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Ohne Bücher kein Paradies - niemand weiß das besser als Umberto Eco: so schreibt er fesselnd und gelehrt über sein ureigenstes Thema: die Literatur, die Phantasie und das Erzählen. Von Don Quixote, von einer Lesart von Dantes Paradies oder von den Paradoxien von Oscar Wilde handeln seine Aufsätze. Und manchmal nimmt Eco sein eigenes Werk und sein eigenes Erzählen zum Bezugspunkt seiner Überlegungen und wirft damit ein deutliches Licht auf sein eigenes Schreiben.

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Produktbeschreibung
Ohne Bücher kein Paradies - niemand weiß das besser als Umberto Eco: so schreibt er fesselnd und gelehrt über sein ureigenstes Thema: die Literatur, die Phantasie und das Erzählen. Von Don Quixote, von einer Lesart von Dantes Paradies oder von den Paradoxien von Oscar Wilde handeln seine Aufsätze. Und manchmal nimmt Eco sein eigenes Werk und sein eigenes Erzählen zum Bezugspunkt seiner Überlegungen und wirft damit ein deutliches Licht auf sein eigenes Schreiben.
Autorenporträt
Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria (Piemont) geboren und starb am 19. Februar 2016 in Mailand. Er zählte zu den bedeutendsten Schriftstellern und Wissenschaftlern der Gegenwart. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt u.a. der Roman Nullnummer (2015), Pape Satàn (Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen, 2017), Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis (2019), Der ewige Faschismus (2020) und Der Name der Rose (Jubiläumsausgabe, 2022).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003

Er kann sich seine Bomben selber basteln
Et in arcadia Eco: Wie man seine eigenen und die Bücher anderer Autoren einkreist / Von Andreas Platthaus

Was ist Wahrheit? Auf diese Frage antwortete Thomas von Aquin, Wahrheit sei die Übereinstimmung von Ding und Intellekt. Einen seiner gelehrigsten neuzeitlichen Schüler hat Thomas in Umberto Eco gefunden, der mit einer Arbeit über den Aquinaten promoviert worden ist. Der italienische Semiotiker, Romanautor, Essayist lebt geradezu diesen Wahrheitsbegriff: Die intellektuelle Existenz Ecos ist verknüpft mit seinen Romanen, sein theoretisches Streben seit Erscheinen des "Namen der Rose" vor mittlerweile zwei Jahrzehnten bemüht, das eigene Schreiben zu rechtfertigen. Das ist auch in seinem neuesten Buch "Die Bücher und das Paradies" nicht anders.

Nun lebte Thomas noch in einer Zeit, der Intellekt als Gottesgabe galt, und somit reduzierte sich die Frage der Übereinstimmung mit den Dingen auf eine Gnade, die keine Überprüfung mehr benötigte. Erst Popper verstand in der Darwinschen Tradition der Entmachtung des göttlichen Ratschlusses auch die Wahrheit als evolutionär: Nunmehr konnte etwas nur noch als wahr gelten, bis es falsifiziert worden ist. Es gibt keine Sicherheit mehr.

Doch ein kleiner Teil der Dinge widersetzt sich der Falsifikation, und ihm darf man deshalb weiterhin ein Wahrsein zusprechen. In Ecos vor zweieinhalb Jahren in Mantua gehaltenem Vortrag "Über einige Funktionen der Literatur" proklamiert er, daß ewige Wahrheit allein in der Literatur zu finden sei, weil deren Aussagen nicht widerlegt werden könnten: "Auch der Patriarch von Konstantinopel (der stets bereit ist, sich mit dem Papst über das filioque zu streiten) würde dem Papst darin zustimmen (hoffe ich jedenfalls), daß es wahr ist, daß Sherlock Holmes in der Baker Street wohnte und Clark Kent dieselbe Person wie Superman ist." Und das nicht etwa, weil der Papst Unfehlbarkeit beansprucht, sondern weil diese nur der Literatur zukommt.

Gibt es einen größeren Vertrauensvorschuß als diesen Vortrag, den Eco an den Beginn seiner neuen Publikation setzt? Die deutsche Übersetzung hat vor deren bescheidenen Originaltitel "Sulla litteratura" eine teleologische Bestimmung gesetzt: eben "Die Bücher und das Paradies". Das ist zwar nicht ganz von derselben Emphase wie das Diktum des Atheisten Arno Schmidt: "Es gibt keine Seligkeit ohne Bücher", aber doch als Übereinstimmung gemeint, die der Literatur eine Erlösungsfunktion zuweist. Denn mit dem Wahrheitsanspruch der Literatur verbindet sich eine Grenzziehung für deren Interpretation, und schon ist zumindest Eco erlöst: Die Aussagen der Dichter sind sakrosankt, "sie können von niemandem widerlegt werden". Und schon ist man mit den Herausforderungen konkurrierender Theorien fertig.

Die Fragwürdigkeit dieser denkbar starken These Ecos erweist sich just am Beispiel von Sherlock Holmes, dessen literarische Existenz Gegenstand einer mittlerweile gewaltigen Forschungsanstrengung geworden ist. Es gibt - um nur eines der provozierendsten Ergebnisse dieser Forschung zu nennen - etwa gute Gründe, in Dr. Watson, dem treuen Begleiter von Holmes und Chronisten von dessen Taten, eine Frau zu sehen, die vom Autor Arthur Conan Doyle lediglich als Mann dargestellt wurde, um den sittlichen Ansprüchen des Viktorianismus zu entsprechen. Diese Interpretation der Rolle Watsons würde Eco zweifellos als falsch bezeichnen, und solange keine Quellen auftauchen, die über eine solche Strategie Conan Doyles eindeutig Auskunft geben, mag man nun seinerseits diese Aussage Ecos für wahr halten. Doch als Aussage ist sie eben nicht mehr Gegenstand der Literatur und somit selbst falsifizierbar. Geschähe es, bräche dann die Wahrheit von Literatur mit ihrem Postulat zusammen?

Zu solch zirkulären Überlegungen führt uns Eco in seinem neuen Buch immer wieder. Er ist ein Meister der Umkreisung, der "Enzyklopädie" in ihrer buchstäblichen Bedeutung, die sich aus der griechischen enkyklios paideia, der kreisförmigen Erziehung zur Musik im Chor, herleitet. Allerdings ist auch die Egozentrik eine Kreisbewegung, und wie wir es aus anderen essayistischen Büchern Ecos schon gewohnt sind, ist auch in der neuen Publikation vor allem Umberto Ecos Werk die Bezugsgröße, an der sich das schwierige Verhältnis von Text und Interpretation prüfen lassen muß. Richard Rortys Verwunderung, die er 1990 nach der Lektüre von Ecos Roman "Das Foucaultsche Pendel" äußerte, worin er eine Polemik gegen fundamentalistische Textexegese zu entdecken geglaubt hatte, die den wissenschaftlichen Schriften des gleichen Autors widersprach, läßt sich darauf zurückführen, daß Eco in der seltenen Doppelrolle von Romancier und Exeget sich die Bomben selber basteln kann, mit denen er dann das Terrain der Interpretation vermint. Wenn er gern als Vollender des postmodernen Romans gefeiert wird, so steht dagegen seine in der Diskussion mit Rorty vertretene Meinung, nein, sein Dogma: "Es ist nicht wahr, daß alles geht."

Das aber soll als Wahrheit gelten. Zumindest für Eco, der es liebt, anhand der Überinterpretation seiner eigenen Werke durch andere nachzuweisen, wie naiv eine Literaturwissenschaft agiert, die auf eine subjektive Lektüre abstellt und nicht auf die objektiven Parameter des Textes. Nun ist es paradox, daß dieser Subjektivismus vom Autor der interpretierten Werke selbst angeprangert wird. Doch diese, nennen wir es: Ecozentrik seiner Argumentation hat die Wirkung des italienischen Semiotikers nicht gemindert, der mittlerweile weniger Zeichen deutet, als daß er der Welt der Literaturkritik sein Zeichen aufprägt.

So ist ein gut Teil der im neuen Buch versammelten Texte entstanden als Beiträge auf Kongressen, die sich dem Schreiben von Eco selbst widmeten. Für ihn "liegt auf der Hand", daß "der Leser etwas über den Text wissen will und nicht über die Metasprache der Lektüreprotokolle". Also gut, sprechen wir allein über den Text, ohne jede Interpretation. Zunächst entlarvt er die Gutgläubigkeit, die selbst einen anerkannten Übersetzer wie Burkhart Kroeber befällt, wenn er seinem Autor ungeprüft falsche Schreibweisen wie Al Roach (statt Hal Roach), Tom Jodd (statt Tom Joad), Robert Crumbs (statt Robert Crumb) oder Fritz the Kat (statt Fritz the Cat, aber Krazy Kat) durchgehen läßt, von den angeblich vierzig Jahren, die zwischen der Lektüre von Foucaults "Ordnung der Dinge" (1966 erschienen) bis zur Niederschrift des "Foucaultschen Pendels" (abgeschlossen 1988) vergangen sein sollen, ganz zu schweigen. Das erinnert den Eco-Leser an die schöne Verschreibung von Gérard de Nervals Erzählung "Sylvie", die in der deutschen Übersetzung von "Zwischen Autor und Text" (1994) einmal zu "Sylvia" wurde, wodurch ein ungewollter Brückenschlag zu Leopardis Gedicht "A Silvia" erfolgte - beides Texte, die Eco liebt. Und schon sehen wir, daß auch eine ganz auf den Text konzentrierte, ohne jede "Metasprache" begonnene Kritik in eine subjektive Lektüre münden kann, die ungleich interessanter wird als die Tatsache des Verschreibens an sich.

Zu abhängig ist somit die von Eco der Literatur zugesprochene Wahrheit von Zufälligkeiten wie etwa dem Druckprozeß oder der Übersetzung, als daß wir sie ernst nehmen dürften. Und dem pflichtet Eco sogar implizit bei. Im schönsten seiner Aufsätze des neuen Buches umkreist er Nervals "Sylvie" aufs neue und korrigiert dabei den in der Erzählung geschilderten Weg des Erzählers, weil dessen Pfade keine Entsprechung im Valois, wo die Geschichte angesiedelt ist, finden. Gerade aber für diese Hybris, diese Widerständigkeit gegenüber der eigenen Theorie von der Theorie, muß man Eco lieben, denn hier erweist er sich als Faszinierter, wie es nur die besten Leser sind. Und als konsequenter Relativist: "Im Grunde ist es die erste Pflicht des gebildeten Menschen, sich bereit zu halten, die Enzyklopädie jeden Tag neu zu schreiben." Auch diejenige, die sich den eigenen Umkreisungen verdankt.

Umberto Eco: "Die Bücher und das Paradies". Über Literatur. Aus dem Italienischen übersetzt von Burkhart Kroeber. Hanser Verlag, München 2003. 348 S., Abb., geb., 23,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "Meister der Umkreisung, der 'Enzyklopädie' in ihrer buchstäblichen Bedeutung" ist Rezensent Andreas Platthaus Umberto Eco auch in seinem neuen Buch begegnet. Allerdings ist auch die Egozentrik eine Kreisbewegung, heißt es weiter, und so sei es in diesem essayistischen Buch vor allem das eigene Werk, an dem Eco das schwierige Verhältnis von Text und Interpretation überprüfe. Gewissermaßen also könne Eco in der "seltenen Doppelrolle als Romancier und Exeget" sich die Bomben selber basteln, mit denen er dann das Terrain der Interpretation vermiene. Die meisten Texte entstanden als Beiträge zu Kongressen, die sich Schreiben und Literatur Umberto Ecos gewidmet hätten, informiert der Rezensent. Zu den schönsten Aufsätzen des Buches zählt Platthaus einen, der Nervals "Sylvie" umkreist. Auch in seiner Egozentrik scheint Eco ihm immer noch lesens- und sogar liebenswert. Besser als der deutsche Titel und dessen "teleologische Bestimmung" hat ihm der bescheidenere Originaltitel des Buches "Sulla Litteratura" gefallen.

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"Wendig führt er sich und den Leser ... ins papierene Paradies der Bücher ..." Ursula Pia Jauch, Neue Zürcher Zeitung, 03.05.03

"Gerade für diese Widerständigkeit gegenüber der eigenen Theorie von der Theorie muß man Eco lieben, denn hier erweist er sich als Faszinierter, wie es nur die besten Leser sind." Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.03.03
"Immer wieder überrascht Eco durch kreative Einfälle und Thesen."
Südkurier