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Der 14-jährige Andrea lebt zurückgezogen in seiner eigenen Welt, seit er seinen besten Freund bei einem Tauchunglück verloren hat. Ohne Alessandro fehlt ihm der "Kapitän", der immer wusste, was zu tun war. Erst durch eine Reise in die Erinnerung gelingt es Andrea, den Verlust zu überwinden. Sieben Jahre nach dem Unglück begibt er sich noch einmal zu der Höhle, in der Alessandro sein Leben ließ, und wagt dort selbst den gefährlichen Tauchgang. Aus dem "Ersten Offizier" ist ein eigenständiger "Kapitän" geworden.

Produktbeschreibung
Der 14-jährige Andrea lebt zurückgezogen in seiner eigenen Welt, seit er seinen besten Freund bei einem Tauchunglück verloren hat. Ohne Alessandro fehlt ihm der "Kapitän", der immer wusste, was zu tun war. Erst durch eine Reise in die Erinnerung gelingt es Andrea, den Verlust zu überwinden. Sieben Jahre nach dem Unglück begibt er sich noch einmal zu der Höhle, in der Alessandro sein Leben ließ, und wagt dort selbst den gefährlichen Tauchgang. Aus dem "Ersten Offizier" ist ein eigenständiger "Kapitän" geworden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.11.2002

Länger will ich
nicht fliehen
Margherita d’Amico erzählt
von wiedergefundener Jugendzeit
Ein Erinnerungsstück, Echos der verlorenen Zeit: „Für den, der es nicht weiß: Das Ohr der Venus ist eine flache Muschel. Seine Muschel hatte an einer Seite ein Loch, durch das eine Schnur gefädelt war. Ein Stückchen Perlmutt war abgesplittert, aber sonst war sie unbeschädigt. Er zögerte, nahm sie dann behutsam zwischen die Finger und legte sie sich auf die Handfläche. Wie das Silber, Rosa und Türkis immer noch glänzte, schillernd auf der glatten Oberfläche! Im Schein der Lampe schimmerten die Farbtöne und verzauberten das Auge. Und Andrea ließ sich von diesem Lichtspiel einhüllen, das Augen und Seele in einem seltsamen Tanz wiegte.”
Ein heilsames Lichtspiel. Viele Jahre hat sich der junge Andrea geweigert in die Vergangenheit zurückzukehren. Eine Leere ist in ihm, als wäre er nicht mehr vorhanden. Nun, mit vierzehn, will er Ordnung schaffen. Räumt die Schubladen seines Schreibtischs auf. Findet als letztes das Ohr der Venus. Die Muschel ist ein Zeichen, wie die Narbe an der Stirn, die er hat von einem Steinwurf. Nun weiß er, was er tun muss, um frei zu werden von dem Trauma, das ihn peinigt, seitdem er halb so alt war.
Eine unbeschwerte Jugend war es gewesen, damals, mit den Geschwistern, mit den Freunden, und besonders in den Tagen des August, wenn es ans Meer ging, wo man spielte mit den Kindern aus dem Haus nebenan, mit Clara und mit Alessandro. Spiele wirklicher als die eigentliche Wirklichkeit, Entdeckungsfahrten, die aus einem Schlauchboot die Brigg Mako machten, mit Alessandro als Kapitän, Andrea als Zweitem an Bord. Schatzsuche in unwegsamen Felsgrotten, im Krähenloch – und eine, die letzte dieser Expeditionen wird tödlich.
Es ist ein unglaubliche Kindheit, unglaublich vor allem weil sie unbehütet ist. Soviel Freiheit, soviel Abenteuer – soviel Gefahr auch. Der Tod ist Teil dieser Freiheit, Tod, der manchmal auch ein Ausweg wird für die, die das Leben fliehen. Im Krähenloch werden die beiden Jungen von der Flut überrascht, Alessandro überlebt das Abenteuer nicht.
Es gibt Gemeinschaft in dieser Welt, Kommunikation, Gemeinsamkeit – aber es ist auch einen Kokon von Einsamkeit um diese Menschen, die jungen wie die erwachsenen, die Jedem das schmerzliche Geheimnis seiner Existenz lässt. Es gibt unerwartete Begegnungen, Austausch von Erinnerungen und Erfahrungen.
Für den, der es nicht weiß ... das hat nichts mit Besserwisserei zu tun. Margherita d’Amico erzählt tangential, sie lässt was sich abspielt in der Schwebe. So wie man Kindheit oder Jugend erlebt, ohne immer sofort zu wissen, was die Erlebnisse bedeuten, die Sätze, die man zu hören bekommt, die Geschenke, die man sich zugedacht hat, die Taten, zu denen man, aus unbegründbarem Impuls heraus, aufbrechen muss. Weil man dazu geboren ist, weil die Stunde gekommen ist. Es hat sich nichts geändert in dieser Hinsicht seit den Tagen der Ilias, seit Hektors Entscheidung: „Länger will ich vor dir nicht fliehen, Pelide, wie aber ... Doch jetzt ergreift mich Verlangen; Dir entgegenzutreten, ich fälle dich oder ich falle.”
Es geht um Entscheidung und Bestimmung, die Frage der Handlungsfreiheit. Es gilt den Rat zu beherzigen, den man, im Halbschlaf, eines Nachts aufgeschnappt hat, da ging’s ums Boccia-Spiel: „Stellen Sie sich eine Partie vor. Die Kugeln liegen still da, unbeweglich; ein Bild, das keine Perspektive bietet. Wer als Nächster werfen muss, scheint ein Gefangener der Situation zu sein. Aber auch wenn man ihn nicht sofort sieht, es gibt immer einen lebendigen Punkt, auf den man genau zielen muss. Man bestimmt ihn, man zielt auf ihn, und peng, schon ist man wieder im Spiel.” Andrea geht noch einmal auf eine Reise, mit der Bahn, in ein Dorf im Gebirge, zu Alessandros Schwester, der die schönste Perle des Schatzes zugedacht war. Er wird der Zweite bleiben – das ist die Freiheit, die er gesucht hat.
FRITZ GÖTTLER
MARGHERITA D’AMICO: Der Zweite an Bord. Aus dem Italienischen von Anne Brans. Carl Hanser Verlag 2002. 136 Seiten,12,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein Trauma überschattet das Leben des jungen Andrea, der bei einer spielerischen Expedition in eine Grotte seinen Bruder verlor und seither die Erinnerung an die Zeit vor dem Unglück verschlossen hält. Ein Zufall ruft die Erinnerungen wach. Sie beschreiben aus unserer - westeuoropäischen Sicht - "eine unglaubliche Kindheit", meint Fritz Göttler, die bis zu dem Unglück völlig unbeschwert aber ebenso "unbehütet" verlief, was große Freiheiten aber eben auch Gefahren barg. Mit dieser Ambivalenz geht es weiter, so Göttler, die Welt des Jungen kenne viel Gemeinschaft und Gemeinsamkeiten, aber ebenso gebe es auch einen Kokon von Einsamkeit, in den diese jungen Menschen eingesponnen seien. Dazu passt, was Göttler als "tangentiales" Erzählen der italienischen Autorin bezeichnet: Margarita d'Amico lasse vieles in der Schwebe, erklärt Göttler. Als Kind habe man auch nicht immer gewusst, was bestimmte Sätze oder Erlebnisse zu bedeuten hatten, warum bestimmte Impulse über einen kamen, wie der eigene Entscheidungsprozess eigentlich abläuft und woraus letztlich die Handlungsfreiheit besteht, die Andrea, soweit möglich, am Ende wiedererringt.

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"Liebenswürdig und tief bewegend... Dieses Buch geht spürbar unter die Haut." Hilde Elisabeth Menzel, Die Zeit (Literaturbeilage zur Buchmesse), 02.10.02