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Oft erzählt - selten illustriert. In diesem Bilderbuch kann man Rotkäppchen noch einmal neu entdecken. Mit ihren unkonventionellen Bildkompositionen gelingt Susanne Janssen ein grafisches Meisterwerk, das die Atmosphäre des Märchens direkt und unverfälscht wiedergibt. Eine Entdeckung für Kinder und kunstinteressierte Erwachsene und ein wunderbares Geschenkbuch.

Produktbeschreibung
Oft erzählt - selten illustriert. In diesem Bilderbuch kann man Rotkäppchen noch einmal neu entdecken. Mit ihren unkonventionellen Bildkompositionen gelingt Susanne Janssen ein grafisches Meisterwerk, das die Atmosphäre des Märchens direkt und unverfälscht wiedergibt. Eine Entdeckung für Kinder und kunstinteressierte Erwachsene und ein wunderbares Geschenkbuch.
Autorenporträt
Jacob Grimm wurde 1785 in Hanau geboren. Er studierte in Marburg und Paris. Der Germanist arbeitete als Professor in Göttingen, wurde jedoch als Mitverfasser des politischen Protestes der Göttinger Sieben von seinem Amt enthoben. 1841 holte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. ihn und seinen Bruder Wilhelm Karl Grimm (1786-1863) als Mitglieder an die Akademie der Wissenschaften nach Berlin. Mit seinen auf eingehender Quellenforschung beruhenden Werken Deutsche Grammatik und Geschichte der deutschen Sprache legte Jacob Grimm die Grundlage der Germanistik. Er bearbeitete die ersten Bände des von ihm und Wilhelm Grimm begründeten Deutschen Wörterbuchs. Gemeinsam mit seinem Bruder und K. Lachmann gilt Jacob Grimm als der eigentliche Begründer der deutschen Philologie. Jacob Ludwig Carl und Wilhelm Karl Grimm sind die bekannten Herausgeber der "Kinder- und Hausmärchen". Jacob Grimm starb 1863 in Berlin.

Wilhelm Grimm, geb. am 24. Februar 1786 in Hanau, gestorben am 16. Dezember 1859 in Berlin, lehrte in den 1830er Jahren in Göttingen, war Mitglieder der Göttinger Sieben und ab 1841 der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. Gemeinsam mit seinem Bruder Jacob arbeitete er an den "Kinder- und Hausmärchen", den "Sagen" und vor allem am "Deutschen Wörterbuch", das ab 1854 entstand. Sie gelten als Gründer der Deutschen Philologie und Germanistik.

Susanne Janssen, geboren 1965, studierte Grafikdesign an der Fachhochschule für Gestaltung in Düsseldorf. Sie wurde u. a. mit dem Troisdorfer Bilderbuchpreis und dem Goldenen Apfel der Biennale in Bratislava ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2001

Den Atem des Wolfes spüren
Die Illustratorin Susanne Janssen schafft ein neues Bild vom Rotkäppchen
Die Bühne dieses Dramas ist so eng, dass die Akteure Mühe haben, ihre Köpfe hinein zu zwängen. Und die Zuschauer des Stückes, das „Rotkäppchen” heißt, werden so dicht an den Bühnenraum gerückt, dass sie den Atem des Wolfes zu spüren scheinen. In dieser klaustrophobischen Nähe zwischen Schauspiel und Betrachter entwickelt sich das Grimmsche Märchen in den Bildern von Susanne Janssen.
Wenn sich der Vorhang hebt, wenn man die erste Seite aufschlägt, blicken wir von oben auf ein großes, flächiges Gesicht, das zur Seite gekippt werden muss, damit es überhaupt in den Bildraum hinein passt. „Es war einmal eine kleine süße Dirn, die hatte jedermann lieb, der sie nur ansah.” Solche spontanen Sympathien stellen sich bei diesem Rotkäppchen nicht ein, denn der Blick des eigensinnigen Gesichts zielt an uns vorbei, geht ins Leere. Das erste Bühnenbild: in die bedrückende Enge des aufgeklappten Guckkastens schieben sich zwei Köpfe: die Mutter reicht dem Kind Kuchen und Wein für die Großmutter. Zwischen beiden besteht eine beklemmende räumliche Nähe, aber die Blicke zeugen von Distanz, von Fremdheit.
Susanne Janssen erzählt das Grimmsche Märchen grundsätzlich neu, indem sie die Figuren auf eine ganz besondere Weise dramatisiert und psychologisiert: sie drängt sie in viel zu kleine Bildräume und rückt sie in ihren psychischen Beziehungen unentrinnbar zusammen; die Figuren bewegen sich zwischen Gehorsam und Lust, zwischen Kindheit und Erwachsensein. Die gestürzten Linien, die verzerrten Perspektiven und die extremen Blickwinkel verstärken den Eindruck einer psychischen Architektur, in der auch der Betrachter gefangen ist; er wird mit seinen Blicken Teil der dramatischen Ereignisse.
Auch wenn sich die Räume öffnen und die Handlung in der Landschaft spielt, etwa bei der Begegnung zwischen Rotkäppchen und Wolf, gibt es keine befreienden Blicke. Aus extremer Untersicht verfolgen wir das Zusammentreffen zwischen beiden, sind so intim an die Körper gerückt, dass wir sie berühren könnten. Man muss nicht Bruno Bettelheims psychoanalytische Märchendeutungen lesen, um die latent erotische Seite dieser Beziehung zu erkennen. Susanne Janssen erfindet dafür außergewöhnliche Bilder: während der Wolf auf dem Rücken liegt , das Maul aufgerissen, ganz lustvoller Genießer, ragt hinter ihm Rotkäppchen ins Bild hinein, das Gesicht verschattet, der Blick fragend. Die Künstlerin betont diese schicksalhafte Begegnung durch eine dritte Figur: nachdenklich steht die Mutter im Hintergrund und kommentiert stumm die Versuchung. Wenn der Wolf Rotkäppchen verlässt , betrachtet sich das Mädchen in der Spiegelung eines Sees, als befrage es sich selbst. Auch der Schrecken bekommt in diesen Bildern ein Gesicht: wie in einer filmischen Großaufnahme rückt die Illustratorin mit ihrer „Kamera” die Fratze des Wolfes heran. Das riesige Maul mit den scharfen Zähnen wird zum alles verschlingenden schwarzen Loch, in das auch der Betrachter unversehens geraten könnte. Die Bilder der Befreiung und Rettung dann stellen Figuren und Bilderwartungen noch einmal auf den Kopf; das turbulente Ende klingt aus mit einer friedlichen Szene: Großmutter und Rotkäppchen sitzen bei Kuchen und Wein und blicken einander prüfend in die Augen. „Rotkäppchen aber dachte: Du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Weg ab in den Wald laufen, wenn dirs die Mutter verboten hat. ” Durch das offene Schlussbild gerät aber dieser letzte Satz des Märchens ins Wanken.
Die Brüder Grimm hatten bekanntlich die bösen, destruktiven und gefährlichen Anteile aus den Märchen herausgestrichen, um sie in eine kinderstubenreine Form zu bringen. Heute sind es eher die verborgenen, unausgesprochenen Seiten, die die Märchen für Kinder und Erwachsene so faszinierend machen. Susanne Janssen hat mit ihren Bildern genau eine solche Seite geöffnet und uns zu Zuschauern eines aufregenden Bühnestückes gemacht. Applaus!
JENS THIELE
Gebrüder Grimm: Rotkäppchen. Mit Bildern von Susanne Janssen. Hanser Verlag 2001. 32 Seiten, 25 Mark.
Illustration aus Susanne Janssen/ Gebrüder Grimm:
Rotkäppchen
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2002

Leg dich zu mir, Rotkäppchen
Zwischen Lust und Schrecken: Grimms Heldin übt den lasziven Blick

Mit Rotkäppchens Gesicht fängt seine Geschichte an: Die junge Bilderbuchkünstlerin Susanne Janssen setzt es so ins Bild, daß es fast die ganze Seite ausfüllt. Wie in der Karikatur sind Rumpf, Arme und Beine kleine, peinlich wirkende Anhängsel des Gesichts, das uns anschaut aus einer großen Tiefe und zugleich so nahe gerückt ist, daß wir jede seiner Verschattungen erkennen können. Ein leidenschaftliches Interesse am Gesicht prägt das gesamte Bilderbuch, als übe die Künstlerin das Malen von Haut, Augen, Mund. Ihr gelingt tatsächlich ein Inkarnat, das dank lasierender Schichten und fleckig aufgetragener Farbe zu atmen scheint. Ähnlich lebendig wirken die Augen mit ihrem feuchten Glanz.

Blick und Lippen erzählen eine andere Geschichte als das Kleinkindermärchen der Brüder Grimm, deren Text die Illustratorin ihrem Buch zugrunde gelegt hat. Wie sie hatte auch schon Charles Perrault das Märchen vom Rotkäppchen erzählt: eine Warngeschichte für junge Mädchen vor den wölfischen Verführern, die überall auf der Lauer liegen. Bei Perrault spricht der Wolf ungeniert aus, worauf es ihm ankommt: "Leg dich zu mir." Die Psychoanalytiker folgten Perraults Interpretation und haben das Märchen als Entwicklungsgeschichte gelesen, in der das rote Mützchen die Menarche symbolisiert, aber auch für das Blut der verletzten Jungfräulichkeit stehen mag.

Susanne Janssens Rotkäppchen blickt die Mutter als folgsames Kind an, durch den Wald aber stakst es schon auf Stöckelschuhen und wirft kokette Blicke nach dem sich lasziv räkelnden Wolf. Bald liegt es ausgestreckt im Wald und hat den Mund geöffnet in einem Ausdruck zwischen Lust und Schrecken. Danach trinkt es aus einem Waldsee, wie Narziß weit übers Wasser gebeugt. Bevor es später zum Wolf ins Bett steigt, blickt es schräg am Betrachter vorbei, mit wissenden Augen und verschmiertem Lippenstiftmund.

Neben den Gesichtern faszinieren die Künstlerin die transparenten und spiegelnden Medien Glas und Wasser. Kunstvoll öffnen sich Fenster, wehen Gardinen im Wind, spiegeln sich die Figuren in aufgeklappten Fensterscheiben und im See. Trotz dieser im Hintergrund aufleuchtenden Bilder leichter Helligkeit überwiegt indes ein lastender Ernst, der es schwermacht, sich das Buch in den Händen von kleinen Kindern vorzustellen. Es sind nicht die schroffen Perspektivwechsel und verzerrten Proportionen - die hat die Bilderbuch-Avantgarde schließlich seit Jahren erfolgreich gegen die flache Niedlichkeit der Massen-Kinderkultur gesetzt. Zu ihnen kommen hier unklare Gegenstandsbezüge, ein manchmal schwer zu enträtselnder Bildaufbau (der obendrein durch den Falz empfindlich gestört wird), eine ungewisse Betrachterperspektive und eine prekäre Erotisierung der Bilderzählung.

Es ist zweifellos ein großer Gewinn der zeitgenössischen Kinderliteratur, daß ihre besten Werke auf unterschiedlichen Niveaus der Reflexion und der literarischen Erfahrung gelesen werden können. Sie wecken das Spiel der Einbildungskraft bei Erwachsenen wie bei Kindern. Nicht so Susanne Janssens Rotkäppchen-Interpretation - sie dürfte der naiven Lektüre kaum zugänglich sein.

Vielleicht wäre das anders, wenn ein bißchen Komik, Witz oder Ironie im Spiel wären. Sie würden Distanzierung erlauben und befreiendes Lachen oder Lächeln. Dazu bietet die alte Geschichte viele Gelegenheiten, wie zum Beispiel Yves Pommaux' Transposition des Märchens in eine Detektivgeschichte gezeigt hat. Solche Auswege der Distanzierung erlaubt Susanne Janssens märchenpsychologische Studie mit den dicht an den Betrachter gezoomten Gesichtern nicht. Daher gehört ihre Bilderfolge in die Kategorie jener Bücher, deren Waschzettel von vornherein darauf hinweisen, daß sie für Kinder ungeeignet sind, dafür aber um so mehr "für kunstinteressierte Erwachsene".

GUNDEL MATTENKLOTT.

Brüder Grimm: "Rotkäppchen". Mit Bildern von Susanne Janssen. Carl Hanser Verlag, München 2001. 32 S., geb., 14,90 [Euro]. Für jedes Alter.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensentin Gundel Mattenklott hat im Gesicht, das die "junge Bilderbuchkünstlerin Susanne Janssen" von Rotkäppchen gezeichnet hat, "eine andere Geschichte als das Kleinkindermärchen der Brüder Grimm" gefunden. Eine "Warngeschichte für junge Mädchen vor den wölfischen Verführern" nämlich, die "überall auf der Lauer liegen". Janssens Rotkäppchen blicke die Mutter "als folgsames Kind" an, durch den Wald stakse es aber schon auf Stöckelschuhen und werfe kokette Blicke nach dem "sich lasziv räkelnden Wolf". Dies Bilderbuch, lesen wir, sei besonders durch das "leidenschaftliche Interesse" der Künstlerin am Gesicht geprägt. Noch durch die Schilderungen der Rezensentin dringt das offensichtlich frappierend Lebendige dieser Gesichter. Trotzdem empfindet die Rezensentin einen "lastenden Ernst" in diesem Buch, der es in ihren Augen schwer macht, sich das Buch in den Händen von kleinen Kindern vorzustellen.

© Perlentaucher Medien GmbH"