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Die Liebe führt Raoul Louper zu Elif, Francesca und Arlette und wieder von ihnen fort in andere Länder, auf andere Kontinente. Raoul Schrott hat eine Geschichte in hundert und einem Kapiteln geschrieben, eine Novelle, die von einem Mann und drei Frauen berichtet, von Reisen und der Begegnung mit dem Fremden.

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Produktbeschreibung
Die Liebe führt Raoul Louper zu Elif, Francesca und Arlette und wieder von ihnen fort in andere Länder, auf andere Kontinente. Raoul Schrott hat eine Geschichte in hundert und einem Kapiteln geschrieben, eine Novelle, die von einem Mann und drei Frauen berichtet, von Reisen und der Begegnung mit dem Fremden.
Autorenporträt
Raoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Peter-Huchel- und den Joseph-Breitbach-Preis. Bei Hanser erschienen zuletzt u.a. Homers Heimat (2008) und seine Übertragung der Ilias (2008), Gehirn und Gedicht (2011, gemeinsam mit dem Hirnforscher Arthur Jacobs), die Erzählung Das schweigende Kind (2012), die Übersetzung von Hesiods Theogonie (2014), der Gedichtband Die Kunst an nichts zu glauben (2015) sowie Erste Erde (Epos, 2016), Politiken & Ideen (Essays, 2018), Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal (Roman, 2019) und Inventur des Sommers (Über das Abwesende, 2023). Raoul Schrott arbeitet zurzeit im Auftrag der Stiftung Kunst und Natur an einem umfangreichen Atlas der Sternenhimmel. 2023 hatte er die Ernst-Jandl-Dozentur der Universität Wien inne.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.11.2000

Springfracht des Windes
Frauen, Salz und Dünen – ein „Bildungsroman” von Raoul Schrott
„So viele Personen und Namen, alles nur für diese einfache Geschichte. ” Dieser selbstironische Satz aus „Die Wüste Lop Nor” führt mitten in das Erzählen von Raoul Schrott hinein. Seit seinen Anfängen vor mehr als zehn Jahren verführt und verärgert der 1964 geborene Vorarlberger Sprachenreisende viele Bewunderer und Neider mit seinem Interesse für die Welt jenseits von Wien, Berlin, Paris und New York. Schrott schreibt über Arabien, Irland, das Baskenland, Peru, die Strände Vietnams, übersetzt mittelalterliche Dichter, ohne jeden politischen Anspruch, scheinbar ohne jede Aussicht auf die Teilnahme an der Gegenwart. Er schreibt das einfach so.
„Algerien, das war El Oued, Touggourt, Ghardaia, El Golea, In Salah und Tamanrasset; oder Asphalt bis Quatre Chemins. Es war Winter, über Nacht bildete sich in den Wasserkanistern eine feine Eisschicht, beschlug sich das Zelt innen mit Feuer. ”
Er schreibt das natürlich nicht einfach so. Schrotts pathetisches Nennen der Orte gehört wie seine Landschaftsbeschreibungen zu einer Rhapsodie der Beschwörung, einem poetischen Evozieren von Räumen. Gerade an abgelegenen Orten, wo die Zeit nicht nur an Sonntagen still steht, entwickelt sich in der Welt jene Ruhe, in der man den Dingen vielleicht etwas näher kommen kann.
„Ein ausgetrocknetes Flußbett oder die Arme eines Deltas, Dürre; ein Busch, irgendein Kiesel, sogar ein Termitenhügel manchmal: dem Wind genügt das. An ihm richten Wächten sich aus und wachsen sich zu Dünen aus; sie bilden Ketten und Wälle, werden ei-, herz- und sternförmig.
Die Springfracht des Windes bläst die Körner über Luv, kaum höher als ein oder zwei Fuß, bis sie am Kamm festgepresst werden und schließlich auf der steileren Leeseite weiter abgleiten; es ist wie mit den Wellen.
Manche stauen sich auf und werden so rund wie Walrücken. Einige kollidieren miteinander, rollen dann weiter und lassen hinter sich eine kleine, noch junge Düne zurück. ”
Wenn die vorislamischen Dichter des Mo’allaqat, die Schrott in seiner Erfindung der Poesie” in Erinnerung gerufen hat, das schöne Nutztier Kamel als Symbol der Welt in ihren Gesängen „literarisch” entwerfen, so ist es bei Schrott die Düne, eines der überflüssigsten, vergänglichsten unter den Dingen, deren Präsenz, Entstehen und Verschwinden ihm in immer neuen Variationen zur Metapher der Welt wird. Vor allem das Stürzen, Verschwinden, Wandern der Dünen, das „Lostreten” des Sandes, der Lärm, das „Brummen”, das dabei entsteht.
Statt sich, wie ein anderer Zweig des neueren „Realismus” mit der Gesellschaft der Angestellten zu befassen, in der wir leben, möchte Schrott die sinnliche Wahrnehmung der Dinge entwickeln helfen. Immer wieder wird ja literarisch, soziologisch, philosophisch, feuilletonistisch über die Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit, der Phantasie durch die nur scheinbar so abwechslungsreichen Bilder von Werbung und Fernsehen geklagt. Statt eine Gegenprogrammgestaltung, eine Neu-Kultivierung der Sinne zu versuchen, die nicht gegen den Kasten wettert, sondern darauf aus ist, ihn noch uninteressanter werden zu lassen. Unter den jüngeren Schriftstellern tut das neben Schrott noch Peter Weber.
Doch die Wahrnehmung der Dinge ist selten von jener der Menschen zu trennen. Auf einer zweiten Ebene ist „Die Wüste Lop Nor” weniger eine „Novelle”, mehr die in 101 kleine Kapitel aufgesplitterte Kurzform eines klassischen männlichen Bildungsromans, der ja seine Individuen mit natürlicher bis ermüdender Regelmäßigkeit durch die Schule der Frauen schickt: Francesca, Arlette, Elif heißen jene drei, die Schrotts Hauptfigur Raoul Louper gekannt hat. Er selber stammt von der Insel Poquerolles in der Bucht von Toulon , ist 43 Jahre alt, allein, und, warum denn, „Halbjude”?
Francesca aus Grosseto hat ihm nach einer Japan-Reise den Abschied gegeben: „Sie habe immer schon mehrere gleichzeitig gehabt, sie könne sich nun einmal nicht entscheiden. Ihm jedoch sei sie treu gewesen, am längsten von allen. ” Arlette distanziert sich, als Raoul aus Algerien zurückkommt, Elif schließlich verlässt er selber, „nicht weil sie sich nicht liebten, sondern weil sie nicht mehr miteinander leben konnten”.
Man kann dieses „aktive Verlassen” wie üblich als Ausdruck von Erwachsensein deuten und also den Bildungsroman als gelungen betrachten. Und das Beginnen und Weggleiten dieser Lieben ähnelt dem Entstehen und Verschwinden von Dünen. Doch gerade deshalb fällt auf, dass in der Liebes-Sprache eine Schwäche des Buches steckt, die in seiner Konstruktion begründet liegt. Weil sein Held mit Frauen nicht umgehen kann, lässt ihn Schrott in wenig einfallsreiche Klagen verfallen. Raoul findet nie „die richtigen Worte”. Nur einmal lässt Schrott seinen Raoul auch den schönen Peter-Weberhaften Mut (zum Scheitern) haben.
Und die Wüste Lop?: „In ihrer Mittte befindet sich eine vollkommen flache Ebene aus feinem Kies, wo die Erde wieder zur Scheibe wird und der Horizont sich zum Kreis schließt, bis in dieser Mitte der Mitte hintereinander die hohen Rücken dreier ockerfarbener Dünen auftauchen, bloß drei. ” Am Rande der Wüste auf dem Gebiet des heutigen China liegen der ausgetrocknete See Lop Nor und die verlassene Stadt Lew Sha: „Von der Stadt selbst ist nur Holz und Lehm geblieben, vereinzelt ein Türsturz. Abgestorbene Bäume, von Nomaden bis auf die Stümpfe zerhackt, ziehen sich das Flußbett entlang. Dahinter, bis zum Horizont, erstreckt sich das Becken des einstigen Sees, Welle über Welle bedeckt mit Shor, den verworfenen Salzkrusten über dem Morast. ” Es ist schwierig zu sagen, heißt es noch einmal, was dieses Nennen der Orte und Dinge, „was die Reisen für Raoul waren”, „jede Reise, das fühlte er, trug etwas auf. Für jede von ihnen legte er etwas ab, wie einen Mantel, einen Pullover, ein Hemd. Sie nahm ihm eine Hülle, die Haut. ”
HANS-PETER KUNISCH
RAOUL SCHROTT: Die Wüste Lop Nor. Hanser Verlag, München 2000. 125 Seiten, 28 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Einbohrungen in die unberührte Mitte der Wüste
Das lustige Musikantenheer der Sandkörner: Raoul Schrott belebte die Wüste / Von Gennaro Ghirardelli

Es ist ein ziemlich einsamer, abgelegener Ort, "die unberührte Mitte der Erde" im uigurischen Sinkiang, jene Wüste Lop und der ausgetrocknete See Lop Nor (auf dem Schnittpunkt von 40,15 Grad nördlicher Breite mit dem 90,20. Längengrad), wo Raoul mit seiner dritten Geliebten Elif zu einem Ende kommt. "Es blieb uns nichts, als umzukehren." Diese Umkehr ist Rückkehr in die Erinnerung. Erinnerungen an Orte, an Begegnungen, an Anfänge, denn "alles liegt im Anfang begriffen" (Kapitel LV). Zwar hat sich Raoul "beständig in den Körpern getäuscht", doch bleibt ihm wenigstens die Erinnerung.

Diese poetische Novelle in CI Kapiteln beschwört in betörenden Bildern etwas, wofür der Autor fast zu jung ist: die Eremitensehnsucht. Noch zeugt sie mehr von Weltverfallenheit, da und dort genüßlich mit einer Prise Weltschmerz überzuckert, als von Weltflucht und Weltvergessenheit. Er weiß Geschichten zu erzählen, dieser Raoul Louper, weiß seine Erinnerung mit anderen Geschichten und mit Geschichte zu verbinden, daß dem Leser daheim auf seinem Sofa die Welt aufgeht in ihren Farben, mit ihren Gerüchen und Verlockungen der Ferne wie der Nähe. Distanz und Intimität, die Pferde werden gut an der Kandare geführt und hinterlassen ihre Spuren im Sand. Wie Sand und Wasser das Geschiebe der scharfkantigen Dünen durch Raum und Zeit vorantreiben, so schärft die einfache, klare Sprache Raoul Schrotts Gefühle in der Erinnerung.

Raoul mag sich in den Körpern der Frauen getäuscht haben, die Erinnerungen täuschen ihn nicht. Da paßt er auf und ist genau, dreht jedes Sandkorn zweimal um - damit hat er es nun einmal, mit Sand, Sandkörnern, Treibsand zumal - und schaut ihm nach, wie es durch den Engpaß der Zeit in die Erinnerung und die Geschichte rieselt. Und jedes dieser Sandkörner hat einen eigenen Ton, der sich mit dem der unzähligen anderen vermischt, bis dieses Schwingen und Dröhnen die ganze Wüste erfüllt, so wie das Dröhnen der Erinnerungen das Leben erfüllt, so wie in den zwei Varianten der von ihm erzählten Parabel der junge Musiker Sha-shan-ze in der Erinnerung des Mädchens als Spiel des Mondes widerhallt.

Man muß sich an dieser eigenartigen "Novelle" ein bißchen betrinken, muß in ihre mitunter augenzwinkernde Melancholie eintauchen, muß irgendwo hinter dem uralten Alexandria den Blick über die Dünung auf das Meer schweifen lassen. Da wird in der Erinnerung an die drei Frauen alles mögliche gestreift: Osiris und Seth, historische Figuren wie Alexander der Große in der Oase Siwa, in Kapitel XXXVIII auch der Hauch einer Erinnerung an Flauberts von dauernden Versuchungen heimgesuchten - und sich ebenfalls in den Körpern täuschenden - heiligen Antonius im Mondlicht über dem Nil (wobei "der Einsiedler, der dort oben lebte", eine Messe wohl eher las oder feierte denn "hielt"). Vor allem aber das Leben eines Mannes, der viel unterwegs war, ein Unruhiger, den es umtreibt, wie man den Eindruck bekommt.

Dann fährt man mit Raoul Louper wöchentlich in die Metropole Kairo, um an den Abenden dabeizusein, die er mit einem ungarischen Professor und dessen ägyptischer Frau, um die er den Professor insgeheim beneidet, verbringt. Abende, die er dort gar nicht verbringen will, die ihn nachträglich mürrisch machen und die doch alle drei gleichermaßen zu genießen scheinen. Mürrisch scheint er immer dann zu werden, wenn er über sich selbst spricht, von dem, was ihn umtreibt: die Erinnerung an das Leben - eben.

Raoul Schrott: "Die Wüste Lop Nor". Erzählung. Carl Hanser Verlag, München 2000. 124 S., geb., 28,- DM

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Andreas Breitenstein beklagt in seiner Rezension zunächst die von ihm diagnostizierte Ablösung der "literarischen Kultur" durch die Naturwissenschaften, die seiner Ansicht nach offensichtlich ein großer Irrtum bzw. Irrweg ist. In einem gewagten Schlenker kommt er von diesem Standpunkt aus auf Schrotts Novelle zu sprechen, bei der er zwar eine ähnliche Tendenz auszumachen scheint, allerdings stellt er fest, dass sich dies bei dem Autor nicht zu einer "Weltanschauung" entwickelt hat. Er lobt an Schrotts Novelle, dass "sie die Objektivität wissenschaftlichen Erkennens mit der Subjektivität persönlichen Erlebens verbindet". So schildert Schrott die Erlebnisse des Protagonisten in der Wüste weniger unter einem wissenschaftlicher Sichtweise, sondern vielmehr seine Faszination durch das "Singsang des Sandes", die sinnliche akustische Wahrnehmung. In solchen Passagen verbinde er Autor "moderne Wissenschaftstheorie und Poetologie", findet Breitenstein. Dass viele Dinge in dieser Novelle geheimnisvoll bleiben, gehört für Breitenstein zu ihren Stärken, ebenso wie die einfache Sprache, die Schrott hier benutzt.

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"Es macht seine hohe Kunst aus, das blaue Licht der Romantik als Irrlicht neu, ebenso raffiniert wie erotisch, zum Leuchten zu bringen." Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung, 31.08.00

"Wie Sand und Wasser das Geschiebe der scharfkantigen Dünen durch Raum und Zeit vorantreiben, so schärft die einfache, klare Sprache Raoul Schrotts Gefühle in der Erinnerung." Gennaro Ghirardelli, F.A.Z, 18.10.00

"Was er in 101 Kapiteln erzählt, besticht durch lyrische Stimmungsbilder und durch notathafte Wahrnehmungen und Deutungen des wissensdurstigen Intellekts gleichermaßen ... Mit Die Wüste Lop Nor erweist sich Raoul Schrott als leicht melancholischer Enthusiast, der das Unterwegssein in den scheinbar unwirtlichsten Gegenden der Welt als Echoraum eigener und fremder Stimmen erlebt und die Sehnsucht und die Liebe dabei so elementar und überwältigend begreift wie einen Sandsturm in der Sahara." Thomas Kraft, Die Tageszeitung, 18.10.00

"Faszinierend, wie sinnlich diese Prosa wirkt: Sie riecht und schmeckt, sie entwickelt Farbe und Klang. Ein feiner und zugleich vitaler, stimmig durchkomponierter Text, der vor allem eines vorführt: daß gute Geschichten keiner Erklärung bedürfen, daß sie für sich stehen, manches Geheimnis preisgeben, andere in sich verschließen." Susanne Schaber, Die Presse, 28.10.00

"Raoul Schrott beschreibt die Schönheit des Vorübergehenden: Poetisch und mit geografischen und naturwissenschaftlichen Kenntnissen angereichert. (...) Ihm ist etwas selten Schönes gelungen. Ein konzentrierter, einfacher Text, der gelassen von Elementarem spricht. Ein Destillat, mit dem Neugier geweckt und Erinnerung erhalten wird. Wie Wüstensand in einem Fläschchen." Carsten Hueck, Financial Times Deutschland, 02./03.12.00"'Die Wüste Lop Nor' ist ein poetisches Expeditionstagebuch aus den Wüsten der Kontinente. (...) Schrotts Novelle, aufgeschrieben wie etwas, das man nicht in Bibliotheken erfahren kann, 'handelt' nicht, sie hält fest, ohne jedoch Antworten zu diktieren. Stattdessen stellt sich die schöne Ahnung ein, dass es ein poetisches Zusammenspiel gibt von Mystik und Rationalität." Hauke Hückstädt, Der Tagesspiegel, 3.12.00…mehr