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Judith Zander erzählt von einem verschwiegenen Ort in Vorpommern, von Heimat und Hölle.
Ein Kaff, verschüttet in der Landschaft. Bresekow erzählt
Bresekow, ein Dorf in Vorpommern. Als die alte Frau Hanske stirbt, kommt ihre Tochter Ingrid mit ihrer Familie aus Irland zur Beerdigung. Ingrid hatte Bresekow vor vielen Jahren fluchtartig verlassen. Der Besuch verändert vieles im Dorf, wirft gerade für die Familien Ploetz und Wachlowski alte und neue Fragen auf. Die Dorfbewohner beginnen zu sprechen, über ihr derzeitiges Leben und ihre Verstrickungen von damals. Bresekow war immer eine kleine…mehr

Produktbeschreibung
Judith Zander erzählt von einem verschwiegenen Ort in Vorpommern, von Heimat und Hölle.
Ein Kaff, verschüttet in der Landschaft. Bresekow erzählt

Bresekow, ein Dorf in Vorpommern. Als die alte Frau Hanske stirbt, kommt ihre Tochter Ingrid mit ihrer Familie aus Irland zur Beerdigung. Ingrid hatte Bresekow vor vielen Jahren fluchtartig verlassen. Der Besuch verändert vieles im Dorf, wirft gerade für die Familien Ploetz und Wachlowski alte und neue Fragen auf. Die Dorfbewohner beginnen zu sprechen, über ihr derzeitiges Leben und ihre Verstrickungen von damals. Bresekow war immer eine kleine Welt, eng, abgelegen und heute zudem vom Verfall bedroht.

Judith Zander lässt drei Generationen zu Wort kommen. Sie erzählt mit ungeheurer Sprachkraft von einem verschwiegenen Ort im Nordosten Deutschlands, von Provinz und Alltag, von Freundschaft und Verrat, vom Leben selbst.

Die Autorin wurde bei den 34. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt für ihren Auszug aus 'Dinge, die wir heute sagten' mit dem 3sat-Preis 2010 geehrt. Sie erhielt für diesen Roman den Preis der Sinecure Landsdorf 2010 und war nominiert für den Klaus-Michael Kühne-Preis 2010. Zudem wurde der Roman auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2010 aufgenommen.
Autorenporträt
Zander, Judith
Judith Zander wurde 1980 in Anklam geboren und lebt heute in Berlin. Sie studierte Germanistik, Anglistik sowie Mittlere und Neuere Geschichte in Greifswald, anschließend am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Neben dem Schreiben von Lyrik und Prosa übersetzt sie aus dem Englischen. Für ihre Lyrik erhielt Judith Zander mehrere Auszeichnungen, u.a. den Lyrikpreis beim open mike 2007, den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2009, den Poesiepreis des Kulturpreises der deutschen Wirtschaft 2015 und den Anke-Bennholdt-Thomsen Lyrikpreis der Deutschen Schillerstiftung von 1859 (2017). 'Dinge, die wir heute sagten' ist ihr erster Roman, für den sie mit dem Preis der Sinecure Landsdorf 2010 und 2011 mit dem Uwe Johnson-Förderpreis ausgezeichnet wurde. Für einen Auszug aus dem Roman erhielt Judith Zander 2010 den 3sat-Preis. 2010 wurde der Roman auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.09.2010

Bei Tante Homer auf dem Sofa
Judith Zanders erster Roman ist ein Prosa gewordener Kaffeeklatsch, und doch nominiert für den deutschen Buchpreis
„Dinge, die wir heute sagten“, der Titel geht natürlich überhaupt nicht. Er geht eigentlich nur dann, wenn man darin zuerst das Beatles-Zitat entdeckt („Things We Said Today“) und dann die Rolle, die bewusst holprige Beatles-Eindeutschungen in Judith Zanders Roman spielen. „Irgendwann wenn ich einsam bin / Wünschend Du wärst nicht so weit weg / Werde ich mich erinnern an / Dinge, die wir heute sagten“. Bisweilen gelingen Judith Zander regelrechte Kleinkunstwerke der Holprigkeit, etwa wenn sie „John & Paul“ singen lässt: „Amsel die mitten in der Nacht singt / nimmt diese gebrochenen Flügel und lerne zu fliegen / (. . .) / Amsel flieg Amsel flieg / In das Licht der tiefschwarzen Nacht.“ Judith Zander könnte das natürlich viel eleganter übersetzen, sie ist studierte Anglistin und Übersetzerin, aber wer sagt, dass das englische Original eleganter wäre? Und trifft nicht vielleicht die Schwerfälligkeit der deutschen Verse viel besser die vorpommersche Beatles-Schwärmerei vergangener Tage, um die es hier geht? Jedenfalls hat Judith Zander einen Sinn für die Eigenheiten eines Sprechens, das mit den Regeln der Grammatik nur bedingt im Einklang steht.
„Dinge, die wir heute sagten“ ist der erste Roman der jungen, aus Anklam in Vorpommern stammenden Judith Zander, die man bisher, wenn überhaupt, als Lyrikerin kannte. Nun findet man das Buch auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Die Jury hat die „Welthaltigkeit“ der ausgewählten Titel hervorgehoben, was immer das genau heißen mag. Wenn „welthaltig“ heißen soll, dass ein literarisches Werk eine bestimmte, geographisch, historisch und sprachlich eingegrenzte Welt fiktional erzeugt, dann trifft das Prädikat auf diesen Roman zu. Auf bald 500 Seiten erzählt uns Judith Zander Geschichten aus Bresekow. Das ist nicht Anklam, denn Anklam ist im Vergleich zu Bresekow eine Weltstadt, aber es könnte nahe Anklam liegen, ziemlich genau im „Zentrum des Nichts, das sich kurz hinter Berlin auftut und bis Rostock nicht aufhört“. Dort, wo es nicht mal eine Kneipe gibt, sondern nur die „Elpe“, das aufgelassene und von der Dorfjugend zum Scheißebauen genutzte Gelände der ehemaligen LPG, wächst literarisch, könnte man denken, kein Kraut. Hier hätten nicht einmal Uwe Johnson (er spielt in diesem Roman eine gewisse Rolle), Arno Schmidt oder Heinz Strunk, drei literarische Freunde der norddeutschen Tiefebene, genug Erzählfutter gefunden. Tatsächlich hat sich in Bresekow sehr lange nichts mehr zugetragen.
John, Paul und viele andere
Dann aber kommt Bewegung in das Dorf, und dazu braucht es zweierlei: einen lange zurückliegenden und kollektiv verschwiegenen Vorfall und, als Katalysator, den aktuellen Todesfall. Die alte Anna Hanske ist gestorben, und aus diesem Anlass ist ihre Tochter Ingrid aus Irland in ihr Heimatdorf zurückgekommen, wohin sie vor Jahrzehnten ihrem Mann, einem irischen Germanisten und Uwe-Johnson-Forscher, gefolgt war. Jetzt ist sie plötzlich wieder da und hat ihren Sohn mitgebracht, der Paul heißt wie Paul McCartney, den Ingrid einmal heiß verehrte. Weil der junge Paul auch noch fast so gut aussieht wie einst der junge Paul McCartney, sind Ella und Romy, beide um die siebzehn, völlig aus dem Häuschen. Man lernt in diesem Roman viele Figuren kennen, neben Ella und Romy auch Sonja und Ecki und Henry und viele andere, aber im Mittelpunkt steht Ingrid, die Einzige, die weggegangen ist, die einzige „Studierte“ und die Einzige, die nicht in Ich-Form drauflos erzählt, sondern als „Du“ angesprochen wird („Im Herbst hast Du kaum an irgendetwas denken müssen, außer träge an den Republikgeburtstag, Deinen eigenen hast du versucht zu vergessen.“). Vor Zeiten ist Ingrid in Bresekow etwas Schlimmes widerfahren; wer wissen will, was es war, muss lange, lange lesen und viele Dorfbewohner-Geschichten über sich ergehen lassen, ehe dann das Geheimnis gelüftet wird. Aber der „suspense“ ist schwach und scheint auch bloß dafür geschaffen, dem polyphonen Dorfkonzert dramaturgisch eine Richtung zu geben.
Raus aus der Verschwiegenheit und rein in die Gesprächigkeit, so etwa könnte man die Dynamik des Erzählvorgangs beschreiben. In Bresekow ist zu lange verdrängt und geschwiegen worden, jetzt aber gilt: raus mit der Sprache. Und also wird erzählt, was das Zeug hält, auf Hochdeutsch und auf Platt, vom Chor der Dorfbewohner, vom Pastor und von den Gast-Erzählern John und Paul und von einem Dutzend anderer Erzähltalente, denen man schon mal zurufen möchte: „Mach mal ’nen Punkt!“ Aber sie machen keinen. Dabei muss man sagen: Judith Zander ist eine Künstlerin im Herbeizitieren all dieser verschiedenen Redeweisen verschiedener, uns ziemlich wahrscheinlich, wenn nicht vertraut vorkommender Sprecherinnen und Sprecher („,Kümmer du dich man bloß um deine eigenen ,Wechseljahre‘ und deine ,Tage‘ und deine ,Orangenhaut‘ und was de dir sonst noch alles ranliest. Deine ,Darmflora‘!“). Es ist schon sehr welthaltig, wie die Autorin uns die ganze große Sprachwelt von Bresekow vorführt. Man fühlt sich dabei weniger an den vergleichsweise schweigsamen Uwe Johnson gemahnt als vielmehr an den Portugiesen Lobo Antunes, den Meister des polyphonen „Stimmen“-Romans.
Das Problem – und vielleicht das Problem solcher polyphonen Konstrukte allgemein – ist nur: Die Autorin hat ihren Figuren eine unbeschränkte Lizenz zum Quasseln eingeräumt. Diese Unbeschränktheit wirkt schnell quälend, wenn die redenden Figuren tatsächlich „beschränkt“ sind, oder weniger diskriminierend gesagt, ein bisschen unreflektiert, mit Ausnahme freilich der Hauptfigur Ingrid, die dann prompt auch feierlich mit „Du“ angeredet wird und als Einzige ein Innenleben haben darf. Robert Musil hat einmal leicht verächtlich die seinerzeitige Erfolgsautorin Sigrid Undset als „die Tante Homer“ bezeichnet, und ein bisschen fühlen wir uns als Leser Judith Zanders wie bei Tante Homer auf dem Sofa, zum Zuhören verurteilt bei einem dörflichen Kaffeeklatsch, der nun schon zu lange dauert und kein baldiges Ende verspricht. Das kann schon ermüdend wirken. Wer aber auf den Realismus eines solchen niemals endenden (Kaffee-)Klatsches versessen ist, wird in diesem Roman mehr als reichlich bedient. CHRISTOPH BARTMANN
JUDITH ZANDER: Dinge, die wir heute sagten. Roman. DTV, München 2010. 480 Seiten, 16, 90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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" Berührend, wie Judith Zander für dieses 'karge Endlein der Welt', diese Chronik der Ereignislosigkeit, Sympathie und eine Melodie findet. "
Cornelia Zetzsche, Bayern 2 / radioTexte - das offene Buch 27.06.2010

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Große Erzählkunst" bescheinigt Rezensentin Andrea Hanna Hünninger diesem "starken Debüt" über ein Dorf in der ehemaligen DDR. Jedes Kapitel sei ein Monolog, überschrieben mit einem Vornamen. Der Kritikerin kam es erst so vor, als höre sie den Geschichten "wurmstichiger Seelen" zu. Erst allmählich erschließen sich ihr die vom Roman umrissenen Zeitverläufe, was den Reiz des Buchs für sie noch erhöht. Auch bewundert sie die präzise Beobachtungsgabe der dreißigjährigen Autorin.

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