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1951, kurz nach Ausbruch des Koreakriegs, wird Yu Yuan, ein junger chinesischer Offizier, wie Tausende Freiwillige von Mao Zedong nach Nordkorea geschickt, um den kommunistischen Brüdern im Norden des Landes zur Seite zu stehen. Er gerät amerikanischeGefangenschaft und einzig der Gedanke an die Heimat birgt für ihn die Hoffnung, wieder zu dem Menschen zu werden, der er vor dem Krieg einmal war. Doch als Yu schließlich nach Hause zurückkehrt, muss er feststellen, dass es diese Heimat so nicht mehr gibt. Vierzig Jahre nach seiner Freilassung schreibt der inzwischen siebzigjährige Yu gegen das Vergessen an.…mehr

Produktbeschreibung
1951, kurz nach Ausbruch des Koreakriegs, wird Yu Yuan, ein junger chinesischer Offizier, wie Tausende Freiwillige von Mao Zedong nach Nordkorea geschickt, um den kommunistischen Brüdern im Norden des Landes zur Seite zu stehen. Er gerät amerikanischeGefangenschaft und einzig der Gedanke an die Heimat birgt für ihn die Hoffnung, wieder zu dem Menschen zu werden, der er vor dem Krieg einmal war. Doch als Yu schließlich nach Hause zurückkehrt, muss er feststellen, dass es diese Heimat so nicht mehr gibt. Vierzig Jahre nach seiner Freilassung schreibt der inzwischen siebzigjährige Yu gegen das Vergessen an.
Autorenporträt
Hornfeck, Susanne
Susanne Hornfeck, Dr. phil, ist Germanistin und Sinologin, Autorin und Übersetzerin. Fünf Jahre lebte und lehrte sie in Taipei. 2007 wurde sie mit dem renommierten C.H. Beck Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.01.2006

Die blauen Augen des Westens
Von der Amerikanisierung eines Chinesen im Koreakrieg: Ha Jin und sein Roman „Kriegspack”
Nicht nur bei uns in Deutschland sterben die letzten Kriegsteilnehmer. Auch in China drehen die Veteranen der großen Schlachten des zwanzigsten Jahrhunderts ihre letzte Lebensrunde. Und wer es als Reisender in Shanghai aufgibt, den Wolkenkratzern beim Wachsen zuzuschauen, und stattdessen den Blick mit einem der Greise kreuzt, die am Bund, der Shanghaier Uferpromenade, Ansichtskarten verkaufen, kann davon ausgehen, dass die dunklen Augen, die den Westler mustern, mehr als zwei Jahrzehnte Krieg und Bürgerkrieg gesehen haben.
Der amerikanische Autor Ha Jin, 1956 in China geboren, 1985 emigriert und heute Professor für Englische Literatur in Boston, hat seinen neuen Roman „Kriegspack” seinem Vater, einem Veteranen des Korea-Kriegs, gewidmet. Das Eingreifen der rotchinesischen Armee in den koreanischen Bürgerkrieg folgte unmittelbar auf den Sieg Maos über Chiang Kai-shek. Eine halbe Million so genannter Volksfreiwilliger fand im Nachbarland den Tod. Der neue Feind, die militärtechnisch hoch überlegenen USA, hatten 36 000 Gefallene zu beklagen.
Heroismus durch die Hintertür
Wie fasst man das Leid der Väter in eine fiktive Handlung? Ha Jin erfindet sich einen jungen Offizier namens Yu Yuan als Ich-Erzähler. In unseren Tagen schreibt er seine Erinnerungen nieder. Yu Yuan, der noch auf der Militärakademie Chiang Kai-sheks ausgebildet worden ist, wird nach kurzer politischer Umerziehung in die kommunistische Armee übernommen. Er erlebt den koreanischen Feldzug als ein grauenhaftes Fiasko. Binnen eines halben Jahres wird seine schlecht ausgerüstete Division im Napalmbombenhagel verheizt.
Die ersten drei der insgesamt 36 Kapitel sind diesem Abschlachten gewidmet, und Ha Jin erweist sich in ihnen als gelehriger Schüler der einschlägigen amerikanischen Weltkriegsliteratur. Er weiß, wie man die Froschperspektive des Infanteristen einnimmt. Er konzentriert sich auf wenige knapp charakterisierte Gestalten. Er lässt die Kameraden seines Erzählers in effektvollen Szenen sterben, nutzt bewährte Motive wie das unschuldig leidende Tier und sucht jenen lakonischen Ton, der das Heroische so dezidiert vermeidet, dass es durch die Hintertür doch wieder hereinschlüpfen kann: Als Heldentum des nackten Überstandenhabens. Dieses Verfahren hat fünfzig Jahre nach den Romanen von Kriegsteilnehmern wie James Jones oder Norman Mailer etwas eigentümlich Sekundäres. Gerade durch seine durchgängig mittelmäßige Gekonntheit wirkt es nachgemacht. Und wenn man in der Danksagung des Autors liest, dass er sich bei seinem Sohn über die einschlägige Waffentechnik informiert hat, ahnt man, wie sich Ha Jin den Duft des Authentischen aus manch gesuchtem und gefundenem Ingredienz zusammengemixt hat.
Aber das Schlachtengetöse bildet nur den Auftakt. Im Herbst 1951 befindet sich der junge Krieger mit einer schweren Beinverletzung in einem amerikanischen Gefangenenlager. Yu Yuan spricht Englisch, er hat es als Junge bei einem amerikanischen Missionar gelernt. Die Militärärzte behandeln die Kriegsgefangenen anständig, und Yu Yuan begreift, dass die Geschichten vom teuflisch mitleidlosen Gegner Propagandamärchen sind. Zu einer wahren Lichtgestalt wird die junge Chirurgin Dr. Green, die Yu Yuans Bein in aufwendigen Operationen rettet. Ja, die Amerikanerin, die in China aufgewachsen ist und in Shanghai studiert hat, nimmt schließlich, als komme es dem Autor darauf an, ein Exempel interkulturellen Respekts zu geben, sogar Kalligraphie-Unterricht bei ihrem Patienten, bis dieser in ein Lager auf die koreanische Insel Koje verlegt wird.
„Kriegspack” ist weit mehr ein Lagerroman als ein Kriegsroman. 32 seiner 36 Kapitel spielen in den Lagern, in denen die chinesischen und nordkoreanischen Gefangenen bis September 1953 interniert bleiben. Lagerzeit ist tote Zeit. Und da Ha Jin unübersehbar einen spannenden, handlungsbetonten Roman verfassen will, verwickelt er seinen Helden in den Grundkonflikt, der die Gefangenen spaltet: Sollen sie sich zur Repatriierung auf das rotchinesisch beherrschte Festland melden, oder ist es besser, auf die Insel Taiwan, den Rückzugsort der Truppen Chiang Kai-sheks, entlassen zu werden? Die beiden Parteien schenken sich nichts. Unter den Lagerinsassen kommt es zu schlimmen Repressalien, zu Folter und Mord.
Beide Seiten haben ein Auge auf Yu Yuan geworfen, weil er außergewöhnlich gut Englisch spricht. Obwohl es die Verhältnisse schließlich mit sich bringen, dass er vor allem mit den Kommunisten kooperiert, bleibt sein Verhalten gegenüber beiden Gruppen stets von vorsichtigem Kalkül bestimmt. Er weiß, dass er keinem trauen kann. Also verhält er sich opportunistisch, verbirgt seine Meinung und versucht nach Möglichkeit, nicht in die vorderste Konfliktlinie zu geraten. Dieses Lavieren macht den Erzähler zu einem weitgehend passiven und nicht unbedingt sympathischen Helden. Ja, die Überlebenstechnik, die sich Yu Yuan im Lagerleben angeeignet hat, scheint sich nun, wo er als Greis seine Erlebnisse niederschreibt, bis in sein Verhältnis zum Leser fortzusetzen.
Roter Faden der Verwandlung
Dieser Leser ist Amerikaner. Ha Jans fiktive Erzählerfigur hält sich im Prolog des Romans in den gegenwärtigen USA auf. Yuans einziger Sohn ist dorthin emigriert. Der alte Yuan hat amerikanische Enkelkinder und hofft, dass sie seinen auf Englisch verfassten Bericht einst lesen werden. Vor allem dieser Aspekt macht den Roman interessant. Denn wie ein roter Faden durchläuft ihn ein merkwürdiger Prozess. Während Yuan mit Glück und Geschick seinen Kopf aus immer neuen chinesischen Schlingen zieht, erwirbt er sich eine westliche Identität.
Dies geschieht durch fleißige Textarbeit, vor allem durch das obsessive Studium einer amerikanischen Bibel und durch akribische Beobachtung der amerikanischen Armeeangehörigen, deren Kontakt Yu Yuan gezielt sucht und deren Verhalten er immer besser zu seinem Vorteil zu deuten versteht. Damit erfüllt der Held des Romans mustergültig ein Klischee, das der Westen von China pflegt: Angeblich kann sich der Chinese mehr noch als andere Asiaten durch nie ermüdenden Fleiß und devote Anverwandlung in anderen Kulturen behaupten.
Binnen zweier Jahre amerikanisiert Yu Yuan sich selbst. Diese Verwandlung ist schon im ersten Drittel des Romans verblüffend weit fortgeschritten und produziert oft seltsame Beschreibungen. Als Yu Yuan vom Verhör seines kommunistischen Parteikommissars durch die Amerikaner erzählt, mündet der Bericht in eine längere Zusammenfassung der chinesischen Foltertechniken und in dem Fazit, dass diese die Methoden der Amerikaner bei weitem an grausamer Raffinesse übertreffen. Yu Yuan listet die Quälverfahren, die auch ihm im Lager drohten, dabei auf, als wäre er ein Ethnologe, der die bizarren Praktiken eines exotischen Urwaldstammes dokumentiert. Obwohl er tief in das Geschehen und seine Eigenart verwickelt sein müsste, blickt dieser Erzähler bereits aus westlicher Perspektive auf seine Landsleute.
In solchen Passagen wirft der Roman ein merkwürdiges Licht auf das Verhältnis von Figur und Autor. Yu Yuan, der sich am Ende des Romans in die Volksrepublik Rotchina repatriieren lässt und bis ins hohe Alter als Chinese unter Chinesen gelebt haben soll, ist seiner Kultur zugleich unübersehbar entfremdet. Er bewundert die Fähigkeit der Amerikaner, sich auch als Soldat als Individuum zu definieren und sogar den chinesischen Gegner als eigenständiges, selbstverantwortliches Subjekt zu behandeln. Unter dem Druck der Verhältnisse assimiliert sich Yu Yuan an dieses ihm neuartige Menschenbild. Er beginnt, die Welt mit den kalten blauen Augen der westlichen Freiheit zu sehen. Aber zugleich bleibt er seinem Herkommen, der Einordnung in das Kollektiv, der Unterwerfung unter nicht kritisierbare Werte verpflichtet - so sehr, dass auch die Nachahmung des amerikanischen Vorbilds stets einen Hauch von Unterwürfigkeit und verhohlen heuchlerischen Beigeschmack behält.
Als Rezensent will ich nicht spekulieren, in wie weit Yu Yuans Dilemma auch das Problem des Emigranten Ha Jin sein könnte. Es ist gewiss nicht leicht, mit chinesischen Wurzeln ein guter Amerikaner zu sein. Als deutschem Leser, der erst unlängst China besuchte, dämmerte mir über diesem Roman, wie sehr das Ideal selbstverantwortlicher Individualität nicht nur im Fernen Osten etwas gewaltsam Erworbenes ist. Auch unserer Freiheit ging ein furchtbarer Feuersturm voraus, auch unsere Väter oder Großväter gelangten durch stacheldrahtumzäunte Lager auf die Seite des Westens. Dessen Stärke, an der wir inzwischen teilhaben, bleibt die helle Kälte seines Blicks. Aber mit der Dauer seiner Herrschaft, die in manchem einer himmelblauen Eiszeit gleicht, wächst die Sehnsucht nach dem Schummerlicht ewiger Ordnung und der archaischen Kuhwärme des Kollektiven.
GEORG KLEIN
HA JIN: Kriegspack. Roman. Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck. dtv premium, München 2005. 460 Seiten, 15 Euro.
Korea, 1950: Mit den Fahnen der Vereinten Nationen, Koreas und der USA wird ein US-Truppentransporter in einem koreanischen Hafen empfangen.
Foto: SZ
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine erstaunliche Geschichte erzählt der 1985 aus China in die USA emigrierte Autor Ha Jin in seinem Roman "Kriegspack": Ein chinesicher Soldat, ausgebildet in der Akademie Chiang Kai-sheks, kämpft nach kurzer Umerziehung für das kommunistische China im Koreakrieg und gerät in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Und je stärker er dort von den chinesischen Häftlingsgruppen gedrängt wird, sich zwischen China und Taiwan zu entscheiden, umso stärker wird die Anziehungskraft, die das amerikanische Menschenbild mit seinen individuellen Freiheiten auf ihn ausübt, wobei die Annäherung an sein Ideal immer auch etwas Unterwürfiges habe. In seiner Besprechung lässt der Schriftsteller Georg Klein zwar immer wieder durchblicken, dass er nicht gänzlich von den schreiberischen Talenten seines Kollegen Ha Jin überzeugt ist - einiges findet er mit nur "mittelmäßiger Gekonntheit" von Norman Mailer und James Jones abgekupfert -, doch der geschilderten Grundkonflikt hat ihn offenbar sehr interessiert, zumal er eigenem Bekunden nach gerade in China war. Klein "dämmerte" über diesem Roman, "wie sehr das Ideal selbstverantwortlicher Individualität nicht nur im Fernen Osten etwas gewaltsam Erworbenes ist" und orakelt abschließend: "Mit der Dauer seiner Herrschaft, die in manchem einer himmelblauen Eiszeit gleicht, wächst die Sehnsucht nach dem Schummerlicht ewiger Ordnung und der archaischen Kuhwärme des Kollektiven."

© Perlentaucher Medien GmbH
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