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Die Weizsäckers verkörpern die besten Traditionen des deutschen Bürgertums. Bedeutende Gelehrte, Theologen, Offiziere und Politiker hat diese Familie hervorgebracht. Alle zeichnete sie die Bereitschaft aus, ihrem Land an herausragender Stelle zu dienen. Zwangsläufig musste sich diese Familie in die geschichtlichen Wechselfälle des 20. Jahrhunderts verstricken. Über die Generationen hinweg zeichnet keine andere deutsche Familie eine solche Verdichtung von Pflichtgefühl, Leistungswillen und intellektueller Brillanz aus. Mit kritischer Sympathie schildert Ulrich Völklein das Schicksal dieser…mehr

Produktbeschreibung
Die Weizsäckers verkörpern die besten Traditionen des deutschen Bürgertums. Bedeutende Gelehrte, Theologen, Offiziere und Politiker hat diese Familie hervorgebracht. Alle zeichnete sie die Bereitschaft aus, ihrem Land an herausragender Stelle zu dienen. Zwangsläufig musste sich diese Familie in die geschichtlichen Wechselfälle des 20. Jahrhunderts verstricken. Über die Generationen hinweg zeichnet keine andere deutsche Familie eine solche Verdichtung von Pflichtgefühl, Leistungswillen und intellektueller Brillanz aus. Mit kritischer Sympathie schildert Ulrich Völklein das Schicksal dieser außergewöhnlichen Familie. Im Mittelpunkt stehen die Lebensläufe Ernst von Weizsäckers (1882 - 1951) und seiner beiden Söhne Carl Friedrich (geboren 1912) und Richard von Weizsäcker (geboren 1920). Aus der NS-Herrschaft, in der der Vater als Staatssekretär im Reichsaußenministerium eine maßgebliche Rolle spielte, haben die drei Persönlichkeiten höchst verschiedene Konsequenzen gezogen. Ihre Biographien lesen sich wie ein Kommentar zu den Konflikten des Einzelnen im Zeitalter totalitärer Ideologien.
Autorenporträt
Ulrich Völklein, geboren 1949, war nach dem Geschichtsstudium bis 1995 Mitglied der Politischen Redaktion der Wochenzeitung Die Zeit und Ressortleiter Politik und Zeitgeschichte vom Stern. Seither arbeitet er als Buchautor über zeithistorische Themen. Er lebt in Hamburg
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz außerordentliche Probleme hat der Rezensent Daniel Koerfer mit diesem Buch. Das fängt schon damit an, dass der Autor die bedeutenden Vorarbeiten, die Martin Wein vor fünfzehn Jahren mit seinem Buch über die Weizsäckers geleistet hat, mit kaum einer Silbe erwähnt. Aber auch inhaltlich kann den Rezensenten das Porträt dreier Mitglieder der Weizsäcker-Sippe - Vater Ernst, die Söhne Carl Friedrich und Richard - nicht überzeugen. Nicht nur die Urteile, die ex cathedra gefällt werden, auch die "bisweilen problematische Montagetechnik", die Dokumente ohne unmittelbaren Bezug an die Stelle fehlender Aussagen der Protagonisten setzt, bereiten Koerfer Unbehagen. Die historische Darstellung bleibt lückenhaft, so bleibe die "verführerische" Seite des Dritten Reichs ebenso ausgespart wie entlastendes Material zum Verhalten Ernst von Weizsäckers. Alles in allem ein nach Einschätzung des Rezensenten eher "verqueres" Buch, "das auf dem Meer der Geschichte oft munter zwischen Binse und Fehlurteil segelt".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Wenn Ihr's nicht fühlt, Ihr werdet's nicht erjagen
Was die Familie von Weizsäcker im Innersten und im "Dritten Reich" zusammenhielt, bleibt weiterhin zu ergründen / Von Daniel Koerfer

Lesen, staunen, stutzen - dieser Dreiklang stellt sich schon auf den ersten Seiten von Ulrich Völkleins überlangem Vorwort ein. Da wird uns vollmundig eine "Saga des besseren Teils des deutschen Bürgertums" versprochen, wird zugleich angekündigt: "Dieses Buch ist keine Demontage, sondern der Prozeß einer seriösen Annäherung an Lebenswelten, Lebensvorstellungen, Lebenskrisen im deutschen Bürgertum des 20. Jahrhunderts." Seriöse Annäherung? Vor 15 Jahren publizierte Martin Wein ein umfangreiches Werk mit dem Titel "Die Weizsäckers - Geschichte einer deutschen Familie". Es war ein Bestseller. Ist es seriös, wenn man jetzt im Vorwort zu einem Werk mit fast identischem Titel und zahlreichen inhaltlichen Überschneidungen mit keiner Silbe die überaus hilfreiche und überreichlich genutzte Vorarbeit würdigt und erwähnt, wenn man im eigenen Text den "Familienbiographen" Wein gerade viermal auftauchen läßt, im ohnehin knappen Anmerkungsteil kaum berücksichtigt, zumal die eigene Literaturbasis schmerzlich schmal ausfällt, auf Interviews mit Zeitzeugen ganz verzichtet worden ist?

Richard von Weizsäcker hat sich - seiner schwäbischen Wurzeln eingedenk - schon vor 15 Jahren geärgert, daß mit seinem Namen Geld von anderen verdient wurde, ohne daß die eigene Familie über zusätzliche Publizität hinaus davon profitierte. Nun darf er sich wieder ärgern - aus mehrfachen Gründen. Während Wein noch sieben Weizsäckers porträtierte, darunter auch Viktor, den Begründer der psychosomatischen Medizin, sind es bei Völklein nur noch drei: Ernst von Weizsäcker - Joachim von Ribbentrops Staatssekretär - und seine beiden Söhne Carl Friedrich, der Kernphysiker und Philosoph, und Richard, der Politiker und Präsident.

Drei überaus interessante Persönlichkeiten deutscher Zeitgeschichte, in der Tat. Aber ihr Leben, ihre drei Lebensläufe werden hier seltsam verbindungslos nebeneinandergestellt und präsentiert. Gerne hätte man mehr über die Wurzeln ihrer Kraft und ihres Ehrgeizes erfahren und auch darüber, was diese Familie im Innersten zusammenhielt, ihre Mitglieder gleichzeitig in hohe und höchste Ämter führte, Wissenschaftler von Weltgeltung hervorbrachte. Bei Völklein bleiben die drei Lebensstränge jedoch unverknüpft. Zugleich neigt er zu seltsamen Wertungen und Kommentaren. "Am Ende fehlten Richard von Weizsäcker die Gelegenheit und wohl auch die Kraft, unter Einsatz seines Lebens gegen Hitlers Unrechtsregime vorzugehen", heißt es im Anfangsteil. Kann man Gewissensentscheidungen in einer mörderischen Diktatur tatsächlich so beschreiben? Aus der Perspektive der Nachgeborenen ist leicht urteilen.

Hinzu kommt eine bisweilen problematische Montagetechnik. Weil Richard von Weizsäcker sich in seinen eigenen Erinnerungen nur höchst diskret über seine Kriegserfahrungen als Offizier des berühmten Potsdamer Infanterieregiments 9 im Rußland-Feldzug geäußert hat, setzt Völklein rund zwanzig Seiten mit kurzen Quellenstücken aus diesem Krieg als "Prolog" vor dessen Porträt. Mit Weizsäcker selbst haben diese Passagen aus Tagesbefehlen und Führererlassen unmittelbar nichts zu tun. Und doch legen sie seine Verwicklung, mindestens aber die seiner Einheit, in den nationalsozialistischen Rassen- und Massenmord nahe. Gewiß, Völklein weist wiederholt an anderer Stelle auf die Berichte Axel von dem Bussches hin, mit dem Richard von Weizsäcker eng befreundet war und der ihm als Augenzeuge von Massakern berichtet. Weizsäcker wird deshalb auch im Kreis von Freunden und Familie auf ein Losschlagen gegen Hitler drängen. Aber die erwähnten Passagen stehen doch seltsam verquer dazu.

Verquer ist so manches an diesem Buch, das auf dem Meer der Geschichte oft munter zwischen Binse und Fehlurteil segelt. Verquer ist vor allem, daß sein eigentliches Thema nicht klar konturiert wird: die Anfälligkeit, die Aufnahmefähigkeit von Teilen des deutschen Bürgertums für antidemokratische wie antisemitische Inhalte und die damit einhergehende stupende Unterschätzung Hitlers in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da ist zunächst Ernst von Weizsäcker, der, nach Marinekarriere und Revolution ohne Studium im Auswärtigen Amt untergekommen, eine tiefe Skepsis gegenüber dem parlamentarischen System beibehalten, nicht wie der von ihm geringgeschätzte Stresemann zu einem Vernunft-republikaner sich wandeln wird. Auf dem Höhepunkt der Krise des Reiches schreibt er im Oktober 1923 an seine Eltern: "Ich glaube, daß Deutschland nur als Ganzes und nicht in Pulverform seine Pflichten als Staat gegenüber der germanischen Rasse und deren Mission zu erhalten vermag." Gleichzeitig lobt er nach der Lektüre den "Völkischen Beobachter": "Eine Erlösung ist es doch, so wacker schimpfen zu hören." Der Völkerbund, in den Deutschland bald darauf aufgenommen wird, ist ihm "eine internationale Schwindlerbande", die Demokratie spätestens 1932 am Ende: "Es gibt doch keine größere Impotenz als Regierungen, die von der öffentlichen Meinung leben . . . Die Demokratie ist der Krebsschaden." Die Demokratie von Weimar hatte keine Chance, weil die überwältigende Mehrheit des deutschen Bürgertums so dachte. Weizsäckers Ehefrau Marianne ist zu diesem Zeitpunkt schon Mitglied in der NS-Frauenschaft, wird 1933 in die Partei eintreten, was Völklein beiläufig mitteilt.

Spurenelemente antisemitischen Ressentiments finden sich in den 1974 von Leonidas E. Hill herausgegebenen "Weizsäcker-Papieren" und werden daher auch von Völklein zitiert. Während des April-Boykotts 1933 schreibt Weizsäcker etwa aus Oslo: "Die antijüdische Aktion zu begreifen fällt dem Ausland besonders schwer, denn es hat die Judenüberschwemmung eben nicht am eigenen Leib verspürt." Lediglich rund 500 000 Juden lebten damals in Deutschland, das entsprach weniger als einem Prozent der Gesamtbevölkerung - Weizsäckers Bemerkung belegt, daß eigene Wahrnehmung und soziale Realität bisweilen weit auseinanderklaffen können.

Der Hoffnungsträger damals? Adolf Hitler. Der älteste Sohn Carl Friedrich von Weizsäcker berichtet freimütig über seine Eindrücke im Frühjahr 1933: "Ich hatte auf einmal das Gefühl, der Hitler, der bringt was zustande. Die Arbeitslosigkeit nimmt sehr schnell ab, sehr viele Leute sind hell begeistert. Der Hitler muß doch einfach was können." Ein Angelpunkt. Hier hätte Völklein anknüpfen müssen. Gründgens und Furtwängler, Benn und Schmeling, aber eben auch der junge Carl Friedrich und sein genialer Freund Werner Heisenberg, sie waren keine überzeugten Nationalsozialisten. Aber sie waren allesamt angezogen von dem Neuen, vom sensationell raschen ersten deutschen Wirtschaftswunder, der Revision von Versailles, der Entfaltung neuer militärischer und damit auch politischer Macht, dem entschlossenen Antibolschewismus. Und sie alle ließen sich verführen, wie viele andere im Lande auch. Das "Dritte Reich" basierte eben nicht nur, nicht einmal in erster Linie auf Terror und Gewalt, sondern es verstand zu locken und zunächst kaum merklich zu verstricken, räumte zugleich manchem der Umworbenen unerwartet große Frei- und Spielräume ein. Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker gehörten zu diesen "Geförderten", die den Ruhm des Reiches mehrten, dafür mit Reise- und weitgehender Redefreiheit im Ausland belohnt wurden. Von dieser verführerischen und nicht minder verstörenden Seite des NS-Regimes findet sich bei Völklein kein Wort.

Carl Friedrich von Weizsäcker hat rückblickend die Zustimmung zu Hitler für seinen größten politischen Irrtum gehalten; sein Weg zur Philosophie, zum politischen Engagement in der jungen Bundesrepublik hat hier seine Wurzeln. Wann endete seine Zustimmung? Offenbar erst 1940/41, auf dem Höhepunkt Hitlerscher Macht: "Es war bei mir eine naive politische Hoffnung. Ich war damals sehr jung und hatte das Gefühl, der Hitler sei auf seine Weise ein genialer Mann. Ich hegte den Traum, ihn mit dem exklusiven Wissen von der Kernspaltung als Faustpfand davon überzeugen zu können, Friedenspolitik zu betreiben." Hitler mit der Bombe auf den Pfad des Friedens zu locken? Welche Naivität, welche Selbstüberschätzung. Glücklicherweise gelangte die Atombombe nicht in die Hand des Diktators, weil die Mitglieder des "Uranvereins", die deutschen Kernforscher um Hahn, Heisenberg und Weizsäcker, nach dem Überfall auf die Sowjetunion hinhaltend zu taktieren begannen, die Waffenentwicklung nicht weiter vorantrieben.

Eine Mischung aus Selbsttäuschung und Selbstüberschätzung muß auch Ernst von Weizsäcker geleitet haben, 1938 als ranghöchster Beamter an die Spitze des Auswärtigen Amts zu treten, Eintritt in die Partei und SS-Ehrenrang inklusive. Revision von Versailles, Revision der Ostgrenzen, die "chemische" Auflösung der Tschechoslowakei, möglicherweise sogar ein Waffengang gegen Polen, dafür war er zu haben, aber Hitler wollte mehr und anderes, wollte den großen Lebensraum- und Rassekrieg. Und das um jeden Preis und schnell. Für Weizsäcker war das "finis Germaniae". Aber er blieb nach Hitler-Stalin-Pakt und Kriegsbeginn bis 1943, bis zu seinem Wechsel zum Vatikan in einem personell immer weiter aufgeblähten, politisch immer unwichtigeren Amt, das eben nicht - wie Völklein meint - das "Zentrum" der NS-Macht darstellte. Das Zentrum war Hitler. In dessen diverse Hauptquartiere reiste Ribbentrop so oft wie möglich. Morgens ließ er seinen Fahrer kommen, befahl vernehmlich: "Zum Führer." Statt dessen ging's in die Wälder. Denn Hitler benötigte das Auswärtige Amt mitsamt den verachteten Diplomaten kaum noch. Davon bei Völklein kein Wort.

Auch zu Weizsäckers Verstrickung nach dem "letzten glücklichen Tag" seines Lebens, dem Tag des Münchner Abkommens, wenig Neues. Daß er den Menschenschacher zwischen Polen und Deutschland im Herbst 1938 führen muß, als beide Länder Juden ausbürgern und dem jeweils anderen Land zuschieben wollen, wodurch Menschen tagelang im Niemandsland herumirren, bleibt unerwähnt. Daß er in Paris die Totenrede auf den ermordeten Diplomaten Ernst vom Rath hält - Verwandte des Attentäters Herschel Grynszpan sind Opfer des erwähnten Menschenhandels - und erstmals im Ausland als hochrangiger Vertreter des "Dritten Reiches" in Erscheinung tritt, keine Silbe dazu. Und so lückenhaft geht es weiter bis ins Jahr 1942. Natürlich, Weizsäcker kannte mindestens Teile der Einsatzgruppenberichte mit ihren Erschießungszahlen, den Ortsangaben mit dem mörderischen Zusatz "judenfrei". Er kannte das Protokoll der Wannseekonferenz vom Januar 1942, als die bürokratische Abwicklung des Massenmords zwischen den beteiligten Instanzen festgelegt wurde, wie Völklein richtig notiert.

Aber er kannte eben auch die Protokolle der beiden - nicht mehr erwähnten - Folgekonferenzen zur "Endlösung der Judenfrage", wo es vor allem um die Definition jüdischer "Mischlinge" ging. Hier ließ Weizsäcker festhalten, daß aus der Sicht des Auswärtigen Amts jedenfalls "die jeweils mildere der zur Diskussion stehenden Lösungen vom außenpolitischen Standpunkt aus den Vorzug" verdiene. Eine für ihn typische Stellungnahme. Unter Hinweis auf außenpolitische Gesichtspunkte suchte er innerhalb des Regimes abzuschwächen, abzumildern. Ein Schritt wie der seines Nachfolgers Gustav Adolf Steengracht von Moyland, der bei der Übermittlung einer der seltenen Ausreisegenehmigungen Hitlers für 400 ungarische Juden nach Schweden eine Null hinzufügte, so 3600 Menschen rettete, wie Margret Boveri schon 1949 berichtet hat - das wäre Weizsäcker fremd gewesen, wäre Urkundenfälschung und damit etwas Unmögliches geblieben. Dafür wurde er nach dem Krieg von einem amerikanischen Militärgericht verurteilt, dreieinhalb Jahre in Landsberg inhaftiert. So exemplarisch sein Scheitern, so exemplarisch das Scheitern seines jüngsten Biographen, dessen Darstellung uns die Gefährdungen menschlichen Handelns in totalitären Zeiten allenfalls oberflächlich vor Augen führt.

Ulrich Völklein: "Die Weizsäckers". Macht und Moral - Porträt einer deutschen Familie. Droemer Verlag, München 2004. 448 S., 22,90 [Euro].

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