Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 9,14 €
  • Broschiertes Buch

»Ich bin der Sonnyboy der deutschen Gegenwartsliteratur. Ein hingeschissenes Fragezeichen.«
Walter Kempowski
Der Lebensweg von Walter Kempowski (1929-2007) führt quer durch die deutsch-deutsche Geschichte. Acht Jahre saß er als vermeintlicher »Spion« in Bautzen ab, bevor er sich in der Bundesrepublik als Schriftsteller den Ruf eines skurrilen Außenseiters erwarb. Viele seine Bücher, von 'Tadellöser & Wolff' bis zum 'Echolot', wurden Bestseller, doch die Anerkennung, die er sich als Spätestheimkehrer erhoffte, blieb ihm versagt.
Von den Kritikern wurde Kempowski jahrzehntelang
…mehr

Produktbeschreibung
»Ich bin der Sonnyboy der deutschen Gegenwartsliteratur. Ein hingeschissenes Fragezeichen.«

Walter Kempowski

Der Lebensweg von Walter Kempowski (1929-2007) führt quer durch die deutsch-deutsche Geschichte. Acht Jahre saß er als vermeintlicher »Spion« in Bautzen ab, bevor er sich in der Bundesrepublik als Schriftsteller den Ruf eines skurrilen Außenseiters erwarb. Viele seine Bücher, von 'Tadellöser & Wolff' bis zum 'Echolot', wurden Bestseller, doch die Anerkennung, die er sich als Spätestheimkehrer erhoffte, blieb ihm versagt.

Von den Kritikern wurde Kempowski jahrzehntelang missachtet und geschmäht. Gerhard Henschel geht der Frage nach, wie es dazu gekommen ist. In dem Porträt, das er von Kempowski zeichnet, finden persönliche Erinnerungen ihren Platz zwischen entlegenen Quellenzeugnissen und zahlreichen bislang unveröffentlichten Dokumenten.
Autorenporträt
Henschel, Gerhard
Gerhard Henschel, geboren 1962, war unter anderem Redakteur der Titanic und lebt heute als freier Schriftsteller bei Berlin. Er veröffentlichte Romane und Sachbücher, darunter 'Der dreizehnte Beatle' (2005, dtv 13977), 'Da mal nachhaken. Näheres über Walter Kempowski' (2009) und 'Menetekel. 3000 Jahre Untergang des Abendlandes (2010). Vom Leben der Familie Schlosser hat Gerhard Henschel bereits im Briefroman 'Die Liebenden' (2002) und im 'Kindheitsroman' (2004, dtv 13444) erzählt. Die jüngste Fortsetzung der Serie ist der 'Liebesroman' (2010).

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2009

So etwas liest man doch

Warum soll man denn immer nur für inhaftierte Chilenen unterschreiben? Gerhard Henschel porträtiert den leidenschaftlich widerborstigen Walter Kempowski.

Der Autor dieser biographischen Annäherung ist zweiundzwanzig Jahre jung, als er mit Walter Kempowski in Berührung kommt. Wie schief das im ersten Anlauf ging, schildert Gerhard Henschel im Vorwort, und wer je mit "Kempo" zu tun hatte, kann nachvollziehen, wie sehr Henschel von seiner Ausladung erschüttert wurde. Eine solche handelte er sich nämlich ein, weil er sich daran gestört hatte, dass der Hausherr in seinem Nartumer Nachwuchspflegestudio die Nationalhymne auf dem Klavier spielte. Nie wieder wolle er in vaterländischen Streitfragen belästigt werden, beschied Kempowski. Henschel blieb eisern, setzte sich immer wieder entschieden für dessen Werke ein.

Nun ist das Ergebnis dieser zwei Jahrzehnte währenden Bewunderung ein Buch geworden, womöglich unter großem Zeitdruck, weil es rechtzeitig zu Kempowskis Achtzigstem vorliegen sollte, der unlängst mit einem großen Symposion in Rostock begangen wurde (F.A.Z. vom 4. Mai). Auch setzt der Band Grundkenntnisse in Kempologie voraus, den verbumfeiten Lebensgang des 1929 geborenen Rostocker Reedersohns sollte man in groben Zügen kennen, etwa warum der junge Mann von einem sowjetischen Militärtribunal zu fünfundzwanzig Jahren Haft verurteilt wurde.

Acht davon saß er bis 1956 in Bautzen ab, dann begann er als Landschullehrer in Norddeutschland neu, wurde als Schriftsteller populär und kommerziell erfolgreich. Die Machthaber des Betriebs stempelten ihn zum Außenseiter. Noch 2005 gestand der österreichische Autor Walter Klier im "Merkur" seine langjährige Anti-Haltung als milieukonform: "So etwas liest man nicht. Alle wussten das, die auf sich hielten." Kempowski sei weder links noch formal avanciert - ein Vorwurf, der noch heute manchen Kritiker daran hindert, die Collagetechnik des "Echolot" (1993 ff.) nicht als eigenständige Leistung anzuerkennen.

In fünf Kapiteln - das Image, die Arbeitsmacke, der Pädagoge, die Schuld und das Haus Kreienhoop - handelt Henschel dieses Leben ab. Im fußnotenreichen Detail wird die leidvolle Rezeptionsgeschichte entwickelt, wie Kempowski spät aus den Fängen einer jahrzehntelang dominierenden Einheitsmeinung befreit wurde. In der Tat ist er immer wieder verkürzt zitiert und absichtsvoll falsch verstanden worden. Zum Beispiel wenn die "Welt" 1976 seine Begründung, warum er PEN-Tagungen meide, so zitiert: "Immer nur Unterschriften leisten für Gefangene, und dann immer Chilenen, da fragt man sich, was man da soll." Es fehlte das Endes Satzes, das lautet: "solange in der DDR unsere eigenen Leute im Gefängnis sitzen." Der Autor selbst musste im "Spiegel" die Dinge geraderücken, weil das Nachrichtenmagazin den Satz aus der "Welt" übernommen hatte: "Es wäre schon grotesk, wenn ausgerechnet ich in den Verdacht geriete, am Schicksal politischer Gefangener desinteressiert zu sein. Wie Sie wissen, habe ich selbst aus politischen Gründen acht Jahre in einem Zuchthaus gesessen."

Wenn es um die Bewertung der Integrität Kempowskis geht, scheut Gerhard Henschel das starke Urteil nicht. Mittlerweile dämmere es manchen, "dass von Christa Wolfs Edelkitsch auf lange Sicht nichts bleiben wird", dass der als "Störenfried" und "Opportunist" geschmähte Kempowski seinen Nachruhm sicher habe - auch durch die Hinterlassung eines gewaltigen Archivs. So wollte der Autor es der Germanistik aufgeben, sich mit ihm zu befassen. Weniger ergiebig ist das Kapitel über den Pädagogen. Es bietet eine Aufbereitung jener fachwissenschaftlichen Strömungen des Jahrhunderts, die den geistigen Horizont Kempowskis auskleideten. Wie zentral die Schulmeisterrolle für ihn war, hätte eine sorgfältigere Ausarbeitung verdient, zumindest "Kempowskis einfache Fibel" (1980), auf die er so stolz war, dürfte in so einem Zusammenhang nicht fehlen.

Nach Dirk Hempels "Walter Kempowski: Eine bürgerliche Biographie" (2004) ist Henschels Buch also einerseits eine Fundgrube von Textstellen, die vorzügliche Werkkenntnis verraten; es lässt andererseits den Wunsch nach einer großen Biographie aufkommen. Man könnte darin auch viel über unseren Jubilar Bundesrepublik erfahren, aber wenn nicht alles täuscht, sitzt derzeit niemand an einem solchen Projekt. Letzte Frage: Warum nur hat man auf dem Umschlag Kempowski, den "stets tadellos gekleideten Chronisten des deutschen Bürgertums" (Henschel), barfuß mit Birkenstock-Sandalen abgebildet?

HANNES HINTERMEIER

Gerhard Henschel: "Da mal nachhaken: Näheres über Walter Kempowski". Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009. 238 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.05.2009

Die Lupe und das Ärgernis
Gerhard Henschel über Walter Kempowski und seine Kritiker
Auch eine Geschichte von Politik und Literatur: Kempowski erzählt, dass nach einer größeren Veranstaltung ein Referent bei ihm erschienen sei, Helmut Schmidt wolle ihn kennenlernen. „Er saß am Tresen, guckte sich kurz nach mir um (ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen) und reichte mir die Hand über die Schulter.” Man kann sich die Szene leicht und mit Gewinn vorstellen. Mit Gewinn, weil sie zu der Frage anregt, in welchem Verhältnis solch herablassende Art zu der Verehrung steht, die Schmidt heute entgegengebracht wird. Für Kempowski wird es ein bitterer Moment gewesen sein. Er war ein empfindlicher Mann. Acht Jahre war er in Haft gewesen, den größeren Teil der Zeit in Bautzen. Aber als er 1956 vorzeitig entlassen wurde, musste er erleben, dass man im Westen wenig Anteil nahm. Gerne hörte man Schlechtes über die SBZ, wie sie damals noch genannt wurde, aber dann war das Interesse auch schon erschöpft. Der Häftling selbst störte nur.
In diese Empfindlichkeit mischte sich der „Neid des Zukurzgekommenen”, wie Gerhard Henschel in seinem Buch „Da mal nachhaken: Näheres über Walter Kempowski” meint. Dass Kempowski tatsächlich zu kurz gekommen ist, dass die Öffentlichkeit dem Autor gegenüber lange versagt hat, das hält Henschel seinem Helden unbedingt zugute. Dennoch wundert ihn dessen Gier nach „süßen Nichtigkeiten von kultusministeriellen Ebenen”. Aber dann zitiert er eine lange Selbstauslegung Kempowskis dem Schriftsteller und Journalisten Benjamin von Stuckrad-Barre gegenüber: „Sie sind ja nicht fürs Vaterland, lieber Herr, aber mir hat das was bedeutet, als Köhler mich besucht hat . . . Soll man nicht denken, wenn man ’nen Menschen kränkt, wie lange das nachwirkt . . . Und diese Verleihung des Ordens (des Großen Bundesverdienstkreuzes), da lacht ja mancher drüber. Für mich war das mehr. Das war für mich wie ’ne Art Wiedergutmachung.” Das hat etwas Bewegendes, weil sich Kempowski zu seiner Schwäche bekennt, und vor dieser Ehrlichkeit die kritische Überlegenheit der anderen nicht mehr überlegt wirkt, sondern bloß konventionell.
Ein allzu leichter Sieg
Henschels Kempowski-Buch will keine Biographie sein, es richtet sich an orientierte Leser, die „aber das eine oder andere gern etwas genauer wüssten”. Henschel kannte Kempowski persönlich, ja freundschaftlich. Aber das, was er aus eigenem Erleben zu sagen hätte, reicht dann doch nicht sehr weit. Das meiste zieht er aus Kempowskis Büchern, einiges auch aus Berichten Dritter. Das ist oft interessant, zumal Henschel lebhaft schreibt. Aber es ist auch sprunghaft. Kempowskis Pädagogik etwa wird an zwei Orten behandelt, ohne dass man wüsste, was die Aufspaltung nutzte. Wohl entstehen Eindrücke von Kempowski als Person, ein ganzes Leben lang gegen die Hafterfahrungen in Bautzen, den Raub der Jugend, die Zurücksetzungen ankämpfend, und zugleich daraus Stoff und Energie gewinnend. Von dem jedoch, was Kempowski als Künstler ausmacht, erfährt man wenig.
Henschel verdanken wir den „Gossenreport” (2006), ein nicht genug zu rühmendes Buch über die Arbeitsweise der Bild-Zeitung. Vorzüglich war und ist der „Gossenreport” durch den polemischen Furor und die Festigkeit des Standpunktes. Doch das, was dieses Buch groß machte, ist diesmal gegen den Autor ausgeschlagen. Er ist eine kämpferische, angreifende Natur, Kempowski aber liebt und bewundert er. Und für Liebe und Bewunderung fehlt ihm der Ton. Nicht zufällig beschäftigt sich das erste und längste Kapitel mit dem Versagen der Literaturkritik, deren irrende Vertreter tüchtig aufs Haupt geschlagen werden.
Und auch wenn man Henschel in vielem zuzustimmen bereit ist, es ist doch ein leichter Sieg, der an die Fahne geheftet wird. Denn in den letzten Jahren vor seinem Tod stimmte die Mehrzahl der Kritiker überein in der Bewunderung Kempowskis und seines Lebenswerks. Dass unter den Nachrufen ausgerechnet der unverständige der Westdeutschen Zeitung hervorgezogen wird, eines Blattes, das im literarischen Leben keine große Rolle spielt, zeigt, wie Henschel mit der Lupe nach dem Ärgernis sucht. Das ist seinem Helden allerdings auch nicht fremd gewesen. STEPHAN SPEICHER
GERHARD HENSCHEL: Da mal nachhaken: Näheres über Walter Kempowski. dtv premium, München 2009. 238 Seiten, 14, 90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In Gerhard Henschels Buch über Walter Kempowski gewinnt der Schriftsteller als "Zukurzgekommener" und von der Kritik lange Missachte Gestalt, stellt Stephan Speicher fest. Auch wenn der Autor, der mit Kempowski befreundet war, nicht viel aus seinen persönlichen Erlebnissen mit ihm schöpft, sondern das meiste aus Berichten Dritter oder aus Kempowskis Büchern zieht, hat er den Rezensenten mit seiner "lebendigen" Erzählweise und mit interessanten Details gefesselt, wie dieser lobt. Allerdings findet er, dass man zwar viel über die Hafterfahrung in Bautzen und, nach seiner Freilassung in den Westen die Verbitterung über die westdeutsche Kritik lesen kann, über Kempowskis künstlerische Entwicklung aber wenig lerne. Der Rezensent schätzt den Autor für seinen "Gossenreport" über die Arbeitsmethoden der Bild-Zeitung, in dem Henschel seinem ganzen "polemischen Furor" Ausdruck verleiht. Für die bewundernde Zuneigung gegenüber Kempowski aber, stellt Speicher fest, findet der Autor nicht den rechten "Ton". Und so konzentriere er sich auf negative Kritiken zu Kempowskis Werk, was ihn allerdings dem Porträtierten ähnlich mache, wie der Rezensent augenzwinkernd meint.

© Perlentaucher Medien GmbH