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Im Jahr 1940 hatte es der schon früh zur nationalsozialistischen Bewegung gestoßene Historiker Ulrich Crämer geschafft: Mit nur 33 Jahren erhielt das SA- und SS-Mitglied eine ordentliche Professor an der Münchner Universität. Nach dem Krieg wurde diese steile Karriere dann allerdings zum Stolperstein. Trotz jahrelangen juristischen Ringens bot ihm die ansonsten oft zu großzügigen vergangenheitspolitischen Schlussstrichen bereite Wiederaufbaugesellschaft keine zweite Chance. Verbittert verbrachte er seine letzten Berufsjahre als Lexikonredakteur beim Brockhaus-Verlag. Der Aufstieg und Fall…mehr

Produktbeschreibung
Im Jahr 1940 hatte es der schon früh zur nationalsozialistischen Bewegung gestoßene Historiker Ulrich Crämer geschafft: Mit nur 33 Jahren erhielt das SA- und SS-Mitglied eine ordentliche Professor an der Münchner Universität. Nach dem Krieg wurde diese steile Karriere dann allerdings zum Stolperstein. Trotz jahrelangen juristischen Ringens bot ihm die ansonsten oft zu großzügigen vergangenheitspolitischen Schlussstrichen bereite Wiederaufbaugesellschaft keine zweite Chance. Verbittert verbrachte er seine letzten Berufsjahre als Lexikonredakteur beim Brockhaus-Verlag. Der Aufstieg und Fall Crämers ist ein Lehrbeispiel für das heikle Verhältnis von Wissenschaft und Politik im "Dritten Reich". Die Darstellung bietet facettenreiche Einblicke in die Geschichte der Münchner Universität in Diktatur wie Republik. Dabei werden institutionen- und disziplingeschichtliche Aspekte behandelt, personelle Netzwerke in Hochschule und Politik rekonstruiert und bislang vernachlässigte Kapitel akademischer Vergangenheitspolitikausgeleuchtet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.03.2007

Fleißig, gegenwartsbezogen, SS-Mann
Akademische Vergangenheitspolitik: Das Leben des Münchner Historikers Ulrich Crämer
Biographien bedeutender Historiker des vergangenen Jahrhunderts haben gegenwärtig Konjunktur, heißen diese nun Gerhard Ritter, Hans Rothfels, Hermann Aubin, Theodor Mayer oder Percy Ernst Schramm. Ulrich Crämer würde man auf den ersten Blick nicht für biographiewürdig halten, da er zwar im Jahr 1940 auf den prestigeträchtigen Lehrstuhl Karl Alexander von Müllers für Mittlere und Neuere Geschichte nach München berufen wurde, diesen aber nach Kriegsende wieder verlor, durch den in der NS-Zeit kaltgestellten Franz Schnabel ersetzt wurde und nie wieder in den Universitätsdienst zurückkehren konnte.
Karsten Jedlitschka, der Leiter des Archivs der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle, untersuchte in seiner Münchner Dissertation Crämers Biographie als Exempel. Die Bedeutung der Vita beruht demnach nicht so sehr auf seinem wissenschaftlichen Œuvre als auf der Tatsache, dass er 1945 sein Professorenamt verlor und es in jahrelangen Prozessen nicht wiedererlangte. Die „Causa” Crämer wurde so zum Lehrstück der „akademischen Vergangenheitspolitik” an der Münchner Universität.
In den Streitereien intervenierten der einstmals einflussreiche „Verband der nicht-amtierenden (amtsverdrängten) Hochschullehrer”, die Vertreter der bayerischen Ministerialbürokratie (von Alois Hundhammer bis Johannes von Elmenau), die alten und neuen Kollegen Crämers an der Münchner Universität (Karl Alexander von Müller, Max Spindler, Franz Schnabel, Karl Bosl, Johannes Spörl) und selbst die damals noch lebenden Vertreter des nationalsozialistischen „Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung” (Heinrich Harmjanz, Rudolf Mentzel).
In zahlreichen Gutachten sollte bewiesen werden, dass Crämers Berufung aus politischen Gründen erfolgt sei. Dafür sprachen seine frühe SA- und SS-Mitgliedschaft, ein Referentenposten im Reichsinnenministerium, seine Rezensionstätigkeit bei der Parteiamtlichen Prüfungskommission und die Intervention der Parteikanzlei; dagegen eine nichtarische Urgroßmutter, sein Festhalten am Christentum und das Leumundszeugnis ehemaliger Hörer wie Sieglinde Ehards, der Frau des späteren Ministerpräsidenten.
Crämer unterlag in allen Instanzen, stand am Ende ohne Gehalt und Titel da, sein Ansehen war ruiniert. Dabei ging es weniger um die Wissenschaft als um die Autonomie der Münchner Universität, wie sein einziger Förderer, der Münchner Romanist und Gegner des Nationalsozialismus, Hans Rheinfelder, treffend bemerkte: „Wollte man in gleicher Weise, wie man es bei Crämer tut, auch die anderen Professoren unter die Lupe nehmen, dann müsste man gerechterweise heute noch Dutzende von viel schwerer belasteten, viel regelloser berufenen Professoren ihres Amtes entheben.”
Am Ende musste Crämer froh sein, im Verlag Brockhaus als Lektor unterzukommen. Zwar war er von 1966-1976 für den historischen Inhalt der Enzyklopädie zuständig und prägte das Geschichtsbild vieler Benutzer, doch empfand er dies als Abstieg. Er war ein fleißiger Historiker mit vielseitigen Projekten, die er geschickt den jeweiligen politischen Konstellationen anpasste. So präfigurierte der absolutistische Staat in seinen Augen den nationalsozialistischen Machtstaat. Ähnlich interpretierte er in seiner Dissertation Straßburg als Muster einer „deutschen Reichsstadt”, in der dank einer ausgeklügelten Wehrverfassung „Zucht und Sitte” herrschten. Wenn Crämer sich nach Kriegsende in Allgäustudien vertiefe, so sollten diese das Fundament für einen anvisierten Lehrstuhl für „deutsche (und europäische) Landesgeschichte” oder „historische Geographie” bilden, den es in München noch nicht gab.
Für diese Anpassung findet Jedlitschka in seiner vorzüglich dokumentierten und spannend geschriebenen Untersuchung deutliche Worte. Er spricht von einer „,Transformation korrumpierter Fragestellungen in die Wissenschaft der frühen Bundesrepublik” und resümiert im Hinblick auf die NS-Zeit: „Ulrich Crämer ist ein Paradefall eines gegenwartsorientierten Geschichtsinterpreten. Die politische Ausrichtung seines wissenschaftlichen Schrifttums ist nicht etwa akzidentiell im Sinne einer Anpassung an die Imperative des Regimes, sondern leitend in Fragestellung und Interpretation”. FRANK-RUTGER HAUSMANN
KARSTEN JEDTLISCHKA: Wissenschaft und Politik. Der Fall des Münchner Historikers Ulrich Crämer (1907-1992). Duncker & Humblot, Berlin 2006, 482 S., 96 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Große Anerkennung zollt Rezensent Berndt Jürgen Wendt dieser Arbeit über den Aufstieg und Fall des Historikers Ulrich Crämer (1907-1992), die Karsten Jedlitschka vorgelegt hat. Er würdigt das Werk als "Pionierstudie", die einen aufschlussreichen Einblick in die Geschichte der Münchner Universität im Dritten Reich und der Bundesrepublik gewährt. Jedlitschka gelingt es seines Erachtens am Beispiel Ulrich Krämers, der als NS-Parteigänger eine steile Karriere machte, die Verschränkungen von Politik und Wissenschaft, die Instrumentalisierung der Geschichtswissenschaften sowie die Wirkungsmacht politischer Netzwerke im Dritten Reich exemplarisch zu verdeutlichen. Überzeugend findet er auch die in den Kontext der akademischen Vergangenheitspolitik der Adenauer-Zeit eingebettete Darstellung von Krämers Bemühungen, nach 1945 wieder Fuß zu fassen. Abschließend weist Wendt darauf hin, dass Jedlitschkas Studie wichtige Anstöße zu einer intensiveren Auseinandersetzung der Münchner Universität mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit gegeben hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Jedlitschkas Buch bietet eine exzellent recherchierte und anschaulich formulierte Analyse zu Reichweite und Grenzen der 'Aufarbeitung' des Dritten Reiches in der Historikerzunft sowie den Schleich- und Nebenpfaden, auf denen manch Karriere außerhalb des Universitätsbetriebes voranging.« Magnus Brechtken, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 5-6/2011

»Jedlitschkas Untersuchung gründet auf der genauen und differenzierten Auswertung der einschlägigen Archivalien und Forschungen. Sie führt eindrucksvoll vor Augen, wie sich die deutsche Geschichtswissenschaft in das nationalsozialistische Herrschaftsgefüge verwickelte und welch nachhaltige Konsequenzen sich daraus für die Zeit nach 1945 ergaben.« Helmut Zedelmaier, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 04.05.2009

»Jedlitschka [findet] in seiner vorzüglich dokumentierten und spannend geschriebenen Untersuchung deutliche Worte.« Frank-Rutger Hausmann, in: Süddeutsche Zeitung, 06.03.2007

»Dieses Werk nötigt wegen der Breite und Vielfalt seines Untersuchungsansatzes Respekt ab. Mit ihm gab der Autor zudem wichtige Anstöße für eine inzwischen eingeleitete intensivere Beschäftigung der Ludwig-Maximilians-Universität mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit.« Bernd Jürgen Wendt, in: DIE ZEIT, 28.09.2006

»Jedlitschka ist eine ausgewogene, hoch informative und lesenswerte Monografie gelungen, die am Aufstieg und Fall eines Historikers das heikle Verhältnis von Wissenschaft und Politik im Dritten Reich und den ambivalenten Umgang damit in der Bundesrepublik thematisiert. [...] Dieses Buch ist nachdrücklich zur Lektüre empfohlen und sollte weitere, ähnlich gelagerte Untersuchungen anregen.« Thomas Keiderling, in: IASLonline, 13.09.2006

»Die [...] wissenschaftsgeschichtlich überragenden Verdienste der Arbeit liegen darin, dass der Autor erstmals exemplarisch das lange in diesen Dimensionen nicht bekannte bzw. bewusst verschwiegene Netzwerk zwischen Wissenschaft und Politik im Dritten Reich herausgearbeitet, schonungslos sichtbar und dabei bestens verständlich, ja spannend lesbar gemacht hat - eine teils beklemmende, überaus empfehlenswerte Pflichtlektüre.« Franz-Rasso Böck, in: Allgäuer Geschichtsfreund, 106/2006
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