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Schon als Kind erkennt Mary Ward, daß sie eigentlich kein Mädchen, sondern ein Junge ist. Ihr Kampf darum, ihre wahre Identität auch von der Außenwelt akzeptiert zu sehen, dauert Jahrzehnte . . .

Produktbeschreibung
Schon als Kind erkennt Mary Ward, daß sie eigentlich kein Mädchen, sondern ein Junge ist. Ihr Kampf darum, ihre wahre Identität auch von der Außenwelt akzeptiert zu sehen, dauert Jahrzehnte . . .
Autorenporträt
Rose Tremain, 1943 geboren, wuchs in London auf und studierte an der Sorbonne. Sie war Dozentin für Englisch, Lehrerin und Lektorin, veröffentlichte Romane und Kurzgeschichten, schrieb aber auch für Film, Funk und Fernsehen.Ihre Bücher, für die sie mit zahlreichen Preisen aufgezeichnet wurde (u.a. dem Prix Femina Etranger) erschienen in 14 Sprachen. Für Melodie der Stille erhielt sie 2000 den Whitebread-Preis. Sie lebt in Norfolk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2004

Nur das Perlhuhn wußte Bescheid
Rose Tremain erzählt die Geschichte einer Geschlechtsumwandlung

Von der 1943 geborenen, in ihrer Heimat bei Lesern und Kritik gleichermaßen beliebten englischen Autorin Rose Tremain gab es hierzulande bereits einiges zu lesen, unter anderem ihre beiden historischen Romane "Des Königs Narr", die blendend erzählte Geschichte von Aufstieg, Fall und Läuterung eines Emporkömmlings am Hofe König Karls II., sowie "Melodie der Stille", eine vielstimmig orchestrierte phantastische Fabel über Liebe und Schuld, die uns mit dem englischen Lautenspieler Peter Claire an den dänischen Königshof des Jahres 1629 führt. Mit beiden Büchern bewies Rose Tremain, daß das oft am Rande der Trivialität operierende Genre des historischen Romans sehr wohl zu literarischen Höhen geführt werden kann.

Am längsten aber hallt doch jenes ihrer Werke nach, das 1992 als "Sacred Country" erschien und zwei Jahre später zwar unter dem deutschen Titel "Die Umwandlung" vorgelegt wurde, hierzulande jedoch kaum Beachtung fand. Im Mittelpunkt steht die Geschichte der Mary Ward, die sich in einem schwierigen und verlustreichen Prozeß in jenen Martin Ward verwandelt, der sie schon immer gewesen zu sein glaubt - zumindest seit jenen zwei Schweigeminuten für den toten König Georg, zu denen sich auch die Wards am 15. Februar 1952 unter freiem Suffolker Himmel versammeln und mit denen die Erzählung einsetzt. Sechs Jahre alt ist Mary da, sie betet für den Kopf des Königs auf der Zweipence-Briefmarke und wird ihrem Lieblingsperlhuhn gleich darauf eine erschütternde Entdeckung mitteilen: Ein Fehler ist gemacht geworden. Sie ist in Wahrheit ein Junge.

Dieser Fehler, meint Mary, muß korrigiert werden. Es ließen sich allerdings leichtere Lebensaufgaben für die Tochter einer armen Bauernfamilie im England der fünfziger Jahre ausdenken. Knapp dreißig Jahre währt denn auch Marys Bemühen, von Rose Tremain ohne vordergründige Spannung, aber auf ruhige Weise zutiefst packend erzählt, der zu werden, der sie ist, nämlich Martin. Haben wir es hier mit einem Ausrutscher der Natur zu tun oder mit einem durch familiäre und gesellschaftliche Umstände verursachten Bedürfnis? Zahlreich sind die Hinweise auf die zweite Lesart. Marys Vater hätte lieber einen Sohn gehabt, was er seine Tochter deutlich spüren läßt. Und wenn diese vor den Augen der entsetzten Eltern in Gummistiefeln auf die Bühne des Schulballetts stürmt, dann deshalb, weil sie nicht zu einem Püppchen, zu einer "lebenden Toilettenpapierverbrämung" werden will wie ihre Klassenkameradinnen. Und doch ist das ganze Buch hindurch etwas Unwandelbares zu spüren, ein Firnis von Einsamkeit und Geheimnis, der jede Person umhüllt und der auch dann nicht verschwindet, wenn wir ihren geheimen Antrieb entdeckt zu haben meinen.

Nicht im mindesten jedenfalls läßt sich Tremain zu einer schlichten Gegenüberstellung von unverstandenem Individuum und verständnisloser Gesellschaft verführen. Vielmehr findet Mary in ihrer Lehrerin und ihrem Großvater gütige Helfer, gleichsam mütterliche, im Hintergrund wachende Figuren - übrigens nur einer von manchen Zügen, die Rose Tremains Romanwelt wie eine aktualisierte weibliche Version der Weltsicht von Charles Dickens erscheinen lassen. So steuert Marys Geschichte trotz aller Schmerzen, trotz des Verlusts auch ihrer im stillen vor sich und dem Leser hin gewachsenen großen Liebe auf einen positiven Ausgang zu, auf eine kleine Epiphanie, die Martin auf einem riesigen Parkplatz im Zufluchtsland Amerika erfährt, wohin ihn sein Weg von Suffolk übers eigentlich wenig swingende London der sechziger Jahre geführt hat.

Soviel wäre zu loben an diesem Buch: daß es, hierin zugegebenermaßen wenig an Dickens erinnernd, mit so wenig Plot, mit so wenig romanhaften Verwicklungen eine so spannende Geschichte erzählt. Der gleichsam beiläufige Ernst, mit dem es die Aufbruchszeit der sechziger Jahre als realen Freiheitsgewinn für aus der Norm fallende Menschen zu spüren gibt. Besonders angenehm aber fällt auf, wie selbstverständlich Rose Tremain all ihren Figuren Gerechtigkeit widerfahren läßt. Dies gilt für den im selben Provinznest wie Mary lebenden Metzgersohn Walter Loomis, der, anders als sie, seine sexuelle Identität erst noch entdecken muß und dessen Befreiungskampf aus miefigem Konformitätsdruck den ihren gewissermaßen objektiviert und von der Einsamkeit des Sonderfalls erlöst. Doch selbst Marys Vater Sonny, dem die Deutschen im Krieg ein Ohr kaputtgeschossen haben und der danach so schwerhörig wie dumpf und hartherzig wurde, rückt dem Leser nahe. Fast mit Händen zu greifen ist die abgespannte Entrücktheit seiner Frau Estelle, die dem Druck des Lebens über lange Perioden nur in einer Nervenheilanstalt standhalten kann. Ihr, die hilflos und abwesend durch Marys beziehungsweise Martins Leben geistert, ist nicht nur die sonst ihrer Tochter vorbehaltene Ich-Erzählperspektive vergönnt, sondern auch ein anrührendes Schlußkapitel.

MICHAEL ADRIAN

Rose Tremain: "Die Umwandlung". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Elfie Deffner. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003. 429 S., br., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein Buch, das wir unseren Freunden schenken, weil wir selbst so froh sind, es gelesen zu haben. Die Menschen, von denen Tremain schreibt, wachsen uns sehr ans Herz." Stephen Dobyns in 'The New York Times Book Review'

"Ein starker, komplexer, unsentimentaler Roman, üppig in manchen Abschnitten, in anderen wunderbar zurückhaltend." Penelope Fitzgerald in 'The Times Literary Supplement'

"Selbst wenn man die allerhöchsten Maßstäbe anlegt, ist dieser Roman ein unbedingter Erfolg." The London Times Evening Standard

"Ein Buch, das man bewundert und genießt. Es ist komisch, spannend und ganz und gar originell. Ich habe dieses Jahr nichts gelesen, was ihm gleichkäme." The Literary Review

"Rose Tremains Erzählkunst ist eine reine Freude." Lynn Freed in 'The Washington Post'

"Ein wunderschöner, einfühlsamer Roman über Isolation und Einsamkeit." The New Yorker "Herausragend." The Boston Sunday Globe

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein wahres Loblied stimmt Michael Adrian auf den 1992 erschienenen und nun in deutscher Übersetzung vorliegenden Roman Rose Tremains an, der "packend" den dreißig Jahre währenden Weg einer Geschlechtsumwandlung erzählt. Gerade mal sechs Jahre alt ist Mary, als sie im Jahre 1952 feststellt, dass sie in Wahrheit ein Junge ist, erzählt der Rezensent und rühmt das Geschick der Autorin, mit dem sie alle Klippen einer solchen Geschichte umschifft: Weder verfalle sie in eine simple Konfrontation von engstirniger Gesellschaft und Individuum, noch gingen die Figuren je vollständig in einer psychologischen Deutung auf. So legt beispielsweise die kaum überspielte Unzufriedenheit von Marys Vater mit seinem weiblichen Nachwuchs die Auslegung nahe, der Wunsch, ein Junge zu sein, gründe in familiären Umständen. Doch auch eine solche Lesart hinterlässt einen Rest, betont der Rezensent, "etwas Unwandelbares" an Tremains Protagonisten. Beeindruckt war Adrian zudem von dem "gleichsam beiläufigen Ernst", mit dem die Autorin sowohl den sechziger Jahren mit ihrem "realen Freiheitsgewinn", als auch all ihren Figuren Gerechtigkeit widerfahren lässt - so, dass der Leser selbst Marys "hartherzigen" Vater ins Herz schließt.

© Perlentaucher Medien GmbH