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Hubert Winkels, Literaturkritiker, Autor und Redakteur des Deutschlandfunks, gibt dem Band seine ganz eigene Handschrift. Die Palette der Autoren ist sehr weit gefaßt. Sie reicht von etablierten, teilweise bereits kanonisierten Autoren der Gegenwart bis zu jungen Talenten. Sie umfaßt die klassische Kurzgeschichte, die Idylle und die Humoreske, Schreibweisen, die man gerne als "popliterarisch" oder alltagsnah charakterisiert, und die metaphysisch inspirierte Erzählung, die radikal neue ebenso wie die klassische Ausdrucksform. Die Spannung baut sich nicht nur in den Geschichten auf, sondern auch…mehr

Produktbeschreibung
Hubert Winkels, Literaturkritiker, Autor und Redakteur des Deutschlandfunks, gibt dem Band seine ganz eigene Handschrift. Die Palette der Autoren ist sehr weit gefaßt. Sie reicht von etablierten, teilweise bereits kanonisierten Autoren der Gegenwart bis zu jungen Talenten. Sie umfaßt die klassische Kurzgeschichte, die Idylle und die Humoreske, Schreibweisen, die man gerne als "popliterarisch" oder alltagsnah charakterisiert, und die metaphysisch inspirierte Erzählung, die radikal neue ebenso wie die klassische Ausdrucksform. Die Spannung baut sich nicht nur in den Geschichten auf, sondern auch in ihrem Zusammenspiel. Ein frischer Wind soll durchs Gehege der literarischen Hochkultur wehen. Die besondere Vielfalt der Texte fordert auch das Nachdenken über die Kriterien ihrer Beurteilung besonders heraus.
Autorenporträt
Hubert Winkels, geb. 1955 in Gohr bei Dormagen, lebt in Düsseldorf und arbeitet als Literaturkritiker und Kulturredakteur des Deutschlandfunks in Köln. Ausgezeichnet mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik, gab er zahlreiche Anthologien heraus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christoph Haas fragt sich bei der Besprechung der Anthologie "Die besten deutschen Erzähler 2003", ob dieser Band zur "Kanonbildung" taugt und beantwortet seine Frage gleich selbst: zumindest die diesjährige Ausgabe setzt keine "Maßstäbe". Viele der Kurzgeschichten und Erzählungen beurteilt der Rezensent lediglich als "solide erzählte Routinearbeiten", wie die Texte von Benjamin von Stuckrad-Barre oder Thomas Meinecke. Bei manchen hat er gar den Eindruck, die Autoren seien dem Aufruf des Herausgebers Hubert Winkler nur ungern gefolgt. Die Erzählung von Peter Glaser lobt er immerhin für einzelne gelungene und schöne Sätze, doch im Ganzen kann ihn auch diese Geschichte als das "Beste", was deutsche Erzähler zu bieten haben, nicht überzeugen. Offensichtlich als einzige wirklich gelungen scheinen Haas die Erzählungen von Patrick Roth und von Katarina Faber. Und noch etwas Positives zu diesem Band hat der Rezensent anzumerken: wie der Herausgeber unterstreicht, neigen die Autoren allesamt zu "Konzentration und Aussparung, Raffung und Kürze" und neigen nicht zu "Geschwätzigkeit", so Haas zustimmend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.02.2004

Wenn Katzen in Telefonzellen starren
Nicht immer beflügelt: Die Anthologie „Beste deutsche Erzähler 2003”, herausgegeben von Hubert Winkels
Im Jahr 2000 sind die „Besten deutschen Erzähler” erstmals erschienen. Bisher war Verena Auffermann die Herausgeberin, im jüngsten Jahrgang hat Hubert Winkels diese Aufgabe übernommen. Sein Versuch, die Anthologie im Vorwort literaturhistorisch zu verorten, ist nicht ohne spätzeitliche Melancholie. So viele berühmte Vorgänger in der deutschen Literatur, von der Romantik über den Expressionismus bis zu „Rawums”, der 1984 erschienenen Gründungsurkunde der Popliteratur! Und vor allem: So viel kulturrevolutionäre Energie, die Altes zerstören, Neues schaffen wollte! Heute dagegen sind Autoren, die im Banne einer großen, gemeinsamen Idee agieren, kaum mehr auszumachen. Für den Herausgeber einer Anthologie zur aktuellen Erzählliteratur bedeutet dies, so Winkels, eine erhebliche Schwierigkeit: Er verfügt über keine eindeutigen Unterscheidungsmerkmale mehr, über keine „ordnenden Maßstäbe, seien sie ästhetische, moralische oder gesellschaftliche”, die es ihm ermöglichen würden, ein kohärentes Textensemble herzustellen. „Gut, besser, die Besten” – das ist, stellt Winkels mit resignativem Unterton fest, nicht mehr als eine „Resthierarchie”.
Das Vorbild der Sammlung kommt denn auch nicht aus dem gerne ins Grundsätzliche verliebten Europa, sondern aus den pragmatischen USA, wo seit 1915 jährlich „The Best American Short Stories” erscheinen. „Beste deutsche Erzähler” – warum eigentlich nicht, sprachlich überzeugender und mutiger, „Die besten deutschen Erzähler”? – nimmt neben Kurzgeschichten allerdings auch Erzählungen auf, zudem ist das Prinzip der Auswahl fundamental verschieden. In „The Best American Short Stories” finden sich nur zuvor in Zeitschriften publizierte Werke, die deutsche Variation des Konzepts enthält dagegen nur Erstveröffentlichungen. Die Aufgabe des deutschen Herausgebers besteht also weniger darin, Geschichten als vielmehr Autoren auszuwählen.
Dieser veränderte Ansatz ist eine Crux. Die „Magie von Namen”, die Winkels beschwört, ist nur ein Versprechen, eingelöst werden muss es durch die Magie der Texte. Gerade die bekanntesten Autoren aber, die der Herausgeber angeschrieben hat, scheint der Anlass eher enerviert als beflügelt zu haben. „Ausflug nach Amerika”, ein Auszug aus Martin Walsers neuem Buch „Meßmers Reisen”, wirkt wie eine Reprise bestimmter Situationen aus dem Roman „Brandung” von 1985.
Weidende Fische im Gewölk
Benjamin von Stuckrad-Barre lässt in „Taxi in der Früh” zwei Herren mit den literarisch beschwerten Namen Schufterle und Schweizer müde und betrunken daherreden. Thomas Meinecke öffnet das Schatzkästlein des postmodernen Bildungsbürgers und plaudert in „Evaline/Konstanze/Claudia/Frieda” über frühe Cover von Roxy Music, die RAF und das Liebesleben von D. H. Lawrence. „Wann kommt Walter?” von Dieter Wellershoff, „Nachts” von Monika Maron und „Meerkaz” von Thomas Hettche sind solide erzählte Routinearbeiten – zum besten, das im Jahr 2003 in deutscher Sprache geschrieben worden ist, gehören sie sicher nicht. Munterer geht es in den Porträts von Käuzen, Außenseitern und seelisch verwundeten Kleinbürgern zu, die Ulrike Kolb in „Onk”, Liane Dirks in „Wie Willy schwand …” und Norbert Scheuer in „Kall, Eifel” entwerfen.
In „Die finnische Ameise” erzählt Peter Glaser von einem jungen Intellektuellen, der plötzlich eine große Idee hat. Worin sie besteht, wird nicht ausgesprochen, nur ihr „langer Schatten” wird erwähnt: eine unüberwindliche „Abneigung gegen Geschichten”, die dem Protagonisten schon das Anhören von Anekdoten zu einer Qual macht. Einzelne Sätze und Sentenzen sind hier von großer Genauigkeit und Schönheit; aber die Details faszinieren mehr als das Ganze.
„Glück ist, wenn ein Gefühl nicht fällt”, heißt es an einer Stelle und an einer anderen: „Niemand wirkt so wenig einsam, wie jemand, der allein in einer Telefonzelle steht und telefoniert. Eine Katze, die einen Menschen telefonieren sieht, ist zu Recht verwirrt: Der Mensch spricht mit einem Ding, verloren an eine Ferne.” Die Schilderung eines Spaziergangs fängt mit wenigen Worten die Stimmung eines heißen Sommernachmittags ein: „Fische weideten in dem Mückengewölk an der Wasseroberfläche, und zwei Ruderinnen schnitten mit ihrem bulimischen Boot durchs Wasser, schnell, synchron, einen wunderbare Maschine. Eine Frau, erschöpft von ihrer Schönheit, schlief auf einer Decke am Ufer.”
Die stärksten Beiträge sind „Der Mann an Noahs Fenster” von Patrick Roth und „Ich schlafe, aber mein Herz wacht” von Katharina Faber, einer Schweizer Autorin, die, obwohl schon Anfang 50, bislang nur wenig kurze Prosa und einen Roman veröffentlicht hat. Der Titel ihrer Erzählung lässt einen kitschigen Erguss à la Susanna Tamaro befürchten .
Aber die schlichte Geschichte – eine Großmutter passt auf ihre zwei Enkel auf, deren Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind, – weitet sich durch die virtuose, multiperspektivische Erzählweise zu einem Miniaturroman, in dem sogar die Toten ihren Platz haben: „Jan treibt frei durch die Straße, seine immer blasseren Konturen werden hin und her geworfen wie die Enden eines vom Wind bewegten Tuchs, er atmet nicht, er blinzelt nicht, er spürt keinen Körper mehr, kein Gewicht und keine Not, keinen Hunger, keinen Durst, und er durchkreuzt schwebend die schönsten Frauen, wenn sie aus ihren Autos steigen oder gegen den Wind angehen. Sie halten ihm ihre Körper hin, und er geht durch sie hindurch ohne ein Empfinden.”
Taugen die „Besten deutschen Erzähler” zur Kanonbildung, setzen sie Maßstäbe? Zumindest in dieser Ausgabe sicherlich nicht.Angenehm überrascht allerdings die allen Autoren gemeine Abneigung gegen Geschwätzigkeit; zu Recht erkennt Winkels in „Konzentration und Aussparung, Raffung und Kürze, Direktheit und szenischer Klarheit durchaus neu entdeckte Tugenden des Erzählens”.
CHRISTOPH HAAS
HUBERT WINKELS (HRSG.): Beste deutsche Erzähler 2003. Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2003. 320 Seiten, 19,90 Euro.
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