von Rausch und Wahn erzählen, Schünemanns Erzählungen sind musikalisch strenge Kunstübungen. Bildfolgen von traumlogischer Schönheit und geschichtliche Erfahrung durchdringen sich in ihnen zu einer spannungsvollen Polyphonie. Und wer etwa die 1984 erschienene erste Version des Büchner-Porträts "Zwieland" mit der in diesem Band enthaltenen Neufassung vergleicht, wird feststellen, daß hier kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist. Das Ergebnis nennt der Autor nun mit Recht eine "Suite". Wie gegenwärtige und historische Sprachformen sich durchdringen mit Wörtern einer poetischen Geheimsprache, so kann auch unversehens ein Vers von Benn durch Büchners letzte Träume geistern, so einfach und triftig wie all diese überraschenden Fügungen. "So haben sie", ist hier zu lesen, "über die Zeiten hinweg, zueinander gesprochen."

Wer einen Eingang in Schünemanns Erzählwelt sucht, dem werden in diesem schlanken Band die Tore weit geöffnet. Drei Erzählungen und ein Essay, immer im Zwielicht aus Phantasie und Dokument: Wenn eine Kunst aus lauter Melancholie mitreißend sein kann, dann ist das hier der Fall. Die Bewunderung bleibt.

Peter Schünemann: "Dunkles Bild". Drei Erzählungen & ein Essay. Hanser Verlag, München 2005. 120 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2006

Ein paar Schritte auf dem Kopf
Wanderbarer Winter, wunderbare Prosa: Peter Schünemann erbaut einen Echoraum um den sterbenden Georg Büchner
Manche Sätze veralten nicht, gehen nicht aus dem Ohr, bleiben immer gegenwärtig. Etwa der letzte Satz von Georg Büchners Erzählung „Lenz”: „So lebte er hin . . . ”. Aber auch dieser andere, vom Anfang: „Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, daß er nicht auf dem Kopf gehn konnte.” Was, wenn man Fragmenten solcher Sätze begegnet? Nicht als Zitat, wie in einer Festtagsrede oder in einem wissenschaftlichen Vortrag, sondern in neuen Sätzen, in der Literatur der Gegenwart: „Aber es sei doch ein wanderbarer Winter in diesem Gebirge, sagte ich, man habe gern ein paar Schritte auf dem Kopfe getan.”
Wer sagt eigentlich, dass die Gegenwartsliteratur immer mit der Gegenwart im Bunde sein muss? Dass sie sich der Sprache, die um sie herum gesprochen wird, anschmiegen muss, um nicht herauszufallen aus ihrer Zeit? Es gibt auch die andere Möglichkeit: den Ton einer ferngerückten Sprachschicht neu hörbar machen, ihn in die Jetztzeit einzuschmelzen, ihn gegenwärtig zu machen. Zu den Autoren, die sich diese Weise dem Erbauen von Echoräumen verschrieben haben, gehört der 1930 geborene Erzähler und Essayist Peter Schünemann.
Immer wieder spüren seine Schriften dem Ton nach, der in der Sprachgeschichte der Deutschen bei Kleist, Hölderlin und Büchner angeschlagen, in der expressionistischen Lyrik und Prosa um 1910 aufgenommen und sich im 20. Jahrhundert verzweigte, passagenweise bei Benn, hinein in die erst nach 1945 entfalteten Werke etwa von Arno Schmidt oder Wolfgang Koeppen. Eine erste Version seiner erdichteten Annäherung an Georg Büchner hat er schon vor zwanzig Jahren vorgelegt. Daraus ist, in neuer Gestalt, „Zwieland. Eine Büchner-Suite” hervorgegangen, das grandiose Zentrum des Buches „Dunkles Bild”.
Der Text handelt vom Totenlager Georg Büchners im Februar 1837 in Zürich, wo er von dem deutschen Emigranten-Ehepaar Caroline und Wilhelm Schulz gepflegt wird. Wenn hier Einsprengsel aus Büchners „Lenz” auftauchen, so nicht als Erkennungszeichen oder Bildungsreminiszenz. Der kranke Büchner, dem vor dem Fieberauge noch einmal die Bilder des Lebens vorbeiziehen, der im Geist ins hessische Lahntal, nach Darmstadt und nach Straßburg zurückkehrt, verschmilzt hier mit seiner Figur, geht als Lenz durchs Gebirg.
Das kann nur gut gehen, weil diese Suite es mit ihrem Gegenstand aufnehmen kann, weil sie ohne alle Verniedlichung den Ton der Volksmärchen und düsteren Lieder in sich aufnimmt, weil sie noch einmal die Sprachschichten durchpflügt, die von Büchner ausgehen, weil sie das Echo festhält, das er im 20. Jahrhundert gefunden hat.
Zwei Bild-Erzählungen - „Dunkles Bild” und „Zenons Spur” - umrahmen in diesem Triptichon den sterbenden Georg Büchner. Der letzte Text „Aufbruch ins Schweigen” ist ein Gedenkblatt für Wolfgang Koeppen und den Expressionismus. Man kann es auch als Selbstkommentar Schünemanns zu seiner Prosa der Farben und festen Fügungen lesen. LOTHAR MÜLLER
PETER SCHÜNEMANN: Dunkles Bild. Drei Erzählungen & ein Essay. Carl Hanser Verlag, München 2005. 120 Seiten, 14,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht satt lesen konnte sich Rezensent Lothar Müller an diesen literarischen Essays, deren Autor Peter Schünemann er für seine Gabe preist, den Ton "ferngerückter Sprachschichten" wieder hörbar zu machen. Ein Text des Buches ist Müller zufolge Wolfgang Koeppen gewidmet, lässt sich aber aus seiner Sicht auch als Selbstauskunft Schünemanns lesen. Die beiden anderen Texte spürten, so Müller, Georg Büchner nach, wobei die Erzählung "Zwieland. Eine Büchner-Suite" über Büchners Totenlager im Zürich des Jahres 1837 für ihn das "grandiose Zentrum des Buches" bildet. Diese literarische Suite ist, wie Müller fast ehrfurchtsvoll feststellt, auf Augenhöhe mit ihrem Gegenstand, weil sie "noch einmal die Sprachschichten durchpflügt, die von Büchner ausgehen" und dabei gleichzeitig das Echo festhält, welches er in der Moderne gefunden hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Geschichtliche Erfahrung und poetische Askese: Peter Schünemanns Erzählungen sind von mitreißender Melancholie... Wer einen Eingang in Schünemanns Erzählwelt sucht, dem werden in diesem schlanken Band die Tore weit geöffnet."
Heinrich Detering, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.12.05