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Was haben Derrick und sexuelle Repression miteinander zu tun? Umberto Eco verknüpft sie zu einer provozierenden und unterhaltsamen Geschichte der Alltagskultur, die er hier in seinen gesammelten Glossen zum Besten gibt. Ein Buch, das stundenlanges Lesevergnügen verspricht ...

Produktbeschreibung
Was haben Derrick und sexuelle Repression miteinander zu tun? Umberto Eco verknüpft sie zu einer provozierenden und unterhaltsamen Geschichte der Alltagskultur, die er hier in seinen gesammelten Glossen zum Besten gibt. Ein Buch, das stundenlanges Lesevergnügen verspricht ...

Autorenporträt
Umberto Eco wurde 1932 in Alessandria geboren und lebt heute in Mailand. Er studierte Pädagogik und Philosophie und promovierte 1954 an der Universität Turin. Anschließend arbeitete er beim Italienischen Fernsehen und war als freier Dozent für Ästhetik und visuelle Kommunikation in Turin, Mailand und Florenz tätig. Seit 1971 unterrichtet er Semiotik in Bologna. Eco erhielt neben zahlreichen Auszeichnungen den Premio Strega (1981) und wurde 1988 zum Ehrendoktor der Pariser Sorbonne ernannt.
Er verfaßte zahlreiche Schriften zur Theorie und Praxis der Zeichen, der Literatur, der Kunst und nicht zuletzt der Ästhetik des Mittelalters. Seine Romane `Der Name der Rose` und `Das Foucaultsche Pendel` sind Welterfolge geworden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2002

Verlorene Schar vom Roten Meer
Aus dem Kontext: Umberto Ecos gesammelte Feuilletons

Was für ein toller Hecht Umberto Eco ist, zeigt auch ein solcher Band, ja - er zeigt es vielleicht erst recht. Er versammelt kleinere Arbeiten - Glossen, kurze Essays oder Betrachtungen (manchmal sind sie halb parodistisch dem Stil eines wissenschaftlichen Exposés angenähert), dann, etwas herausfallend, auch Parodien und Travestien. Aber witzig und profund sind auch diese Beiträge. Eine Parodie auf den "Nouveau Roman" zum Beispiel oder eine Geschichte, ominös mit "Das Ding" überschrieben, die von der Erfindung des Faustkeils handelt, oder der herrliche "Brief an meinen dreijährigen Sohn" oder das Lektoratsgutachten für den Chef, in dem es über die Bibel heißt: "Ein monströses Sammelsurium, ein Buch, das alle bedienen will und daher am Ende keinem gefällt . . . Ich würde vorschlagen zu verhandeln, um zu sehen, ob man nicht die ersten fünf Bücher allein herausbringen kann. Das wäre ein sicherer Erfolg. Mit einem Titel wie ,Die verlorene Schar vom Roten Meer' oder so."

Die Glossen sodann beziehen sich auf Alltägliches (man kann nur staunen über Ecos aufmerksamen und intelligenten Blick), Politisches natürlich auch, auf den Skandal des Sofri-Prozesses zum Beispiel, auf Reisen (besonders witzig: die spezifische "Stadtpsychologie" Dresdens); der Begriff "Bestseller" wird klug differenziert; man erfährt auch, warum Macintosh katholisch ist und DOS protestantisch, genauer: kalvinistisch - eine Fußnote zeigt hier die zwischenzeitliche Entwicklung korrigierend auf: "Die diversen releases haben Windows 95 und 98 dazu geführt, zusammen mit Mac entschieden tridentinisch katholisch zu werden. Die Fackel des Protestantismus ist in die Hände von Linux übergegangen"; oder wir erfahren, warum Derrick auch außerhalb Deutschlands so enorm ankommt - trotz des "wäßrigen Blicks" des Protagonisten mit dem "traurigen Lächeln eines geborenen Witwers", und schonungslos sarkastisch legt Eco auch dar - hier kommt er in die Nähe Swifts -, weshalb Hinrichtungen live "zum Abendessen" übertragen werden sollten.

All diese Arbeiten stammen aus rund vierzig Jahren. Der Autor selbst hat sie auch ein wenig für deutsche Leser, die er einigermaßen kennt, für die Buchausgabe eingerichtet. Dem Band liegen drei Sammlungen in italienischer Sprache zugrunde, in ihm ist nun alles in vier Abteilungen geordnet: "Platon im Striptease-Lokal", "Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge", "Derrick und die Leidenschaft für das Mittelmaß" sowie "Neue Glossen". Wieder einmal hat Burkhart Kroeber als Übersetzer hervorragend gearbeitet, gut sekundiert wird er durch Günter Memmert, der rund sechzig der knapp sechshundert Seiten auf deutsch neu geschaffen hat.

Eco hat als Philosoph, Semiotiker und Linguist begonnen, und er hat dann, neben Fachlichem, seit "Der Name der Rose" (1980) nicht nur Romane geschrieben, sondern ziemlich von Anfang an kontinuierlich auch kleine Arbeiten, die in Zeitschriften, Magazinen und Zeitungen herauskamen, besonders in "L'Espresso". In ihm hatte er von 1985 bis 1998 eine wöchentliche Kolumne, seither ist sie vierzehntägig. Eine Seite darf und muß es da jeweils sein; hierzu bemerkt Eco trocken und kokett: "Sich darin zu üben, in einer vorgegebenen Länge auszudrücken, was man denkt, ist etwas, das ich jedem empfehlen kann." Daß sich Schriftsteller, auch Professoren, wenn sie des Schreibens kundig sind, regelmäßig in Zeitungen äußern, ist in den romanischen Ländern seit langem normal; besonders in Italien und - hier schon exzessiv - in Spanien. Ein Schriftsteller oder Professor sucht dort, wenn es irgend geht, sich mittels einer Art Kolumne irgendwo fest zu installieren, und umgekehrt sind auch die Zeitungen stark daran interessiert, Autoren an sich zu binden. In diesem Kontext muß man die hier gesammelten Arbeiten sehen und beurteilen - rasch, mit dem Zwang zur Knappheit, aber auch mit dem zu minimaler Breite, auf den Tag hin geschrieben, in dem Bewußtsein jedoch, ein Schriftsteller zu sein, der also weit hinter den Tag zurück und auch über ihn hinaussieht und an das unmittelbar Aktuelle nicht so gebunden ist: Er hat Freiheit - aber eben nur auf dieser einen zusätzlichen Seite.

So brauchen diese kleinen Arbeiten eigentlich den Hintergrund einer Zeitung oder eines Magazins, um sich abzuheben. In der Textsammlung eines Buches bedarf es dann einer Anstrengung des Lesers. Er muß immer wieder neu, bei jedem Beitrag, beginnen und ihm eben den Charakter eines Feuilletons restituieren. Bei solcher Lektüre aber beginnt fast jeder Text, mit Unterschieden gewiß, zu sprühen. Dann wird der Band auch etwas wie ein Blick in unsere Welt: die kleinere und die größere.

Der Mann aus dem piemontesischen Alessandria, über welche Stadt er hier auch erfrischend und profund berichtet, zeigt sich als ein nicht nur intelligenter, sondern auch vernünftiger Beobachter und Diagnostiker. Man hat den "Namen der Rose" unermüdlich für die Postmoderne, für postmoderne Schreibweise und Stimmung bemüht. In diesen Beiträgen aber ist Eco alles andere als postmodern: keine Beliebigkeit, kein gemütlicher Zynismus, keine Vergleichgültigung der Probleme, gar keine Wurstigkeit, und wenn Eco spielt, und dies tut er immer mal wieder auch, sagt oder signalisiert er, daß er spielt, so daß man in jedem Augenblick weiß, wo man dran ist mit ihm. Eine Glosse von ihm über bestimmte neuere französische Denker, die den schönen Titel "Cogito interruptus" trug und irgendwo zu lesen war, fehlt in dem Band, leider. "Sämtliche" können es also nicht sein.

Eco ist ein entschiedener Vertreter des "common sense". Und noch etwas kommt bei ihm reizvoll hinzu: der unverlierbare biographische Hintergrund des Seminaristen, dessen, der einmal dabei war und es irgendwo noch immer ist. Daß zum Beispiel Religion über eine gewisse Artikulationskraft verfügt, wie wir vor kurzem hörten, wußte er schon immer. Oder - er weiß es immer noch.

HANS-MARTIN GAUGER

Umberto Eco: "Sämtliche Glossen und Parodien 1963-2000". Aus dem Italienischen übersetzt von Burkhart Kroeber und Günter Memmert. Zweitausendeins, Frankfurt 2001. 586 S., geb., 10,20 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Tausendsassa
Der erste Beitrag in dem vorliegenden Buch stammt aus dem Jahr 1959. Es sind die fingierten Aufzeichnungen eines Gefangenen, der sich in Liebe nach einer Frau verzehrt. Schon hier machen sich die Qualitäten bemerkbar, die den damals 27-jährigen Umberto Eco weltberühmt machen sollten: Humor und Intelligenz. 43 Jahre sind seither vergangen, Eco hatte in der Zwischenzeit größte Erfolge als Wissenschaftler, Romancier und Glossenschreiber. Nun sind alle Glossen und Parodien, die dieser Tausendsassa in den vergangenen Jahrzehnten geschrieben hat, in einem Band versammelt und laden den Leser zum Blättern, Lesen und Lachen ein.
Pastiches und Parodien
Einige der Pastiches und Parodien wird der Leser aus Veröffentlichung in der Zeitung oder in Büchern wie Wie man mit einem Lachs verreist kennen. Andere Beiträge sind in dieser Ausgabe erstmals auf Deutsch zu lesen, Beiträge, die Eco als den scharfen Beobachter bestätigen, als den man ihn kennt und schätzt. Alltagsphänomene wie Talkshow-Wahnsinn, sexuelle Repression oder Krieg, Gewalt und Gerechtigkeit nimmt er mit seinem intelligenten Humor scharfsinnig aufs Korn und macht damit auf Missstände unserer kulturellen Rezeption aufmerksam. Dabei scheut er auch nicht vor heiklen Themen zurück, wie Pornographie im Internet oder die Fatwa gegen Salmon Rushdi.
Besonders schön sind außerdem die Lektoratsgutachten, die unter dem Titel ...müssen wir mit Bedauern ablehnen zusammengefasst sind. Hier werden Klassiker der Weltliteratur von Dante bis Proust mit dem gesunden Menschenverstand analysiert und begutachtet. Man fasst sich an den Kopf dabei, aber irgendeine Stimme im Inneren des Lesers hat Zweifel: Und wenn er doch recht hat?
Für alle
Alle, die Ecos Glossen bereits kennen, werden sich über dieses Buch freuen, weil es ihnen Gelegenheit bietet, bisher Unentdecktes zu lesen. Die anderen, die Eco nur aus seinen großen Romanen wie Baudolino kennen, werden hier einen ganz anderen, nicht weniger guten und amüsanten Schriftsteller erleben. (Andreas Rötzer)

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Etwas säuerlich rezensiert Martin Krumbholz diese Glossen des "Klassenprimus unter den Intellektuellen". Eben, das ist es: Eco "weiß alles, kann alles", - und kann dies hier nun am wenigsten, urteilt der Rezensent. Eco gibt sich entspannt und "onkelhaft übermütig", findet Krumbholz, und ist dann leider mit allzu flachen Pointen zufrieden. Sein Problem als Glossenschreiber, meint der Rezensent, liegt in Ecos Bedürfnis, "geliebt zu werden". Einen Beweis bietet er uns an in Gestalt der Eco'schen Behauptung, der Erfolg des Filmes "Titanic" läge im "Sex-Appeal des Pummelchens" Kate Winslet. Aber dann geht Eco doch daran, "ein konsensfähiges Lob des Hollywoodschinken" zu singen, schreibt Krumbholz, weil er offenbar das Publikum nicht verprellen will, das man, als Eco, vielleicht doch noch einmal brauchen wird.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eco ist der Klassenprimus unter den Intellektuellen: Er weiß alles, er kann alles, es gelingt ihm alles, wovon andere nur träumen sogar einen veritablen Bestseller schreiben." Martin Krumbholz, Die Zeit, 24.10.02 "Des großen Meisters kleine Werke." Brigitte, 10/02