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Kaum ein innerdeutsches Thema hat in jüngster Zeit die Gemüter stärker erhitzt als die Frage, ob die Forschung an embryonalen menschlichen Stammzellen zulässig ist. Das derzeit vorliegende Embryonenschutzgesetz sowie seine Ergänzung im Hinblick auf den Stammzellenimport wird von vielen Experten nur als vorläufige Lösung betrachtet.Das kategorische Verbot der "verbrauchenden" Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen ist Ausdruck nicht einer "hohen", sondern einer irrigen Moral und hat keine verfassungsrechtliche Basis. Zu diesem Ergebnis kommt der renommierte Rechtsphilosoph Reinhard…mehr

Produktbeschreibung
Kaum ein innerdeutsches Thema hat in jüngster Zeit die Gemüter stärker erhitzt als die Frage, ob die Forschung an embryonalen menschlichen Stammzellen zulässig ist. Das derzeit vorliegende Embryonenschutzgesetz sowie seine Ergänzung im Hinblick auf den Stammzellenimport wird von vielen Experten nur als vorläufige Lösung betrachtet.Das kategorische Verbot der "verbrauchenden" Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen ist Ausdruck nicht einer "hohen", sondern einer irrigen Moral und hat keine verfassungsrechtliche Basis. Zu diesem Ergebnis kommt der renommierte Rechtsphilosoph Reinhard Merkel in der vorliegenden Studie, in der er sich detailliert mit den rechtlichen und ethisch-moralischen Aspekten des Themas befasst und einen Entwurf zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes vorlegt.
Autorenporträt
Prof. Dr. jur. Reinhard Merkel ist Ordinarius für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg. Zahlreiche Veröffentlichungen. Er forscht in den Bereichen Strafrecht, rechtsphilosophische Grundlagenforschung und Recht und Ethik in der Medizin.
Rezensionen
"Der Rechtsphilosoph plädiert für einen gestuften Schutz des Lebens. Eine klare Argumentation in einer aufgeregten Debatte." Die Zeit

"Es ist keine Frage, Merkels Buch will provozieren und nötigt zum Widerspruch heraus. Es kann durchaus hilfreich sein, sich mit seinen Aussagen und Argumentationen kritisch auseinander zu setzen, um das Urteilsvermögen zu schärfen." Informationen für Religion

"Es spricht viel für Merkels These, dass der deutschen Rechtspraxis und den gelebten Sitten ein gestufter Lebensschutz eher entspricht als ein von der Befruchtung an gleicher. An einer wirklich überzeugenden Theorie dieser Stufen wäre aber noch zu arbeiten. Man kann die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung auch als Herantasten an einen solchen abgestuften Schutz verstehen. Die 'absoluten' Erklärungen dagegen scheinen oft Ängste beruhigen zu wollen, die mancher Politiker und Journalist zur eigenen Profilierung selbst mitgeschürt hat." Die Zeit

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.10.2002

Es geht um Leben und Tod
Vorsichtsargumente: Zwei Bücher zur Embryonendebatte

Es ist wohl jene abgrundtiefe Ambivalenz, welche uns an den neuartigen Entwicklungen der Reprogenetik so fasziniert: die Hoffnung, mit Hilfe unsterblicher Stammzellen einer großen Anzahl schwerkranker und leidender Menschen Heilung bringen zu können, einerseits und das Erschrecken über die Radikalität des biotechnischen Zugriffs auf die Anfänge des ehedem heilig-geheimnisvollen menschlichen Lebens andererseits.

Im Zentrum der internationalen wie nationalen Debatte steht dabei trotz aller Neuerungsrasanz eine uralte philosophische Frage, die nach dem moralischen Status des (frühen) Embryo. Und ebenso alt wie das Grundsatzproblem sind im Kern auch viele Argumente, mit denen eine plausible Antwort auf jene Frage gefunden werden soll. Vier grundlegende Begründungsansätze für einen möglicherweise fundamentalen Status des Embryo und gegen eine sogenannte verbrauchende Forschung an ihnen lassen sich benennen: das Spezies-, das Kontinuums-, das Identitäts- und das Potentialitätsargument. Diese sogenannten SKIP-Argumente werden nun neu diskutiert, rekonstruiert, dekonstruiert und ausdifferenziert in einem überaus verdienstvollen Band, der - herausgegeben von Gregor Damschen und Dieter Schönecker - ein DFG-Rundgespräch in Kooperation mit dem Institut für Philosophie der Universität Halle-Wittenberg vom Beginn dieses Jahres präsentiert.

Die zum Teil höchst diffizilen neuen Aspekte, welche die biowissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre aufgedeckt haben, werden dabei keineswegs ausgespart, sondern sind den Scharfsinn herausforderndes Erprobungsmaterial: etwa die Frage nach möglichen Statusdifferenzen zwischen der imprägnierten Oozyte, also dem sogenannten Vorkernstadium, der Zygote und dem biologisch-autonomen Frühembryo oder der Reprogrammierung von Körperzellen. Auf durchweg hohem Niveau streiten dabei Eberhard Schockenhoff und Reinhard Merkel um das Speziesargument, Ludger Honnefelder und Matthias Kaufmann um das Kontinuumsargument, Rainer Enskat und Rolf Stoecker um das Identitätsargument sowie Wolfgang Wieland und Bettina Schöne-Seifert um das Potentialitätsargument.

Zu den Höhepunkten des Bandes gehört neben der Verteidigung des Potentialitätsarguments durch den Heidelberger Emeritus Wieland aber das umfangreiche Schlußkapitel der beiden Herausgeber, die neu akzentuierte Argumente zum moralischen Status menschlicher Embryonen in ein Plädoyer "in dubio pro embryone" münden lassen. Ihre indirekte Begründungsstrategie geht von einer weithin anerkannten Prämisse - nämlich: daß reversible Komatöse und Neugeborene nicht getötet werden dürfen - aus und versucht nachzuweisen, daß gegen den Ausschluß von Embryonen aus diesem Schutzmodell die besseren Gründe sprechen. Sie verwenden dabei durchaus plausibel auch ein Vorsichtsargument.

Die existentiellen Fragen am Anfang und Ende des menschlichen Lebens lassen sich sicher nicht auf SKIP-Argumente und formgerechte Syllogismen reduzieren. Und das moralphilosophisch wie verfassungsrechtlich zentrale Phänomen, das aus dem Gebot, die Würde des Menschen zu achten, resultiert, kann ein Verbot der sogenannten verbrauchenden Embryonenforschung möglicherweise auch jenseits oder diesseits von Spezies-, Identitäts-, Kontinuums- und Potentialitätsstrategien legitimieren. Dennoch: Gerade für das oftmals so schwierige transdisziplinäre Gespräch ist eine selbstkritische Vergewisserung über die Stringenz, Reichweite und Grenzen der je verwandten Argumentationstopoi ohne Zweifel ein Gewinn. Wer hieran in der gegenwärtigen Auseinandersetzung ernsthaft interessiert ist, dem sei das Buch nachdrücklich empfohlen.

Einer, der seit Jahren ebenso medienwirksam wie virtuos die SKIP-Klaviatur bedient, ist Reinhard Merkel. Daß der Hamburger Rechtsphilosoph und Strafrechtler dabei gelegentlich die Grenze zwischen scharfsichtig-scharfzüngiger Analyse und irritierend selbstgewissem Rationalitätspathos überschreiten mag, dürfte für manchen seiner zahlreichen Diskussionsgegner wenig erfreulich gewesen sein, verhindert aber nie eine entschiedene Antwort auf nahezu alle Zentralfragen der gegenwärtigen biopolitischen Debatte.

In dem von Damschen und Schönecker herausgegebenen Band beschränkte Merkel sich noch auf die Rolle des Spezies-Kritikers. Doch in seiner eigenen Monographie "Forschungsobjekt Embryo" setzt er gleichsam zum Rundumschlag an. Nach einer schonungslosen Demontage der Abtreibungsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts vermag Merkel am Ende nur noch eine verfassungsrechtliche Tabula rasa zu erkennen, was ihm nunmehr aber erlaubt, seine (im weiteren Sinne interessenethischen) Positionen aus dem Modus des esoterischen Raisonnements herauszuführen und ihnen die Dignität politikleitender Vernünftigkeit zu verleihen.

Manch Zustimmungswürdiges in Einzelfragen kann man durchaus vermerken, etwa die Antikritik jener Position, die im Blick auf das sogenannte therapeutische Klonen gerne eine normative und moralische Signifikanz zwischen befruchteten Eizellen und kern-transfergeschaffenen totipotenten Zellen behauptet. Doch als Grundsatzproblem bleibt die Frage, warum ausgerechnet die Leidensfähigkeit der angemessene normative Anknüpfungspunkt für die Zuerkennung verfassungsrechtlicher Integritätsansprüche sein soll. Ich vermag auch nicht zu erkennen, warum der Unterschied zwischen der Fähigkeit des reversibel Komatösen, später menschliche Eigenschaften wieder zu realisieren, einerseits und dem Vermögen des Embryo, solche Fähigkeiten zu entwickeln, andererseits auf eine Differenz zwischen Leben und Tod hinauslaufen soll (dazu finden sich in Damschens und Schöneckers Buch zutreffende Passagen).

Hierauf habe ich bei Merkel keine überzeugenden Antworten gefunden. Fündig wird der Leser aber gegen Ende der Studie in anderer Hinsicht: Beiläufig - und wohl nur dank eines Deleatur-Versäumnisses von Autor und Lektor - erfährt man, daß die Studie aus einem Gutachten (für die FDP?) entstanden ist. Nicht daß solche Entstehungsumstände als solche die Überzeugungskraft von Argumenten schwächen. Doch gehört die diesbezügliche Transparenz zu den wünschenswerten Voraussetzungen gelungener Rezeptionen, gerade dann, wenn rechtspolitische Ratschläge erteilt werden.

WOLFRAM HÖFLING

Reinhard Merkel: "Forschungsobjekt Embryo". Verfassungsrechtliche und ethische Grundlagen der Forschung an embryonalen menschlichen Stammzellen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2002. 304 S., br., 12,50 [Euro].

Gregor Damschen, Dieter Schönecker (Hrsg.): "Der moralische Status menschlicher Embryonen". Pro und Contra Spezies-, Kontinuums-, Identitäts- und Potentialitätsargument. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2002. 331 S., br., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2003

Recht des Klügeren
Reinhard Merkel klärt die Ethik der Embryonenforschung
Bücher, die Gesetze enthalten, Gesetzbücher also, gibt es viele; noch mehr Bücher gibt es über Gesetze. Dass aber ein Buch zum Gesetz wird, ist selten. Auch Reinhard Merkels „Forschungsobjekt Embryo” ist es letztendlich nicht gelungen. Aber immerhin: Den darin entwickelten Gesetzesvorschlag zur Regelung der Forschung an embryonalen Stammzellen haben die Fraktion der FDP und Teile der Union offiziell in den Bundestag eingebracht, nur die nötige Mehrheit erreichte er nicht. Was weiter nicht verwundert, denn Mehrheiten sind auf diesem Gebiet schwer zu erreichen. Zu konträr sind die Positionen, zu festgefahren die Meinungen und zu emotional ist die Debatte.
Doch gerade gegen letzteres wendet sich Merkels Buch mit Erfolg. Nicht weil der Autor eine vermittelnde Position einnimmt. Er steht eindeutig für die Forschung an den embryonalen Stammzellen und Gegner hat er dafür mehr als genug. Aber er zieht die Diskussion von der emotionalen Ebene auf eine andere, sachlichere, juristischere. Bereits sein Artikel zum gleichen Thema in der ZEIT hatte Anfang 2001 die Wogen nicht geglättet, aber die öffentliche Diskussion vorangebracht, weil sie hinter die dort gebrachten Argumente nicht mehr zurück konnte.
Das Buch nun stellt ein Gutachten dar, welches die Fragen wissenschaftlich bearbeitet. Im ersten Teil untersucht es die verfassungsrechtlichen Grundlagen und kommt überraschenderweise zu einer Tabula rasa, zu einem Schweigen aller verfassungsrechtlichen Quellen. Besonders interessant sind die Ausführungen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dem Merkel Widersprüche und damit die Nichtfestlegung in dieser Frage nachweist: Subjektive Grundrechte des Embryos und die geltende Abtreibungsregelung schließen sich nach dieser Analyse rechtslogisch gegenseitig aus.
Auf dieser Grundlage erfolgt dann die ethische Auseinandersetzung. Auch hier widerlegt Merkel die gängigen Argumente der Spezieszugehörigkeit, des Entwicklungskontinuums, der Potentialität und der Identität um zu einer „schwachen Pflicht aus Solidarität” zu kommen, die er dann mit den schützenswerten Belangen der Gesellschaft abwägt.
Als Gesamtergebnis sieht der Autor ein deutliches Überwiegen der Ziele der Stammzellforschung gegenüber den behandelten Gegenargumenten. Ein, wenn nicht das Problem der Betrachtung räumt er allerdings selbst ein: Alle seine Argumente sind dem gegenüber wirkungslos, der die Fragen ausschließlich ideal-, wert-, prinzipienorientiert oder christlich-religiös sieht. Deshalb kann das Buch die Diskussion zwar versachlichen, nicht aber entscheiden.
Ein Vergnügen beim Lesen aber ist die Technik. Merkel, Ordinarius für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, früherer ZEITRedakteur und Schüler des Rechtsphilosophen Arthur Kaufmann, ist ein Sezierer. Präzise und genussvoll, fast genüsslich, setzt er das gedanklich-sprachliche Skalpell an den Positionen der Diskussionen an, stellt die Strukturen und ihre wunden Punkte dar, skelettiert sie, stellt sie teilweise bloß. Insofern ist „Forschungsobjekt Embryo” kein Lehrbuch aber auch ein Lehrstück der rechtsphilosophischen Sektionstechnik.
RAINER ERLINGER
REINHARD MERKEL: Forschungsobjekt Embryo. Verfassungsrechtliche und ethische Grundlagen der Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2002. 304 Seiten, 12,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Reinhard Merkel fällt mit seinem Buch "Forschungsobjekt Embryo" ein "vernichtendes Urteil" über das neue Stammzellimportgesetz, stellt der Rezensent Ludwig Siep fest. Dass das Recht des Embryos auf Leben höher gestellt werde als das Recht des Kranken auf Heilung sei laut Merkel rechtlich und ethisch nicht zu rechtfertigen. Der Rezensent bewertet Merkels Verteidigung dieser These als "umfassend, klar und scharfsinnig". Allerdings sind die Thesen selbst "teilweise nicht ganz so zwingend, wie der Autor unterstellt", kritisiert Siep. Merkel mache keine Aussage über den Zeitpunkt, von dem an dem Embryo subjektive Lebensschutzrechte zustehen. Offenbar sind für Merkel nur Geborene erlebnisfähig. Und nur Erlebnisfähige können für ihn Träger "'genuin' subjektiver Grundrechte" sein. Dem widerspricht der Rezensent, der glaubt, dass auch Ungeborene ab gewissen Entwicklungsstufen Erlebnisfähigkeit besitzen (und somit auch rechtsfähig sind). Trotz seiner radikalen Thesen fordert Merkel laut Siep nicht ganz so radikale Verhaltensrichtlinien für die politische Praxis. Hier empfehle er eher ein Stufenmodell des Lebensschutzes und nicht die uneingeschränkte Gewinnung von Stammzellen. Siep stimmt mit dem Autor überein, dass ein Verbot des therapeutischen Klonens "deutscher Rechtspraxis und den gelebten Sitten" eher entspräche. Da der Rezensent solch differenzierte Schlüsse in der öffentlichen Debatte um Gentechnologie schmerzlich vermisst, empfiehlt er Merkels Stellungnahme "dringend" zur Lektüre.

© Perlentaucher Medien GmbH
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