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Eine alte Dame vor einem Geschäft mit Seidenstrümpfen auf dem Graben in Wien; ein Schriftsteller, der an der "Erfindung eines glücklichen Menschen" arbeitet; ein Regisseur, der sein Zimmer nicht mehr verlässt; eine Ballerina, die nicht mehr tanzen kann. Die Personen in den vier rätselhaften Geschichten des Buches haben alle einen Traum von der Schönheit und sind davon überzeugt, dass "das Richtige zuletzt ohne unser (wie auch immer geschicktes) Zutun geschieht."

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Produktbeschreibung
Eine alte Dame vor einem Geschäft mit Seidenstrümpfen auf dem Graben in Wien; ein Schriftsteller, der an der "Erfindung eines glücklichen Menschen" arbeitet; ein Regisseur, der sein Zimmer nicht mehr verlässt; eine Ballerina, die nicht mehr tanzen kann. Die Personen in den vier rätselhaften Geschichten des Buches haben alle einen Traum von der Schönheit und sind davon überzeugt, dass "das Richtige zuletzt ohne unser (wie auch immer geschicktes) Zutun geschieht."
Autorenporträt
Wolf Wondratschek, 1943 geboren, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Heidelberg, Göttingen und Frankfurt am Main. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001

Vier Schüsse in den Ofen
Wolf Wondratschek verbiedert

Ganz am Anfang, also anno dazumal 1969, da schrieb Wolf Wondratschek eine Prosa, die sich noch gewaschen hatte. Nun, dreißig Jahre, viele, viele unnötige und ein paar wenige notwendige und schöne Worte später, schreibt Wolf Wondratschek leider nur noch eine Prosa, die sich gepudert hat, bis es staubt. "Die große Beleidigung" heißen die "Vier Erzählungen", die der nunmehr fast sechzigjährige Autor in diesem Frühjahr vorlegt. Und schon der Titel zeigt, wie Wondratschek, der zu Zeiten, als das Beleidigen noch geholfen hat, andere und sich selbst wortreich zum "Arschloch" erklärte, inzwischen, müde geworden, den Vorgang nur noch akademisch benennt, um sich wenigstens ein klein wenig am Echo des brachialen Wortes aufzurichten. "Die große Beleidigung" - so könnte der Titel einer Hauptseminararbeit der Neueren Germanistik lauten, Untertitel "Die frühen Prosawerke und Gedichte Wolf Wondratschek als lyrische Protestform gegen die gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik in den siebziger und achtziger Jahren." Leider lautet so aber nun Wolf Wondratscheks neuestes Buch.

Statt für den Saloon will er nun mit aller Gewalt für den Salon schreiben, das tut man, denkt er, am besten, wenn man Erzählungsbände herausgibt, dann sogar noch in der "Edition Akzente", und schließlich, damit man ihm auch außerhalb Münchens seinen Anspruch ansieht, vermerkt der Autor auf der letzten Seite: "Die Erzählungen wurden alle in Wien geschrieben." Das war offenbar weder ein Dank an irgendeinen altruistischen Literaturfonds, dem ansonsten gern an solcher Stelle gedankt wird, noch der Dank an eine seiner Mäzenatinnen, dem man hier erwartet hatte - nein, hier dankt der Dichter offenbar seiner urbanen Muse. Und dazu hatte er sich die Stadt auserkoren, die so irritierend souverän tut, als hätte es das zwanzigste Jahrhundert nie gegeben. Leider hat Wien diese Gunstbezeugung ausweislich der vorliegenden Erzählungen auf recht resolute Weise unerwidert gelassen.

In den Wettkampf um die prätentiöseste Erzählung gehen die Nummern 1 und 4: In der ersten Erzählung geht es um alternde Künstler (können alternde Künstler eigentlich nicht irgendwann einmal auch über etwas anderes schreiben?). Schlimmer noch: Es geht um einen Mann, der auf einer Party in München den Satz sagt: "Ich möchte etwas schaffen, das ich, ohne mich zu schämen, Giotto zeigen könnte." Dann kommen vierzig recht müde Seiten, wo man diesen Regisseur kennenlernt, der sein Leben durch eine Kohorte von Regieassistentinnen angenehm gestalten läßt, aber dennoch blind wird. Ganz am Ende dann fährt der Regisseur mit dem Fahrrad nach Padua, um nun endlich bei Giotto vorbeizuschauen. Warum nicht spätestens hier, wenn schon nicht beim Autor, so doch vielleicht beim Lektor oder dem Verleger der Kitschalarm ausgelöst wurde, wird auf lange ein Rätsel der deutschen Literaturgeschichte bleiben. Erzählung Nummer 4 versucht gegen diese Prätention die Wucht der ungebrochenen Biederkeit ins Spiel zu bringen, doch der Geiger, der Angst vor dem Auftritt hat, langweilte offenbar selbst den Autor dermaßen, daß hier, acht Seiten vor Toresschluß, ganz urplötzlich der junge Wolf Wondratschek dem Alten ins Wort fällt und ein "Groß und dunkel ist die Welt, ansonsten aber ein Saunabetrieb" in den vollgegeigten Konzertsaal grölt.

Doch so, wie man ihm den Cowboy nie ganz abnahm und auch den Macho nicht, so wirkt auch der Biedermann, den Wondratschek hier spielen will, unfreiwillig komisch. "Früher begann der Tag mit einer Schußwunde" (1969) hieß eines seiner ersten Werke, und sein frühe Kurzprosa war von frischer Präzision. Heute räsonniert er: "Kinder, verstehe es, wer will, lieben Schußwaffen". Vier Erzählungen, als plaudere ein alter Schwerenöter am flackernden Kaminfeuer, doch alle anderen sind schon schlafen gegangen. Vier Schüsse in den Ofen.

FLORIAN ILLIES

Wolf Wondratschek: "Die große Beleidigung". Vier Erzählungen. Hanser Verlag, München 2001. 144 S., br., 28,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2001

Der Ruhm ist die Sonne des Todes
Wolf Wondratschek legt vier reife Künstlernovellen vor, in denen aus Musenjüngern Krieger werden: „Die große Beleidigung”
Ein Titel soll den Farbton eines Buches wiedergeben, nicht seinen Inhalt. Das beherzigt der Schriftsteller Wrenkh in einer von Wolf Wondratscheks neuen vier Erzählungen. „Die große Beleidigung” heißt das Buch, und wollte man nach der passenden Farbe für diese sich selbstironisch antizipierende Altersprosa suchen, so käme nur ein tiefes Ebereschenrot in Frage. „Wo aber fülltest, färbtest, reiftest du –?” möchte man mit Benns Gedicht „Ebereschen” Wolf Wondratschek als bewährten Meister der Trivialmythen, als selbststilisierten Steppenwolf der Gegenwartsliteratur fragen.
Mit dieser Prosa gibt er eine souveräne Antwort. Er widerlegt so manches hartnäckige, jahrzehntealte Vorurteil, von denen nur eines zitiert sei, weil es so kauzig formuliert ist: Fritz Schönborn alias Herbert Heckmann meinte in seiner „Deutschen Dichterflora” von 1978, eine botanische Sensation ausgemacht zu haben: „Die Wondratscheke fühlt sich am wohlsten in Schlagermüll und in Frauenhänden und bevorzugt einen aktuell aufbereiteten Boden. Ihre Wurzeln gehen nicht sehr tief, so daß sie ihren Standort nach Belieben wechseln kann. Die Pflanze liebt den Auftritt und nimmt in der Hitparade einen Ehrenplatz ein. Als Modeanzeiger ist sie untrüglich. Mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern gehört sie zu den Blüten, die die größte Lippe riskieren.”
Der Altmeister der Provokation ist erwachsen geworden. Was waren das noch für Zeiten, als der Tag mit einer Schusswunde begann, wie 1969 Wolf Wondratscheks erstes Buch mit Kurzprosa treffend betitelt war. Es erschien bei Hanser. Zu dessen feiner Edition „Akzente” ist der mittlerweile 57- Jährige nach Publikationsorten wie Zweitausendeins und dem Boxermantel von Henry Maske, den er mit Gedichten beschriftete, offenbar geläutert zurückkehrt. Häufig schon setzte das selbst kreierte Markenzeichen Wondratschek seinen künstlerischen Kredit aufs Spiel, etwa mit dem klischeelastigen Gedichtband „Das Mädchen und der Messerwerfer”, der 1997 erschien.
Um so mehr überrascht der in München und Wien lebende Autor in diesem Frühjahr mit Erzählungen, die eigentlich klassische Künstlernovellen sind. Der andere, ernsthafte Ton hatte sich bereits in den „Kelly-Briefen” von 1998 angekündigt, doch nun erreicht er eine elegische Reife und Mürbheit, die ihn wie Marcel Prousts Madeleine-Kekse zu etwas Besonderem, Exquisiten veredelt. Es muss der Schreibort Wien gewesen sein, der den geschilderten Künstlerschicksalen das entscheidende Quäntchen Dekadenz eingehaucht hat. Wondratschek bezeichnet die Kaiserstadt als „Versuchsanstalt für Vergangenheit” und die Wiener als „Ureinwohner der menschlichen Seele”. Von dieser Fin-de-siècle-Atmosphäre hat er sich gewinnbringend anregen lassen. Das Altmodische, heiter Abgeklärte begibt sich in die Offensive.
Alle Protagonisten, ob Musiker, Regisseur oder ehemalige Primaballerina, ziehen beruflich wie privat Bilanz. Es geht ihnen, wie dem an Lampenfieber irre werdenden Geiger Victor Auermann in der Titelgeschichte, um die eine große Beleidigung, die das Leben ihrem Talent angetan hat. „Zu gut für ein Orchester, als Solist nicht gut genug”, lautet das vernichtende Urteil, das ihm einst als anonyme Postkarte zugestellt wurde und auf ewig nachwirkt.
Schmerzlich fällt der Vergleich zwischen Jugendtraum und Realität aus. Es ist die Diskrepanz zwischen ihrer kreativen Sendung und ihrer Stellung zur Gesellschaft, die diesen Figuren zu schaffen macht und sie zugleich antreibt. Oder, wie es der Schriftsteller Pollak – wohl ein Alter Ego Wondratscheks – im Wiener Spazierstück „Auf dem Graben” formuliert: „Es sind die Fehlzündungen (die großen wie die kleinen, also Schmerz, Eifersucht, Verzweiflung, aber eben auch lautes Gähnen in der Oper oder ein Erröten beim Gelöbnis ehelicher Treue), die aus der Nichtigkeit eines Lebewesens einen Menschen machen.”
Gabe zum Selbstmitleid
Melancholie und Lächerlichkeit heißen die Schwestern der Kunst, um die in verschiedenen Disziplinen gerungen wird. Der Autor bedenkt seine melodramatischen Helden mit der Gabe zur Selbstironie, auch zum Selbstmitleid. Niemals jedoch macht er sich über sie lustig. Indem er über wesensverwandte Individuen schreibt, erreicht er einen hohen Grad an Wahrhaftigkeit. Er schildert all die Qualen und Misshandlungen, die Kunstschaffende sich zufügen, nur um nicht zu scheitern. Das Trauma des Verfehlens ist ihr eigentliches Antriebsmoment.
Der Lyriker Wondratschek versteht es, entsprechende Ängste in wunderbare, höchst einprägsame Bilder zu bannen. So wird der Virtuose Auermann von dem Trugbild eines grinsenden Frackhemdes geplagt, als er wieder einmal aus Angst nicht auftreten kann. Das Hemd hängt auf einem Bügel in der offenen Badezimmertür. Auermann glaubt durch die Knopflöcher hindurch in einen Konzertsaal zu blicken. Dort lauert die schlimmste Geißel des Künstlers: das ahnungslose, aber geräuschvolle Publikum.
Der gekränkte Violinist endet als Privatmusiker eines Schweizer Bankiers. Jetzt endlich kann ihm als Stehgeiger bei Tischgesellschaften die alte Angst nichts mehr anhaben. Das ist die groteske Verkleinerung eines vielversprechenden Talents, eine makabre und im Grunde tieftraurige Schutzmaßnahme vor einer Welt, die nichts versteht. „Der Ruhm ist die Sonne des Todes”, dieser Satz von Balzac, den ihm sein Vater als Zahnarzt und dilettierender Geiger mitgab, hat sich bewahrheitet.
Wondratscheks Musenjünger sind Krieger, die das Leben als Schlacht ohne Gefechtspause zu bestehen haben, wohlwissend, dass man manchmal ohne Hoffnung kämpfen muss. So ergeht es auch dem Regisseur Nohál in der Erzählung „Giotto”, der besten neben der Titelgeschichte. Die Handlung scheint nach Art der Novelle auf ein unerhörtes Ereignis zuzulaufen: Nohál trotzt seiner drohenden Erblindung Filme ab, die nur mit Musik zu vergleichen sind. Doch dann nimmt er das Geheimnis seiner Existenz in Form eines Fotos aus dem Text wieder mit sich heraus.
Das melancholisch getönte Ringen um Ideale, ob in der Liebe oder in der Kunst, macht aus den vier Erzählungen Gleichnisse. In ihrer verletzlichen Schönheit schweben sie einige Zentimeter über der Realität. Mit diesem Sieg der Kunst über die Schwerkraft meldet sich ein neu zu entdeckender Wolf Wondratschek zurück.
KATRIN HILLGRUBER
WOLF WONDRATSCHEK: Die große Beleidigung. Vier Erzählungen. Edition Akzente, Hanser Verlag, München 2001. 144 Seiten, 28 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Wolf Wondratscheks Geschichtenbuch ist wohl nicht zur Lektüre zu empfehlen. Lutz Hagestedt sieht es sogar als "Trauerfall der deutschen Gegenwartsliteratur", man lese diese vier blassen Erzählungen mit rasch schwindendem Glauben in die Kompetenz ihres Urhebers, urteilt er in seiner detaillierten Rezension. Hagestedt fühlte sich bei Wondratscheks Versuchen, das Banale mythisch zu überhöhen, an den Prosaisten Botho Strauß erinnert. Dabei habe er nichts gegen Langeweile, versichert Hagestedt, aber wenigstens die Bilder müssten stimmen. Wondratschek sei jedoch in der Lage, "auch das schlichteste Bild" zu verpatzen, stellt er fest. Überall, und das betrifft sowohl den Inhalt als auch die Form, stoße man auf dieselbe matte Trostlosigkeit, Umständlichkeit, Gezwungenheit und Gleichgültigkeit. Auch dramaturgisch schwächelt diese Prosa, fügt Hagestedt abschließend hinzu.

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"'Die große Beledigung' - eine derart sanfte, heitere und dabei sehr ernst Prosa hat Wolf Wondratschek noch nicht geschrieben. Eines der schönsten Bücher in diesem Frühling. (...) In seinem ersten wirklichen Alterswerk, einem Alterswerk ohne sentimentale Verklärung, aber mit viel Wehmut geschrieben, meint es Wondratschek ernst mit sich und seiner Vergangenheit. Keine Spleens mehr, kein Tratsch, keine Wichtigtuerei, keine Faxen, endlich erwachsen werden, die noch bleibende Zeit ist zu kurz für 'romantische Vorstellungen', Größenwahn und andere Erektionen. (...) Wondratschek erzählt mit einer wunderbaren Gelassenheit. Heiterkeit, nicht Resignation bestimmt die Gemütslage der Texte. (...) In jedem der vier Texte steckt die taumende Seele des Dichters, die Gelassenheit eines Kaffeehausbesuchers. Dem Taumeln der Seele entspricht die schlendernde Haltung des Erzählers. Wie der Dichter durch Wien flanieren die Sätze durch das Buch." Hajo Steinert, Die Welt, 07.04.01

"Wondratschek bedenkt seine melodramatischen Helden mit der Gabe zur Selbstironie, auch zum Selbstmitleid. Niemals jedoch macht er sich über sie lustig. Indem er über wesensverwandte Individuen schreibt, erreicht er einen hohen Grad an Wahrhaftigkeit. (...)Das melancholisch getönte Ringen um Ideale, ob in der Liebe oder in der Kunst, macht aus den vier Erzählungen Gleichnisse. In ihrer verletzlichen Schönheit schweben sie einige Zentimeter über der Realität. Mit diesem Sieg der Kunst über die Schwerkraft meldet sich ein neu zu entdeckender Wolf Wondratschek zurück. (...) Der neue, ernsthafte Ton hatte sich bereits in den 'Kelly-Briefen' von 1998 angekündigt, doch nun erreicht er eine elegische Reife und Mürbheit, die ihn wie Marcel Prousts Madeleine-Kekse zu etwas Besonderem, Exquisitem veredelt." Katrin Hillgruber, Bayern2 Kultur aktuell, 15.3.01"Vier furiose Erzählungen, vielleicht das Beste, was Wondratschek als Prosaist bisher gemacht hat. (...) Was diese mehr oder minder gebrechlichen Künstlernaturen an individuell Erlebtem, an Schicksal und Erfahrungswissen sich von der Seele reden, ist derart aufregend und anrührend, so traurig und schön, dass man dem Leben selbst zuzuhören meint." Michael Kohtes, Die Zeit, 22. 03.01

"Das melancholische getönte Ringen um Ideale, ob in der Liebe oder in der Kunst, macht aus den vier Erzählungen Gleichnisse. In der verletzlichen Schönheit schweben sie einige Zentimeter über der Realität. Mit diesem Sieg der Kunst über die Schwerkraft meldet sich ein neu zu entdeckender Wolf Wondratschek zurück." Katrin Hillgruber, Süddeutsche Zeitung, 3.5.2001
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