Marktplatzangebote
40 Angebote ab € 1,50 €
  • Gebundenes Buch

'LEBST DU NOCH, ODER WOHNST DU SCHöN?'
'Zeig mir wie Du wohnst, und ich sag Dir, wer Du bist': Noch nie war das Zuhause ein derart wichtiger Teil der Selbstinszenierung, und noch nie gab es so viele Ratgeber, die einem dabei hineinreden wollen. Wie wir wohnen ist alles andere als unsere Privatangelegenheit. Im Gegenteil: Nichts spiegelt die Lage des Landes und die Lebenslügen seiner Bewohner zuverlässiger als die Einrichtungen der Deutschen. Es sind die öffentlichsten Bühnen, die es gibt. Und was da aufgeführt wird, sind absurde Dramen und groteske Komödien. Man weiß nicht, ob man lachen…mehr

Produktbeschreibung
'LEBST DU NOCH, ODER WOHNST DU SCHöN?'

'Zeig mir wie Du wohnst, und ich sag Dir, wer Du bist': Noch nie war das Zuhause ein derart wichtiger Teil der Selbstinszenierung, und noch nie gab es so viele Ratgeber, die einem dabei hineinreden wollen. Wie wir wohnen ist alles andere als unsere Privatangelegenheit. Im Gegenteil: Nichts spiegelt die Lage des Landes und die Lebenslügen seiner Bewohner zuverlässiger als die Einrichtungen der Deutschen. Es sind die öffentlichsten Bühnen, die es gibt. Und was da aufgeführt wird, sind absurde Dramen und groteske Komödien. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man Peter Richter bei seiner Besichtigung des deutschen Wohnwahnsinns folgt. Denn den Kampf um seine Individualität kämpft jeder für sich, aber es stellen sich allen die gleichen Fragen: Kinderklinik oder ganzheitliche Geburtshütte? Miete oder Eigentum? Bis hin zu: Urne, Sarg oder Mausoleum?

Die Wohnung als Weltanschauung:eine Besichtigung der deutschen Wohnwelten und Einrichtungsexzesse - klug, pointiert und komisch!
Autorenporträt
Peter Richter - Kunshistoriker - geboren 1973 in Dresden und dort aufgewachsen. Anfang der 90er Studium in Hamburg. War tätig als Autor u. a. für die SZ und Redakteur bei der FAZ. Veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und moderiert im DeutschlandRadio Berlin. Der Autor lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Der reine Wohnsinn
Peter Richters Einrichtungsfibel „Deutsches Haus”
Wer eine Möbelbranche verstehen will, in der die Firma „Stressless” einen Bequemfernsehsessel namens „Dream” produziert, kommt um dieses Buch nicht herum. Wer sich fragt, ob für die sogenannte Deko-Queen Tine Wittler angesichts ihrer grausam erfolgreichen RTL-Sendung „Einsatz in 4 Wänden” eine Haftstrafe in einer von ihr selbst orangegrün eingefärbten Wohlfühlhölle angemessen sein könnte, sollte sich dieses Buch unbedingt kaufen. Und wer zu ergründen sucht, warum Leute der Kindgerechtigkeit wegen sämtliche Möbel-ecken mit unförmigen Windeln umkleben, im übrigen aber den Unterschied zwischen Kinderzimmer und Kinderstube nicht kennen, muss dieses Buch schleunigst lesen.
Peter Richters „Einrichtungsfibel”, in Wahrheit ist es ein veritables Buch, ersetzt ein ganzes Billy-Regal voller Wohnbücher. Eines, das vollgestopft ist mit den anschwellenden Schriften zu Innenarchitektur, Design, Farbpsychologie, Raumphilosophie, Badezimmerästhetik und Küchenhistorie. Sein Buch „Deutsches Haus” ist das denkbar vergnüglichste und zugleich ein erkenntnisstiftendes Antidot in einer an Wohnquadratmetern immer reicheren Zeit, die das Zuhause zum letztgültigen Distinktionsmerkmal erklärt. In einer Zeit auch, da man sich von schwedischen Kaufhäusern duzen und existenzielle Fragen stellen lassen muss: „Wohnst du noch oder lebst du schon?”
Im Grunde gibt es nur zwei Schriften, die sich der Frage nach dem richtigen Leben im falschen Ambiente auf vorzügliche Weise nähern, ohne sich dabei wie das Prinzip Hoffnung der Architektur anhören zu müssen. Die eine hat Adolf Loos vor einem Jahrhundert geschrieben. In seinem Aufsatz „von einem armen reichen manne” beschreibt er einen Bewohner, der von einem Architekten in den Irrsinn getrieben wird. Richter hat nun die Fortsetzung verfasst: Wir werden jetzt auch von Kinderwagendesignern, Weinetikettengestaltern, iranischen Möbelpackern und seriösen Sargvertretern in den Wahnsinn des „individuellen Geschmacks” gestoßen. Und es ist wohl kein Zufall, dass beide – Loos und Richter – über die gleiche Gabe verfügen: den Hang zu abgrundtiefer Heiterkeit, zu einer komischen Melancholie.
Der Odyssee im Wohnraum kann man auf andere Weise kaum gerecht werden: Man muss sich darüber lustig machen, wenn man es wirklich ernst meint. Und Richter besitzt dazu noch ein weiteres Talent: jene Lust an der Ikonenschändung, die eindeutig bei Tom Wolfe in die Lehre gegangen ist. Den stolzen Besitzern von Bauhaus-Liegen, Bauhaus-Aschenbechern und Bauhaus-Leuchten kann man die Lektüre daher nur um den Preis der Selbsterkenntnis empfehlen. Den Beistelltisch „Gropius” oder die Buchstütze „Alma” kann man sich nämlich auch sehr gut dort vorstellen, wo alle möblierten Eliten, die für die Masse denken, über kurz oder lang enden: im Ikea-Fundus.
Richter porträtiert präzise den Kampf um jenes Terrain, das schon lange aufgehört hat, eine Privatangelegenheit zu sein, das Wohnen. Gegen all die boomenden Style-Zeitschriften, TV-Formate und Feng-Shui-Experten, gegen „Wohnzimmer mit Loungecharakter” und einen Immobilienmarkt, der ohne das Wort „Loftwohnen” auf der Stelle zusammenbrechen würde, setzt er kluge Skizzen, die nichts weniger haben wollen als dies: recht. Dabei beschreibt er vom Geburtshaus über Kinderstube und Jugendzimmer bis zur letzten Ruhestätte das deutsche Haus, das immer auch ein Möbelhaus und ein Dilemma ist. Man begegnet Leuten, die den Ostplattenbau für eine Frage der Coolness halten, und Leuten, die die Schnörkellosigkeit zum Ornament erheben. Man trifft Sofas, die eigentlich nur in Erotikclips denkbar sind, und ganze Wohnwelten, die „Classic”, „Kolonial” oder „Modern Living” heißen – und eigentlich auch nur in Erotikclips denkbar sind.
Richter streift durch all diese Räume, mal in der Pose des Flaneurs, mal als Rumplhanni der Stilkritik; manchmal mit einem fast zärtlichen Gespür für die Tragik eines immer unzulänglich ausgestatteten Lebens, manchmal auch nur mit einem überdeutlichen Sinn für die Komik der Selbstentblößung. Im Grunde ist er aber dem Leid-Motiv einer einzigen, dem Buch als Prolog vorangestellten Meldung auf der Spur. Sie stammt vom 16. Juni 2004 und lautete unter der Überschrift „Gekränkter Hausbesitzer erschlägt Innenarchitektin” so: „Weil der Innenarchitektin seine Einrichtung nicht gefiel, hat sich ein Südafrikaner tödlich beleidigt gefühlt. Aus Rache ermordete er die Frau mit einer Axt.”
Pascal zufolge rührt das Unglück der Menschen bekanntlich daher: „dass sie es nämlich nicht verstehen, in Ruhe in einem Zimmer zu bleiben”. Richter zufolge bleiben sie nicht im Zimmer, weil sie es möbliert haben.
GERHARD MATZIG
Peter Richter
Deutsches Haus
Eine Einrichtungsfibel. Goldmann Verlag, München, 2006. 217 Seiten, 18 Euro
Sieht aus wie Diätzuckerwatte, die sich Giacometti ausgedacht hat. Ist aber eine Designikone.
Seeger-Press
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Begeisterung hat Peter Richters Einrichtungsfibel bei Rezensent Gerhard Matzig ausgelöst. Nicht nur weil sie seines Erachtens ein "ganzes Billy-Regal voller Wohnbücher" ersetzt. Er sieht in dem Werk auch ein wirkungsvolles Gegengift zum grassierenden, von sämtlichen Medien gepushten Wohnwahnsinn in Deutschland. Das Werk erinnert Matzig an einen vor hundert Jahren erschienen Aufsatz von Adolf Loos über einen Bewohner, der von seinem Architekten in den Irrsinn getrieben wird. Beiden Autoren bescheinigt er eine Neigung zu "abgrundtiefer Heiterkeit" und "komischer Melancholie". Richters intelligenten, kritischen und lustigen Beschreibungen von vorgeblich individuellen Einrichtungen und Wohnlösungen finden Matzigs ungeteilten Beifall. Deutlich wird für ihn auch, dass Wohnen heute längst keine Privatsache mehr ist, auch wenn ungezählte Style-Zeitschriften, TV-Formate, Feng-Shui-Experten und Immobilienmakler dies suggerieren.

© Perlentaucher Medien GmbH