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Das Konzept der Sünde gilt in unserer heutigen Gesellschaft als überholt. Die sieben Ursünden Völlerei, Unkeuschheit, Habsucht, Trägheit, Zorn, Hoffart und Neid vertragen sich schlecht mit unserem Lebensstil, in dem raffiniertes Essen, ein ausgefülltes Sexualleben, Schnäppchen im Internet und Shopping als Garanten eines erfüllten Lebens gelten. Gerhard Schulze zeigt in diesem Buch, wie sich unsere Gesellschaft vom Konzept der Sünde distanziert hat, und wird damit kontroverse Diskussionen auslösen.

Produktbeschreibung
Das Konzept der Sünde gilt in unserer heutigen Gesellschaft als überholt. Die sieben Ursünden Völlerei, Unkeuschheit, Habsucht, Trägheit, Zorn, Hoffart und Neid vertragen sich schlecht mit unserem Lebensstil, in dem raffiniertes Essen, ein ausgefülltes Sexualleben, Schnäppchen im Internet und Shopping als Garanten eines erfüllten Lebens gelten. Gerhard Schulze zeigt in diesem Buch, wie sich unsere Gesellschaft vom Konzept der Sünde distanziert hat, und wird damit kontroverse Diskussionen auslösen.
Autorenporträt
Gerhard Schulze, geb. 1944, studierte Soziologie zuerst in München und dann in Nürnberg, wo er auch promovierte und sich habilitierte. Seit 1978 ist er mittlerweile emeritierter Professor für Methoden der empirischen Sozialforschung und Wissenschaftstheorie an der Universität Bamberg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2006

Sachbücher des Monats Februar
Empfohlen werden nach einer monatlich erstellten Rangliste Bücher der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie angrenzender Gebiete.
1.ROBERT HARRISON: Die Herrschaft des Todes. Übersetzt von Martin Pfeiffer. Carl Hanser Verlag, 304 Seiten, 29,90 Euro.
2.ELI ZARETSKY: Freuds Jahrhundert. Die Geschichte der Psychoanalyse. Übersetzt von Klaus Binder und Bernd Leineweber. Zsolnay Verlag, 624 Seiten, 39,90 Euro.
3.IGOR KOSTIN: Tschernobyl. Nahaufnahme. Übersetzt von Claudia Kalscheuer. Verlag Antje Kunstmann, 240 Seiten, 24,90 Euro.
4.ROGER WILLEMSEN: Hier spricht Guantánamo. Übersetzt von Lucine Tamenian, Nadia Karim, Michaeil Firsstow, Majid Ibrahim und Roger Willemsen. Verlag 2001, 238 Seiten, 12,90 Euro.
5.BARBARA EHRENREICH: Qualifiziert und arbeitslos. Eine Irrfahrt durch die Bewerbungswüste. Übersetzt von Gabriele Gockel und Sonja Schuhmacher. Verlag Antje Kunstmann, 256 Seiten, 19,90 Euro.
6.KLAUS VON BEYME: Das Zeitalter der Avantgarden. Kunst und Gesellschaft 1905 - 1955. C. H. Beck Verlag, 995 Seiten,58 Euro.
7.GERHARD SCHULZE: Die Sünde. Das schöne Leben und seine Feinde. Carl Hanser Verlag, 288 Seiten, 21,50 Euro.
8.-9.STEVE CRAWSHAW: Ein leichteres Vaterland. Deutschlands Weg zu einem neuen Selbstverständnis. Übersetzt von Hartmut Schickert. Campus Verlag, 310 Seiten, 24,90 Euro.
ULRIKE JUREIT/MICHAEL WILDT (Hg.): Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs. Hamburger Edition, 354 Seiten, 35 Euro.
10.JULES BARBEY D’AUREVILLY: Gegen Goethe. Übersetzt von Gernot Krämer. Verlag Matthes & Seitz, 176 Seiten, 19,80 Euro.
Besondere Empfehlung des Monats Mai 2006 von Andreas Wang: Die Zukunft der Erde. Was verträgt unser Planet noch? Herausgegeben von Klaus Wiegandt und Ernst Peter Fi-scher. Fischer Taschenbuch Verlag, 432 Seiten, 13,95 Euro.
Mitglieder der Jury:
Rainer Blasius, Eike Gebhardt, Fritz Göttler, Wolfgang Hagen, Daniel Haufler, Otto Kallscheuer, Matthias Kamann, Petra Kammann, Guido Kalberer, Elisabeth Kiderlen, Jörg-Dieter Kogel, Hans Martin Lohmann, Ludger Lütkehaus, Herfried Münkler, Johannes Saltzwedel, Wolfgang Ritschl, Florian Rötzer, Albert von Schirnding, Norbert Seitz, Eberhard Sens, Hilal Sezgin, Volker Ullrich, Andreas Wang, Uwe Justus Wenzel.
Redaktion: Andreas Wang (NDR)
Die nächste SZ/NDR/BuchJournal-
Liste der Sachbücher des Monats erscheint am 31. Mai.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2006

Kann denn Sünde Sünde sein?
Gerhard Schulzes Soziologie des schönen Lebens / Von Jürgen Kaube

Der Grundgedanke dieses Buches ist einfach: Die westliche Gesellschaft ist durch Aufklärung und Romantik geprägt worden. Der Aufklärung verdankt sie ihre Präferenz für Kritik, Analyse und Dissens. Nichts, was sie nicht zumindest zur intellektuellen Negation freigäbe, nichts, wozu nicht abweichende Meinungen bestünden. Alle Heiligtümer, vor allem die religiösen und moralischen, würden durchleuchtet.

Die Romantik habe diese Welt gesteigerter Nüchternheit um eine des gesteigerten Hedonismus ergänzt. Anders formuliert: Sie hat die Europäer auf die industrielle Massenproduktion vorbereitet, indem sie zu einer Ethik disziplinierter Erwerbsarbeit das Ideal einer moralisch immer wieder in Zweifel gezogenen, doch ökonomisch passenden Glückserfüllung im Konsum hinzufügte. Phantasie, Exzentrik, Selbstgenuß und die Vorstellung, qua Individualität Zugang zu allen Höhenlagen des Vergnügens finden zu können, breiten sich aus. Mitmachen und doch aussteigen: Vom Horrorfilm über den Tourismus bis zu den Suchtmitteln und den Extremsportarten ist eine Welt entstanden, deren Figuren die Romantiker vorgeturnt haben.

Dieses vom Bamberger Soziologen Gerhard Schulze mit breitem Pinsel und plaudernd hingeworfene Bild der modernen Gesellschaft hat den Vorzug, ihre moralische Vielstimmigkeit zu betonen. Rücksichtsfreier Eigennutz und besinnungslose Hingabe an Kollektive, universalistische Einstellungen und persönliche Loyalitäten, instrumenteller und intimer Umgang mit anderen, Leistungsorientierung und Feier des Unverfügbaren, Spezialisierung und Lob des nichtentfremdeten Menschen - in allen diesen Dimensionen hat die Moderne Steigerungsleistungen vorzuweisen. Es ist diese Steigerung des jeweils Entgegengesetzten, die es so schwierig macht, sie mit anderen Epochen zu vergleichen.

Der Autor versucht es dennoch. Für ihn ist die "Kultur des Westens" eine, die sich radikal von der christlichen, ja von jeder hochreligiösen Kultur unterscheidet. Darum glaubt er, im Begriff der "Sünde" einen Schlüssel zu den Unterschieden unserer Lebensform zu allen früheren und denen, die fundamentalistische Religionen propagieren, zu besitzen. Was früher als Sünde, ja Todsünde bezeichnet wurde, sei heute als Moment der Glückssuche freigegeben. Von außergewöhnlichen asketischen Zumutungen sei der moderne Mensch entlastet. Der Fokus seiner Lebensplanung liegt nicht im Jenseits, sondern im Hier und Jetzt. Er lebe nicht "vom Tode her", sondern von ihm weg. Sein Ideal sei das "schöne Leben", nicht das gottwohlgefällige.

Um die westliche Gegenwart so gegen ihre Vorgeschichte zu profilieren, geht Schulze jedes Hauptlaster aus dem spätantik-mittelalterlichen Katalog der schlimmsten Verfehlungen durch. "Wegen ihrer leidenschaftlichen Ablehnung dessen, was heute westlicher Lebensstil heißt", zieht er die Kirchenväter heran, um Freiheitsgewinne durch Privatisierung der Lebensführung zu bilanzieren. Daß die Kirchenväter unseren Lebensstil mangels Kenntnis gar nicht ablehnen konnten, daß sie im Begriff "Sünde" Erscheinungen ihrer Zeit negierten, spielt für den Soziologen keine Rolle. Doch für die Verwendung von Vokabeln wie "Völlerei" und "Zorn" dürfte es ins Gewicht fallen, ob Hungerkrisen und Gewalttaten normal sind oder nicht. Daß der Sündenkatalog sich gegen "das harmlose Vergnügen" richtete, ist also nicht nur fragwürdig, weil "Eifersucht" oder "Neid" kaum als vergnüglich bekannt sind. Wenn Schulze "acedia" mit "Faulheit" anstatt mit "Herzensträgheit" übersetzt und in dieser Todsünde einen Angriff auf die Freizeit und das "süße Glück des Nichtstuns" erkennt, dann wird deutlich, wie wenig er sich um den historisch gemeinten Sinn dessen gekümmert hat, von dem er behauptet, wir hätten es hinter uns.

Diese Unbekümmertheit zeigt sich auch in der Machart des Buches. Schulze zieht eigene Einfälle dem Studium vor. Die Todsünden sind ihm etwas Ähnliches wie die Erbsünde. Luther legt im Kapitel über "Habsucht" - die Rechtsgeschichte muß neu geschrieben werden! - "den Grundstein für den modernen Begriff des Eigentums". Mit dem reformatorischen Sündenbegriff setzten sich dafür moderne Denker "kaum auseinander". Kaum: Kierkegaard, Nietzsche, Heidegger. Im Kapitel über "Unkeuschheit" tauchen Männer und Frauen als "zwei Systeme" auf, die, was die Systemtheorie aber leider übersehe, sich einander mitteilen und einander verstehen können. Potztausend! Daß die einzige Äußerung der Systemtheorie zu dieser Frage in einem Buch besteht, in dem Liebe überhaupt nur als Mitteilung und Verstehen - mithin nicht als Gefühl - behandelt wird, bleibt unerwähnt. Hingegen wäre die Existenz eines neben dem Wirtschafts-, dem Erziehungs- und dem Wissenschaftssystem existierenden "Männersystems" tatsächlich etwas Neues.

Diesseits solcher Laubsägearbeiten aus dem soziologischen Hobbykeller verwundert die Selbstgewißheit, mit der über moralische Fragen befunden wird. So wird beispielsweise Mozarts "Don Giovanni", geprägt von der "Sexualitätsphobie" des Christentums, zum Beleg dafür, daß das Bekenntnis des Menschen zu sich selbst vormals Abtrünnigkeit von Gott bedeutet habe. Don Giovanni als Allegorie genüßlich humaner Zuwendung zum anderen Menschen? Zerlina wüßte darauf einen eigenen Reim. Aber Schulze hat sich darauf festgelegt, daß die Todsündenlehre gegen das Allerselbstverständlichste gerichtet war. Darum bleibt ihm nur, die gesamte vormoderne Religiosität als ebenso bösartigen wie törichten Angriff auf die Menschheit und ihre harmlosen Eigenschaften darzustellen. Erst die Moderne eröffnet für ihn den Weg des Menschen zu sich selbst als einem "ganzen Menschen", der eben aus Verstand und Gefühl bestehe, "dem kategorischen Imperativ des sexuellen Abenteuers" nicht widerstehen könne, und sich auch sonst von niemandem rein-redenlassen wolle in seine Lebensführung. Daß die Moderne nicht nur das Gute, sondern auch das Unmenschliche gesteigert hat, will der Autor nicht wahrhaben.Schulzes Sensorium für moralische Bilanzen kann man an einer seiner vielen Anekdoten ermessen. Als 1977 das entführte Flugzeug in Mogadischu tagelang der brennenden Sonne ausgesetzt war, gaben die Terroristen den Passagieren nur ab und zu etwas Orangensaft zur Erfrischung. Eine Frau unter den Geiseln, so Schulze, erzählte später, wie ihr Mann, als sie gerade abgelenkt war, ihren Becher in einem Zug leer getrunken habe. Kaum befreit, ließ sie sich scheiden. Und was fällt Schulze dazu ein? Daß der Becher Saft für den Mann einen Moment der Erfüllung bedeutet habe, daß in Momenten solchen sinnlichen Glücks sich Paradiese auftun, daß der "kategorische Imperativ" des Körpers laute: "Dulde keinen Mangel." Was mit Habsucht und Trägheit des Herzens einst gemeint war, springt einen aus jener Anekdote förmlich an. Möchte man jemandem, der sich lieber in den Durstigen einfühlt, wirklich eine Soziologie der Moral abkaufen?

Gerhard Schulze: "Die Sünde" Das schöne Leben und seine Feinde. Carl Hanser Verlag, München 2006. 287 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Die Moderne von den Vorgängerepochen abzugrenzen sei aufgrund der ihr innewohnenden Widersprüche recht schwierig, konzidiert Jürgen Kaube. Gerhard Schulze versuche es über die Sünde und beschreibe die Gegenwart als Produkt von Aufklärung und Romantik, wobei letztere für den Hedonismus, die "Glückssuche", oder eben die Sünde zuständig sei. Dass der Autor sein Bild der Gesellschaft mit "breitem Pinsel" und im Plauderton skizziert, stört den Rezensenten nicht so sehr, da so die "moralische Vielstimmigkeit" der Gegenwart betont werde. Was Kaube aber stört, ist die mangelhafte Recherche des Autors, der sich zum Missfallen Kaubes eher auf "eigene Einfälle" stützt und damit Ungenauigkeiten und fehlerhafte Interpretationen provoziert. Abgesehen von diesen "Laubsägearbeiten aus dem soziologischen Hobbykeller" erstaunt den Rezensenten zudem die "Selbstgewissheit" in moralischen Fragen, die er dem Autor nach der Lektüre nicht mehr uneingeschränkt zugestehen möchte.

© Perlentaucher Medien GmbH"