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Die Autobiografie von Amerikas brillantestem und umstrittensten Stafverteidiger und Staranwalt, der viele Persönlichkeiten der Zeitgeschichte und des öffentlichen Lebens, aber auch immer wieder die Namenlosen, Ausgegrenzten und Diskriminierten vertrat.

Produktbeschreibung
Die Autobiografie von Amerikas brillantestem und umstrittensten Stafverteidiger und Staranwalt, der viele Persönlichkeiten der Zeitgeschichte und des öffentlichen Lebens, aber auch immer wieder die Namenlosen, Ausgegrenzten und Diskriminierten vertrat.
Autorenporträt
Alan M. Dershowitz wurde 1938 in Brooklyn, New York geboren. Er ist Anwalt, Stafverteidiger und Professor an der Harvard Law School. Dershowitz verteidigt in Strafverfahren prominente Angeklagte, aber auch Anwaltskollegen und arbeitet für die Hälfte seiner Mandanten auf einer Pro-Bono-Basis. Er war Berater mehrerer Rechts-Kommissionen für amerikanische Präsidenten und hat für seinen Kampf für Bürger- und Menschenrechte zahlreiche Auszeichnungen, Ehrenmitgliedschaften und Preise erhalten. Er ist ein charismatischer Redner, international gefeiert, und hat in dieser Eigenschaft die ganze Welt bereist.
Zahlreiche Veröffentlichungen zu juristischen und Menschenrechtsthemen, wie u.a. "The Vanishing American Jew" und "Sexual McCarthyism: Clinton, Starr, and the Emerging Constitutional Chrisis". Er lebt in Cambridge, Massachusetts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Hochtreibende Worte
Niemand sage, dass Alan Dershowitz kleinlich ist / Von Milos Vec

Die einzige Person, die er nicht verteidigen könne, sei er selbst, hat Alan M. Dershowitz einmal gesagt. Das Bekenntnis drückt seine bemerkenswerte anwaltliche Standesethik aus, die ihm viele Anfeindungen eingetragen hat. Scheinbar ein Mietling reicher und prominenter Personen, hat er Mike Tyson, O. J. Simpson und Claus von Bülow vertreten. Fast immer waren es Berufungsverhandlungen, und oft ging es um Mord. Neben diesen spektakulären Fällen haben ihn auch zahllose rechtspolitische Zwischenrufe zum berühmtesten Strafverteidiger Amerikas gemacht. Seine Fähigkeit zur leidenschaftslosen Fallanalyse aus der Distanz macht den glänzenden Rhetoriker zum idealen Interessenvertreter für jeden. Das Buch, das Dershowitz als seine Autobiografie ausgibt, kann diesen Abstand zu eigenen Interessen notwendigerweise nicht wahren und ist erstaunlicherweise dennoch kein Verstoß gegen sein Selbstvertretungsverbot.

Am ersten Tag seines Jura-Studiums liest der Yale-Student Dershowitz eine Entscheidung, die ihn sein Leben lang beschäftigen wird. Es ist die abweichende Stellungnahme des Supreme-Court-Richters Felix Frankfurter bei der Entscheidung über die Pflicht zum Flaggensalut. Die Mehrheit der Richter hatte entschieden, dass die Zeugen Jehovas, die sich aus religiösen Gründen dagegen wehrten, ihn nicht leisten mussten. Doch Richter Frankfurter widersprach: "Jemand, der zu den am meisten diffamierten und verfolgten Minderheiten in der Geschichte gehört, ist den durch unsere Verfassung garantierten Freiheiten gegenüber wohl kaum unempfänglich."

Dem einundzwanzigjährigen Dershowitz aus Brooklyn ist sofort klar, dass Frankfurter sich hier selbst beschreibt. Denn Frankfurter war Jude und somit selbst Angehöriger einer Minderheit. Dershowitz meint das Motiv zu erkennen, das den Richter dazu bewog, die Pflicht zum Flaggensalut über die individuelle Religionsfreiheit zu stellen, zumal während der Krisenzeit des Zweiten Weltkriegs. Als Vertreter einer Minderheit durfte sich Frankfurter nicht zu viel Empathie für andere Minderheiten erlauben; selbst als Richter am Supreme Court fühlte er sich nicht stark genug, bei denen, die er als sein Alter Ego erkannte, Toleranz walten zu lassen. Er wollte aus Angst vor Diskriminierungen seinen Patriotismus beweisen.

Das Staunen, das bei Dershowitz einsetzt, hat eine intellektuelle und eine emotionale Seite: Er fühlt Frankfurters Angst nach, aber er kann sie im Jahr 1959 rational nicht verstehen. Denn Dershowitz ist selbst Jude. Noch beim Lesen der Entscheidung erforscht er seine soziale Lage; er kann keine Diskriminierungen feststellen. Im Gegenteil, Dershowitz spürt eine Schwindel erregende Offenheit um sich. Er ist ein männlicher weißer Yale-Student und zählt sich zur privilegierten Elite. Als Minderheiten betrachtet er "Schwarze, Hispanoamerikaner, Native Americans oder Frauen".

Der Leser dieses Buches bekommt in exemplarischen Geschichten geschildert, wie sich Dershowitz' Weltbild wandelt. Die Geschichten sind eindringlich, weil sie nicht spektakulär sind; sie sind schmerzhaft, weil sie in ihrer realistischen Detailliertheit zeigen, wie entscheidend kleine Wendungen sein können. Als Didaktiker weiß der Harvard-Professor, dass es stets Erzählungen des Alltags sind, durch die seine normativen Adressaten "Joe Sixpack" und "Jane Housewife" begreifen, was die Grundrechte sind und dass sie auch für sie gelten. Für sie schreibt er seine regelmäßigen Kolumnen und reißerische Romane, für sie kommentiert er die Tagespolitik.

So ist es auch mit den Leiden des jungen Alan. Als in sich geschlossene Miniaturen gehören sie zu den spannendsten Passagen des Buches. An dessen Ende ist aus dem sich nicht benachteiligt fühlenden Studenten der Professor Alan M. Dershowitz geworden, Inhaber ausgerechnet des Felix-Frankfurter-Lehrstuhls an der Harvard Law School, und er benutzt nun das ganze Gewicht seiner Stellung, um wider die Diskriminierung der Juden zu fechten, und erzählt sein Leben in der Hoffnung, es würde das Selbstbewusstsein eines Frankfurter wieder aufrichten.

Ihm wird oft vorgeworfen, er sei eitel und verspreche zu viel. In dem Buch findet sich nichts davon. Man erfährt vom Autor Dershowitz nicht, wie brillant der Student Dershowitz gewesen sein muss, und nicht, dass er mit achtundzwanzig Jahren der jüngste Professor in der langen Geschichte der Harvard Law School wird. Dershowitz ordnet alles seiner politisch determinierten Erzähllinie unter. Familiengeschichte und Nationalgeschichte konvergieren und divergieren in stets passenden Details. Von sich selbst erzählt er überwiegend kollektivbiografisch korrekte Details. Nicht nur, dass sein beruflicher Aufstieg bloß die Begleitmusik zu politischen Fällen abgibt, auch alles andere Individuelle, Subjektive ist getilgt. Gerade das Leben von Alan M. Dershowitz wird von diesem selbst nicht erzählt, stattdessen bekommt der Leser unter dem Titel "Autobiografie" ein kunstvoll konstruiertes, mit rhetorischem Geschick vorgetragenes politisches Manifest geboten. Es ist bezeichnend, dass die Erzählperspektive schon im Vorwort vom "ich" zu einem jüdisch besetzten "wir" übergeht.

Dershowitz' zentrale Aussage ist, dass sich die amerikanischen Juden nicht länger als Bürger zweiter Klasse fühlen sollten. Er rechnet ihnen vor, wo überall sie sich eines politischen Quietismus befleißigt hätten, statt "Chuzpe" zu zeigen: selbstbewusstes Auftreten ohne falsche Bescheidenheit und notfalls mit etwas Frechheit, wenn es der Sache dient. Doch Dershowitz ahnt, dass nur zu viele von seinen Adressaten so denken wie er selbst in jungen Jahren. Sie empfinden sich eher als privilegierter Teil des Systems, und ihre Religion legt ihnen dabei keineswegs Steine in den Weg. Oder um es mit einem jüdischen Witz zu sagen: Der junge Jude merkt normalerweise im Alter der Bar Mizwa, dass die Chancen, in einer Erstliga-Mannschaft zu spielen, beträchlich kleiner sind als die, eine zu besitzen.

Deshalb hat das autobiografische Manifest zwei Fixpunkte, auf die es immer wieder zurückkommt: Israel und den Holocaust. Weil Israel der Jude unter den Staaten sei, seien die Juden besonders auf das Land verpflichtet. Weil der Holocaust einmal geschehen ist, muss man alles dafür tun, dass er sich nicht wiederholt. Weil der Autor in dem ganzen Buch erkennbar als Parteivertreter spricht, sieht man ihm auch manche fragwürdige Sachverhaltsdarstellung und manche überflüssige Schmähung nach.

Als Anwalt ist Dershowitz ein Berufungsspezialist. Das ist kein Zufall. Auch in seiner Autobiografie hat er seine stärksten Passagen, wenn er Verfahren und Standards der Entscheidungsfindung kritisiert. Wie jeder gute Jurist analysiert Dershowitz sie vorwiegend aus einer formellen Perspektive. Welche normativen Ausgangspunkte wurden gewählt? Wo es um die aktuellen Minderheitenrechte der Juden in den Vereinigten Staaten geht, stellt Dershowitz regelmäßig eine Kontrollfrage: Was hätte die Öffentlichkeit gesagt, wenn man Farbige so behandelt hätte? Und immer muss der Leser, der meist nur Dershowitz' Version der jeweiligen Vorkommnisse kennt, ihm zustimmen: Nein, dann hätte man es niemals toleriert. Diese Autobiografie hat die Überzeugungskraft einer bis ins Detail schlüssigen Klage, bei der man auf den Schriftsatz der Gegenseite warten muss, um die Schwächen des Anspruchstellers zu bemerken.

Da Dershowitz ein vorzüglicher Jurist ist, der die Abgründe schrankenloser Parteinahme kennt, weiß er selbst um die Gefahr seiner Rede. Es ist wohltuend, von seinem Widerspruch gegen jene zu hören, die die andauernde Diskriminierung von Minderheiten dramatisieren. Dershowitz hält letztlich Maß in seinem Plädoyer für eine Rejudaisierung der amerikanischen Juden, und er zügelt sich auch beim Schulterklopfen Israels. Streng, aber sachlich geht er mit den religiösen Eiferern und ihren Ansprüchen auf Wahrheitsmonopole ins Gericht. Dershowitz kennt die Anekdote über den jüdischen Robinson, der auf seiner Insel gleich zwei Synagogen errichtet - für den Fall, dass er mit der einen Gemeinde eine Auseinandersetzung hat.

Der Strafverteidiger Dershowitz bekommt fünftausend Anfragen pro Jahr; zehn Fälle übernimmt er. Alle seine Mandate wählt er danach aus, ob sie eine gesellschaftskritische Dimension bieten. Nicht nur die Unterprivilegierten, auch seine reichen Mandanten sind oft Projektionsflächen für böswillige Vorurteile, und sie haben einen übermächtigen Ermittlungsapparat der Polizei gegen sich. In einem Interview sagte er, er denke, dass die meisten seiner Mandanten schuldig sind. Sollte es denn anders sein? "Wer will schon in einem Land leben, in dem die meisten Angeklagten unschuldig sind? Dort, wo man ablehnt, schuldige Menschen zu verteidigen, werden die meisten Unschuldigen verfolgt." Die politische Rolle des Verteidigers hat ihren guten juristischen Sinn.

Alan M. Dershowitz: "Chuzpe". Autobiographie. Mit einem Nachwort zur deutschen Ausgabe. Aus dem Amerikanischen von Thomas Bertram. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2000. 523 S., geb., 54,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Heinrich Senfft ist der Ansicht, dass der Untertitel, der auf eine Autobiografie hinweist, nicht ganz zutreffend ist. Thema sei vielmehr jüdisches Leben überhaupt, sowohl in den USA wie auch in Israel oder Russland. Interessant erscheint dem Rezensenten, dass für Dershowitz lange Zeit Antisemitismus geradezu unvorstellbar war - bis er in Yale studierte und später als Professor und Anwalt mit "einer Flut antisemitischer Briefe überschüttet" wurde. Gerade für deutsche Leser sei dies interessant, findet Senfft, denn hierzulande sei das Bewusstsein für die Probleme amerikanischer Juden kaum entwickelt. Die Stärke des Buchs liegt seiner Ansicht nach vor allem in der Fähigkeit Dershowitz`, "den Leser mehr und mehr für sich einzunehmen", was zu einem besseren Verständnis der Thematik führe. Kritik äußert Senfft an der Übersetzung, der man anmerke, dass der Band bereits 1991 in Amerika erschienenen ist. Auch das Nachwort schließe "diese Lücke" leider nicht.

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