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Schon immer faszinierten Rolf Haufs' Gedichte durch Vielfalt im Ton und in der Form. Ob Naturgedicht oder Popballade - Hauf will stets die eigene Gegenwart durch Sprache sichtbar machen. In seinem neuen Band mischt sich die Erinnerung an Gelebtes auf teils elegische, oft aber sarkastische und ironische Weise mit der Erfahrung von Alter, Krankheit und Tod.

Produktbeschreibung
Schon immer faszinierten Rolf Haufs' Gedichte durch Vielfalt im Ton und in der Form. Ob Naturgedicht oder Popballade - Hauf will stets die eigene Gegenwart durch Sprache sichtbar machen. In seinem neuen Band mischt sich die Erinnerung an Gelebtes auf teils elegische, oft aber sarkastische und ironische Weise mit der Erfahrung von Alter, Krankheit und Tod.
Autorenporträt
Haufs, RolfRolf Haufs, 1935 in Düsseldorf geboren, lebte in Berlin. Er starb am 26. Juli 2013. Für seinlyrisches Werk wurde er u. a. mit dem Hans-Erich-Nossack-Preis unddem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet. Bei Hanser erschienen zuletztAugustfeuer (Gedichte, 1996) und Aufgehobene Briefe (Gedichte, 2001).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2011

Weinen hilft nicht mehr
Zur Krankheit kommt die Entwürdigung: Rolf Haufs schickt Lyrik aus dem Krankenhaus

"Geboren bin ich im Evangelischen Krankenhaus in Bilk" - so, im Ton eines üblichen Curriculum Vitae, könnte Rolf Haufs' Lebenslauf beginnen. Tatsächlich aber handelt es sich bei dieser Mitteilung um den Vers eines Gedichts, das den Titel "Die Stadt Düsseldorf hat mir nichts zu sagen" trägt. Bilk ist ein Stadtteil Düsseldorfs, der Geburtsstadt Haufs'. Düsseldorf, nicht Bilk, hätte man deshalb in seinem Lebenslauf eigentlich zu erwarten, und das Evangelische Krankenhaus, wo die Entbindung stattfand, passt schon gar nicht in eine professionelle Vita. Vollends deutlich wird der Abstand zu dem konventionellen Gebrauchstext eines formgerechten Lebenslaufs durch die Bemerkung: "Getauft hat mich Pastor Beckmann der Bekenner", das heißt: ein Mitglied der Bekennenden Kirche.

Mit sparsamsten Mitteln schreibt Haufs hier mit seiner Lebensgeschichte zugleich Zeitgeschichte. Sie reicht zurück bis in die Zeit des Nationalsozialismus: Haufs wurde 1935 geboren, er erlebte die Nachkriegszeit in Rheydt und ging noch vor dem Mauerbau in die geteilte Stadt Berlin. Dort begann seine berufliche und literarische Laufbahn als Literaturredakteur des Senders Freies Berlin. Er wurde mit seinen ersten Gedichtbänden aus den frühen sechziger Jahren, "Straße nach Kohlhasenbrück" und "Sonntage in Moabit", zu einem Berliner Autor, der seine rheinländischen Wurzeln nie vergessen hat. Die lakonische, bildkräftige, aber sachliche Sprache seiner Gedichte brachte ihm viel Anerkennung ein. Mit seinen weiteren Gedichtbänden hat Rolf Haufs den Ruf als herausragend gewissenhafter und kunsterfahrener Lyriker immer wieder bestätigt.

Der neue Band des nun Fünfundsiebzigjährigen setzt ein mit Gedichten aus dem Krankenhaus. Ob und in welchem Ausmaß Haufs' erschreckende Krankenberichte auf tatsächlichen eigenen Erlebnissen beruhen, muss man nicht wissen, um doch ihre überpersönliche Eindringlichkeit zu erfahren. "Nicht flennen. Singen" - ein flapsiger Ratschlag für Leute, die leiden und sich dabei angeblich selbst bemitleiden, erteilt von den Besuchern eines Patienten im Krankenhaus. Sie können das Gejammere des Kranken nicht mehr hören und wollen sich davon durch wohlfeile, aber leichtfertige Lehren befreien; denn wem ist auf dem Krankenlager schon nach Singen zumute!

Das Gedicht "Tulpen aus Teheran", das diese Krankenhaus-Szene entwirft, besitzt, wie viele von Haufs' Gedichten, einen doppelten Boden: Einerseits hat es für die pflichtschuldigen, aber unsensiblen Besucher mit ihren billigen Tulpen und ihrem Drang, sich möglichst schnell wieder dem "deutschen TV" hinzugeben, nur satirische Kritik übrig, die auch ihre Lehre "Nicht flennen. Singen" einbezieht. Andererseits aber enthält genau diese Lehre das poetische Programm des Dichters Rolf Haufs: Es geht ihm in den Spital-Gedichten nicht um wehleidige biographische Gefühlsäußerungen, sondern um variationsreiche Artikulationen des "Singens", gerade in existentiellen Notlagen.

Jedes Pathos ist dem Sänger zuwider, jeder hohe Ton ein Greuel. Wenn ein Gedicht zu ernst oder zu bitter zu werden droht, streut er einen munteren Zynismus, eine Prise Selbstironie ein, und mitunter muss es auch eine Albernheit oder ein Kalauer tun. Da wird dann aus Mönchengladbach das öde "Mönchenblabbach" und das festlich-militärische Tschingderassabum um das schnöde Pinkepinke zu "Pinkerassapinkerassabum" ergänzt.

Mit seinem höchstpersönlichen "Ich" geht der Patient sparsam um. "Wir", sagt er, "halten den Kopf hin." Oder: "Zurechtgestutzt zeigen wir / Was noch geht." "Wir" sind die Patienten, und die Klinik ist die kranke Welt, darin ihnen übel mitgespielt wird von dem Pflegepersonal, den Zivis, den Therapeuten und ganz besonders von den Ärzten: Ihr "Freundliches Grinsen lässt uns / Auf Heilung hoffen. Dabei haben sie uns / Längst abgeschrieben". "Wir alle / Haben sie fitgespritzt mit unseren Groschen", sie "sehen zu und schalten Anzeigen / In renommierten Blättern", und "Im Winter lassen sie es sich gutgehen / Auf wohlpräparierten Pisten". Nicht immer gerät der Krankenhaus-Erfahrungsbericht so unverhüllt zur direkten Attacke. Meist begnügt sich Haufs mit resignierendem Galgenhumor und zynischen Endzeitscherzen, wenn er von dem "abgeschnittenen Bein", von den Rollstühlen und Bettpfannen, der verunreinigten Bettwäsche, von den kühl diagnostizierenden Neurologen und den lächerlichen Reha-Maßnahmen spricht. Zur Krankheit kommt die Entwürdigung, und die späten Späße des Patienten lassen sich durchaus als eine Art Notwehr gegen den drohenden Verlust seiner Würde verstehen. "Sie tragen den Keim mit Würde wie das BVK" (Bundesverdienstkreuz), wird ihm von den Ärzten bescheinigt. Aber "insgeheim denken sie doch / Was gehen mich die Greise an / Hatten sie nicht ein schönes Leben" - so heißt es in einem der sechs numerierten Gedichte aus der Klinikwelt von Berlin-Kladow.

"Jetzt erst recht. Wir lassen sie / Tanzen" - mit diesem trotzigen Motto setzt das Gedicht ein, das dem Mittelteil des Buches seinen Titel "Puppentanzen" gegeben hat. Hier stehen die anspielungsreichen Gedichte zu allerlei Gelegenheiten und Personen: "Kerstin Hensel läuft über die Schönhauser Allee", der Berliner Jurist Herwig Roggemann und der wohlbeleibte Schriftstellerkollege Gregor Laschen werden beglückwünscht. Sehr hochgemut klingen auch diese Gelegenheitsgedichte nicht. Vergeblichkeit und Vergänglichkeit breiten sich aus: "Mach weiter so / Die Lebenden flüstern dich in die Erde."

Erst am Schluss des Bandes bricht dann doch unverhohlen autobiographische Nostalgie durch: Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit, an die Liebesversuche des Pubertierenden, an das Maisbrot und die überfüllten Personenzüge der Notzeit, an den in einem "Gipsverband steckenden Körper" (gleich zweimal), an kurze Hosen und Reibekuchen, ans Fußballspielen, an den Vater, an die Großmutter mit ihrer riesigen Familie. "Großmutter sagte ,Mein Jung wat is los wat haste nur' / Und schenkte mir eine Reichsmark / Ich kaufte mir so schnell es ging ein Eis an der Ecke / Wo noch heute die Menschen schlecken man sagt / Schöneres gibt es nicht."

WULF SEGEBRECHT

Rolf Haufs: "Tanzstunde auf See". Gedichte.

Edition Lyrik Kabinett bei Hanser, München 2010. 96 S., geb. 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Hocherfreut zeigt sich Rezensent Martin Lüdke über diesen Band mit Gedichten von Rolf Haufs, der heute 75 Jahre alt wird. Er würdigt Haufs als einen der "bedeutendsten" Dichter der Gegenwart, erinnert an die Gedichtbände "Die Geschwindigkeit eines einzigen Tages" und "Juniabschied" und attestiert ihm, in den 70er und 80er Jahren den Alltag für die Lyrik entdeckt zu haben. Die Gedichte von Haufs sind oft im Alltag verhaftet, sogar autobiografisch grundiert, aber gleichwohl immer "rätselhaft". Auch "Tanzstunde auf See" findet Lüdke vollauf gelungen. Der Dichter erweist sich für ihn auch hier einmal mehr als Zeitgenosse, "der mit historischem Bewusstsein in die Zukunft blickt".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Meister des lakonischen Gedichts, dem selbst Krankheit zum leichtfüßigen poetischen Erlebnis gerinnt." Andreas Wirthensohn, Die Tageszeitung, 16.11.10

"So überspannt sein Erfahrungshorizont drei Jahrhunderte. Er kennt wie kaum ein anderer die literarische Tradition, aber er hält sich an den Alltag, seine persönlichen Erfahrungen. Die Tiefe seiner Gedichte erschließt sich von der Oberfläche her." Martin Lüdke, Frankfurter Rundschau, 31.12.10