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Die Städte bluten: hier wird ein Schwimmbad geschlossen, dort bleibt eine Straße unrepariert. Sparen allein hilft schon lange nicht mehr, denn Bund und Länder kürzen den Kommunen die Steuereinnahmen und übertragen ihnen gleichzeitig immer neue, teure Aufgaben. Klaus Jungfer, viele Jahre Stadtkämmerer von München, schlägt Alarm: die Politik muss endlich begreifen, dass unser Land starke Städte braucht. Sie müssen zu ihrer finanziellen Unabhängigkeit zurückkehren und lernen, ihre Ressourcen kaufmännisch zu nutzen. Ein engagiertes und kompetentes Manifest für eine Renaissance der Stadt als Wachstumsmotor.…mehr

Produktbeschreibung
Die Städte bluten: hier wird ein Schwimmbad geschlossen, dort bleibt eine Straße unrepariert. Sparen allein hilft schon lange nicht mehr, denn Bund und Länder kürzen den Kommunen die Steuereinnahmen und übertragen ihnen gleichzeitig immer neue, teure Aufgaben. Klaus Jungfer, viele Jahre Stadtkämmerer von München, schlägt Alarm: die Politik muss endlich begreifen, dass unser Land starke Städte braucht. Sie müssen zu ihrer finanziellen Unabhängigkeit zurückkehren und lernen, ihre Ressourcen kaufmännisch zu nutzen. Ein engagiertes und kompetentes Manifest für eine Renaissance der Stadt als Wachstumsmotor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2005

Kommunen außer Kontrolle
Eine neue Aufgabenteilung zwischen Gemeinderäten und Verwaltungen ist erforderlich

Klaus Jungfer: "Die Stadt in der Krise". Ein Manifest für starke Kommunen. Carl Hanser Verlag, München 2005. 240 Seiten, 19,90 [Euro].

Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude hat im Herbst 2003 mit einem institutionellen Hilfeschrei auf die Erosion der Kommunalfinanzen großer Städte hingewiesen. Dafür machte er auch die Politik der rot-grünen Koalition verantwortlich. Das finanzpolitische Erdbeben blieb aus; Berlin reagierte nur mit einem gereizten Grummeln, was nicht untypisch ist für Regierungszentralen. Nach deren Koordinatensystem haftet der Kommunalpolitik etwas zutiefst Provinzielles an, obwohl immer und immer das Gegenteil ("All politics is local") behauptet wird.

Klaus Jungfer hat diesen Hilferuf fachlich fundiert; er war von 1993 bis 2004 als Münchner Stadtkämmerer für die Finanzen der bayerischen Landeshauptstadt verantwortlich. Er hat eine Übersicht der finanziellen Entwicklung großer Städte vorgelegt, die in ihrer Kompaktheit und Solidität etwas Besonderes darstellt. Aus der angeschlossenen Dankadresse geht hervor, daß der gesamte Stab der Münchner Kämmerei an diesem Text mitgewirkt hat - facettenreich, glättend und mit langweiliger Brillanz.

Mit dieser gleichmäßig "harmonischen" Darstellung wird verdeckt, wie sehr unsere großen Städte sich aus der öffentlichen Verantwortung zurückziehen mußten. Kommunalvermögen wurde privatisiert - im Bereich der klassischen Stadtwerke, der Krankenhäuser und anderer Kommunalbetriebe. Neue Finanzierungsformen haben einen tiefgreifenden Einfluß auf das Eigentum der Bürgerschaft. Nach Angaben von Jungfer haben mehr als 150 deutsche Städte seit den achtziger Jahren Steuervorteile nach amerikanischem Recht genutzt, um vorhandene Klärwerke, Kanalnetze, Straßenbahnen und U-Bahn-Züge sowie Schienenwege in Objektgesellschaften zu verschieben, an denen private Investoren (Cross Border Leasing und Erbersatzsteuer-Modelle) beteiligt sind. Glücklicherweise wurde diese Steuerbegünstigung durch den amerikanischen Kongreß wohl zum Ende des Jahres 2004 abgeschafft. Welche rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen dies haben wird, bleibt offen.

Der Wegfall der Gewährträgerhaftung der Kommunen ab 1. Januar 2005 auf Druck der Europäischen Kommission mag das Tor zur Privatisierung der deutschen Sparkassen aufgestoßen haben. Damit würde eines der wichtigsten Gestaltungs- und Strukturpotentiale von Kommunalpolitikern in den Städten und Gemeinden beseitigt werden. Die europäischen Vorgaben hatten großen Einfluß auf die konventionellen Eigenbetriebe, die im Bereich der Daseinsvorsorge wie Wasser, Abwasser, Energie und Verkehrsleistungen tätig sind. Es findet ein umstürzender Prozeß der Entkommunalisierung mit weitreichenden Folgen statt, den die Öffentlichkeit bisher nicht wahrgenommen hat.

Diese Entwicklung, kombiniert mit dem Zwang der Verwertung von Vermögen (Grundstücken, kommunalen Bau- und Entwicklungsgesellschaften), führt zu einer dramatischen Aushöhlung kommunaler Verantwortung. Der Autor ist ein Befürworter starker Städte, denn er sieht in der Zugänglichkeit zu kommunalen Leistungen unter angemessenen Bedingungen das eigentliche "Vermögen" des Bürgers, insbesondere der Einkommensschwachen, die die eigentlichen Verlierer des Staatsversagens und der Reformen im Geflecht von Arbeitslosigkeit und Sozialreformen sind.

Seit den neunziger Jahren gibt es Projekte der Bertelsmann-Stiftung, die eine Vergleichbarkeit privater und öffentlicher Dienstleistungen herstellen sollen. Im Zuge dieser Projekte wurden tiefgreifende Umstellungen von der Kameralistik auf eine kaufmännische Buchführung vorgenommen. Bei der Stadt München wurde ein Projektteam von fünfzig Mitarbeitern gebildet, dem noch weitere zehn EDV-Spezialisten zugeordnet wurden, um das Rechnungswesen der Stadt München anzupassen. Dieser Prozeß, der 2006 abgeschlossen sein soll, hat nach Angaben des Autors rund 44 Millionen Euro gekostet. Jungfer meint ("Der lange Weg zum neuen Rechnen"), daß damit unerkannte Effizienzreserven aufgefunden und genutzt werden könnten, Aufwand und Kosten sich dauerhaft lohnten. Ein System allerdings, zu dessen Realisierung zehn Jahre erforderlich sind und dessen Pflege außerordentliche Kosten verursacht, muß als problematisch bewertet werden. Rasche Steigerung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand hat über gute Führung und richtige Personalentscheidungen zu erfolgen. Gerade große Verwaltungen entziehen sich aufgrund ihrer schieren Größe einer nachhaltigen Kontrolle, die auch nicht durch Ansammlung von Zahlen zu erreichen ist.

Diese neue Rationalität bedingte eigentlich eine neue Aufgabenteilung zwischen Gemeinderat und Verwaltung, nämlich die Festlegung von Zielen durch die Kommunalvertretung, deren Durchsetzung dann der Verwaltung überlassen sein sollte. Tradierte Mentalitäten und der Wunsch, über die Realien des Alltags Macht auszuüben, sind stärker als die Rationalität dieses Systems. Auch Gemeinderäte in Städten lieben die Befassung mit dem Alltäglichen, sie ziehen aus der Kleinteiligkeit ihrer Aufgaben ihre Kraft und Autorität, die sie nicht aufgeben wollen.

Die Analysen von Jungfer sind fundiert; die Lösungsansätze "interessant", aber weitgehend wirkungslos. Richtig ist sein Vorschlag, die Gewerbesteuer abzuschaffen und dafür eine Kommunale Wertschöpfungssteuer einzuführen - bei Vermehrung der Zahl der Steuerpflichtigen und der Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen. Auch ist sein Hinweis nicht falsch, daß die Länder sich in Zeiten der Finanznot ungeniert aus der Gewerbesteuerumlage bedienen, um Staatsaufgaben zu finanzieren. Richtig ist auch seine Anmerkung, daß die Übertragung neuer Aufgaben an die Kommunen nur bei Kostenausgleich erfolgen darf. Nur eine wirtschaftliche Erholung des Gesamtstaates mag Abhilfe schaffen; sonst ist zu befürchten, daß in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren Staatskommissare die Aufgabe örtlicher Verwaltungen übernehmen.

JOACHIM BECKER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.09.2005

Der Staat ist kein Freund
Ein Manifest zur Krise der Städte
Die Stadt Nordenham verkauft ihre Leichenhalle - ein Schnäppchen für 100 000 Euro, welche in die leere Kasse der Gemeinde fließen sollen. Und die endlose Geschichte der zerrütteten Kommunalfinanzen ist um ein Kuriosum reicher. Mehr als 50 Millionen Deutsche wohnen in den Städten, und doch ist deren Vertretung machtlos. Die Kommunen haben nicht einmal das Recht, im Bundestag angehört zu werden, wenn dort ihre ureigensten Angelegenheiten behandelt werden. Klaus Jungfer spricht sogar von einer „neuen Periode der Städtefeindlichkeit”, ähnlich jener in der Vergangenheit, als die Macht der Landesherren die freien Reichsstädte erdrückte. Der Autor muss es wissen: Er war 1993 bis 2004 Kämmerer von München.
Damals geschah etwas, was die Öffentlichkeit erstmals wirklich auf die katastrophale Finanzkrise der Städte aufmerksam machte: „München ist pleite!”, verkündete Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) 2002, und das Staunen war groß. München bankrott? Deutschlands reichste Stadt leuchtet nicht mehr? So war es natürlich nicht. Jungfer rückt die spektakuläre Aktion in seinem Buch zurecht: „Die Stadt München war nicht pleite. Sie konnte ihre Rechnungen noch bezahlen und war auch nicht überschuldet.” Der „Alarmruf” Udes galt aber dem Umstand, dass im Etat plötzlich ein enormes Loch klaffte, für das die Stadt gar nichts konnte, wohl aber eine Politik, die den Kommunen immer neue Aufgaben gibt, nicht aber das Geld dafür.
Die Mär der Verschwendung
Jungfers Buch ist ein überfälliges Plädoyer gegen die Entrechtung der Städte. Noch heute kann man in den Parteien rüde Reden hören. Die sollten lieber sparen als jammern, heißt es gern. Es ist eines der Verdienste von Jungfers Streitschrift, mit der Mär von den verschwenderischen Städten aufzuräumen. Seit 1992 etwa haben sie mehr als 700 000 Arbeitsplätze abgebaut. Für Personal und Sachaufwand geben sie als Folge einer massiven Sparpolitik heute kaum mehr aus als vor zehn Jahren - trotz steigender Preise und Gehälter. Viele Bürgermeister könnten alles und jedes, wozu sie nicht gesetzlich verpflichtet sind, streichen und alle Museen und Theater ersatzlos schließen - und würden trotzdem keine schwarzen Zahlen schreiben. Allein dies zeigt, wie gering der Handlungsspielraum der Städte geworden ist.
Soweit dies bei einem Buch möglich ist, das sich mit der Gemeindefinanzreform oder der Gewerbesteuerumlage beschäftigt, schreibt Jungfer gut und flüssig; auch Laien können ihm mühelos folgen. Seine historischen Exkurse sind sogar hübsche kleine Feuilletons. Aus langer Erfahrung schildert Jungfer die Tricks, mit denen Bund und Länder lästige Ausgaben auf die Kommunen abwälzen: „Der Erfindungsreichtum staatlicher Ministerien ist unerschöpflich, wenn es darum geht, sich von den Gemeinden Wohltaten bezahlen zu lassen.” Politische Brisanz erhält das Buch durch seine Schlussfolgerungen, vor allem durch die Kritik des Sozialdemokraten an der städtischen Gewerbesteuer. Die kommunalen Spitzenverbände halten an dieser fest wie an einem Heiligtum; für die FDP und Teile der Union ist die Steuer wirtschaftsfeindlich. Sie konnten aber ihrerseits kein Modell vorlegen, das den Städten eine verlässliche Alternative bietet. Jungfer fordert zweierlei: Bund und Länder müssten die Gewerbesteuerumlage -, also den Teil, den sie nach Gutdünken von dieser Kommunalsteuer für sich behalten - abschaffen: „Es ist nicht Aufgabe der selbstverwalteten Kommunalen, den Staat zu finanzieren.” Langfristig sieht der Autor aber keine Zukunft für die Gewerbesteuer in ihrer jetzigen, wegen ihrer ungerechten Elemente dringend reformbedürftigen Art. Er plädiert für eine Fortentwicklung zu einer kommunalen Wertschöpfungssteuer, was bedeutet, dass die Zahl der Steuerpflichtigen vergrößert und die Bemessungsgrundlage verbreitert werden. Ein vernünftiger Vorschlag, der nur einen Haken hat: Diese neue Städte-Steuer könnte nur dann Realität werden, wenn Jungfer mit seinem Buch Unrecht hätte. Sie setzt nämlich voraus, dass Bund und Länder zur Einsicht fähig sind und den Städten das Geld und die Rechte zugestehen, die nötig und angemessen wären.
Ob das je so kommt? Gerade Jungfer beschreibt eine aus den Fugen geratene Ordnung, die vieles aussagt über die Krise des Föderalismus. Das Subsidiaritätsprinzip sieht eigentlich vor, dass jede Ebene des Staatsaufbaus ihre Angelegenheit selbst regelt; stattdessen haben sich die Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden heillos verheddert. Dabei zahlen die Schwächsten, die Städte, so oft die Zeche, dass Jungfer zu dem düsteren Schluss kommt: „Der Staat ist kein Freund.”
JOACHIM KÄPPNER
KLAUS JUNGFER: Die Stadt in der Krise. Ein Manifest für starke Kommunen. Carl Hanser Verlag, München 2005. 240 Seiten, 19,90 Euro.
Protest der Oberbürgermeister: Vor knapp zwei Jahren demonstrierten in Berlin unter anderem Christian Ude (SPD), Petra Roth (CDU), und Herbert Schmalstieg (SPD) parteiübergreifend für eine Gemeindefinanzreform.
Foto: ddp
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Joachim Becker bringt die gefährliche Formel von der "langweiligen Brillanz" ins Spiel - tatsächlich ist Klaus Jungfers "Hilferuf" nach einer neuen Aufgabenverteilung zwischen Gemeinderäten und ihren Verwaltungen "fachlich fundiert" und stellt nach Auskunft des Rezensenten "in ihrer Kompaktheit und Solidität etwas Besonderes" dar. Jungfer selbst war ehedem, mehr als zehn Jahre lang, selbst Stadtkämmerer, und nach Empfinden des Rezensenten hat an seiner Studie der ganze Stab der Münchner Kämmerei mitgewirkt. Große Gefahren drohen nach Jungfers Ansicht durch die fortschreitende Privatisierung von eigentlich in öffentlicher Verantwortung liegenden Bereichen und durch Entkommunalisierung. Der Autor macht sich dagegen stark für starke Städte. Seine Analysen findet Becker "fundiert", die "Lösungsansätze interessant" - doch erhebt er einen grundlegenden Einwand: das alles sei wirkungslos. Sicher sind, so Becker, des Autors Forderungen unterstützenswert; doch wirklich Abhilfe sei eben nur von einer "wirtschaftlichen Erholung des Gesamtstaates" zu erwarten. Sonst drohe in absehbarer Zukunft in örtlichen Verwaltungen das Regiment von "Staatskommissaren".

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Im Wettbewerb der Städte um die besten Köpfe, um junge und intelligente Menschen, kommt es nicht nur auf den Wirtschaftsstandort, sondern auch auf den Lebensort an, auf das soziale und kulturelle Ambiente also, in dem Menschen gern leben und arbeiten. Diese Erkenntnisse bleiben freilich weitgehend folgenlos. Zwar sind in der politischen Rhetorik die Städte längst aufgewertet. In Wirklichkeit stecken viele von ihnen in der Krise. Wer wissen möchte, warum das so ist und was man dagegen tun kann, der lese das vorzügliche Buch von Klaus Jungfer."
Warnfried Dettling, Die Zeit, 20.10.05

"Jungfers Buch ist ein überfälliges Plädoyer gegen die Entrechtung der Städte...Soweit dies bei einem Buch möglich ist, das sich mit der Gemeindefinanzreform beschäftigt, schreibt Jungfer gut und flüssig; auch Laien können ihm mühelos folgen. Seine historischen Exkurse sind sogar hübsche kleine Feuilletons."
Joachim Kappner, Süddeutsche Zeitung, 26.09.05

"Jungfer schreibt prägnant. [...] Mit präzisen Zügen umreißt Jungfer die Rahmenbedingungen, die für die Krise der kommunalen Finanzen gesorgt haben: Die Schwäche der Wirtschaft und das Versagen des Staats, der willfährig den Forderungen der Wirtschaftsverbände nachkomme."
Achim Sing, Bayerische Staatszeitung, 30.09.05

"Humorvoller Schlag gegen `die da oben´".
Eberhard Geiger, Münchner Merkur, 21.09.05