Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 1,40 €
  • Broschiertes Buch

1 Kundenbewertung

25 Jahre Mauerfall Die Berliner Mauer ist fast ganz verschwunden, umso stärker bewegt ihre Karriere vom Sperrwall zum Freiheitssymbol die Phantasie der Menschen. Renommierte Autorinnen und Autoren legen hier die erste Gesamtdarstellung sämtlicher Aspekte der Berliner Mauer vor - vom Mauerbau bis zur "Mauerkunst", von Flucht und Tod an der Mauer bis zum Gedenken an die Opfer der Mauer heute.

Produktbeschreibung
25 Jahre Mauerfall
Die Berliner Mauer ist fast ganz verschwunden, umso stärker bewegt ihre Karriere vom Sperrwall zum Freiheitssymbol die Phantasie der Menschen. Renommierte Autorinnen und Autoren legen hier die erste Gesamtdarstellung sämtlicher Aspekte der Berliner Mauer vor - vom Mauerbau bis zur "Mauerkunst", von Flucht und Tod an der Mauer bis zum Gedenken an die Opfer der Mauer heute.
Autorenporträt
Dr. Klaus-Dietmar Henke, geb. 1947 bei Kamenz/Sachsen, Dr. phil., Historiker, von 1979 bis 1992 am Institut für Zeitgeschichte in München, von 1992-1997 Abteilungsleiter Bildung und Forschung beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, 1997-2001 Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung der Technischen Universität Dresden, wo er seit 1997 den Lehrstuhl für Zeitgeschichte inne hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2011

Sprengstoff, Schussfeld, Bombengeschäft
Vor 50 Jahren stabilisierte sich das SED-Regime durch den "antifaschistischen Schutzwall" quer durch Berlin

Von der Berlin-Krise über den Mauerbau und die Maueropfer bis zum Mauerfall und zum heutigen Gedenken an die Leidtragenden des SED-Regimes: Aus der Flut der Neuerscheinungen zur Geschichte der Todesgrenze ragt der von Klaus-Dietmar Henke betreute Sammelband mit 29 meist sehr lesenswerten und lehrreichen Beiträgen heraus. Eigens berücksichtigt sind auch die Ahndung der Gewalttaten an der innerdeutschen Grenze, die Mauer als Thema in Literatur, Spielfilm, Malerei und Grafik, der Handel mit Mauer-Relikten sowie die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße.

Michael Kubina stellt in dem Aufsatz "Die SED und ihre Mauer" eine interne Besprechung Erich Honeckers mit General Fritz Streletz im Mai 1974 heraus. Dreizehn Jahre nach dem Mauerbau und ein Jahr nach Inkrafttreten des Grundlagenvertrags zwischen Bonn und Ost-Berlin bekannte sich der SED-Chef zum "einwandfreien Schussfeld" an den DDR-Grenzen: Bei Durchbruchsversuchen müsse "von der Schusswaffe rücksichtslos Gebrauch gemacht werden". Genossen, die "erfolgreich" die Schusswaffe "angewandt" haben, seien zu belobigen. Laut Kubina war die Mauer für das Regime "ein Bombengeschäft: Insgesamt ist von etwa 91 Milliarden DM auszugehen, die bis 1989 aus privater und öffentlicher Hand infolge der deutschen Teilung und Mauer aus der Bundesrepublik in den anderen deutschen Staat flossen, der größte Teil seit den siebziger Jahren. Darunter waren 45 Milliarden an privaten Geschenken, aber auch beispielsweise 4,5 Milliarden in Form des Zwangsumtausches für westdeutsche DDR-Besucher und 7,8 Milliarden als Transitpauschale, die direkt dem ostdeutschen Staat zugutekamen." Außerdem kaufte die Bundesrepublik dem "Arbeiter- und Bauernstaat" von 1963 an Jahr für Jahr Hunderte von politischen Häftlingen ab, in der Mehrzahl gescheiterte "Republikflüchtlinge", insgesamt über 30 000. So habe es jenen "organisierten Menschenhandel" tatsächlich gegeben, den die SED-Propaganda über Jahrzehnte dem Westen vorwarf, unter aktiver Beteiligung des Ostens; 3,5 Milliarden DM brachte Bonn dafür auf.

Die offizielle Sprachregelung "antifaschistischer Schutzwall" für Mauer und Todesstreifen analysiert Elena Demke. Die "heile Welt des Sozialismus" war angeblich zu schützen "vor Aggression, die von Anschlägen bis zu Kriegsplänen reichen, vor der Unmoral des Westens, die die harmonische Ordnung der Geschlechter, der Generationen und des sozialen Rollengefüges bedrohen". Zum Kampf gegen die "faschistische Außenwelt" gehörten die von Propaganda-Chef Albert Norden geführten "Braunbuch"-Kampagnen gegen Persönlichkeiten der Bundesrepublik, "deren Vorläufer bis 1956 zurückreichen und die ihren Höhepunkt in den Jahren nach dem Mauerbau hatten".

Der Mauer als politischer Metapher widmet sich Marion Detjen. Nach dem Bau von 1961 hätten im "kurzen Augenblick der größten Hilflosigkeit der Politik" die SPD-Senatoren Heinrich Albertz und Kurt Neugebauer ebenso wie Senatssprecher Egon Bahr "die Fluchthelfer mit ihren Passfälschungen und ihrem illegalen Waffenbesitz" unterstützt. Man sei wohl bereit gewesen, "in allerletzter Konsequenz Gewalt mit Gewalt zu beantworten: Am 26. Mai 1962 verübten zwei Polizisten und die Fluchthelfer, die den engsten Kontakt zu Egon Bahr hatten, einen Sprengstoffanschlag auf die Mauer und überschritten damit bewusst die Grenzen des friedlichen Widerstands, wenn auch sorgfältig ausgeschlossen wurde, dass Menschen dabei zu schaden kamen." Der Anschlag sei so koordiniert gewesen, dass er zu einer "flammenden Rede" des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt auf dem SPD-Parteitag in Köln gepasst habe. Erst 2007 wurde dies nach dem Tod von Bahrs Kontaktmann Bodo Köhler, "selbst SPD-Mitglied und später als Redenschreiber in der Senatskanzlei aktiv an der Formulierung der Neuen Ostpolitik beteiligt", durch dessen Witwe bekannt.

Die Pro-Freiheitsbewegung-Rhetorik von 1961/62 passte nicht mehr zum ersten Passierscheinabkommen von Ende 1963, weil die Mauer etwas durchlässiger wurde: "Nun musste im Gegenteil ihre Bedeutung heruntergespielt werden, um die Verhandlungen mit dem Gegner und das auf Langfristigkeit angelegte Erfolgskonzept der Neuen Ostpolitik nicht zu gefährden." Dabei "wurde die Mauer von dem Unglück und Leid, das sie produzierte, abstrahiert und gesäubert: Sie galt nicht mehr als Symbol der Unterdrückung, für die man Verantwortliche hätte benennen können, sondern als Symbol der Teilung in einem ,Kalten Krieg', der alle irgendwie gleichermaßen zu Schuldigen machte." Die Auswüchse dieser "Amnesie" zeigten sich in der Forderung, die DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen, was auf eine "Zwangsmassenausbürgerung von 17 Millionen Menschen hinausgelaufen wäre". Die Freiheits-Metapher hatte 1989 Hochkonjunktur. Seither beobachtet Frau Detjen einen Gegentrend: Viele Deutsche aus Ost und West ohne Migrationshintergrund, "die sich als Verlierer der Einheit fühlen, bringen heute der Schutzwall-Metapher mehr Sympathie entgegen als der Freiheits-Metapher."

Herausgeber Klaus-Dietmar Henke schreibt in seiner luziden Einleitung, dass die SED am 13. August 1961 mit der Abriegelung der Westsektoren Berlins "die Notbremse auf dem Weg ihres Staates in den Untergang gezogen" habe. Berlin habe mit der Zementierung des Status quo "als Krisenherd seine Bedeutung für die Weltpolitik" verloren. Die "Existenz der Halbstadt" sei die Geburtsstunde der neuen Ostpolitik gewesen - der Politik der kleinen Schritte auch durch die Passierscheinabkommen. Diese "begründeten trotz gegensätzlicher politischer Grundauffassungen das Schema, das die Beziehungen der Bundesrepublik und der DDR seit den siebziger Jahren bestimmte, nämlich die Gewährung humanitärer Erleichterungen gegen die Gewährung von Anerkennungsgewinnen". Für Henke hatten der Bau und der Fall der Mauer "eine gemeinsame Wurzel: die Entschlossenheit allzu vieler Bürger, eher das Land zu verlassen, als sich mit den Verhältnissen abzufinden". Und überhaupt habe die Mauer die DDR-Gesellschaft nur äußerlich stabilisieren können: "Im Innern erzeugte sie jene pathologische Stabilisierung, welche die Parteiherrschaft garantierte, aber Leben einengte und Freiheit erstickte." Die Mauer sei "nach ihrem Fall fast ganz verschwunden", aber als "eine der großen politischen Ikonen der Menschheit" sei sie gegenwärtiger denn je.

RAINER BLASIUS

Klaus-Dietmar Henke (Hrsg.): Die Mauer. Errichtung, Überwindung, Erinnerung. Deutscher Taschenbuchverlag, München 2011. 607 S., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.08.2011

Monstrum und
Mahnmal: Was die
Mauer war und ist
29 Autoren zeigen, wie es zum sogenannten
Antifaschistischen Schutzwall kam und wie
unterschiedlich er im Lauf der Zeit gesehen wurde
Die Nachkriegsgeschichte eilt ihren Jubiläen entgegen. Nun steht der Mauerbau vom 13. August 1961 an. Die wichtigen Deutungskontroversen um die Hintergründe sind längst ausgetragen. Zu den besten Bilanzen zählt der von Klaus-Dietmar Henke edierte Sammelband„Die Mauer“. Mag man einzelne Aspekte wie etwa den Häftlingsfreikauf vermissen, so wird darin das heutige Bild doch gut ausgeleuchtet.
Zugleich dokumentiert der Band die fortlaufende Blickverschiebung auf den monströsen Betonriegel, der an der Berliner Nahtstelle des Kalten Krieges fast dreißig Jahre lang West und Ost getrennt hatte. Das betrifft zunächst die politische Verantwortung für den Mauerbau selbst: Lag sie bei Ulbricht oder bei Chruschtschow? Eigentümlicherweise berufen sich ausgerechnet frühere DDR-Militärangehörige wie Heinz Keßler heute darauf, dass der Schlüssel zum Mauerbau allein in Moskau gelegen und die Ost-Berliner Führung lediglich als ausführendes Organ sowjetischer Befehlsgewalt gehandelt habe.
Vor 1989 war eben dies die Position der Kalten Krieger im Westen gewesen, und sie war damals so falsch wie heute. Nicht Chruschtschow, sondern Ulbricht hatte schon lange vor dem August 1961 darauf gedrungen, die die DDR im Kern ihrer Existenz bedrohende Ost-West-Verbindung in Berlin zu kappen. Allerdings dachte er dabei nicht allein an die hohen Fluchtzahlen (die durch die Zuwanderung von Vertriebenen lange Zeit kompensiert worden waren), sondern zugleich auch an den Infektionsherd der westlichen Lebensweise, der das sozialistische Experiment fortlaufend vergiftete: Die kommunistische Sinnwelt war in ihrem Wesen auf eine Außenabschottung angewiesen, die sich als Diktatur der Grenzen (Thomas Lindenberger) im exklusiven Avantgardemilieu von Parteigremien ebenso manifestierte wie in den abgeriegelten Staatsgrenzen.
Chruschtschow hingegen wehrte sich gegen die Errichtung einer Absperrung quer durch Berlin, denn er wollte gerade an der Nahtstelle zwischen Ost und West die wirtschaftliche und kulturelle Überlegenheit des Sozialismus demonstrieren. Die strategischen Differenzen blieben verdeckt, solange beide hoffen konnten, es werde doch noch zu einem Friedensvertrag kommen, der West-Berlin aus dem westalliierten Schutz herauslösen und als „Freie Stadt“ in den östlichen Machtbereich integrieren würde. Als diese Hoffnung an Kennedys unbeirrter Haltung auf dem Wiener Gipfel im Juni 1961 abprallte, musste sich der Moskauer Utopist dem Berliner Realisten geschlagen geben. Einmal überzeugt, nahm Chruschtschow im Juli 1961 die konkrete Planung der nicht ohne Weltkriegsrisiko zu bewältigenden Absperroperation in die eigene Hand.
Das eigentlich Bemerkenswerte daran ist allerdings nicht die in Nuancen wohl auch weiterhin strittige Verteilung der Verantwortung. Bemerkenswert ist, dass die östlichen Akteure überhaupt so viel mehr geteilter Meinung waren, als dies aus der westlichen Außensicht früher angenommen wurde. Selbst Ulbrichts berüchtigte Beruhigungsparole „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, jahrzehntelanger Musterbeweis für die Verlogenheit des SED-Regimes, gewinnt im heutigen Blick auf die zerklüftete Vorgeschichte des Mauerbaus neue Interpretationsfacetten: Gab er an diesem 15. Juni 1961 tatsächlich Einblick in den Zynismus seiner Macht? Oder setzte er vielleicht immer noch auf die weitergehende Lösung eines Friedensvertrages, die ihm am Ende das ganze statt nur das halbe Berlin eingebracht hätte? Und saß womöglich nicht im geteilten Deutschland, sondern in Moskau der eigentliche Adressat seiner Botschaft, die besagen wollte, dass auch Ulbricht nur an eine kurze Unterbrechung der Verbindungswege dachte und jedenfalls nicht an eine feste Mauer?
Unabhängig davon gab es bis 1989 keinen Zweifel, dass die Mauer als so hässlicher wie unbestreitbarer Triumph des SED-Regimes zu interpretieren sei, als Sieg der Unfreiheit über die Freiheit. „Unser Staat ist auf Draht“, titelte das Neue Deutschland mit hämischem Frohlocken, und der BND erfuhr zur selben Zeit von einem ostdeutschen Agenten: „Es herrschte in der SED-Führung eine Siegesstimmung wie nie zuvor.“ Doch in Henkes Sammelband deutet nur Thomas Lindenberger die „Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls als Etappensieg auf dem Weg zum Sozialismus“. Andere verstehen den vermeintlichen Sieg Ulbrichts als in Wahrheit doppelte (Gerhard Sälter) oder gar dreifache Niederlage (Manfred Wilke).
Ihnen zufolge führte der Mauerbau nicht nur den augenfälligen Nachweis, den Chruschtschow so lange hatte verhindern wollen: Dass nämlich die Menschen das westliche dem östlichen System vorzogen. Er machte zugleich die Hoffnung der SED-Führung auf einen separaten Friedensvertrag mit der Sowjetunion und damit auf die allmähliche Einverleibung West-Berlins zunichte. Die DDR musste auch weiterhin mit dem Pfahl in ihrem Fleische leben, der ihre Stabilität und Legitimation so nachhaltig beeinträchtigte.
Tatsächlich hat der Mauerbau den Fluchtdruck nicht gesenkt, sondern erhöht. So angestrengt der ostdeutsche Staat die Sperranlagen auch zu vervollkommnen suchte, so stetig wuchs in der eingemauerten Gesellschaft doch zugleich der Wille zu ihrer Überwindung, bis die Mauer diesem angestauten Druck im November 1989 erlag. Trotzdem: Die Bewertung der Mauer als Niederlage klingt abenteuerlich, wenn man die ohnmächtige Empörung der Millionen Menschen hüben und drüben in Rechnung stellt, die hilflos erdulden mussten, wie unbarmherzig Beton und Stacheldraht in ihr Leben einschnitten. Dennoch spricht viel dafür, dass die in Henkes Band mehrheitlich vertretene Sicht des Mauerbaus als politischer Niederlage des Ostens sich durchsetzen wird: Die Errichtung der Mauer wird heute vor allem aus dem Blickwinkel ihres Abrisses interpretiert.
Henkes Buch befindet sich somit im Einklang mit der europäischen Meistererzählung, die die Diktaturen des 20. Jahrhunderts als überwundene Abirrungen auf dem Weg zum demokratischen Selbstverständnis unserer glücklicheren Gegenwart versteht. Die Mauer ist das sinnfällige Zeichen dieser Sichtweise, die allerdings einen sprunghaften Wandel durchgemacht hat. Seit den 70er Jahren ließ die Normalisierung des Anomalen das Bild des Mauermonstrums immer weiter verblassen. Die von der Bundesrepublik betriebene Politik der Reiseerleichterungen machte die Mauer durchlässiger. Gleichzeitig reduzierte der fortlaufende Ausbau der Sperranlagen zur betonglatten „Mauer 75“ ihr Skandalisierungspotential: Die Absperreffizienz der Mauer wurde immer weiter vervollkommnet. Das machte sie paradoxerweise zunehmend unscheinbarer.
In dieser fortlaufenden ideellen Entwirklichung markierte der Zusammenbruch des SED-Regimes interessanterweise keine Zäsur. Im Gegenteil. Im Bemühen, das gespenstische Bauwerk aus der Welt zu schaffen, verband sich die Schlagkraft der Berliner „Mauerspechte“ mit dem politischen Willen der städtischen Politiker, die noch bis weit in die neunziger Jahre in Berlin-Mitte die Schaffung einer Straßenbahntrasse auf dem einstigen Mauerstreifen planten und selbst die symbolträchtigsten Mauerabschnitte am Checkpoint Charlie nur allzu bereitwillig einer internationalen Investorengruppe zum Bau eines deutsch-amerikanischen Geschäftszentrums überließen.
Henkes Sammelband belegt, wie radikal sich dieses Denken in sein Gegenteil verkehrt hat. Fast die Hälfte der Artikel befasst sich mit der Verwandlung der Mauer vom politischen Symbol zum historischen Erinnerungsort. In ihren Fragmenten mittlerweile über den ganzen Erdball verteilt, kündet die Mauer heute als politische Metapher (Marion Detjen) und universelle Ikone (Leo Schmidt) ubiquitär und bis in die Herrentoilette der Main Street Station von Las Vegas vom Sieg der Demokratie über die Diktatur.
Dabei geht allerdings das Verständnis für die Mehrdeutigkeit verloren, die dem Mauerbau im historischen Entstehungskontext zukam. So erfährt man in Henkes Sammelband nicht viel darüber, dass die forcierte Ausgrenzung des Westens in breiten Teilen gerade der grundsätzlich loyalen Systemeliten der DDR als Aufforderung zur inneren Liberalisierung verstanden wurde. Es sollte über vier Jahre dauern, bis die Hardliner der SED-Führung Ende 1965 im sogenannten Kahlschlag-Plenum des ZK die Hoffnung erstickten, dass die Mauer tatsächlich als Schutzwall dienen könnte, um die – nun vom westlichen Druck entlastete – Parteiherrschaft zu lockern und das sozialistische Experiment demokratischer zu gestalten.  
Die Mauer als Hoffnungsträger für innere Befreiung: Diese heute so unwirkliche und doch damals nicht unwesentliche ostdeutsche Binnendeutung nimmt Henkes auf westliche Sichtachsen fokussierter Mauer-Band nicht auf und verschenkt so ein Stück der unvermeidlichen Spannung zwischen kultureller Ikonisierung und kritischer Historisierung der Mauer.
MARTIN SABROW
KLAUS-DIETMAR HENKE (Hrsg.): D ie Mauer. Errichtung, Überwindung, Erinnerung. dtv, München 2011. 607 Seiten, 24.90 Euro.
Martin Sabrow ist Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam. 2005-2006 war er Vorsitzender der Expertenkommission der Bundesregierung zur Erarbeitung eines Geschichtsverbundes „Aufarbeitung der SED-Diktatur“.
Vor 1961 hatte Chruschtschow in
Berlin die Überlegenheit des
Sozialismus demonstrieren wollen.
Hatte Walter Ulbricht zunächst nur
an eine kurze Unterbrechung der
Wege nach West-Berlin gedacht?
Nach 1989 taten westliche
Politiker ihr Bestes,
die Mauer einzuebnen.
Plakativ: So haben die jemenitischen Künstler Kamal Makrami und Ahmed Abdulaziz die deutsche Mauer und ihr Ende dargestellt. Der Jemen war von 1962 bis 1990 auch ein geteiltes Land. Das Bild entstand auf Betreiben des Goethe-Instituts: Bemalbare „Mauerelemente“ aus Hartstyropor wurden in Länder geschickt, die geteilt sind oder es waren: nach Israel, Korea, Zypern, China und Jemen. Die Abbildung entnehmen wir dem kommentierten Bildband „Mauerreise“. (Ediert von Michael Jeismann und Hans-Georg Knopp. Goethe-Institut und Steidl, 2010, 28 Euro.)
Je älter die Mauer wurde, desto weniger bedrohlich erschien sie. Ein Bild von der Mauer, im Jahr 2002 auf die Mauer gemalt. Foto: Hervé Champollion/akg-images
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
»Monster, Menschenfalle und Erinnerungsort: Die Mauer hat Berlin geteilt. Sie hat aber auch Künstler inspiriert und Emotionen geschürt.« -- Lidija Lenic, Stuttgarter Zeitung 27. Mai 2011

»K.D. Henke holte sich die Koryphäen der Mauerforschung ins Boot und schuf mit ihnen ein neues Standardwerk zur Geschichte der Mauer ... Großzügig mit Fotos und Dokumenten versehen, ist es ein verständliches und knorke inszeniertes Buch.« -- Frank Willmann, weltexpress 7. Juli 2011

»Die immaterielle Mauer: Knapp 30 Autoren stellen Vorgeschichte, Realität und Wirkung der Berliner Mauer umfassend dar ... Ihr "immaterielles Fortleben" wird viel länger dauern als ihre materielle Existenz.« -- Mannheimer Morgen 20. Juli 2011

»... viele Fakten und Details über die Geschichte der Mauer. Es ist ein Buch für zeitgeschichtlich Interessierte.« -- Gerald Praschl, SUPERillu 21. Juli 2011

»Sprengstoff, Schussfeld, Bombengeschäft ... Von der Berlin-Krise über den Mauerbau und die Maueropfer bis zum Mauerfall und zum heutigen Gedenken an die Leidtragenden des SED-Regimes: Aus der Flut der Neuerscheinungen zur Geschichte der Todesgrenze ragt der von Klaus-Dietmar Henke betreute Sammelband mit 29 meist sehr lesenswerten und lehrreichen Beiträgen heraus. Eigens berücksichtigt sind auch die Ahndung der Gewalttaten an der innerdeutschen Grenze, die Mauer als Thema in Literatur, Spielfilm, Malerei und Grafik, der Handel mit Mauer-Relikten sowie die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße ... Herausgeber Klaus-Dietmar Henke schreibt in seiner luziden Einleitung, dass die SED am 13. August 1961 mit der Abriegelung der Westsektoren Berlins "die Notbremse auf dem Weg ihres Staates in den Untergang gezogen" habe.« -- Rainer Blasius, Frankfurter Allgemeine Zeitung 1. August 2011

»Fluchtversuche, die Rolle der Geheimdienste, Mauerkunst, Gedenkstätten - das Themenspektrum ist breit gefächert. Ein richtiges Nachschlagewerk zur Geschichte der Mauer ... Wichtig sind die letzten Kapitel des Buches. Sie widmen sich den Gedenkstätten in Berlin, allen voran dem Mahnmal an der Bernauer Straße, dessen Initiator Herausgeber Klaus-Dietmar Henke ist. 136 Tote forderte diese Mauer in Berlin. Es ist ein Verdienst des Buches, dass man sie und ihre zerstörten Familein nicht vergisst.« -- Dorothea Heintze, NDR 1. August 2011

»In der gut strukturierten Studie schildern Wissenschaftler und Bürgerrechtler das frühere DDR-Grenzregime und die Sperranlagen, sie berichten von geglückten und gescheiterten Fluchtversuchen und schließlich über die Öffnung der Mauer und ihr Ende. Besonders interessant sind die Artikel über die Bedeutung der Mauer in der Erinnerungskultur der Deutschen sowie über ihre Rolle in Literatur, Film und darstellender Kunst. 'Wir werden die Mauer nicht vermissen, aber die Mauerkunst', bemerkte der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, dazu.« -- Das Parlament 1. August 2011

»Monstrum und Mahnmal: Was die Mauer war und ist ... Zu den besten Bilanzen zählt der von Klaus Dietmar Henke edierte Sammelband ... Fast die Hälfte der Artikel befasst sich mit der Verwandlung der Mauer vom politischen Symbol zum historischen Erinnerungswert. In ihren Fragmenten mittlerweile über den ganzen Erdball verteilt, kündet die Mauer heute als politische Metapher (Marion Detjen) und universelle Ikone (Leo Schmidt) ubiquitär und bis in die Herrentoilette der Main Street Station von Las Vegas vom Sieg der Demokratie über die Diktatur.« -- Martin Sabrow, Süddeutsche Zeitung 8. August 2011

»Das Buch ist weit mehr als ein historisches Lesebuch. Es erfasst neben dem aktuellen Wissensstand über die historischen Bedingungen die unterschiedlichen Lebensgefühle. Wenn überhaupt, gibt es nur einen Mangel. Das - wie der Herausgeber schreibt - immaterielle Nachleben als globales Freiheitssymbol wird enthusiastisch gefeiert, die weiter bestehende Mauer in den Köpfen jedoch nicht analysiert. Vielleicht war es sogar Kalkül, diesen letzten großen Befreiungsakt ganz dem Rezipienten zu überlassen. Klug genug ist das Konzept des Buches.« -- Sabine Pamperrien, Deutschlandfunk 8. August 2011

»Vor- und Nachgeschichte, die Mauer von allen Seiten und zu allen Zeiten ... Zeitgeschichtsschreibung par excellence, faktengesättigt und spannend.« -- Peter Pappert, Aachener Zeitung 6. August 2011

»... für vielseitig Interessierte ein guter Griff« -- Armin Götz, Dresdner Neueste Nachrichten 6. August 2011

»... eine leicht verständliche Gesamtdarstellung nahezu aller Aspekte der Mauer.« -- Kristian Teetz, www.sn-online.de 8. August 2011

»Die aktuellsten Forschungsergebnisse bündelt der von Klaus-Dietmar Henke herausgegebene Band »Die Mauer. Errichtung, Überwindung, Erinnerung«.« -- Alexander Jungkunz, Nürnberger Zeitung 6./7.08.2011

»Die ganze breite der Themen in 29 Beiträgen: Vor- und Nachgeschichte, die Mauer von allen Seiten und zu allen Zeiten. Henke präsentiert gut recherchierte und verständliche historische Forschung mit fast hundert Seiten Anmerkungen und ausführlichen Literaturhinweisen. Zeitgeschichtsschreibung par excellence: faktengesättigt und spannend.« -- Peter Pappert, Achener Zeitung "Lesbar" 06.08.2011

»Das Buch ist weit mehr als ein historisches Lesebuch. Es erfasst nebem dem aktuellen Wissensstand über die historischen Bedingungen die unterschiedlichen Lebensgefühle.« -- Sabine Pamperrien, Deutschlandfunk 08.08.2011

»Von jedem etwas - für vielseitig Interessierte ein guter Griff.« -- Dresdner Neue Nachrichten 6./7.08.2011

»Ein richtiges Nachschlagewerk zur Geschichte der Mauer.« -- NDR-Info 01.08.2011

»Tatsächlich schafft es Herausgeber Klaus-Dietmar Henke ..., das geschichtsträchtige Bauwerk von allen Seiten zu beleuchten ... Geschichtslektüre, die weit über das gewohnte Themenspektrum von Berlin-Blockade und Blöcke-Konfrontation hinausgeht, und in dieser schillernden Pose zu überzeugen weiß. Die Mauer. Von allen Seiten.« -- Christiane Zehrer, www.sciencegarden.de 12. August 2011

»Alles in allem ist dem dtv mit "Die Mauer. Errichtung, Überwindung, Erinnerung" ein vielfältiges, in seinen Einzelbeiträgen fundiertes Sammelwerk gelungen.« -- sciencegarden.de 12.08.2011

»ein künftiges Standardwerk« -- Henning Kniesche, Luxemburger Wort 13.08.2011

»In der Masse der fast unübersichtlichen Mauer-Literatur gelingt es diesem Band durch die Vielfalt seiner Themen herauszuragen. Ein originelles, bereicherndes Buch im Jahr des Gedenkens.« -- Die Welt

»...der von Henke verantwortete Band [bietet] kulturhistorische Reflexionen, so über die Mauer in der Literatur, im Spielfilm, in Malerei und Grafik sowie deren »Nachleben« als Betonfragmente in Metropolen der Welt. Dennoch setzt das zum 50. Jahrestag des Mauerbaus erschienene Produkt von Henke den Schwerpunkt mehr auf politische Geschichte...« -- Karlen Vesper, Neues Deutschland 10.08.2011

»...eine leicht verständliche Gesamtdarstellung nahezu aller Aspekte der Berliner Mauer...« -- Kristian Teetz, Hannoversche Allgemeine 08.08.2011

»Ein originelles, bereicherndes Buch im Jahr des Gedenkens.« -- Berliner Morgenpost 12.08.2011

»Ein Buch, das es in sich hat ... ein beeindruckendes Kompendium. Henke präsentiert gut recherchierte und verständliche historische Forschung. Zeitgeschichtsschreibung par excellence: faktengesättigt und spannend.« -- Peter Pappert, Aachener Nachrichten 6.8.2011

»Das die Akteure des internationalen Sozialismus nicht immer einer Meinung waren, also durchaus keinen monolithischen, wie lange Zeit behauptet, beweist der Sammelband von Klaus-Dietmar Henke[...].« -- Harro Zimmermann, Nordwestradio 12.08.2011

»Als kompaktes Nachschlagewerk liest sich das 600-Seiten-Opus[...]. Bei diesem gewaltigen Unternehmen [...] handelt es sich um eine Gemeinschaftsarbeit renommierter Autoren.[...] Umfassend beschäftigt sich dieser geschichtspolitische Exkurs mit der Wahrnehmung der mauer in Kunst und Literatur.« -- Annerose Kirchner, Ostthüringer Zeitung 13.08.2011

»Das Buch ›Die Mauer. Errichtung, Überwindung, Erinnerung‹ gibt einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Mauer als "große politische ikone der Menschheit".« -- Barbara Bollwahn, taz - Die Tageszeitung 13.08.2011

»Ein bereicherndes Buch im Jahr des Gedenkens.« -- Welt Kompakt 17.08.2011

»Zeitgeschichtsschreibung par excellence: faktengesättigt und spannend.« -- Peter Pappert, Aachener Nachrichten 6.8.2011

»Insgesamt ist hier eine spannende wie facettenreiche Darstellung gelungen eine fundierte Gesamtdarstellung eines Kapitels Berliner Zeitgeschichte.« -- Gunter Lange, Berliner Stimme 13.08.2011

»Eine spannende wie facettenreiche Darstellung, eine fundierte Gesamtdarstellung eines Kapitels Berliner Zeitgeschichte.« -- Gunter Lange, Berliner Stimme 13.08.2011

»Eine mörderische Ikone: Knapp dreißig Autoren stellen Vorgeschichte, Realität und Wirkung der Berliner Mauer umfassend dar. Bereits in der differenzierten Einleitung wird die unterschiedliche Behandlung der Mauer durch die Öffentlichkeit sichtbar.« -- Jürgen Israel, Publik-Forum 23. September 2011

»Namhafte Autoren und Autorinnen schildern die historischen Ereignisse von der Berlin-Krise üner das Grenzregime der DDR und die neue Ostpolitik bis hin zum Mauerfall. Darüberhinaus aber werden zahlreiche Facetten der Erinnerung an den angeblichen 'Schutzwall' thematisiert, etwas die Mauer in Literatur, Kunst und Film, als 'politische Metapher' und in der Gedenkkultur.« -- Damals November 2011
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

"Als eine der großen politischen Ikonen der Menschheit" bezeichnet Herausgeber Klaus Dietmar Henke die Mauer im Vorwort zu seinem Sammelband. Ebenso ikonisch ragt für Barbara Bollwahn dieser 600 Seiten starke Wälzer aus dem ständig wachsenden Bücherstapel zur Mauergeschichte. Auch 20 Jahre nach ihrem Fall, wirft die Mauer noch immer lange Schatten, die das Buch mit Beiträgen von 24 Autoren bis ins Detail ausleuchtet. Als tödliche Grenze besiegelte sie einst das Schicksal der zahlreichen Flüchtigen und ist heute längst zur "politischen Metapher" geworden. So umfassend wie sein Titel zeigt diese Dokumentation für Bollwahn nicht nur die politischen Hintergründe des Mauerbaus, sondern auch die Rolle der Mauer für die deutsche Erinnerungskultur bis hin zu ihrer Verarbeitung in Literatur und Spielfilm.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Monster, Menschenfalle und Erinnerungsort: Die Mauer hat Berlin geteilt. Sie hat aber auch Künstler inspiriert und Emotionen geschürt."
Lidija Lenic, Stuttgarter Zeitung 27. Mai 2011