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Mehr als drei Jahrzehnte nach seinem Tod wählen deutsche Fernsehzuschauer Konrad Adenauer zur bedeutendsten Persönlichkeit der deutschen Geschichte. Der beste Kenner des ersten Kanzlers der Bundesrepublik ergründet in einem brillanten biographischen Essay Persönlichkeit und politische Leistung dieses vielschichtigen Gründungsvaters der zweiten deutschen Demokratie.

Produktbeschreibung
Mehr als drei Jahrzehnte nach seinem Tod wählen deutsche Fernsehzuschauer Konrad Adenauer zur bedeutendsten Persönlichkeit der deutschen Geschichte. Der beste Kenner des ersten Kanzlers der Bundesrepublik ergründet in einem brillanten biographischen Essay Persönlichkeit und politische Leistung dieses vielschichtigen Gründungsvaters der zweiten deutschen Demokratie.
Autorenporträt
Hans-Peter Schwarz, geboren 1934, ist Professor für Politik und Zeitgeschichte und u. a. Verfasser zweier Bände der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über die Ära Adenauer. Zahlreiche Auszeichnungen, wie 1999 den Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.11.2004

Rheinisches Alpha-Tier
Anmerkungen zu Konrad Adenauer - auch für Spätgeborene
Zweitausendeinhundertsieben Seiten Adenauer erdachte und schrieb der Historiker und Biograf Hans-Peter Schwarz über den Gründungskanzler der Bundesrepublik. Nicht eingerechnet die Fülle der Aufsätze, Vorträge, Schürfarbeiten in der zugehörigen Ära. Schwarz, inzwischen 70, hat sein Thema ausgekostet, war verknüpft, wissenschaftlich wie persönlich mit der Bonner Republik und ihrer Geschichte.
Längst erscheint K. A. „abgeschlossen”. Er ist durch und durch (nicht zuletzt durch Schwarz selbst) erklärt. Gleichwohl drängte es ihn, „nach dem Umbruch 89/90” seinen Adenauer noch einmal zu entschlüsseln, herabblickend von den Hügeln des neuen Säkulums, da etliches doch sich verändert, verschoben hat. Hauptort des vereinigten, „östlicheren” deutschen Staates ist nicht mehr Adenauers Bonn am linken Rheinufer mitsamt ihrer selbstgewissen, westgerichteten Übersichtlichkeit. Überhaupt ist nichts mehr wie in der liebgehabten „jungen Bundesrepublik”: hochbeschleunigt das Politikmachen im Computerzeitalter, in der „Mediendemokratie”. Und erst das emsige, geschäftsführermäßige Personal der Politik.
Wer sollte Adressat sein einer verdichteten späten Sicht auf Adenauer? Das Häuflein zeithistorischer Gourmets? Anderseits bilden sich Jahr um Jahr neue Ablagerungen geschichtlicher Ahnungslosigkeit, eines Desinteresses, in welchen wohl das Lämpchen „Adenauer” aufleuchtet, wenn man die richtige Taste drückt. Der Kontext aber, die „Fünfziger”, verschwimmen in nebelhafter Unbestimmtheit. Schwarz sagt im Vorwort, der derzeit wenig inspirierende Politikbetrieb lasse Adenauer als positive Leitfigur erscheinen - vermehrt durch das Ungenügen an Größen unserer Tage, „weil man in ihren Seelen keine Abgründe erahnt”. Aber er werde auch Adenauers Umstrittenheit in Erinnerung rufen.
Die Versprechen werden eingelöst. Schwarz nennt seinen abgründigen Adenauer „Tier”. Familien-Tier, rheinisches Alpha-Tier, Parteitier - was alles er gewesen ist und noch ein bisschen mehr. „Inkarnation eines Realpolitikers” zum Beispiel. Der Mann war tief im Wilhelminismus verwurzelt (geboren 1876), hatte Bismarck als Kanzler erlebt, emporgeheiratet ins rheinische, kölnische Großbürgertum. Sein eigentliches, nachhallendes Bedeutungsleben begann mit 73 Jahren, 1949, als Adenauer Kanzler der Bundesrepublik mit der von ihm gewünschten provisorischen Hauptstadt Bonn wurde: in allen Details ein erstes taktisch-strategisches Meisterstück.
Aus dem gelernten Innenpolitiker ist im Verlauf von 14 Kanzlerjahren ein kühl kalkulierender, gemäß seinem Wesen latent misstrauischer Außenpolitiker geworden, der, außer Westbindung und Wiederbewaffnung, mittelbar zweierlei Hauptsachen bewirkte. Die west-alliierten Siegermächte trauten dem alten Mann zu, den unberechenbaren deutschen Tiger reiten zu können, ihn zu domestizieren. Folglich setzten sie die Ächtung des Nazivolkes D. (zumindest vorläufig) stillschweigend außer Kraft. Die bedingte Absolution war an die Persönlichkeit Adenauer gebunden, sowie an den zugespitzten Ost-West-Konflikt. Ein Zusammenhang, welcher den fanatisch bis zur letzten Patrone auf Hitler fixierten, „eben noch auf Pfiff dressierten” Deutschen komisch bis traumhaft vorkam, so billig-verdrängend schienen sie davonzukommen. Anderseits entsprach Adenauers autoritärer Habitus passgenau einer posthitlerischen Sehnsucht „nach dem starken Mann im demokratischen Kostüm” (Schwarz).
Auf Krawall frisiert
In den frühen Adenauer-Jahren war dieser Übertragungs-Mechanismus eine irritierende Erfahrung. Mit welcher Rigidität und Glut große und kleinere Nazis, auch Scharen gut brauner Publizisten, ihre Adenauer-Verehrung ausübten! Auch als Wahlhelfer, die ihr Handwerk gründlich erlernt hatten, wie Schwarz süffisant anmerkt. Im Bewusstsein aber, der „Alte” habe sie in der Hand.
Schwarz’ Verdienst ist es, dass seine „Anmerkungen” die tiefenpsychologischen Komponenten der westdeutschen Staatsgründungsjahre klar ausdrücken. Ausgebreitet in dem Essay wird auch jenes fabelhafte adenauertypische Gespinst aus Charakter und Eigensinn, bürgerlicher Familien-Monarchie (öffentliche Geburtstage), festen Welt-Bildern (Russland = Dampfwalze / Sowjetunion = Weltrevolution / jenseits der Elbe = Asien); zuzüglich seine Traumata einer wieder „abgehängten” und eingekreisten BRD.
Auch ein Adenauer-Novize wird wohl den Beweggründen Adenauerschen Handelns gespannt folgen, der Schilderung seiner mitunter kräftigen Aversionen. Siehe die beispiellosen, begründeten Anstrengungen, Feind Ludwig Erhard als Nachfolger zu verhindern. Unter die Nachtseiten zählt Schwarz, dass Adenauer eher auf Krawall denn auf Konsens frisiert gewesen sei, dass eine äußerlich so würdevolle Erscheinung für Abhängige aller Art ein wenig angenehmer Zeitgenosse gewesen ist: ungeduldig, impulsiv, boshaft, rachsüchtig - was hohen Unterhaltungswert bedeutete, wenn man mit gleicher Münze zu spotten vermochte und nicht tributpflichtig war.
Dem Rezensenten sind die Phänomene um Adenauer und seine Zeit durch Anschauung und Reflexion geläufig. So einer liest den „kurzen Schwarz” mit Gewinn, weil er sich in der Geschichte zuhause fühlt. Der Rezensent wüsste andererseits gern, ob gebildete jüngere Zeitgenossen der „Ära Schröder” zu Analogien angeregt werden, ob sie der nüchternen Diktion zu folgen bereit sind. Merkwürdigerweise fürchten Biografen, welche ihren Adenauer so „auswendig” können, das Stilmittel Erzählung; und niemals würden sie Adenauers Skurrilismen und Moralismen, seinen mündlichen Selbstzeugnissen, seiner Krimi-Bibliothek ein eigenes Kapitel widmen. Es ist aber bezeichnend. Und fesselnd.
CLAUS HEINRICH MEYER
HANS-PETER SCHWARZ: Anmerkungen zu Adenauer. DVA, München 2004. 218 Seiten, 17,90 Euro.
Der Familienmensch Adenauer. An seinem 87. Geburtstag 1963 ließ er sich der sonst gar nicht immer so liebenswerte „Alte” von seinen Enkeln herzen.
Foto: AP
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2004

Realist mit Nachtseiten
Der große Konrad Adenauer hatte geringen Respekt vor Institutionen / Von Rolf Steininger

Er war machtgierig, aber entspannt, jovial, zynisch, humorig auf der Oberfläche, die den harten Kern verbarg; fromm, aber die Dinge dieser Welt von der anderen unterscheidend wie ein Lutheraner; im Grunde bescheiden und jeder Theatralik abgeneigt, aber sowohl listig wie dreist, wenn es um die Führung ging." So hat der Historiker Golo Mann einst Konrad Adenauer beschrieben. Und Hans-Peter Schwarz ergänzt: "Gegenwärtig, so hat es den Anschein, ist die Forschung auf manchen Wegen und Umwegen zu diesem einen Adenauerbild gelangt." Dieses eine Adenauerbild bringt uns Schwarz in seinen "Anmerkungen" näher. Der Titel des Essays lehnt sich an Sebastian Haffners "Anmerkungen zu Hitler" an. Schwarz übernimmt dessen Methodik, um Adenauer nach eigenen Worten zu "entschlüsseln", seine Leistungen zu erhellen, aber auch seine Umstrittenheit in Erinnerung zu rufen und "in die Abgründe der Größe hineinzuleuchten".

Wer könnte das besser tun als Hans-Peter Schwarz, der sich jahrzehntelang mit Adenauer beschäftigt hat und der wohl beste Adenauer-Kenner ist? Und wenn der emeritierte Bonner Politologe zur Feder greift, wird es nie langweilig - auch diesmal nicht. Seiner Meinung nach kann man Adenauer nur angemessen verstehen, wenn man würdigt, "daß auch in seinem politischen Wollen die unterschiedlichsten Schichten miteinander verbunden sind". Und diese "Schichten" bereitet Schwarz in einem brillanten Essay in sieben sich teilweise überschneidenden Kapiteln auf: Leben, Leistungen, Außenpolitik, Verrat?, Modernisierung, Nachtseiten, Was bleibt?

Dabei spart er nicht mit Seitenhieben auf Fachkollegen, die manches anders sahen und sehen - etwa der Adenauer-Biograph Henning Köhler, "einer der schärfsten Parforcereiter der einstigen Jagdgesellschaft" -, oder "politische Größen unserer Tage", bei denen man möglicherweise auch deshalb ein Ungenügen verspürt, weil sie - anders als Adenauer, den deutsche Fernsehzuschauer in einer etwas dubiosen Sendung zur bedeutendsten Persönlichkeit der deutschen Geschichte gewählt haben - "allzu ängstlich auf Konsens abonniert sind, doch auch deshalb, weil man in ihren Seelen keine Abgründe erahnt, sondern nur Flachland". Im Kapitel "Leben" singt Schwarz ein Loblied auf die Vitalität des alten Herrn; er gibt einen kurzen Überblick über 73 Jahre Adenauer: Kölner Oberbürgermeister 1917, Absetzung 1933, von den Nationalsozialisten verfolgt, 1944 inhaftiert, seit 1946 politischer Aufstieg, 1949 Bundeskanzler. Fazit: "Die sieben Jahrzehnte dieses langen Lebens sind Vorgeschichte zum Eigentlichen." Was das "Eigentliche" ist, zeigen die folgenden Kapitel. Zu den "Leistungen" zählt, daß der "Weststaat" schon bald außerhalb des Ostblocks weltweit als "Deutschland" anerkannt wird, der "Aufstieg des Staates von der Ohnmacht zur Rolle einer der großen Mächte Europas". Dann das "Wirtschaftswunder". War es persönliche Leistung Adenauers oder unverdientes Glück? Wieviel Erfolg ist Wirtschaftsminister Ludwig Erhard zuzuschreiben? Dann Adenauer als Parteiführer, der die CDU überhaupt erst zu einer Partei macht, die Profil hat und Schlagkraft besitzt.

Im Kapitel "Modernisierung" geht es ebenfalls um Leistungen Adenauers. Der ist schon als Kölner Oberbürgermeister ein "großartiger Modernisierer" und bleibt es auch als Kanzler. Er ist bereit, sich auch auf "so unerprobte europäische Experimente wie die Montanunion, die EVG, die EWG und weiteres mehr einzulassen"; er hat ein Gespür für "bestimmte, ganz neuartige Zukunftstechnologien . . . in erster Linie für die Kernenergie". Dann das Fernsehen - und die damit verbundenen machtpolitischen Aspekte. Adenauer setzt 1957 die dynamische Rente durch, auch gegen Kritiker in den eigenen Reihen, die davor warnen - wie wir heute wissen, zu Recht -, das sei ein ungedeckter Wechsel, gezogen auf künftige Generationen. Und als es Ende der fünfziger Jahre Krisen beim Stahl, im Bergbau und in der Textilindustrie gibt, reagiert der "Modernisierer" Adenauer gar nicht "modern" - nämlich mit protektionistischen Maßnahmen und Subventionierung. Und seine "sehr eigene Art", mit der jüngsten Vergangenheit fertig zu werden - Stichwort: tiefbraune Minister beziehungsweise Staatssekretäre wie Theodor Oberländer oder Hans Globke, Adenauers rechte Hand im Bundeskanzleramt -, ist wohl auch kein Ruhmesblatt. Es war eine, wie Schwarz schreibt, aus einer "Mischung von Opportunismus, Einsicht in die schwache Menschennatur und Zynismus erwachsende Toleranz". Und wenn dies schon als Makel gesehen wird, so gehört doch wohl auf die Habenseite Adenauers dessen makelloses Verhältnis zu Israel. Darüber hätte man gern ein paar Sätze mehr gelesen.

Es gibt kein eigenes Kapitel "Innenpolitik", dafür ist das Kapitel "Außenpolitik" am umfangreichsten. Für Adenauer war klar: "Die Gefahr ist groß. Asien steht an der Elbe", die Rettung Europas könne "nur mit Hilfe der USA erfolgen" - mit einem gesunden Westeuropa unter Führung Englands und Frankreichs und mit Westdeutschland als wesentlichem Bestandteil. Das Ergebnis hieß wirtschaftliche, politische und militärische Integration der Bundesregierung in den Westen - auch um diese Bundesregierung überhaupt erst handlungsfähig zu machen. Damit gehört die Außenpolitik ja wohl zu den "Leistungen". Dann kommt das Kapitel "Verrat?" Da geht es nicht mehr um den "Rheinstaat" nach 1918, sondern eher um die Frage, ob eine kühnere Wiedervereinigungspolitik in den Jahren 1951 bis 1955 die lange Teilung mitsamt den heute offenkundigen Spätfolgen nicht hätte abkürzen können. Schwarz: "Kein Verrat also, aber doch ein fatales Versagen?" Die Antwort ist - wen wundert's - ein klares Nein!

Im Kapitel "Nachtseiten" geht Schwarz erstaunlich kritisch mit seinem Helden um. Das Bild von dem "stets rationalen, immer zielklaren und am hohen Wertehimmel orientierten" Adenauer sei "ein schönes Märchen", was aber nicht verwundert, denn wer in höchsten Ämtern Politik macht, so Schwarz, "steckt im tiefsten Unrat". Wo viel Licht ist, gibt es halt eben auch viel Schatten. Dabei ist für Schwarz sehr viel interessanter, "ob dieser dem äußeren Anschein zufolge so eminent zielklare Mann nicht tatsächlich viel sprunghafter und impulsiver gewesen ist, als er vor sich selbst, geschweige denn öffentlich, zugeben wollte". Vielleicht sollte man auch noch das Wort "unsicher" hinzufügen: in der Deutschlandpolitik, in der Europapolitik, im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten - insbesondere am Ende seiner Kanzlerschaft.

Das führt zum letzten, interessantesten Kapitel: "Was bleibt?", nachdem die Adenauer-Ära vierzig Jahre zurückliegt, die man als Historiker entspannter beurteilen kann als noch vor wenigen Jahren. Da wird Schwarz mit Blick auf die Gegenwart ganz kritisch, zuweilen gar zornig. Wenn etwa der Alt-Achtundsechziger und jetzige Außenminister Joschka Fischer in bezug auf die Europäische Union und die Freundschaft mit Frankreich so spricht und handelt, als sei er ein legitimer Enkel Adenauers, dann sieht Schwarz das so: "Große Männer hatten schon häufig illegitime Söhne und Enkel." Und dann kommt eine nicht minder kritische, eher unerwartete Feststellung von Schwarz, nämlich, Adenauer habe sich mit seinem Programm der unauflöslichen Westbindung "gewissermaßen zu Tode gesiegt. Denn gibt es ihn heute noch, den Westen?" Probleme, die am Ende der Adenauer-Kanzlerschaft aufbrachen - etwa Gaullisten gegen Atlantiker nach der wenig ruhmvollen Deutschlandpolitik der Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem Mauerbau - sind heute größer als je zuvor. Gibt es eine Adenauer-Tradition, an der man sich heute orientieren kann? Ist es etwa "das frisch lackierte Tandem Paris-Berlin, bei dem heute Chirac lenkt und Schröder hinterherstrampelt"? Doch wohl nicht.

Schwarz ist zuzustimmen: "Adenauer war nicht irgendein Bundeskanzler . . . Er war im Guten und im weniger Guten eine Persönlichkeit von einer ganz außerordentlich politischen Vitalität . . . Im Vergleich gehört er in die oberste Liga demokratischer Staatsmänner des 20. Jahrhunderts." Adenauer - und das macht auch seinen Erfolg aus - war kein Konsenspolitiker, bei ihm gab es kein "Aussitzen" von Problemen. Er konnte allerdings Geduld aufbringen, auch wenn dies, so Schwarz, "nur die Geduld der Katze war, die stundenlang vor dem Mauseloch wartet". Adenauer - und das hat man früher von Adenauer-Apologeten auch anders gelesen - war nach Meinung von Schwarz kein Visionär, sondern ein großer Realist, mit - "Nachtseite" - geringem Respekt vor den Institutionen. Dies war wohl ein Schwachpunkt, möglicherweise aber ein Grund für seine Erfolge.

Schwarz stellt abschließend die Frage, ob "eine Therapierung der deutschen Krankheit" am Beginn des 21. Jahrhunderts "mit Adenauerschen Rezepten vorstellbar wäre". Die Antwort ist ein vorsichtiges Ja. Heute werde, so Schwarz, gutbürgerlich regiert; darunter verstehe man eine "Aufführung des Clubs der Harmlosen". Harmlos aber sei Adenauer ganz und gar nicht gewesen; vielleicht sei ihm eben deshalb die Erneuerung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft geglückt. Bei allen erwähnten "Nachtseiten" Adenauers bleibt Schwarz ein großer Bewunderer des ersten Kanzlers. Für ihn ist Adenauer gar der "George Washington der Bundesrepublik", womit er wohl etwas über das Ziel hinausschießt: Mehr als 200 Jahre nach George Washington sind die Vereinigten Staaten die einzig übriggebliebene Weltmacht, 40 Jahre nach Adenauer ist Deutschland ins Mittelmaß abgesunken.

Fazit: Schwarz zeigt dem Leser in seinen "Anmerkungen" zwar nichts wirklich Neues, es ist eher die Summe seiner zahlreichen Arbeiten über Adenauer. Dies allerdings in einem brillanten Essay mit höchstem Lesevergnügen - wobei ein Personenregister nicht unbedingt geschadet hätte.

Hans-Peter Schwarz: "Anmerkungen zu Adenauer". Deutsche Verlags-Anstalt, München 2004. 218 S., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Hans-Peter Schwarz, der bereits eine zweibändige Adenauer-Biografie vorgelegt hat und diesem Politiker viele seiner Forschungs- Jahre gewidmet hat, tritt nun mit "Anmerkungen zu Adenauer" in Erscheinung, die noch einmal das "Erfolgsgeheimnis" Konrad Adenauers, aber auch seine "Abgründe" durchleuchten sollen, erklärt Rezensent Daniel Koerfer. Nicht zufällig erinnere der Titel an Sebastian Haffners "Anmerkungen zu Hitler", informiert Koerfer, der Schwarz allerdings eine größere Neigung zu "Differenzierung und Nuancierung" bescheinigt als Haffner. Ganz kann er dem Autor nicht zustimmen, wenn der den "großen Anteil" Adenauers am Wirtschaftswunder und an der Rückkehr Deutschlands "in den Kreis der europäischen Mächte" hervorhebt. "Seltsam weit hergeholt" und viel zu ausführlich abgehandelt findet er auch das Kapitel über den "Separatismusvorwurf", der Adenauer von Augstein gemacht wurde. Augstein hatte damals behauptet, Adenauer habe die Wiedervereinigung gar nicht "ernsthaft angestrebt" und damit die Menschen in der DDR "verraten". Dagegen scheinen Koerfer die "Abgründe" der Kanzlerpersönlichkeit etwas zu kurz gekommen in diesem Buch, und auch Anekdoten über Adenauer "meidet" Schwarz fast gänzlich, wie der Rezensent bedauernd bemerkt. So bleiben ihm die Schilderungen der Persönlichkeit und des Wirkens des Politikers zu "wenig konkret", um zu befriedigen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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