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Der Einsatz tödlicher Waffengewalt ist seit jeher eine Selbstverständlichkeit kriegerischer Auseinandersetzungen. Angesichts zunehmender Konfrontation vor allem westlicher Streitkräfte mit asymmetrischer und terroristischer Kriegsführung und umstrittener militärischer Reaktionen wie der gezielten Tötung von Terrorverdächtigen rückt der Einsatz tödlicher Waffengewalt in extraterritorialen Einsätzen jedoch immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Dies gilt für Deutschland spätestens seit dem von Bundeswehroberst Klein angeordneten Luftangriff von Kunduz vom 4. September 2009.
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Produktbeschreibung
Der Einsatz tödlicher Waffengewalt ist seit jeher eine Selbstverständlichkeit kriegerischer Auseinandersetzungen. Angesichts zunehmender Konfrontation vor allem westlicher Streitkräfte mit asymmetrischer und terroristischer Kriegsführung und umstrittener militärischer Reaktionen wie der gezielten Tötung von Terrorverdächtigen rückt der Einsatz tödlicher Waffengewalt in extraterritorialen Einsätzen jedoch immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Dies gilt für Deutschland spätestens seit dem von Bundeswehroberst Klein angeordneten Luftangriff von Kunduz vom 4. September 2009.

Vor diesem Hintergrund geht der Autor der Frage nach, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen deutsche Hoheitsträger im Ausland - die deutsche auswärtige Gewalt - zu tödlichem Waffeneinsatz berechtigt sind. Er untersucht einerseits die Rechtmäßigkeit der Entsendung militärischer und polizeilicher Operationen ins Ausland und andererseits die Rechtmäßigkeit des im Ausland erfolgenden konkreten Waffeneinsatzes - und zwar jeweils sowohl nach Maßgabe des Völkerrechts als auch nach Maßgabe des deutschen Verfassungsrechts.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Analyse der Rechtmäßigkeit des konkreten Waffeneinsatzes. Auf der Ebene des Völkerrechts werden insbesondere aktuelle Entwicklungslinien im Recht der bewaffneten Konflikte vertieft beleuchtet. Kernstück der Untersuchung ist eine umfassende verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit der Frage, in welchem Umfang deutsche Hoheitsträger in Auslandssachverhalten an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden sind und welchen Anforderungen Rechtsgrundlagen zum extraterritorialen Grundrechtseingriff genügen müssen.

Die Arbeit wurde mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2017

Wer schießt, kann treffen
Tödlicher Waffeneinsatz

Bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr kommt es regelmäßig zur Anwendung von tödlicher Waffengewalt, die gegen Kombattanten gezielt eingesetzt wird und Zivilpersonen als Kollateralopfer treffen kann. Auch bei polizeilichen Operationen im Ausland kann der Schusswaffengebrauch notwendig werden. Müssen solche Einsätze, um rechtmäßig zu sein, sich (neben der Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts) auch an den völkerrechtlichen Garantien eines Menschenrechts auf Leben und des grundgesetzlichen Rechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) messen lassen? Halten die Einsätze einer Prüfung an diesen Maßstäben stand? Das ist die Kernfrage der Studie von Carl-Wendelin Neubert, die in jüngster Zeit wiederholt gestellt und unterschiedlich beantwortet wurde.

Das ausdifferenzierte Recht findet im Verhältnis zu den völkerrechtlichen Menschenrechten für den Zeitraum eines bewaffneten Konflikts vorrangig Anwendung und bildet laut Neubert eine hinreichende Rechtsgrundlage für Eingriffe in die völkerrechtlichen Garantien eines Menschenrechts auf Leben aufgrund rechtmäßiger Kriegshandlungen, sofern dieses Menschenrecht nicht ohnehin im Kriegsfall derogiert werden kann (vergleiche Art. 15 Abs. 1 u. 2 Europäische Menschenrechtskonvention). Hinsichtlich der grundgesetzlichen Ordnung folgt Neubert der heute vorherrschenden Ansicht, wonach Bundeswehr und Polizei im Auslandseinsatz, auch im Rahmen internationaler Organisationen und Verbände, gemäß Art. 1 Abs. 3 GG grundsätzlich uneingeschränkt der Bindung an die Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte unterliegen.

Das dürfte zwar nicht in der Absicht des historischen Verfassungsgebers gelegen haben, der sich solche Auslandseinsätze noch nicht vorstellen konnte, aber doch dem Schutzzweck der Grundrechte entsprechen. Die Änderung des Art. 1 Abs. 3 GG im Zuge der Wehrnovelle 1956 mit der Ersetzung des Begriffs der "Verwaltung" durch "vollziehende Gewalt" sollte zwar klarstellen, dass auch die aufzustellenden Streitkräfte grundrechtsgebunden zu agieren haben; diese Bindung ist aber vom verfassungsändernden Gesetzgeber erkennbar nur auf das Verhältnis der Streitkräfte zu ihren deutschen Soldaten und nicht auch auf das Verhältnis zu den von ihrem Einsatz betroffenen ausländischen Kombattanten und Zivilisten bezogen worden.

Dagegen deutet die in Art. 115c Abs. 2 GG vorgesehene Ermächtigung zur gesetzlichen Abweichung von Grundrechtsstandards im Verteidigungsfall, der auch Verteidigungsmaßnahmen außerhalb des Bundesgebiets umfassen kann, darauf hin, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber 1968 von einer generellen Grundrechtsbindung ausgegangen ist, eine Absenkung des Schutzniveaus im Einzelfall allerdings für möglich gehalten hat. Konsequent ist die Geltung des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts nach Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG. Als parlamentsgesetzliche Grundlagen, die zur gezielten oder kollateralen Tötung in bewaffneten Konflikten ermächtigen, kommen - von Sonderfällen abgesehen - nur die deutschen Zustimmungsgesetze zu den völkerrechtlichen Verträgen in Betracht, die die Regeln des humanitären Völkerrechts beinhalten. Sie genügen Neubert dafür nicht, weil sie ganz überwiegend nur staatsgerichtete Handlungsbeschränkungen und -verbote, aber nicht ausdrückliche Eingriffserlaubnisse beinhalteten.

Das steht im Widerspruch zu dem hinsichtlich des völkerrechtlichen Menschenrechts auf Leben gewonnenen Ergebnis und überzeugt auch aus anderen Gründen nicht. Bei den Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Ermächtigung ist zu bedenken, dass das humanitäre Völkerrecht älter als die völkerrechtlichen Menschenrechte ist, als Zwischenstaatenrecht regelungstechnisch von der Handlungsfreiheit der Staaten ausgeht und diese in bewaffneten Konflikten lediglich in bestimmtem Umfang einschränkt. Das schließt aber nicht aus, es in Verbindung mit den Zustimmungsgesetzen - vorbehaltlich der Frage der Geltung des Zitiergebots - auch als zureichende Rechtsgrundlage für Eingriffe in das Grundrecht auf Leben anzusehen. Die Rückwirkung der danach noch verbleibenden Handlungsfreiheit der Staaten auf die Grundrechtspositionen von Kombattanten und Zivilpersonen ist hier mitreflektiert und legitimiert.

Das von Neubert als "vergleichsweise präzise" gelobte österreichische Auslandseinsatzgesetz ermächtigt zu einem Auslandseinsatz entsandte Personen schlicht und einfach "zur Erfüllung konkreter Aufgaben dieses Auslandseinsatzes sowie zur Ausübung und Durchsetzung der hierzu notwendigen Befugnisse, soweit sie in den zugrundeliegenden völkerrechtlichen Regelungen vorgesehen sind". Welchen grundrechtlichen Mehrwert hat eine solche Regelung?

CHRISTIAN HILLGRUBER

Carl-Wendelin Neubert: Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch deutsche auswärtige Gewalt. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2016. 391 S., 41,- [Euro].

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"Neubert hat sich mit seiner Arbeit einem hochaktuellen Thema angenommen und mit neuen Überlegungen einen wissenschaftlich seriösen Beitrag zum staatlichen gewaltmonopol geliefert. Ein lückenloser Schrifttumsnachweis belegt seine Forschungstiefe, eine englisch-sprachige Zusammenfassung öffnet weiteren sprachlichen Zugang. Die Arbeit ist mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet worden - zu Recht." Dr. Klaus Dau, in: Neue Zeitschrift für Wehrrecht, Heft 2/2017