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Alfred Döblin (1878 - 1957), geboren und aufgewachsen in Stettin, studierte Medizin und war als Nervenarzt in Berlin tätig. Zugleich machte er sich als Schriftsteller einen Namen und war Mitbegründer der expressionistischen Zeitschrift 'Der Sturm'. Berühmt wurde sein 1929 erschienener Roman 'Berlin Alexanderplatz', in dem er die moderne Großstadtrealität in ihrer Atemlosigkeit, Zerrissenheit und Erbarmungslosigkeit schildert. Döblin emigrierte 1933 mit seiner Familie in die Schweiz, später nach Frankreich, dann in die USA. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück, doch konnte er nicht mehr an…mehr

Produktbeschreibung
Alfred Döblin (1878 - 1957), geboren und aufgewachsen in Stettin, studierte Medizin und war als Nervenarzt in Berlin tätig. Zugleich machte er sich als Schriftsteller einen Namen und war Mitbegründer der expressionistischen Zeitschrift 'Der Sturm'. Berühmt wurde sein 1929 erschienener Roman 'Berlin Alexanderplatz', in dem er die moderne Großstadtrealität in ihrer Atemlosigkeit, Zerrissenheit und Erbarmungslosigkeit schildert. Döblin emigrierte 1933 mit seiner Familie in die Schweiz, später nach Frankreich, dann in die USA. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück, doch konnte er nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen. Heute zählen seine Werke zu den Klassikern der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Bernhardt, Oliver
Oliver Bernhardt, geboren 1976, studierte Germanisti, Politikwissenschaft und Psychologie. Promotion über Alfred Döblin und Thomas Mann. Er lebt als Dozent und Literaturwissenschaftler in Heidelberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2007

Der war immer modern
Nach fünfzig Jahren: Was bleibt von Alfred Döblin?

Sein Leben hätte glanzvoll verlaufen können, doch endete es in Bitterkeit. 1929 war Alfred Döblin für seinen eben erschienenen Roman "Berlin Alexanderplatz" zum Nobelpreis vorgeschlagen worden; erhalten hat ihn Thomas Mann. 1933 musste er als jüdischer und linker "Asphaltliterat" noch in der Nacht des Reichstagsbrands Deutschland verlassen; man hatte ihn vor einer geplanten Verhaftung gewarnt. Es folgten Jahre des Exils, zunächst in Paris, dann, nach einer verstörenden Flucht vor den 1940 einmarschierenden deutschen Truppen, in Kalifornien. Während der Pariser Zeit konnte Döblin im Amsterdamer Querido-Verlag noch zwei großartige Romane publizieren, die "Babylonische Wandrung", seinen eigentlichen Emigrationsroman, und die "Amazonas"-Trilogie, eine "Generalabrechnung mit der europäischen Zivilisation", die in manchem Horkheimers und Adornos "Dialektik der Aufklärung" vorwegnimmt. In Amerika war dergleichen nicht mehr möglich. Döblin schrieb für die Schublade und war auf Almosen angewiesen. Die Wohnungen wurden immer bescheidener, das Leben kärglicher. In der Nähe residierten Thomas Mann und Lion Feuchtwanger, die ihn unterstützten, in luxuriösen Villen.

Dann die Rückkehr nach Europa. Döblin war 1936 französischer Staatsbürger geworden und hatte von Kriegsbeginn bis zu seiner Flucht aus Paris für das französische Informationsministerium gearbeitet. Gegen Ende des Kriegs meldete er sich für den Einsatz in Deutschland und wurde als Kulturbeauftragter bei der französischen Besatzungsmacht nach Baden-Baden kommandiert, wo er am 9. November 1945 eintraf. Nebenbei versuchte er, die Romane, die er in der zweiten Hälfte der Exilzeit geschrieben hatte, zum Druck zu bringen: das vierbändige Erzählwerk "November 1918" über die "versandete" deutsche Revolution als Voraussetzung für den Aufstieg des Nationalsozialismus und den Nachkriegsroman "Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende". Döblin ging mit Elan ans Werk - und erlebte eine Enttäuschung nach der andern: Ältere Autoren, die während des "Dritten Reichs" in Deutschland geblieben waren, begegneten ihm mit Ressentiment; jüngere betrachteten ihn als einen Vertreter jener älteren Generation, die für das Scheitern der Weimarer Republik verantwortlich war. Die Monatsschrift "Das goldene Tor" konnte bis 1951 erscheinen, aber ihre Ausstrahlung war gering. Die Publikation seiner Werke gestaltete sich schwierig: Die einzelnen Bände des "November"-Romans erschienen nach mehrjähriger Verlagssuche 1948 bis 1950 in relativ kleinen Auflagen. Die Bestseller dieser Jahre waren Thomas Manns "Doktor Faustus" (1947) und Ernst Jüngers "Strahlungen" (1949). Der Hamlet-Roman blieb liegen, bis ihn Hans Mayer und Peter Huchel mit in die DDR nahmen, wo er 1956 in einem katholischen Verlag gedruckt wurde. Über Mainz und noch einmal Paris kam Döblin, der 1905 in Freiburg zum Dr. med. promoviert worden war, nach Emmendingen, wo er, nunmehr ein Pflegefall, am 26. Juni 1957 achtundsiebzigjährig starb. Sein Werk geriet nahezu in Vergessenheit. Das lag nicht an der Qualität seiner Werke. Gewiss, manche sind experimentell ambitioniert und nicht unbedingt massentauglich; auch arbeitete Döblin nicht mit jener gleichbleibenden handwerklichen Sorgfalt, die bei seinem großen Rivalen Thomas Mann zu beobachten ist. Aber das reicht nicht, um zu verstehen, warum solch grandiose Geschichtsromane wie die "Amazonas"- und die "November"-Trilogie bis gegen Ende der siebziger Jahre überhaupt nicht wahrgenommen wurden; auch Günter Grass, der Döblin 1968 als einen Lehrer rühmte, bezog sich nur auf das avantgardistische Frühwerk. Was störte an dem älteren Döblin? Zum einen der Umstand, dass er sich im Herbst 1941, im äußersten Elend angekommen, katholisch hatte taufen lassen; zum andern die Tatsache, dass er schon Ende der zwanziger Jahre, als die intellektuellen Pilgerfahrten nach Moskau einsetzten, vor den menschenverachtenden Zwangsmaßnahmen des Bolschewismus gewarnt hatte. Letzteres führte zum Zerwürfnis mit Brecht und Benjamin. Brecht hatte Döblin einmal als einen seiner geistigen "Väter" bezeichnet; nun verwarf er seine Werke als "Dokumente von Ausweglosigkeit". Benjamin hatte "Berlin Alexanderplatz" 1930, sehr zu Recht, als bahnbrechendes Erzählwerk jenseits der Romankrise bezeichnet; aber in seinem berühmten "Erzähler"-Essay von 1936 erwähnt er Döblin mit keinem Wort mehr, sondern schreibt alles, was er bei Döblin gelernt hat, dem russischen Erzähler Nikolai Leskow (1831 bis 1895) zu. Unvorstellbar, welche Aufmerksamkeit Döblins Werk zuteil geworden wäre, wenn Benjamin über den geredet hätte, der das eigentliche Vorbild für seinen "Erzähler" war: den Verfasser von "Berlin Alexanderplatz".

Es ist dem Walter Verlag (früher Olten, jetzt Düsseldorf) und einer zunächst kleinen Gruppe von Germanisten zu verdanken, dass Döblins Werk wieder ins Gespräch kam. Der Walter Verlag setzte beharrlich die von Walter Muschg begründete Werkausgabe in Einzelbänden fort. Unter Muschgs Nachfolger Anthony W. Riley erhielten die Bände aufschlussreiche Kommentare, die die Materialbasis der Romane erschließen und die Eigenart von Döblins Erzählkunst profilieren. Zwei Bände, die Romane "Berge Meere und Giganten" (1924) und "Die drei Sprünge des Wang-lun" (1915), sind neuerdings erschienen, beide mit finanzieller Unterstützung der VG WORT und der Fritz Thyssen-Stiftung. Über den Buchhandel allein wären Ausgaben dieser Qualität so wenig zu realisieren wie ohne passionierte Gelehrtenarbeit. Das Publikum aber profitiert davon: Die Ausgaben erscheinen bald auch bei dtv als Taschenbücher.

Eine Wende in der Rezeption brachten die achtziger Jahre. Damals erschienen einige Arbeiten, die ein neues und besseres Verständnis von Döblins Erzählkunst eröffneten, ebenso solche, die Döblin vom Vorwurf der ideologischen Verirrung befreiten. Danach war eine unbefangenere Auseinandersetzung mit dem Werk möglich; jüngere Arbeiten thematisieren weniger ideologische Positionen als vielmehr Döblins ingeniöse und immer wieder innovativ wirkende literarische Technik.

Mit seinen frühen Erzählungen ("Die Ermordung einer Butterblume"), mit seinen poetologischen Programmschriften (wie dem offenen Brief an den Futuristen Marinetti) und mit einigen seiner Romane gehört er in die Spitzengruppe der deutschsprachigen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Der geniale Roman "Berlin Alexanderplatz" ist ein Hauptwerk der internationalen literarischen Moderne und der ihn reflektierende Essay "Der Bau des epischen Werks" wohl die bedeutendste Romanpoetik der Moderne; weder von Thomas Mann noch von James Joyce, noch von André Gide gibt es Vergleichbares.

Dass Döblin nicht ganz in Vergessenheit geriet, ist nicht nur dem Verlag und den Herausgebern zu verdanken, sondern auch der 1984 gegründeten "Internationalen Alfred-Döblin-Gesellschaft" (www.alfred-doeblin.de). Sie hat nicht die Ausstrahlungskraft der Thomas-Mann-Gesellschaft, dafür fehlt Döblin die Repräsentativität. Aber sie hat sich zu einem produktiven Forum der Döblin-Forschung entwickelt, versorgt Döblinisten mit Informationen und ist hilfreich vor allem für junge Wissenschaftler, die sich Döblins Werk zuwenden. Vom 27. bis zum 30. Juni tagt die Döblin-Gesellschaft in Emmendingen; das Tagungsthema lautet: "Tatsachenphantasie! - Alfred Döblins Poetik des Wissens im Kontext der Moderne". Eine große Biographie gibt es nicht. Aber nun liegt ein eingängig geschriebenes, schön illustriertes "dtv-portrait" von Oliver Bernhardt vor, das über das Wesentliche zuverlässig informiert.

HELMUTH KIESEL

Alfred Döblin: "Berge Meere und Giganten". Roman. Herausgegeben von Gabriele Sander. Walter Verlag, Düsseldorf 2006. 793 S., geb., 54,- [Euro].

Alfred Döblin: "Die drei Sprünge des Wang-lun". Roman. Herausgegeben von Gabriele Sander und Andreas Solbach. Walter Verlag, Düsseldorf 2007. 670 S., geb., 54,- [Euro].

Oliver Bernhardt: "Alfred Döblin". Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2007. 187 S., br., 10, - [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wenn Helmuth Kiesel fragt, was fünfzig Jahre nach Alfred Döblins Tod von dessen Schaffen übrig ist, schwingt Hoffnung mit. Kiesel zeichnet die Lebensstationen Döblins nach und gibt einen Überblick über das Werk des "nicht unbedingt massentauglichen" Schriftstellers. In der Rezeptionsgeschichte stechen für ihn der Walter Verlag mit seiner Werkausgabe in Einzelbänden und die 80er Jahre als Höhe- bzw. Wendepunkte heraus, die den Blick für Döblins "ingeniöse" literarische Technik schärften und ihm zu dem nach Kiesels Ansicht verdienten Platz in der "Spitzengruppe" der deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts verhalfen. Dass noch immer keine großeBiografie zu Döblin existiert, ist für Kiesel ein Desiderat, das er mit dem nun vorliegenden "dtv-portrait" zwar nicht aus der Welt geschafft sieht, das er künftig aber leichter wird verkraften können, legt Oliver Bernhardt doch ein laut Kiesel "eingängig geschriebenes, schön illustriertes" Buch vor, das "zuverlässig" über alles Wichtige zu Döblin informiert.

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