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Ein hinreißender Erfolgsroman aus Frankreich.
Es ist der regensreichste Ort in ganz Frankreich, ein verschlafenes Nest zwischen den Kriegen, in dem nie etwas Aufregendes passiert. Bis zu jenem Tag, als alle Bewohner aus ihrer Starre gerissen werden. Der Bürgermeister des Dorfes wird schwer verletzt auf seinem Anwesen gefunden, eine Mistgabel in der Brust. Drei Tage später stirbt er. Wie gelähmt wohnen seine Nachbarn, die Handvoll Familien aus dem Dorf, dem Begräbnis bei, dem der der Dauerregen übel mitspielt. Er hat die Erde auf dem abschüssigen Friedhof aufgeweicht, so dass die Sargträger…mehr

Produktbeschreibung
Ein hinreißender Erfolgsroman aus Frankreich.
Es ist der regensreichste Ort in ganz Frankreich, ein verschlafenes Nest zwischen den Kriegen, in dem nie etwas Aufregendes passiert. Bis zu jenem Tag, als alle Bewohner aus ihrer Starre gerissen werden. Der Bürgermeister des Dorfes wird schwer verletzt auf seinem Anwesen gefunden, eine Mistgabel in der Brust. Drei Tage später stirbt er. Wie gelähmt wohnen seine Nachbarn, die Handvoll Familien aus dem Dorf, dem Begräbnis bei, dem der der Dauerregen übel mitspielt. Er hat die Erde auf dem abschüssigen Friedhof aufgeweicht, so dass die Sargträger stolpern. Zuerst die hinteren, dann können die vorderen die Last des Sarges nicht mehr halten, und der Sarg saust ganz alleine den glitschigen Weg hinunter, bis hin zur Gruft, in der alle Bürgermeister des Ortes ihre letzte Ruhe finden. Diesem unfreiwilligen Spektakel kann der Gendarm des kleinen Ortes jedoch nichts Komisches abgewinnen. Er ist damit betraut, die Todesumstände des Bürgermeisters näher zu untersuchen, und diese geben ih m immer neue Rätsel auf. Der Bürgermeister lebte seit dem Tod seiner Frau allein mit seinen zwei ältesten Töchtern Victoire und Catherine auf dem Hof. Victoire führte den Haushalt und kümmerte sich um Catherine, die geistig zurückgeblieben, aber von atemberaubender Schönheit ist. Je länger der beflissene Beamte die beiden Töchtern befragt, desto mehr beschleicht ihn ein grausamer Verdacht: War der Tod des Bürgermeisters womöglich überhaupt kein tragischer Unfall? War es Mord?
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Recht angetan berichtet Paul Ingendaay von diesem Roman, den er allerdings eher für eine Novelle hält. Es geht seiner Schilderung zufolge um den nicht ganz natürlichen Tod eines Dorfbürgermeister und dessen inzestuösem Verhältnis zu den drei Töchtern. Schlechtere Autoren, lobt Ingendaay, hätte dieser Plot dazu verleitet, ihren Roman "mit den geläufigen Topoi des dörflichen Antiidylls" zu dekorieren. Pradier aber gelinge es, die "Schilderung des Schweigekomplotts in die Hände des Erzählers" zu legen. Dadurch entfalle jedes "moralische Getue" und der Nebel lichte sich "vor den Augen des Lesers genauso langsam wie vor denen des Erzählers". Eva Moldenhauers Übersetzung findet der Rezensent "klingend", das Buch selbst anmutig und intelligent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.09.2001

Wahrheit im Regen
Hugues Pradiers dörfliches Komplott · Von Paul Ingendaay

Etwas Schreckliches ist geschehen: Man hat den Bürgermeister mit einer Mistgabel in der Brust gefunden, drei Zinken, und obwohl er noch lebt und jetzt immerhin in seinem Bett liegt, wenn auch kaum bei Bewußtsein, steht das Dorf vor großen Schwierigkeiten. Die Straße ist überflutet wegen unaufhörlicher Regenfälle, so daß der Arzt nicht kommen wird. Man wartet also, sieht den Regen fallen und überlegt, wie mit dem Unglück, das man in Ermangelung einer präziseren Bezeichnung "das Ereignis" nennt, zu verfahren sei. Denn es gibt einiges zu beraten: Hat man je davon gehört, daß ein Bürgermeister auf seinem eigenen Hof ins Stolpern gerät und in die eigene Mistgabel fällt?

Von dem französischen Schriftsteller Hugues Pradier, geboren 1960, sagt der Klappentext, er lebe in Paris, aber lassen wir uns nicht täuschen: Wahrscheinlich stammt Pradier vom Lande, vielleicht sogar aus einer so feuchten, abgelegenen Gegend wie der, von der sein Debütroman "Die Töchter des Bürgermeisters" erzählt. Es ist ja nicht so, daß sich Städter und Zivilisationsmüde automatisch für die Provinz interessieren würden. Auch der Erzähler fühlt sich bemüßigt, eine Warnung auszusprechen: "Weil das Dorf, allem Gelächter zum Trotz, im Grunde ein Ort des Schweigens ist, ein Ort dessen, was die Fremden, denen ich mich angeschlossen habe, gutgläubig Ruhe und Zurückhaltung nennen, von dem die Einheimischen jedoch wissen, daß es ein Ort der Langeweile und des Schweigens ist. Vergegenwärtigen Sie sich ein solches Dorf, und denken Sie sich dann den Regen, der unablässig auf die Schieferdächer fällt, auf die grünen oder grauen Platten der Terrassen, auf die Halstücher der Frauen, auf die schwarze Erde der Felder, auf die Nadeln der Fichten, auf die Blätter der Eichen im Friedhof und auf das Pflaster der Hauptstraße."

Pradiers kleine Geschichte spielt zwischen den Weltkriegen. Erzählt wird sie von einem, der damals ein Jugendlicher war, obendrein mit seinem jugendlichen Hirn nicht alles verstand und in entscheidenden Momenten vom Vater aus dem Zimmer geschickt wurde. Erst viel später hat er die Wahrheit über den Tod des Bürgermeisters erfahren und die Vorgeschichte dazu: daß nämlich der Witwer mit drei erwachsenen Töchtern, darunter einer sehr schönen, aber geistig zurückgebliebenen, etwas mehr (oder weniger) war, als man allgemein angenommen hatte.

Die skandalöse Wahrheit über den Haushalt des Bürgermeisters hätte schlechtere Autoren dazu verleitet, das Buch mit den geläufigen Topoi des dörflichen Anti-Idylls zu dekorieren: Enge, Dumpfheit, Grausamkeit, verschwiegene Sexualität und was der schwarze Agrarroman sonst noch an Schauerlichem zu bieten hat. Pradier läßt von alldem die Finger. Es gelingt ihm, die Schilderung des Schweigekomplotts in die Hände seines Erzählers zu legen, der sie dem Leser gleichsam in Originalverpackung weitergibt - ohne Raunen und Tuscheln, eher schon mit einer Portion Dickfelligkeit. Dadurch entfallen künstliche Dramatisierung und jedes moralische Getue. Nicht nur lichtet sich der Nebel vor den Augen des Lesers genauso langsam wie vor denen des Erzählers (der sich in die schöne, zurückgebliebene Tochter des Bürgermeisters ein wenig verguckt hat), auch die ethische Perspektive verändert sich. Denn anders, als man vorher anzunehmen geneigt war, kann die Wahrheit durchaus eine Sache der Atmosphäre, der Topographie oder der Luftfeuchtigkeit sein.

Wie diskret Pradier mit seinem Thema umgeht, verrät die zentrale Szene des von Eva Moldenhauer klingend übersetzten Romans (der wohl eher eine Novelle ist). Es handelt sich um eine Szene in Zeitlupe, die immer wieder aufgenommen wird: der Augenblick, da die acht Sargträger, Gemeinderäte allesamt, den toten Bürgermeister zur letzten Ruhe betten wollen und auf dem schlammigen, stark abschüssigen Weg ins Rutschen geraten. Pradier hat diese Besonderheit des Dorffriedhofs hübsch vorbereitet. Die Toten ruhen buchstäblich am Hang; die Gräber unten am Zaun liegen rund zehn Meter niedriger als jene am Eingang. So macht sich der Sarg, während abermals Regen fällt und alles in Schlamm verwandelt, am Ende selbständig, nimmt Tempo auf und droht seine Träger mit in die Tiefe zu ziehen.

Ein irgendwie symbolisches Bild, gewiß. Aber symbolisch wofür? Daß die Toten keine Ruhe geben? Daß ein ganzes Dorf moralisch ins Rutschen gerät? Daß sich alle besudeln, die kollektiv ein Verbrechen vertuschen? Vielleicht von alledem etwas. Pradiers anmutiges und intelligentes Buch handelt von einem wie durch Dunstschwaden gesehenen Zwischenreich: dem Unbehagen, das noch keine Reue ist, dem Halbwissen, das noch keine Komplizenschaft bedeutet, einer Wahrheit, die diffus und unaussprechlich bleibt. Die Klügsten im Dorf ahnen, "daß sie genau diese Wahrheit zu Grabe tragen müssen". Und manche zahlen dafür ihren Preis.

Hugues Pradier: "Die Töchter des Bürgermeisters". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Eva Moldenhauer. btb, München 2001. 128 S., br., 14,- DM.

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